FG Köln: Kein Anspruch auf Mitteilung der von einer rumänischen Behörde erteilten Auskünfte
FG Köln, Urteil vom 15.2.2018 – 2 K 465/17
ECLI:DE:FGK:2018:0215.2K465.17.00
Volltext der Liste BB-Online BBL2018-1174-1
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Sachverhalt
Die Beteiligten streiten nunmehr noch über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger über den Inhalt der nach einem Auskunftsersuchen durch die rumänischen Behörden erteilten Informationen in Kenntnis zu setzen.
Ursprünglich betraf das Klageverfahren die Frage, ob der Beklagte berechtigt sei, ein Auskunftsersuchen nach Rumänien weiterzuleiten. Dieser Teil des Rechtsstreits ist inzwischen erledigt.
Am 13.10.2016 stellte das Finanzamt A beim X Landesamt für Steuern das Ersuchen, Auskünfte auf Basis der Richtlinie 2011/16/EU sowie des DBA-Rumänien zu allgemeinen steuerlichen Angelegenheiten sowie zum Einkommen aus unselbständiger Arbeit oder sonstiger persönlicher Tätigkeit einzuholen. Am 28.02.2017 leitete der Beklagte das Auskunftsersuchen an die rumänischen Behörden weiter, welche das Ersuchen beantworteten.
Der Kläger beantragte im Laufe des Klageverfahrens eine Auskunft über die von den rumänischen Behörden erteilten Auskünften.
Diese lehnte der Beklagte ab, woraufhin der Kläger eine Sprungklage erhob, welcher der Beklagte zustimmte.
Die Informationen aus Rumänien seien zu offenbaren. Die Geheimhaltung der den Kläger betreffenden Informationen aus Rumänien verstieße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Anspruch folge aus § 34 BDSG.
Soweit sich der Beklagte zur Frage der Vertraulichkeit von ausgetauschten Informationen auf die Entscheidung des EuGH vom 16.05.2017 in der Sache Berlioz (C-682/15, Celex-Nr. 62015CJ0682) beziehe, verkenne er den Inhalt und die Tragweite der Entscheidung des EuGH. Die Entscheidung befasse sich mit einem anderen Sachverhalt und betreffe ein Bußgeldverfahren. Aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16/EU folge im Übrigen keine Geheimhaltungspflicht. Es handele sich um eine Verwaltungsvorschrift, die nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber verabschiedet worden sei, sondern von den Exekutivvertretern der Mitgliedstaaten. Die Regelung enthalte Bestimmungen zum internen Verhältnis der Behörden zueinander. Sie stelle keine Ermächtigungsgrundlage dar, um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einzuschränken.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den vollständigen Inhalt der erteilten Auskunft durch vollständige Übermittlung einer Abschrift zu informieren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Auskunftsklage sei unzulässig, da der Beklagte nicht der richtige Adressat sei, da die Daten im Rahmen des Auskunftsverkehrs lediglich für die ersuchenden Finanzämter entgegen genommen würden. Der Kläger müsse sich wegen der Auskunft an das zuständige Finanzamt wenden.
Die Auskunft der rumänischen Verwaltung auf das Auskunftsersuchen sei nicht vorzulegen. Zur Begründung werde auf die Entscheidung des EuGH vom 16.05.2017 in der Sache Berlioz (C-682/15) verwiesen. Der Inhalt des Informationsersuchens sei vertraulich. Dies ergebe sich aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16/EU. Dort heiße es, dass Informationen – also insbesondere die Antwort – die nach Maßgabe der Richtlinie übermittelt würden, der Geheimhaltungspflicht unterlägen. Sowohl die Anfrage als solche, als auch die Antwort darauf stellten keine selbständig anfechtbaren Verwaltungsakte dar, sondern seien Teil der Ermittlungstätigkeit der Behörde.
Einem Auskunftsanspruch stünde jedenfalls § 19 Abs. 4 BDSG entgegen, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass der Kläger sein Verhalten an den möglicherweise aus Rumänien übersandten Informationen ausrichten könnte. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch würde die Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 2 AO bei Auslandssachverhalten in sein Gegenteil verkehren.
Der Beklagte könne seinen Auftrag nur dann wirksam erfüllen, wenn die von ihm im Rahmen des Auskunftsverkehrs gesammelten Informationen im Ermittlungsstadium dem jeweils Betroffenen unbekannt blieben. Es sei dem Kläger zuzumuten, abzuwarten, bis möglicherweise aus Rumänien übersandte Informationen im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens ausgewertet würden. Zu diesem Zeitpunkt erfahre der Kläger, welche Informationen übersandt worden seien.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Beklagte ist der richtige Klagegegner. Unstreitig sind die Daten aus der Antwort der rumänischen Behörden bei ihm gespeichert. Unbeachtlich ist insoweit, ob der Beklagte die Ermittlungsmaßnahmen im eigenen Interesse oder für eine Landesfinanzbehörde aufgrund Zuständigkeitszuweisung durchgeführt hat.
2. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich ein Auskunftsanspruch nicht auf § 34 BDSG stützen, da die Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen keine Anwendung findet (vgl. Kamlah in Plath, § 34 BDSG, Rn. 7).
b. Ein Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 BDSG scheidet ebenfalls aus.
Nach dieser Vorschrift ist einem Betroffenen auf Antrag über die zu seiner Person gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen.
aa. Der Anspruch ist Ausfluss des in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich abgesicherten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat ein Betroffener grundsätzlich ein Recht zu wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß (vgl. BVerfG vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83 etc., BVerfGE 65, 1, 42, Volkszählungsurteil). Das Auskunftsrecht trägt auch dem in Art. 19 Abs. 4 GG geregelten Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes Rechnung. Wäre der Bürger gehindert, Kenntnis davon zu erlangen, wer wo über welche seiner personenbezogenen Daten in welcher Weise und zu welchen Zwecken verfügt, so wäre sein Rechtsschutz verfassungsrechtlich unzureichend (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Mallmann in Simitis, § 19 BDSG, Rn. 2 m. w. N.).
bb. Die Auskunft unterbleibt jedoch, soweit gemäß § 19 Abs. 4 BDSG
(1) die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde,
(2) die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder
(3) die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen
und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.
Ein Auskunftsverbot nach Nr. 1 wird angenommen, wenn sich ein Betroffener über den Stand laufender Ermittlungen informieren will, um weitere Feststellungen zu vereiteln oder gezielt beeinflussen zu können. In einem solchen Fall liegt letztlich eine Verdunkelungsgefahr vor, die auch außerhalb der Beteiligung von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden realisiert werden kann (vgl. Mallmann in Simitis, § 19 BDSG, Rn. 85 m. w. N.).
Eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung kann auch dann vorliegen, wenn geheimhaltungsbedürftige Erkenntnisse, Arbeitsweisen oder Methoden bekannt würden (Informantenschutz). Anerkannt worden ist ein Geheimhaltungsinteresse darüber hinaus im Bereich der Informationsgewinnung über Domizilgesellschaften beim Bundesamt für Finanzen (heute Bundeszentralamt für Steuern). Ein Betroffener hat regelmäßig gegenüber dem Bundesamt für Finanzen keinen Anspruch auf die Erteilung einer Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, wenn diese zu dem Zweck gesammelt und ausgewertet werden, um Informationen über Domizilgesellschaften zu erhalten. § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG erfordert insoweit eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der speichernden Stelle und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen (vgl. BFH, Urteil vom 30. Juli 2003, VII R 45/02, BFHE 202, 425, BStBl II 2004, 387).
Das mit der Geheimhaltung seitens der Behörde verfolgte Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern hat laut BVerfG hohes, auch verfassungsrechtliches Gewicht. Es ist im Hinblick auf die Informationssammlung bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) höher zu bewerten, als das Auskunftsinteresse des Einzelnen am Inhalt der über ihn vorgehaltenen Datensammlungen, da bei Bekanntwerden der gesammelten Daten der Datenbestand entwertet würde und die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden erheblich erschwert würden, weil sich ein Steuerpflichtiger an den Kenntnissen der Behörden orientieren und seine Angelegenheiten entsprechend gestalten kann. Aus dem Unterlassen der Informationen entstehen einem Steuerpflichtigen auch keine irreparablen Nachteile, da die Richtigkeit der erhobenen Daten bei Nutzung in einem konkreten Besteuerungsverfahren geprüft werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 2008, 1 BvR 2388/03, BVerfGE 120, 351-377, BStBl II 2009, 23).
ee. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch gemäß § 19 Abs. 1 BDSG auf Offenbarung der Antwort der rumänischen Behörden. Sein Informationsinteresse an den über ihn gespeicherten Daten muss hinter dem Geheimhaltungsinteresse der Finanzverwaltung an den erhaltenen Informationen zurückstehen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG bestünde ansonsten die Gefahr, dass der Kläger in Kenntnis der der Verwaltung bekannten – und vor allem damit auch der unbekannten – steuerlich potentiell erheblichen Umstände seine Angelegenheiten in seinem Sinne gestaltet. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger zumutbar, abzuwarten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang aus Rumänien übersandte Informationen zu einer Änderung der Besteuerung führten. Erst dann sind die entsprechenden Informationen zu offenbaren, damit der Kläger sich entsprechend verteidigen kann.
c. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Auskunftsersuchen gespeicherten Daten aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß Abs. 2 kann die Behörde Auskünfte erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden.
Der Senat lässt offen, ob ein Informationsanspruch gemäß IFG neben dem Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 BDSG bestehen kann, oder ob § 19 Abs. 1 BDSG dem IFG als speziellere Regelung der Betroffenenrechte vorgeht (in diesem Sinne Jastrow/Schlatmann, IFG, Einführung H. I., Rn. 2; BfDI-Info 2 ,S. 8; a. A. Schoch, § 1 IFG, Rn. 373; OVG Schleswig-Holstein, 6.12.2012, 4 LB 11/12, juris).
Ein Informationsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG scheitert jedenfalls an der Ausschlussnorm des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG. Danach besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden haben kann.
Das Bundeszentralamt für Steuern gehört zu den von § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG erfassten Bundesfinanzbehörden (vgl. Schoch, § 3 IFG, Rn. 76). Die Vorschrift dient u.a. dem Schutz der Information, die der Kontrolle des Steuerpflichtigen in Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO dient sowie dem Schutz der Information zur ordnungsgemäßen Erfüllung von Aufsichtsaufgaben. Nach der Gesetzesbegründung würde die Weitergabe von zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Erfüllung der Steuerpflicht vorgehaltenen Informationen an einen Steuerpflichtigen den Kontrollzweck gefährden (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9). Die Vorschrift soll die Finanzbehörden in die Lage versetzen, ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag, Steuern gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, nachkommen zu können (vgl. Schoch, § 3 IFG, Rn. 85). Die Gesetzesbegründung nimmt ausdrücklich Bezug auf die Informationen, die in Datenbanken beim „Bundesamt für Finanzen“ (heute Bundeszentralamt für Steuern) gespeichert sind (BT-Drs. 15/4493, S. 9;). Die Gesetzesbegründung bezieht sich somit ausdrücklich auf die von der Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt bereits ablehnend geklärte Frage, ob ein Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der in der IZA gespeicherten Daten besteht (vgl. BFH, Urteil vom 30. Juli 2003, VII R 45/02, BFHE 202, 425, BStBl II 2004, 387, Verfassungsbeschwerde hiergegen erfolglos: BVerfG, Beschluss vom 10. März 2008, 1 BvR 2388/03, BVerfGE 120, 351-377, BStBl II 2009, 23)).
Damit deckt sich der Schutzzweck von § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren mit dem Normzweck von § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG. Somit ist aus den bereits zu § 19 BDSG dargestellten Gründen eine Informationsweitergabe hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Auskunftsersuchen gespeicherten Daten auch auf Basis von § 1 Abs. 1 IFG an den Kläger ausgeschlossen.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 63 GKG
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.