FG Münster: Kein Betriebsausgabenabzug für spirituelle Dienstleistungen
FG Münster, Urteil vom 22.1.2014 - 12 K 759/13 G,F
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Abziehbarkeit von Zahlungen der Klägerin an Herrn A für spirituelle Dienstleistungen zur Umsatzsteigerung als Betriebsausgaben für die Jahre 2005 - 2010.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die einen Einzelhandel mit Uhren, Edelmetallwaren und Schmuck betreibt. Komplementär mit einem Geschäftsanteil von 51 % ist Herr E 2, Kommanditisten sind Frau E 3 mit 47 % Geschäftsanteil und Frau U mit 2 % Geschäftsanteil. Herr E 2 ist Geschäftsführer der Klägerin.
In den Jahren 2005-2010 wurden folgende - unstreitig an Herrn A gezahlte - Beträge als Betriebsausgaben abgezogen:
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2005
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2006
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2007
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2008
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2009
€ X (€ X netto + X USt) im Jahr 2010
Erfasst waren diese Zahlungen bei der Klägerin auf dem Konto "Provisionen A".
Aufgrund der Außenprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung R (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 17.11.2011) änderte der Bekl. die Bescheide für 2005 bis 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2005 bis 2010 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und erkannte diese Zahlungen nicht mehr als Betriebsausgaben an. Weder seien die Inanspruchnahme noch der betriebliche Erfolg (z.B. Kundenneuzugänge, Umsatzsteigerungen) der Dienstleistung nachgewiesen.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin jeweils Einspruch ein und trug zur Begründung vor, der Zweck der durch Herrn A erbrachten Dienstleistungen sei die Steigerung des Umsatzes der Klägerin gewesen. Aufgrund der Angaben von Herrn A (in seiner Vernehmungen vom 30.10.2009 beim Strafsachenfinanzamt O und in einer weiteren Vernehmung vom 26.01.2010) sei es unzweifelhaft, dass eine betriebliche Veranlassung für die streitgegenständlichen Aufwendungen bestanden habe. Für die Frage der betrieblichen Veranlassung sei es unerheblich, ob die Aufwendungen aus weltlicher Sicht üblich oder zweckmäßig seien.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 08.02.2013, vom 13.02.2013 und vom 24.07.2013 wies der Bekl. die Einsprüche als unbegründet zurück. Es sei nicht feststellbar, ob tatsächlich Leistungen für die Klägerin erbracht worden seien. Herr E 2, der Geschäftsführer der Klägerin, habe Herrn A Mitte der achtziger Jahre als "Patient" kennengelernt. Auch die Familie und die Verwandtschaft des Herrn E 2 sowie einige seiner Mitarbeiter hätten zu dessen Kundenkreis gehört. Die Aufwendungen seien daher durch den Geschäftsführer, Herrn E 2, zumindest privat mit veranlasst gewesen. Eine Aufteilung der geltend gemachten Aufwendungen komme hier nicht in Betracht, da die Klägerin den betrieblich veranlassten Teil der Aufwendungen nicht anhand objektiv nachprüfbarer Kriterien dargelegt habe. Vorliegend seien die von Herrn A an die Klägerin erbrachten Leistungen nicht erkennbar. Objektive Nachweise oder Unterlagen lägen dem Finanzamt nicht vor.
Die dagegen am 08.03.2013 (Az.: 12 K 759/13 G, F) und am 08.08.2013 (Az.: 12 K 2568/13 F) erhobenen Klagen hat der Senat am 05.12.2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden
Die Zahlungen seien nach Auffassung der Klägerin Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), da sie durch den Betrieb der Klägerin veranlasst gewesen seien. Der Zweck der durch Herrn A erbrachten Dienstleistungen sei die Steigerung des Umsatzes der Klägerin gewesen. Dies ergebe sich bereits aus den übereinstimmenden Ausführungen des Herr A und des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn E 2. Wenn die Umsätze der Klägerin schlecht liefen, habe Herr A sich auf Bitten des Geschäftsführers der Klin. mental mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und den Kontakt zu Gott aufgenommen. Dadurch habe Herr A zu erreichen versucht, dass der Umsatz pauschal in die Höhe gehe bzw. mehr Kunden in das Geschäft kämen. Herr E 2 habe jeweils nach einer solchen Dienstleistung eine von ihm frei bestimmte Zahlung / Provision an Herrn A geleistet. Die Zahlungen seien allesamt Pauschalen für die generelle Umsatzverbesserung oder Umsatzerhöhung gewesen.
Dies könne Zeuge A bestätigen.
Es liege in der Natur der Tätigkeit des Zeugen, dass sich diese nicht durch Unterlagen dokumentieren lasse. Insbesondere lasse sich die von ihm geschilderte spirituelle Verbindung "mit dem höchsten Gott" kaum nach Dauer oder Erfolg aufzeichnen.
Unerheblich sei, dass die Klägerin weder die vermittelten Kunden noch die Höhe des jeweils erzielten (Mehr-)Umsatzes habe benennen können. Es sei vielmehr allein Sache des Steuerpflichtigen, Art und Umfang von betrieblichen Aufwendungen zu bestimmen. Die Notwendigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit der Aufwendungen seien ebenso wenig Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug wie der Eintritt des beabsichtigten Erfolges. Auch die Tatsache, dass die Aufwendungen aus weltlicher Sicht ungewöhnlich erschienen, stehe ihrer betrieblichen Veranlassung nicht entgegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aufwendungen objektiv geeignet seien, dem Betrieb zu nützen, komme es allein darauf an, ob das auslösende Moment aus der Sicht des Steuerpflichtigen im betrieblichen Bereich liege.
Ein Rechtssatz, dass Aufwendungen für Leistungen spiritueller Art vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen seien, existiere nicht. Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18.12.1987 (VI R 149/81, BStBl. II 1988, 494) die Versagung von Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG beanstandet, die der Kläger für einen Kurs im Rahmen der "Wissenschaft der Kreativen Intelligenz" zur Weiterbildung zu einem "Gouverneur des Zeitalters der Erleuchtung" geltend gemacht hatte. Auch das Finanzgericht (FG) München habe mit Urteil vom 08.04.2009 (10 K 1309/08, EFG 2009,1297) ein kostenpflichtiges Programm zur Qualifizierung als "Instructor für Meditation und buddhistische Philosophie" als Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG anerkannt.
Auch wenn dem Beklagten die von Herr A erbrachten Dienstleistungen ungewöhnlich erschienen, führe die Klägerin ihren wirtschaftlichen Erfolg auch und gerade in den Jahren der Wirtschaftskrise zu einem ganz erheblichen Teil auf diese Leistungen zurück. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in den betroffenen Jahren so gut wie keine (anderen) Werbemaßnahmen mehr durchgeführt habe, während sie in den Jahren zuvor noch einen Werbeaufwand von € X - X zu verzeichnen gehabt habe.
Eine private Mitveranlassung der Aufwendungen i. S. d. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG durch den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn E 2, scheide aus, weil es auftragsgemäß allein um die Steigerung des Umsatzes der Klin. gegangen sei.
Beweis: A
Auch die Tatsache, dass die Zahlungen von der Klägerin als "Provisionen" bezeichnet worden seien, stehe deren Qualifizierung als Betriebsausgaben nicht entgegen. Maßgeblich sei nicht die Bezeichnung der Aufwendungen, sondern allein die Frage ihrer betrieblichen Veranlassung. Die Zahlungen an Herrn A seien nach der Überzeugung des Geschäftsführers der Klägerin bestimmt und geeignet gewesen, die Umsätze des Betriebes zu steigern. Man habe sich auf die Bezeichnung der Zahlungen als "Provisionen" geeinigt, da diese mit einem höheren Kundenaufkommen verbunden gewesen seien.
Der Klägervertreter beantragt,
1.Herrn A als Zeugen dazu zu hören, dass sich seine Tätigkeit auftragsgemäß auf die Steigerung betrieblicher Umsätze beschränkte.
Für den Fall, dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachgehen sollte, rüge er dies schon jetzt.
2. Er stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.08.2013 (Az.: 12 K 2568/13 F) und
3. beantragt für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar würde die Zweckmäßigkeit der als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendung grundsätzlich nicht gerichtlich überprüft. Da hier aber aufgrund der langjährigen, schon vor den Streitjahren liegenden Kontakte des Herrn E 2 zu Herrn A ein deutliches Indiz für eine private (Mit-) Veranlassung liege, müsse im Hinblick auf § 12 EStG die Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Sphäre nach objektiven Kriterien erfolgen. Solche habe die Klin. nicht vorgetragen.
Die von der Klägerin zitierten Urteile seien im Übrigen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Aufwendungen hier, anders als in den Urteilsfällen, nicht dem Erwerb einer Ausbildung gedient hätten.
Im Übrigen werde auf die Gründe in den Einspruchsentscheidungen verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, insbesondere die Einspruchsentscheidungen und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Der Senat hat am 22.01.2014 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Ausgaben für die spirituellen Dienstleistungen des Herrn A sind keine Betriebsausgaben. Sie mindern weder die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Einkommensteuergesetz
-EStG-) noch den Gewerbeertrag gemäß § 7 S. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG).
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind, § 4 Abs. 4 EStG. Nach dem Regelungsziel des Einkommensteuergesetzes sind Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die - wertende - Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (Bundesfinanzhof -BFH- Beschlüsse vom 4.7.1990 GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817, 823; vom 21.09.2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672, 680). Dabei kann der Steuerpflichtige grundsätzlich frei entscheiden, welche Aufwendungen er für seinen Betrieb tätigen will. Die Höhe der Aufwendungen, ihre Notwendigkeit, ihre Üblichkeit und ihre Zweckmäßigkeit sind für die Anerkennung als Betriebsausgaben grundsätzlich ohne Bedeutung (BFH Urteil vom 04.03.1986 VIII R 188/84, BStBl. II 1986, 373, 374). Wenn jedoch die als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen erfahrungsgemäß (auch) durch die Lebensführung veranlasst sind, kann nicht allein die Erklärung des Steuerpflichtigen für den Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben maßgebend sein, sondern es müssen objektive Anzeichen vorliegen, die auf den vom Steuerpflichtigen erklärten betrieblichen Zweck hinweisen (BFH Urteil vom 23.11.1988, X R 17/86, BStBl. II 1989, 405, 406). Die Grenzen der betrieblichen Veranlassung liegen dort, wo bereits bei objektiver Betrachtung ein sachlicher Zusammenhang mit dem Betrieb nicht mehr begründet werden kann.
Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze stellen die Zahlungen der Klin. für die spirituellen Dienstleitungen keine Betriebsausgaben dar.
Ein objektiver Zusammenhang zwischen den spirituellen Dienstleistungen des Herrn A und Umsatzsteigerungen bei der Klägerin ist für das Gericht nicht erkennbar. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die spirituellen Dienstleistungen des Herrn A sich in irgendeiner Weise auf die Geschäftsvorfälle der Klägerin ausgewirkt haben. Dass die Klin. in den Streitjahren trotz starker Reduzierung ihrer bisherigen Werbeausgaben Umsatzsteigerungen erzielt hat, ist dafür kein hinreichendes Indiz. Die (geringere) Werbung allein könnte schon ursächlich für die Umsätze sein.
Es besteht auch kein wissenschaftlich fundierter und empirisch belegter Erfahrungssatz, dass durch die Kontaktaufnahme zu einem spirituellen Wesen (z.B. Gott) der geschäftliche Erfolg eines Unternehmens (positiv) beeinflusst werden kann. Soweit die Klin. darauf hinweist, dass auch bei anderen Werbemaßnahmen keine konkrete Umsatzsteigerung einer einzelnen Maßnahme zugeordnet werden könne, verkennt sie, dass die generelle Geeignetheit solcher Werbemaßnahmen (z.B. Zeitungsinserate, TV-Spots, etc.) durch vielfältige empirische Untersuchungen belegt ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es bei der Frage der Geeignetheit nicht allein auf die subjektive Überzeugung ihres Geschäftsführers an. Auch wenn dieser von der Betriebsnützlichkeit der spirituellen Dienstleistungen überzeugt gewesen sein sollte, die der Senat mangels objektiver Indizien nicht feststellen konnte, käme ein Betriebsausgabenabzug aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht.
Auch auf die angeführten Urteile (FG München vom 08.04.2009 und BFH vom 18.12.1987 jeweils a. a. O.) kann die Klägerin ihre Rechtsauffassung nicht stützen. Diese Urteile betreffen eine andere Rechtsfrage. Dort ging es jeweils um die Frage, ob eine Lehrgangsteilnahme als Berufsausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu beurteilen ist.
Stehen die streitigen Aufwendungen schon in keinem objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb der Klägerin, so braucht der Senat nicht mehr zu prüfen, ob diese Zahlungen - wie der Bekl. behauptet - auch aufgrund einer privaten Verbundenheit des Geschäftsführers der Klin. zu Herrn A beruhen. Insoweit konnte der Senat von der beantragten Beweisaufnahme absehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Betriebsausgabenbegriff ist durch die Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. vorstehende Urteile) hinreichend geklärt.