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Steuerrecht
10.10.2024
Steuerrecht
BFH: Keine grundsätzliche Bedeutung bei sich in der Entscheidung eines konkreten Einzelfalls erschöpfender Bedeutung der Rechtssache – Darlegungserfordernisse bei der Rüge eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers im Fall eines Abrechnungsbescheids

BFH, Beschluss vom 20.9.2024 – V B 15/23

ECLI:DE:BFH:2024:B.200924.VB15.23.0

Volltext BB-Online BBL2024-2390-7

Amtliche Leitsätze

1. NV: Erschöpft sich die Bedeutung der Rechtssache in der Entscheidung eines konkreten Einzelfalls, vermag dies die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht zu rechtfertigen.

2. NV: Mit der Geltendmachung von Einwendungen gegen die einem Abrechnungsbescheid zu Grunde liegenden Steuerfestsetzungen werden ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler und damit die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) grundsätzlich nicht hinreichend dargelegt.

 

Aus den Gründen

1          Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) entsprechenden Weise dargelegt.

 

2          1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

 

3          a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere beziehungsweise erneute Klärung der Rechtsfrage kann zum Beispiel geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 19.01.2006 - VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709).

 

4          b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

 

5          aa) Der Kläger misst sinngemäß der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, ob ein Urteil Bestand haben kann, das unter Verletzung der Sachaufklärungs- und Amtsermittlungspflicht, unter Missachtung revisiblen Rechts sowie unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung ergangen sei und das ‑‑obwohl Gesetzestext (§ 162 Abs. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) und Rechtsprechung eine Einzelfallprüfung erforderten‑‑ nur eine pauschale Begründung enthalte und sich überwiegend auf die zuvor ergangene Einspruchsentscheidung beziehe. Die Klärung dieser Frage soll nach dem Vorbringen des Klägers "von allgemeinem Interesse" sein, da eine große Zahl von Steuerpflichtigen in einer vergleichbaren Situation ("Schätzung von Einkünften aus Gewerbebetrieb, Verbot der Gläubigerbevorzugung nach Insolvenzrecht, Aufrechnungslage nach Insolvenzantrag und Tabellenanmeldung etc.") sei, und der BFH zu "dieser Problematik" verschiedene Entscheidungen getroffen habe, die aufgrund der Anpassungen in der Insolvenzordnung in der Literatur und von den Finanzgerichten unterschiedlich interpretiert würden.

 

6          bb) Ungeachtet des Umstandes, dass sich aus der nicht näher konkretisierten Inbezugnahme von Entscheidungen des BFH und von Finanzgerichten sowie der "Literatur" nicht ergibt, aus welchen Gründen die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Fragen zweifelhaft oder umstritten sein sollte, sind die von ihm formulierten Fragestellungen im Kern auf die Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung auf ihre verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Richtigkeit im Einzelfall gerichtet; sie weisen keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Kläger für die geltend gemachte Bedeutung für die Allgemeinheit aufgeführten materiell-rechtlichen Problemstellungen auf. Mit solchen Ausführungen kann die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht dargelegt werden (vgl. z.B. allgemein BFH-Beschlüsse vom 28.09.2009 - XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73; vom 03.02.2016 - V B 122/15, BFH/NV 2016, 1062).

 

7          cc) Vergleichbares gilt, soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung im Stile einer Revisionsbegründung weiter ausführt, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zu verschiedenen Grundsätzen, lasse insbesondere die "bekannten Tatsachen" sowie die "gesetzlich geregelte bzw. sich aus Verwaltungsanweisungen ergebende" Gewinnermittlungsart unberücksichtigt, verstoße gegen "sachgerechte Prinzipien" sowie das Gleichheitsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und bejahe entgegen der Gesetzeslage eine Aufrechnung. Auch insoweit wirft der Kläger keine abstrakten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern rügt die Rechtsanwendung des Finanzgerichts (FG) im Streitfall als Einzelfall.

 

8          2. Die Revision ist ebenfalls nicht wegen eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers, der im allgemeinen Interesse einer Korrektur durch das Revisionsgericht bedürfte, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.

 

9          a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte. So verhält es sich, wenn das Urteil auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler, reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 15.12.2016 - V B 102/16, BFH/NV 2017, 631).

 

10        b) Ein derartig schwerer Rechtsfehler ist von dem Kläger nicht dargelegt worden.

 

11        Denn das Vorbringen des Klägers, die Revision sei wegen eines "Verfahrensfehlers" nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da die Schätzung gegen das Willkürverbot verstoße und das Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar sei, der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt) bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt habe und es in keiner Weise erkennbar sei, dass überhaupt und gegebenenfalls welche Schätzungserwägungen vorgenommen worden seien, lässt unberücksichtigt, dass Gegenstand des angegriffenen FG-Urteils ausschließlich ein Abrechnungsbescheid ist. Für einen solchen nach § 218 Abs. 2 AO im Steuererhebungsverfahren zu erteilenden Bescheid ist vom Regelungsinhalt der ergangenen Steuerbescheide ungeachtet ihrer Richtigkeit auszugehen ("formelle Bescheidlage", z.B. BFH-Urteil vom 15.06.1999 - VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46). Deshalb können Einwendungen, die gegen die Steuerfestsetzung selbst erhoben werden sollen, im Abrechnungsverfahren grundsätzlich nicht geltend gemacht werden (z.B. BFH-Urteile vom 22.07.1986 - VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776; vom 04.05.1993 - VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285; vom 17.01.1995 - VII R 28/94, BFH/NV 1995, 580). Dem entspricht die Annahme des FG, dass die Einwendungen des Klägers, es liege eine rechtswidrige und unbillige Festsetzung bei den angeblichen Steuerrückständen vor, für die Beurteilung des angefochtenen Abrechnungsbescheids unbeachtlich seien. Vor diesem Hintergrund sind die von dem Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des im Schätzungswege ergangenen Einkommensteuerbescheids erhobenen Einwendungen grundsätzlich nicht geeignet, die Fehlerhaftigkeit ‑‑geschweige denn eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit‑‑ des FG-Urteils darzulegen.

 

12        Ebenso wenig ergibt sich eine solche Gesetzwidrigkeit aus dem Vorbringen des Klägers, der vorgenommenen Schätzung lägen "prozentuale Abweichungen weit über die Nichtigkeitsgrenze" zu Grunde. Zwar sind nichtige ‑‑und damit unwirksame (§ 124 Abs. 3 AO)‑‑ Steuerbescheide nicht geeignet, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 218 Abs. 1 Satz 1 AO, über deren Verwirklichung bei Streitigkeiten nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden ist, zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.1999 - VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46). Jedoch ist eine Nichtigkeit von auf einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen beruhender Bescheide selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf einer Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen (BFH-Urteil vom 20.12.2000 - I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381). Dass im Streitfall eine Willkürmaßnahme, die ‑‑wie etwa bewusste Schätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen‑‑ mit den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind und die einen besonders schweren Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 AO darstellen können (z.B. BFH-Urteil vom 01.10.1992 - IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259), vorliegt, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Vielmehr beschränkt sich der Kläger ‑‑neben der schlichten Behauptung eines Verstoßes gegen das Willkürverbot‑‑ insoweit  darauf, die fehlende Berücksichtigung tatsächlicher ‑‑vom Kläger lediglich pauschal benannter‑‑ Umstände und der zutreffenden Gewinnermittlungsart, die fehlende Erkennbarkeit der vorgenommenen Schätzungserwägungen sowie eine "Belastung bis zur oberen Grenze des Schätzungsrahmens" zu rügen.

 

13        3. Auch wurde die von dem Kläger geltend gemachte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht hinreichend dargelegt.

 

14        a) Hierzu wäre es insbesondere erforderlich gewesen, einen tragenden abstrakten Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer genau bezeichneten divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüberzustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird. Auch dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, ist darzulegen (BFH-Beschluss vom 30.09.2015 - I B 85/14, BFH/NV 2016, 423).

 

15        b) Bei der Rüge, das FG sei von "früheren BFH-Entscheidungen" abgewichen, fehlt eine solche Gegenüberstellung abstrakter Rechtssätze. So hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung zwar verschiedene Divergenzentscheidungen benannt (u.a. BFH-Urteil vom 22.06.2022 - XI R 46/20, BFHE 277, 26), leitet allerdings aus diesen ‑‑ebenso wenig wie aus dem FG-Urteil, das nach dem Vorbringen des Klägers schlicht "nicht der Gesetzeslage" entsprechen soll‑‑ bereits keine tragenden Rechtssätze ab, so dass hieraus eine Abweichung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre. Vielmehr hält der Kläger im Kern mit seinem Beschwerdevorbringen auch insoweit die Rechtsauffassung des FG für falsch und stellt ‑‑womit die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz nicht erreicht werden kann (z.B. BFH-Beschluss vom 31.01.2024 - IX B 120/22, BFH/NV 2024, 409)‑‑ die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage.

 

16        4. Ebenso wenig ist die Revision wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

 

17        a) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen ‑‑womit offensichtlich ein Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden soll‑‑, indem es eine Nichtigkeit der dem streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid zu Grunde liegenden Steuerbescheide im Sinne des § 125 Abs. 1 AO verneint habe, fehlt es schon an Ausführungen des Klägers dazu, was er auf einen hinreichend konkreten Hinweis oder anderweitige Gewährung rechtlichen Gehörs hin im Einzelnen zusätzlich vorgetragen hätte und inwieweit dieser Vortrag zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte führen können. Eine solche Erläuterung gehört jedoch zu den Voraussetzungen für die Darlegung sowohl eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BFH-Beschluss vom 13.05.2015 - I B 64/14, BFH/NV 2015, 1259) als auch eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 FGO (BFH-Beschluss vom 22.04.2008 - X B 57/07, BFH/NV 2008, 1192).

 

18        b) Auch die geltend gemachte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) wurde nicht gemäß den gesetzlichen Anforderungen dargelegt.

 

19        aa) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung des FG durch Nichterhebung angebotener oder sich aufdrängender Beweise gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt voraus, dass der Kläger die ermittlungsbedürftigen Tatsachen (Beweisthemen), die angebotenen Beweismittel, die genauen Fundstellen (Schriftsatz oder Terminsprotokoll, in denen die Beweismittel benannt worden sind, die das FG nicht erhoben hat), das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwieweit das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, darlegt und ausführt, dass ‑‑sofern die Voraussetzungen des § 295 der Zivilprozessordnung gegeben sind‑‑ bei nächster sich bietender Gelegenheit die Nichterhebung der Beweise gerügt worden ist oder dass die Absicht des FG, die angebotenen Beweise nicht zu erheben, nicht rechtzeitig erkennbar war, um dies noch vor dem FG rügen zu können (BFH-Beschlüsse vom 05.03.2020 - VIII B 30/19, BFH/NV 2020, 778; vom 12.01.2023 - IX B 81/21, BFH/NV 2023, 380).

 

20        bb) Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Dessen Beschwerdebegründung legt weder dar, welche Beweismittel er im Verfahren vor dem FG benannt hat, zu welchem Beweisthema diese gedient hätten und zu welchem möglichen Ergebnis eine Beweiserhebung geführt hätte, noch, welche Ermittlungen sich dem FG auch ohne entsprechenden Antrag hätten aufdrängen müssen. Vielmehr beschränkt der Kläger sich auf die Behauptung, das FG habe "Anscheinsbeweise bzw. offenkundige Tatsachen" nicht berücksichtigt und "konkrete Lebenssachverhalte" nicht aufgeklärt, ohne diese genauer zu bezeichnen.

 

21        5. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.08.2023 weitere Zulassungsgründe geltend macht, können diese keine Berücksichtigung finden, weil aus § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO folgt, dass die Frage, ob die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen genügt, nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 20.09.2022 - VIII B 65/21, BFH/NV 2022, 1281). Spätere Darlegungen sind daher ‑‑abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen‑‑ nicht zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 26.06.2012 - IV B 34/12, BFH/NV 2012, 1621).

 

22        Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO war insoweit nicht zu gewähren. Zwar bittet der Kläger in dem Schriftsatz vom 10.08.2023, die verspätete Ergänzung zu entschuldigen, da eine unerwartet eingetretene Krankheit des Prozessbevollmächtigten mit erheblicher Arbeitsmehrbelastung der Vertretung einhergegangen sei. Ungeachtet der Frage, ob hierin ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 56 Abs. 1 FGO zu sehen ist, rechtfertigen die präsenten und gerichtsbekannten Tatsachen ‑‑was auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen erforderlich ist (BFH-Beschluss vom 13.09.2017 - V B 64/17, BFH/NV 2018, 45)‑‑ eine Wiedereinsetzung nicht. Denn der Senat kann angesichts des zwischen der nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO bis zum 17.05.2023 verlängerten Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und des Eingangs der weiteren Begründung am 10.08.2023 liegenden Zeitraums und mangels Angaben des Klägers zur Dauer der Erkrankung seines Prozessbevollmächtigten bereits nicht beurteilen, ob die weitere Begründung binnen der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AO ‑‑einen Monat nach Wegfall des Hindernisses‑‑ bei Gericht eingegangen ist.

 

23        6. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

 

24        7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

 

 

 

BFH: Energetische Maßnahme gemäß § 35c EStG und Ratenzahlung

BFH, Urteil vom 13.8.2024 – IX R 31/23

ECLI:DE:BFH:2024:U.130824.IXR31.23.0

Volltext BB-Online BBL2024-2390-8

Amtlicher Leitsatz

Der Abschluss einer energetischen Maßnahme im Sinne des § 35c des Einkommensteuergesetzes liegt nicht bereits mit deren Fertigstellung, sondern erst mit der vollständigen Zahlung des Rechnungsbetrags auf das Konto des Erbringers der Leistung vor.

 

Sachverhalt

Strittig ist im Wesentlichen die Berücksichtigung einer Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden gemäß § 35c des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2021 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG für Aufwendungen für energetische Maßnahmen bei dem am 01.01.2001 mit der Herstellung begonnenen und von ihnen bewohnten Einfamilienhaus. Diese Aufwendungen betrafen den Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels bei einer Heizung, die nach der Bestätigung des Installationsunternehmens älter als zwei Jahre war. Die Kosten für die Lieferung und Montage des neuen Gasbrennwertheizkessels im Februar 2021 beliefen sich laut der Rechnung auf 8.118,10 €. Darin enthalten waren auch Kosten für Monteurstunden und Fachhelferstunden. Seit März 2021 zahlten die Kläger gleichbleibende monatliche Raten in Höhe von 200 €. Im Streitjahr 2021 wurden infolgedessen 2.000 € bezahlt.

Das Installationsunternehmen bestätigte den Einbau des Gasbrennwertheizkessels, jedoch nicht den hydraulischen Abgleich. Deshalb wurde im Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 10.03.2023 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG nicht berücksichtigt.

Auch nachdem die Kläger im Einspruchsverfahren die von dem ausführenden Heizungsbauunternehmen unterzeichnete "Bestätigung des hydraulischen Abgleichs unter anderem für die BEG Förderung" vorgelegt hatten, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2023 die Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35c EStG unter Verweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14.01.2021 (BStBl I 2021, 103) ab. Die energetische Maßnahme sei erst dann abgeschlossen, wenn die Leistung tatsächlich erbracht worden sei, die steuerpflichtige Person eine Rechnung erhalten und den Rechnungsbetrag auf ein Konto des Leistungserbringers eingezahlt habe. An dieser Zahlung fehle es im Jahr 2021. Erst mit Begleichung der letzten Rate im Jahr 2024 komme eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG in Betracht.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass zwar alle Voraussetzungen bis auf die vollständige Bezahlung der Handwerkerleistung vorlägen. Eine energetische Maßnahme gelte jedoch erst dann im Sinne des § 35c Abs. 1 Satz 1 EStG als abgeschlossen, wenn nicht nur die Leistung vollständig erbracht sei, sondern der Steuerpflichtige auch eine Rechnung (Schlussrechnung, keine Rechnung über Teilleistungen) erhalten und den gesamten Rechnungsbetrag auf das Konto des Leistungserbringers gezahlt habe. Eine Novation durch Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung verneinte das FG. Demzufolge liege für die Raten, die in 2021 noch nicht gezahlt worden seien, auch kein Abfluss nach § 11 Abs. 2 EStG vor.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision. Die Kläger sind der Ansicht, dass im Streitjahr 2021 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG zumindest auf den tatsächlich gezahlten Betrag in Höhe von 2.000 € anzuerkennen sei. Dem Gesetzeswortlaut "Abschlusses der Maßnahme" sei nicht zu entnehmen, dass die Steuerermäßigung erst zu gewähren sei, wenn der Rechnungsbetrag vollständig gezahlt sei. Das vom Gesetzgeber verfolgte Klimaschutzziel werde verfehlt oder zumindest erheblich verzögert, wenn die steuerliche Förderung erst mit der Zahlung der letzten Rate einsetzen würde. Zudem sei der Steuerpflichtige mit dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung ‑‑wie im Falle einer Bankfinanzierung‑‑ belastet. Dass eine Rechnung erstellt worden sei und der Steuerpflichtige sie unbar bezahlt habe, sei zwar Voraussetzung für die Steuerermäßigung (§ 35c Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG). Aus dem Gesetz ergebe sich allerdings nicht, dass dies im Jahr der bautechnischen Umsetzung erfolgen müsse.

Erstmals im Revisionsverfahren tragen die Kläger vor, dass die Aufwendungen hilfsweise nach § 35a Abs. 3 EStG zu berücksichtigen seien. Ausweislich der Rechnung vom 13.03.2021 sei Arbeitslohn in Höhe von 1.681,47 € in Rechnung gestellt worden, der im Streitjahr 2021 unbar bezahlt worden sei.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG München vom 08.12.2023 - 8 K 1534/23 und die Einspruchsentscheidung vom 12.07.2023 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 10.03.2023 die Einkommensteuer 2021 um 569 € (= 7 % von 8.119 €) zu ermäßigen,

hilfsweise, die streitigen Aufwendungen im Rahmen des § 35a EStG abzuziehen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Gründen

10        II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

 

11        Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Steuerermäßigung nach § 35c EStG nicht in Anspruch genommen werden kann, bevor der Steuerpflichtige eine Rechnung über die förderungsfähige energetische Maßnahme erhalten und den ausgewiesenen Betrag vollständig auf das Konto des Leistungserbringers gezahlt hat. Jedoch konnte das FG über den erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise gestellten Antrag nach § 35a EStG bislang nicht entscheiden.

 

12        1. Nach den Feststellungen des FG liegen im Streitjahr 2021 bis auf die vollständige Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung alle Voraussetzungen für die Steuerermäßigung nach § 35c EStG vor.

 

13        a) Für energetische Maßnahmen an einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Gebäude (begünstigtes Objekt) ermäßigt sich gemäß § 35c Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr um je 7 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um je 14.000 € und im übernächsten Kalenderjahr um 6 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 12.000 €. Voraussetzung ist, dass das begünstigte Objekt bei der Durchführung der energetischen Maßnahme älter als zehn Jahre ist; maßgebend hierfür ist der Beginn der Herstellung. Zu den energetischen Maßnahmen gehören gemäß § 35c Abs. 1 Satz 3 EStG auch die Optimierungen bestehender Heizungsanlagen, sofern diese älter als zwei Jahre sind. Weiter ist Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige das Gebäude im jeweiligen Kalenderjahr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 35c Abs. 2 Satz 1 EStG). Ferner ist Bedingung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen, dass zum einen der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung in deutscher Sprache erhalten hat, die die förderungsfähige energetische Maßnahme, die Arbeitsleistung des Fachunternehmens und die Adresse des begünstigten Objekts ausweist und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist (§ 35c Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 EStG).

 

14        b) Ein Abschluss der energetischen Maßnahme im Sinne des § 35c Abs. 1 EStG liegt nicht vor, bevor die Zahlung des Steuerpflichtigen auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.

 

15        aa) Wann der Abschluss der energetischen Maßnahme nach § 35c Abs. 1 Satz 1 EStG anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber im Einkommensteuergesetz nicht definiert (anders als den Beginn der energetischen Maßnahme in § 52 Abs. 35a Satz 2 und 3 EStG, kritisch hierzu Urban, Finanz-Rundschau 2020, 354, 355).

 

16        bb) Die Finanzverwaltung und Teile des Schrifttums vertreten die Ansicht, dass erst mit der Zahlung des Rechnungsbetrags die energetische Maßnahme abgeschlossen ist.

 

17        (1) Nach dem BMF-Schreiben vom 14.01.2021 (BStBl I 2021, 103, Rz 43, 61) ist die Steuerermäßigung erstmalig in dem Veranlagungszeitraum zu gewähren, in dem die energetische Maßnahme abgeschlossen wurde. Die energetische (Einzel-)Maßnahme ist danach dann abgeschlossen, wenn die Leistung tatsächlich erbracht (vollständig durchgeführt), die steuerpflichtige Person eine Rechnung (Schlussrechnung) erhalten und den Rechnungsbetrag auf das Konto des Leistungserbringers eingezahlt hat.

 

18        (2) Das Schrifttum verweist überwiegend auf die Gesetzesbegründung (BTDrucks 19/14338, S. 22 f.) beziehungsweise auf das BMF-Schreiben vom 14.01.2021 (BStBl I 2021, 103) und fordert für den Abschluss der energetischen Maßnahme die Zahlung des Rechnungsbetrags (Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 35c Rz 13; Schulz in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 35c EStG Rz 8; Strecker in Korn, § 35c EStG Rz 3, 16; Reddig, Neue Wirtschafts-Briefe 2022, 3282, 3297; Reddig in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 35c Rz 26; Maetz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff ‑‑KSM‑‑, EStG, § 35c Rz A6; anderer Ansicht Seifert, Die Steuerberatung 2020, 103, 104 und Nacke, Gestaltende Steuerberatung 2020, 419, die jeweils auf die bautechnische Fertigstellung abstellen). Teilweise wird vertreten, dass eine Restzahlung (wegen einer Streitigkeit beziehungsweise aufgrund eines Gewährleistungseinbehalts, regelmäßig unter 10 %) unschädlich sei (Urban in Bordewin/Brandt, § 35c EStG Rz 232). Sie soll dann rückwirkend nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung für den gesamten Förderzeitraum zu berücksichtigen sein (Urban in Bordewin/Brandt, § 35c EStG Rz 96 ff.).

 

19        cc) Maßgebend für die Interpretation einer Norm ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung anhand des Wortlauts der Norm (grammatikalische Auslegung), anhand des Zwecks (teleologische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 05.04.2022 - VII R 52/20, BFHE 276, 269, Rz 17, m.w.N.).

 

20        (1) Die Wortlautauslegung steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Denn § 35c Abs. 1 Satz 1 EStG spricht von "Abschluss" der energetischen Maßnahme und insbesondere nicht von "Herstellung" oder "Fertigstellung". Damit muss der Begriff "Abschluss" aber nicht allein auf die technische Durchführung der energetischen Maßnahme bezogen werden.

 

21        (2) Historische Erwägungen stützen dieses Auslegungsergebnis. Nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 22.10.2019 zu § 52 Abs. 35a EStG ist die förderungsfähige Einzelmaßnahme abgeschlossen, wenn der Leistungserbringer eine Rechnung erstellt und der Steuerpflichtige die Leistung unbar beglichen hat (vgl. BTDrucks 19/14338, S. 23). Dabei betont der Gesetzgeber das Erfordernis der Rechnung und der Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers. Die Erfordernisse der Rechnung und der unbaren Zahlung dienen ausweislich der Gesetzesbegründung ‑‑wie in § 35a EStG‑‑ der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Förderung legaler Beschäftigungen im Baugewerbe. Diesem Ansatz widerspricht es, wenn man im Jahr 1 der Förderung bereits 100 % des Rechnungsbetrags ansetzen könnte, obwohl gar nicht oder nur teilweise gezahlt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass auch Teil- beziehungsweise Ratenzahlungen des Steuerpflichtigen zu einem Maßnahmenabschluss führen sollen, finden sich in der Gesetzesbegründung nicht.

 

22        (3) Auch aus systematischen Gründen muss es neben der Fertigstellung der (Bau-)Maßnahme auf die Zahlung des Rechnungsbetrags ankommen. Anderenfalls ginge dem Steuerpflichtigen aufgrund des Abflussprinzips (§ 11 Abs. 2 EStG) mindestens einer der drei begünstigen Veranlagungszeiträume verloren, wenn die bauliche Fertigstellung und die tatsächliche Zahlung des (Gesamt-)Rechnungsbetrags in unterschiedliche Veranlagungszeiträume fallen (so auch HHR/Schulz, § 35c EStG Rz 8; BeckOK EStG/Bleschick, 17. Ed. [01.10.2023], EStG § 35c Rz 32; Maetz in KSM, EStG, § 35c Rz A6; Bleschick, Der Ertragsteuerberater ‑‑EStB‑‑ 2020, 142, 143). Zudem müssten bei einem Ansatz der geleisteten Ratenzahlungen in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen mehrere Förderzeiträume berücksichtigt werden, damit dem Steuerpflichtigen nicht ein Teil der Förderung verloren geht. Damit würde der Förderzeitraum entsprechend verlängert und die Abwicklung verkompliziert.

 

23        (4) Der Gesetzgeber hat sich nicht zu einer dauerhaften Förderung entschlossen, sondern die Förderung auf energetische Maßnahmen beschränkt, die vor dem 01.01.2030 abgeschlossen sein werden (§ 52 Abs. 35a Satz 1 EStG). Auch wenn energetische Maßnahmen rechtzeitig durchgeführt werden, kann eine Förderung mangels rechtzeitiger Zahlung entfallen. Dies widerspricht nicht dem Klimaschutzziel des Gesetzgebers, sondern ist eine Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, die Förderung zeitlich zu begrenzen. Im Übrigen handelt es sich bei der Steuerermäßigung in § 35c EStG um eine Subvention (zur Lenkungsfunktion vgl. Maetz in KSM, EStG, § 35c Rz A24, A40: Klimaschutz, Förderung umweltfreundlichen Verhaltens und ökologische Nachhaltigkeit unter gleichzeitiger Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Förderung legaler Beschäftigungen im Baugewerbe). Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, Subventionen für die Zukunft wieder zu streichen.

 

24        (5) Ein Blick auf die Regelungen in § 10e EStG und in § 10f EStG führt zu keinem anderen Ergebnis, obwohl die Regelungen eine ähnliche Struktur aufweisen (dazu Maetz in KSM, EStG, § 35c Rz A16).

 

25        Nach § 10f Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige ‑‑unter weiteren Voraussetzungen‑‑ Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 Prozent wie Sonderausgaben abziehen. Nach § 10e Abs. 1 EStG konnte der Steuerpflichtige von den Herstellungskosten einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden (Bemessungsgrundlage) im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 Prozent, höchstens jeweils 10.124 €, und in den vier darauffolgenden Jahren jeweils bis zu 5 Prozent, höchstens jeweils 8.437 €, wie Sonderausgaben abziehen.

 

26        Zwar ähnelt insbesondere § 10f EStG mit der Formulierung "Abschluss der Baumaßnahme" der Formulierung in § 35c Abs. 1 EStG, jedoch fehlen in beiden Vorschriften die Erfordernisse der Rechnung und unbaren Zahlung.

 

27        2. Nach den dargestellten Grundsätzen ist im Streitfall nicht von einem Abschluss der energetischen Maßnahme auszugehen, weil die Kläger den Rechnungsbetrag im Streitjahr 2021 nach den Feststellungen des FG nicht vollständig auf das Konto des ausführenden Fachunternehmens gezahlt haben.

 

28        a) Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kann der vollständigen Zahlung nicht gleichgestellt werden.

 

29        Zwar kann ein Werklohnanspruch im Wege der Novation grundsätzlich auch durch den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen den Parteien des Werkvertrages und die Annahme der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfüllt werden. Selbst wenn durch die Ratenzahlungsvereinbarung eine solche Novation eingetreten wäre ‑‑was das FG verneint hat‑‑, fehlt es an der erforderlichen unbaren Zahlung gemäß § 35c Abs. 4 Nr. 2 EStG. Denn die Steuerermäßigung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Rechnungsbetrag auf einem Konto des Leistenden bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird (vgl. zur gleichlautenden Regelung in § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG: BFH-Beschluss vom 09.06.2022 - VI R 23/20, BFHE 277, 328, BStBl II 2022, 666; zu § 35c EStG: Bleschick, EStB 2021, 262, 268). Daran fehlt es über die in 2021 gezahlten 2.000 € hinaus.

 

30        Die von den Klägern gewählte Gestaltung ist nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem der Steuerpflichtige ein Darlehen aufnimmt und den Darlehensbetrag auf das Konto des Fachunternehmens überweist oder die Überweisung im Wege eines abgekürzten Zahlungswegs direkt durch die Bank erfolgt. Denn im Fall einer Darlehensaufnahme stand dem Steuerpflichtigen der Betrag ‑‑anders als bei einer Ratenzahlung‑‑ zur Verfügung und die Überweisung auf das Konto des Fachunternehmens hat ihn wirtschaftlich belastet.

 

31        b) Schließlich kann nach den oben dargestellten Grundsätzen auch die in 2021 erfolgte Teilzahlung nicht berücksichtigt werden.

 

32        Für die Ansicht der Kläger spricht insbesondere nicht, dass der Gesetzgeber die steuerliche Begünstigung unabhängig von den individuellen Einkommensverhältnissen des Steuerpflichtigen und somit sozial ausgewogen ausgestalten wollte, um möglichst viele Wohngebäudeeigentümer zu erreichen (BTDrucks 19/14338, S. 1, 21; vgl. auch Maetz in KSM, EStG, § 35c Rz A4). Anhaltspunkte dafür, dass auch einkommensschwache Steuerpflichtige durch die Anerkennung einer Ratenzahlung begünstigt werden sollten, sind mit Blick auf die weiteren Zwecke des Gesetzes (siehe oben) nicht erkennbar.

 

33        3. Soweit die Kläger erstmals im Revisionsverfahren (hilfsweise) einen Antrag nach § 35a EStG gestellt haben, konnte der Senat mangels Feststellungen in der Sache nicht selbst entscheiden. Aus diesem Grund wird die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

 

34        a) Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 €. Der Abzug gilt nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG nur für die Arbeitskosten.

 

35        Die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG setzt gemäß § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG des Weiteren voraus, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.

 

36        b) Der Senat versteht das Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung dahingehend, dass nach Verneinung der Voraussetzungen der Steuerermäßigung gemäß § 35c EStG ein unbedingter Antrag auf Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG gestellt wird. Der Steuerpflichtige muss sich entscheiden, welche Steuerermäßigung er in Anspruch nimmt, weil die Steuerermäßigung nach § 35c EStG gemäß § 35c Abs. 3 Satz 2 EStG subsidiär gegenüber der Steuerermäßigung nach § 35a EStG ist. Der Antrag kann bis zur Bestandskraft des entsprechenden Einkommensteuerbescheids gestellt werden (Schmidt/Krüger, EStG, 43. Aufl., § 35a Rz 30; Kratzsch in Frotscher/Geurts, EStG, § 35a Rz 103).

 

37        c) Bei dem Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels bei einer Heizung handelte es sich um Handwerkerleistungen in dem vorgenannten Sinn. Da dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit steht, sieht der Senat diesbezüglich von einer weiteren Begründung ab.

 

38        d) Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob und in welcher Höhe den Klägern die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG zusteht. Das FG wird Feststellungen dazu treffen müssen, in welcher Höhe Arbeitskosten tatsächlich angefallen sind. Die Kläger gehen von Arbeitskosten in Höhe von 1.681,47 € aus und beziehen sich damit vermutlich auf die Positionen 019, 022, 023 und 024 der Rechnung vom 13.03.2021. Soweit 019 "Entsorgung des alten Heizkessels und Warmwasserspeicher mit Rohren und Isolierung" und 022 "Befüllung der gesamten Heizanlage mit Füllwasser nach VDI2035" betroffen sein sollten, vermag der Senat mangels ausreichender Feststellungen hierzu nicht zu beurteilen, ob es sich hierbei um Arbeitskosten handelt.

 

39        Allerdings dürfte ausgeschlossen sein, dass die Kläger im Wege einer Tilgungsbestimmung beanspruchen können, dass die tatsächlich im Streitjahr gezahlten Beträge in Höhe von 2.000 € vollumfänglich ‑‑und nicht lediglich quotal‑‑ auf die im Rahmen des § 35a Abs. 3 EStG geltend gemachten Kosten angerechnet werden, obwohl die Gesamtrechnung nicht in 2021 beglichen worden ist.

 

40        4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Kostenentscheidung auch bei einem erfolgreichen Hilfsantrag wegen § 137 Satz 1 FGO zulasten der Kläger ausfallen dürfte, da sie den nach § 35a Abs. 3 EStG erforderlichen Antrag erst im Revisionsverfahren gestellt haben.

 

 

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