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Steuerrecht
06.06.2023
Steuerrecht
FG Münster: Kann ein vom Steuerpflichtigen eingeholtes Wertgutachten, in dem die Restnutzungsdauer eines Mietobjekts nach der Immobilienwertverordnung berechnet wird, der Ermittlung der AfA zugrunde gelegt werden?

FG Münster, Urteil vom 27.4.2023 – 1 K 487/19 E, Rev. n. zugelassen;

ECLI:DE:FGMS:2023:0427.1K487.19E.00

Volltext BB-Online BBL2023-1365-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Die Bestimmung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierten AfA-Satz nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG zufriedengibt oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend macht und darlegt, wofür er die objektive Feststellungslast trägt.

2. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten – z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 EStDV), im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 28.7.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rn. 19).

3. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens, insbesondere die Zustandsermittlung von Immobilien mit Hilfe des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen), seitens des Steuerpflichtigen ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer. Auch andere Nachweismethoden, wie die Wertermittlung nach dem Verfahren der Gebäudesachwertermittlung (§§ 21 ff. i. V. m. § 6 Abs. 6 ImmoWertV vom 19.5.2010, BGBl. I 2010, 639) können geeignet sein.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten für das Jahr 2016 (Streitjahr) anlässlich der Absetzung für Abnutzung (AfA) für verschiedene Gebäude über deren Restnutzungsdauer.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Immobilien in F. So ist der Kläger Eigentümer eines vermieteten Vierfamilienwohnhauses in der A-Straße 9. Daneben sind die Kläger jeweils hälftige Miteigentümer mehrerer vermieteter Immobilien, nämlich eines Mehrfamilienwohnhauses (B-Straße 45-47), eines Zweifamilienwohnhauses (C-Straße 27) und eines Sechsfamilienwohnhauses (D-Straße 39).


In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger die AfA für die vermieteten Gebäude nicht anhand der typisierten Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern unter Zugrundelegung einer kürzeren Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Die Ermittlung der AfA-Beträge stellt sich wie folgt dar:

Abb. 1

Abb. 1

Grundlage für die Ermittlung der kürzeren Nutzungsdauer der einzelnen Immobilien waren zu den jeweiligen Grundstücken erstellte Privatgutachten des Herrn Diplom-Sachverständigen (DIA) SV (im Folgenden: sachverständiger Zeuge), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 17 ff. der Akten des Finanzgerichts – FGA –). Der sachverständige Zeuge, der nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert ist, hatte jeweils den Verkehrswert für die einzelnen Immobilien auf der Grundlage der ImmoWertV auf den Stichtag 01.01.2016 ermittelt.

Das vom sachverständigen Zeugen angewandte Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude ist unter Berücksichtigung von Modernisierungen auf der Grundlage von Anlage 4 der SW-RL nicht primär darauf gerichtet, die tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 der für das Streitjahr geltenden Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV – vom 19.05.2010 (BGBl I 2010, 639) sind die nach der ImmoWertV heranzuziehenden Wertermittlungsverfahren vielmehr nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu wählen. Die Restnutzungsdauer ermittelte der sachverständige Zeuge gemäß § 6 Abs. 6 ImmoWertV. Dabei bestimmte er anhand der jeweiligen Nutzungsgruppe (Mehrfamilienhäuser) sowie des Gebäudetyps (Mehrfamilienhäuser bis zu sechs Wohneinheiten) die Gesamtnutzungsdauer mithilfe des Gebäudestandards aus der für die gewählte Gebäudeart unter Standard etablierten üblichen Gesamtnutzungsdauer. Als Restnutzungsdauer ist in erster Annäherung die Differenz aus „üblicher Gesamtnutzungsdauer“ und „tatsächlichem Lebensalter am Wertermittlungsstichtag“ zugrunde gelegt. Die daraus folgende Restnutzungsdauer werde nach Auffassung des sachverständigen Zeugen allerdings dann verlängert (d.h. das Gebäude fiktiv verjüngt), wenn beim Bewertungsobjekt wesentliche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden oder in den Wertermittlungsansätzen unmittelbar erforderliche Arbeiten zur Beseitigung des Unterhaltungsstatus sowie zur Modernisierung in der Wertermittlung als bereits durchgeführt unterstellt worden seien. Zur Bestimmung der Restnutzungsdauer, insbesondere unter Berücksichtigung (zeitnah) durchgeführter wesentlicher Modernisierungsmaßnahmen, sei nach Auffassung des sachverständigen Zeugen das Modell der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen (AGVGA NRW) zwingend vorgegeben, weil danach die vorläufigen Sachwerte und der Marktanpassungsfaktor ermittelt werden.


Unter Berücksichtigung der für jedes Gebäude durchgeführten wesentlichen Modernisierungen ermittelte der sachverständige Zeuge die modifizierte Restnutzungsdauer anhand der Punktrastermethode nach der „Sachwertrichtlinie“ (SW-RL Anlage 4) unter Vergabe sog. Modernisierungspunkte. Die Grundlagen für die Ermittlung der Modernisierungspunkte sind in den Privatgutachten jeweils näher erläutert. Ausgehend von diesen Modernisierungspunkten (bei maximal 20 erreichbaren Modernisierungspunkten) ist dem Gebäude der jeweilige Modernisierungsstandard zugeordnet. Hieraus ermittelte der sachverständige Zeuge die folgenden Restnutzungsdauern:

Abb. 2

Abb. 2

Mit verfahrensgegenständlichem Einkommensteuerbescheid vom 18.07.2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr fest, wobei er von der Steuererklärung insoweit abwich, als dass er nicht die von den Klägern erklärte kürzere Nutzungsdauer, sondern die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung der nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG typisierten Nutzungsdauer der Einkommensbesteuerung unterwarf.

Daraufhin legten die Kläger gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr Einspruch ein (Eingang beim Beklagten: 31.07.2018), mit dem sie weiterhin eine Berücksichtigung der AfA gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG begehrten.

Auf diesen Einspruch änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr mit Bescheid vom 24.01.2019 dahingehend ab, dass der AfA-Satz bei dem Objekt „C-Straße 27“ auf 2,5 % erhöht wurde, da die Fertigstellung des Objektes vor dem 01.01.1925 (1920) erfolgt sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25.01.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zwar könne eine gutachterliche Bestimmung der Restnutzungsdauer zur Ermittlung der AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in Anlehnung an den § 6 Abs. 6 Satz 1 ImmoWertV eine schlüssige Methode darstellen, die wirtschaftliche Restnutzungsdauer eines Gebäudes festzustellen. Zwingende Voraussetzung hierbei sei es jedoch, dass konkrete Umstände dargelegt würden, die auch eine kürzere Nutzungsdauer belegten. Stütze ein Steuerpflichtiger hingegen – wie im Streitfall – die Schätzung der Restnutzungsdauer im Wesentlichen lediglich auf die ImmoWertV sowie die entsprechenden Richtlinien zu ihrer Auslegung, so sei dies als Begründung nicht ausreichend. Der sachverständige Zeuge habe in den von ihm erstellten Gutachten keine konkreten Umstände benannt, weshalb die jeweiligen Vermietungsobjekte eine tatsächlich kürzere oder längere Nutzungsdauer hätten. Es werde lediglich auf die modellkonformen Gesamtnutzungsdauern bzw. fiktiven Restnutzungsdauern Bezug genommen, nicht hingegen auf wertrelevante Bauschäden und Baumängel.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage (Eingang bei Gericht: 18.02.2019) verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die gutachterliche Bestimmung in Anlehnung an § 6 Abs. 6 Satz 1 ImmoWertV sei eine schlüssige Methode, um die wirtschaftliche Restnutzungsdauer eines Gebäudes festzustellen. Außerdem habe der Sachverständige in einer Ergänzung zu seinen Gutachten ausgeführt, dass die Immobilien vor Ablauf der Abschreibungsfrist objektiv wirtschaftlich verbraucht gewesen seien.

Der Beklagte habe nicht vorgetragen, dass die Ermittlung der Restnutzungsdauer fehlerhaft erfolgt sei. Ein Nachweis über den wirtschaftlichen Verbrauch vor Abschreibungsfrist sei von Gesetzes wegen nicht erforderlich. Für die Restnutzung könnten auch keine zukünftigen noch nicht durchgeführten Instandhaltungen und Modernisierungen angesetzt werden. Das Berechnungsmodell nach ImmoWertV lasse zwar die Berücksichtigung zukünftiger Modernisierungen zu. Dies sei aber nur dann sachgerecht, wenn Modernisierungen tatsächlich geplant seien.

Im Laufe des Klageverfahrens haben sich die Kläger Stellungnahmen des sachverständigen Zeugen (Bl. 141 bis 143 sowie Bl. 198 bis 200 FGA) zu Eigen gemacht, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Hierin hat der sachverständige Zeuge u.a. ausgeführt, das Finanzamt habe Bevormundungen und Beckmessereien zu vermeiden. Er habe den Eindruck, dass manche Finanzämter versuchten, gebrauchte Immobilien immer auch wie Neubauimmobilien abzuschreiben. Das sei nicht gesetzeskonform. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sehr wohl ausreichend, die Restnutzungsdauer nach den gesetzlichen Vorgaben herzuleiten.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, zuletzt geändert durch Bescheid vom 24.01.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um insgesamt 25.497 € gemindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die typisierten AfA-Sätze von 2 % bzw. 2,5 % bei jedem Anschaffungsvorgang anzusetzen seien und das tatsächliche Alter eines angeschafften Gebäudes für die typisierte Nutzungsdauer nicht entscheidend sei.

Die Nutzungsdauer sei der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden könne. Die zu schätzende Nutzungsdauer werde durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Auszugehen sei grundsätzlich von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutze. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer könne nur dann zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut tatsächlich vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv verbraucht sei. Ein solcher wirtschaftlicher Verbrauch sei nur dann anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (auch anderweitigen Nutzung) oder Verwertung endgültig entfallen sei. Dabei habe jeder Eigentümer ein grundsätzliches Interesse daran, eine Immobilie instand zu halten, um das Gebäude technisch weiter nutzen und auch zukünftig die für eine rentable Nutzung notwendigen Mieterträge generieren zu können. In Anbetracht dessen seien entsprechende Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur technischen Erhaltung und zur möglichst wirtschaftlichen (rentablen) Nutzung des Gebäudes bei der Schätzung der tatsachlichen Nutzungsdauer zu unterstellen.

Sofern die Klägerseite darstelle, dass eine kürzere Nutzungsdauer der Gebäude bereits dann anzunehmen sei, wenn zukünftig Modernisierungen (Erneuerung der Heizungsanlage, Erneuerungen der Fenster, etc.) anfielen, sei dieser Argumentation nicht zu folgen, da diese für die Schätzung der tatsachlichen Nutzungsdauer des Gebäudes zu unterstellen seien. Die Gutachten des sachverständigen Zeugen ließen bis auf zukünftig anfallende Modernisierungsmaßnahmen keine substantiierten Gründe erkennen, die eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer der Immobilien belegten. Alleine der Umstand, dass es sich bei einem Gebäude um einen Altbau mit nicht mehr zeitgemäßem Wohnungsstandard handele, reiche für sich betrachtet nicht aus, um von der gesetzlichen Typisierung der Nutzungsdauer abzuweichen. Dass sich die Anforderungen an ein zeitgemäßes Wohnen im Laufe der Jahre änderten und dass viele Immobilien nicht mehr dem aktuellen Standard entsprächen, habe der Gesetzgeber bei der Typisierung der Nutzungsdauer berücksichtigt.

Baumängel und Bauschäden wirkten sich in der Regel bereits wertmindernd auf den Kaufpreis einer Immobilie aus, führten aber nicht zwingend zu dem Schluss, dass ein Gebäude in einem Zeitraum unterhalb der typisierten Nutzungsdauer baufällig sein werde oder nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt werden könne. Auch die Notwendigkeit zur Durchführung kostenträchtiger Sanierungsmaßnahmen reiche daher für sich alleine nicht aus, um eine kürzere Nutzungsdauer anzunehmen. Weder die Gutachten, noch die ergänzenden Ausführungen des sachverständigen Zeugen legten substantiierte Gründe dar, die belegten, dass die Immobilien noch vor Ablauf der Abschreibungsfrist wirtschaftlich verbraucht seien. In seiner ergänzenden Stellungnahme verweise der sachverständige Zeuge vielmehr auf betriebswirtschaftliche Überlegungen, die eine kürzere Nutzungsdauer und somit eine höhere Abschreibung hätten belegen sollen. Diese Überlegungen seien bei der Beurteilung einer tatsachlichen kürzeren Nutzungsdauer jedoch nicht entscheidungserheblich. Soweit der sachverständige Zeuge meine, dass aus der laufenden AfA nach den typisierten Abschreibungsgrundsätzen die Wohnungen nicht „am Leben erhalten" werden könnten und daher die Nutzungsdauer der Gebäude zu verkürzen sei, werde dies dem Sinn und Zweck des § 7 EStG nicht gerecht. Dieser liege darin, dass die bereits getätigten Aufwendungen für ein Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr auf die Nutzungsdauer dieses Wirtschaftsgutes verteilt werden sollten. Die Aufwendungen, die sich aus dem Unterhalt oder der Instandhaltung des Wirtschaftsgutes ergäben, blieben für die Betrachtung der Restnutzungsdauer außer Acht. Ebenfalls bei der der Betrachtung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer i. S. des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG unbeachtet bleiben müssten die Überlegungen des sachverständigen Zeugen, dass bei der typisierten Restnutzungsdauer von 2 % bzw. 2,5 % keine ausreichenden Rücklagen gebildet werden könnten, da die Abschreibung für Neubauimmobilien angesetzt worden sei. Die Bildung von angemessenen Rücklagen sei kein geeignetes Entscheidungskriterium für die kürzere Nutzungsdauer des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Auch seien die Abschreibungsbeträge nicht von dem Tilgungssatz des der Finanzierung zugrundeliegenden Darlehns abhängig.

Nichts anderes folge aus dem BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19 (BFH/NV 2022, 108). Der BFH habe trotz der unterschiedlichen Zweckbestimmung der ImmoWertV, die auf die Bestimmung eines Wertes einer Immobilie und nicht primär auf die Ermittlung der tatsächlichen Restnutzungsdauer gerichtet sei, dem Grunde nach keine Bedenken gesehen. Jedoch habe der BFH auch klar ausgeführt, dass aus der gewählten Methode Rückschlüsse auf die zu ermittelnden Determinanten möglich sein müssten. In dem vom BFH entschiedenen Einzelfall habe die wirtschaftliche Restnutzungsdauer anhand der im Sachverständigengutachten, in Ergänzungsangaben und in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht dargelegten konkreten Umstände bis zum Grad der sicheren Überzeugung nachgewiesen werden können. Es reiche somit nicht aus, lediglich auf die Vorgaben der ImmoWertV zu verweisen, sondern es sei unter Darlegung der konkreten Umstände des Einzelfalls nachzuweisen, dass eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer vorliege. Insbesondere sei es erforderlich, den Zustand der tragenden Elemente bzw. der Gebäudesubstanz darzulegen. Die von den Klägern vorgelegten Gutachten würden diesen Anforderungen nicht gerecht. In sämtlichen Gutachten werde die im Rahmen der ImmoWertV vorzunehmende Ermittlung der Restnutzungsdauer lediglich pauschal anhand der typisierenden Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung der Modernisierungspunkte ermittelt. Somit werde letztlich lediglich das Alter unter Berücksichtigung der typisierenden Modernisierungen dargelegt. Etwaige konkrete Umstände (z.B. Schäden) lägen der Ermittlung der Restnutzungsdauer hingegen nicht zugrunde. Besonders deutlich werde dies beim Objekt „B-Straße 45-47“. Ausweislich der Seite 4 des Gutachtens gebe es Schäden im Dachgeschossbereich. Im Übrigen werde auf das Alter der einzelnen Elemente eingegangen. Auf den Seiten 13, 14 und 15 des Gutachtens, auf denen Ausführungen zur Restnutzungsdauer zu finden seien, würden jedoch lediglich die typisierenden Ermittlungen unter Berücksichtigung von Alter und Modernisierungspunkten berücksichtigt, ohne auf die konkreten Umstände einzugehen. So ließen sich keine Ausführungen dazu finden, wie sich die Schäden auf die Restnutzungsdauer auswirkten. Umgekehrt sei nicht berücksichtigt worden, dass trotz des tatsächlichen Alters die Ausstattungsmerkmale in wirtschaftlicher und tatsächlicher Hinsicht im konkreten Fall so beschaffen sein könnten, dass sich hieraus, abweichend von den typisierenden Vorgaben der ImmoWertV, eine längere Nutzungsdauer ergeben könne. Die übrigen Gutachten, welche die anderen Gebäude beträfen, enthielten überhaupt keine Aussagen zu konkreten Schäden und Mängeln, sondern stellten lediglich pauschal auf das Alter des jeweiligen Gebäudes ab. Indes sei es auch nach Auffassung des BFH erforderlich, dass konkrete Umstände dargelegt würden, die eine kürzere Nutzungsdauer belegten. Stütze ein Steuerpflichtiger die Schätzung der Restnutzungsdauer im Wesentlichen lediglich auf die ImmoWertV sowie die auslegenden Richtlinien, sei dies als Begründung nicht ausreichend. Die Gutachten seien nicht von der nach Ansicht des BFH erforderlichen steuerlichen Interpretation der ImmoWertV, sondern vielmehr von unmaßgeblichen betriebswirtschaftlichen Überlegungen getragen. So verkenne der sachverständige Zeuge, dass ein abnutzbares Wirtschaftsgut im Steuerrecht nicht aus der Abschreibung unterhalten werde und aus der Abschreibung auch keine Rückstellungen für den Erwerb eines neuen Wirtschaftsgutes gebildet werden müssten. Darüber hinaus wären bei den Gutachten die zukünftigen Modernisierungen zu berücksichtigen. Jeder Eigentümer habe ein grundsätzliches Interesse daran, eine Immobilie instand zu halten, um das Gebäude technisch weiter nutzen und auch zukünftig die für eine rentable Nutzung notwendigen Mieterträge generieren zu können. In Anbetracht dessen seien entsprechende Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur technischen Erhaltung und zur möglichst wirtschaftlichen (rentablen) Nutzung des Gebäudes bei der Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer zu unterstellen. Auch die ImmoWertV sehe die Möglichkeit vor, unterstellte Modernisierungsmaßnahmen zu berücksichtigen (vgl. Privatgutachten „B-Straße 45-47“, Seite 15). Sofern der sachverständige Zeuge vorgetragen habe, dass keine zukünftigen, noch nicht durchgeführten Instandhaltungen und Modernisierungen angesetzt werden könnten, sei dem entgegenzuhalten, dass selbst das von ihm gewählte Modell diese Möglichkeit vorsehe. Ferner habe der Gutachter am 26.03.2018 und mithin lediglich ein gutes Jahr zuvor in seinem Gutachten betreffend das Objekt „D-Straße 39“ auf Seite 4 selbst dargelegt, dass im Falle eines Modernisierungsstaus die entsprechenden Modernisierungen zu unterstellen seien. So werde in dem Gutachten dargelegt, dass die Heizung aus dem Jahr 1993 sei und damit zu rechnen sei, dass sie jederzeit ausfallen könne. Daher sei zu unterstellen, dass eine neue Heizung eingebaut werde. Auch auf Seite 12 des Gutachtens sei dieser Aspekt erneut zu finden. Alleiniger Anknüpfungspunkt bezüglich der Unterstellung der Maßnahme sei, wie sich aus der Begründung ergebe, das Alter der Heizung. Weshalb bezüglich der übrigen – nach Auffassung des sachverständigen Zeugen – veralteten Ausstattungsmerkmale keine entsprechenden Modernisierungen berücksichtigt würden, sei nicht nachvollziehbar.

Insgesamt sei festzuhalten, dass der BFH die Ermittlung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nach der ImmoWertV zwar grundsätzlich für zulässig erachtetet habe, obwohl der ImmoWertV eine andere Zweckbestimmung zugrunde liege. Wie sich jedoch aus der Rechtsprechung des BFH ergebe, seien aufgrund der verschiedenen Grundannahmen sowohl Anpassungen vorzunehmen als auch konkrete Umstände darzulegen, aus denen sich eine kürzere Nutzungsdauer ergebe. Ein lediglich pauschaler Hinweis auf das jeweilige Alter der Ausstattungsmerkmale, wie er in den Gutachten vorgenommen werde, genügt hingegen nicht.

Des Weiteren rügt der Beklagte, dass entgegen seiner Anregungen nicht noch ein zusätzliches Gutachten eines öffentlich bestellten vereidigten Sachverständigen eingeholt werden solle. Aus Sicht des Beklagten lägen Gründe vor, die geeignet seien, Zweifel an der Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen zu rechtfertigen. Der sachverständige Zeuge werbe auf seiner Internetseite damit, Gutachten zu erstellen, durch die eine höhere Abschreibung belegt werden könne und sich letztlich eine geringere Steuerlast ergebe. Im Laufe des Einspruchsverfahrens sei „im Rahmen eines Telefonats mitgeteilt worden, dass je nach Ausgang des Verfahrens im Fall der Nichtanerkennung der Gutachten die Entgelte der Gutachten zurückgefordert werden würden, da diese den versprochenen Zweck nicht erfüllten.“ Somit sei der sachverständige Zeuge mittelbar persönlich berührt. Eine Parteilichkeit könne nicht objektiv ausgeschlossen werden. Dies werde insbesondere durch die Äußerung des sachverständigen Zeugen im Laufe des Klageverfahrens erhärtet, in dem sich der sachverständige Zeuge nicht nur auf Ausführung hinsichtlich der ImmoWertV und einer etwaigen tatsächlichen Restnutzungsdauer unter Zugrundelegung wissenschaftlicher Methoden beschränke, sondern auch allgemeine steuerrechtliche und steuerpolitische Äußerungen darlege. Insbesondere Äußerungen, dass der sachverständige Zeuge den Eindruck habe, dass manche Finanzämter versuchen würden, gebrauchte Immobilien immer auch wie Neubauimmobilien abzuschreiben (was nach Auffassung des sachverständigen Zeugen nicht gesetzeskonform sei) oder auch der zumindest indirekte Vorwurf des sachverständigen Zeugen, dass die rechtlichen Ausführungen bezüglich des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG durch den Beklagten „Bevormundungen“ und „Beckmessereien“ seien, begründeten ernsthafte Zweifel an der Unparteilichkeit. Nicht zuletzt lege auch die Äußerung des sachverständigen Zeugen, dass es ihm unverständlich sei, weshalb manches Finanzamt meine, es müsse sich nicht an Gesetz und Urteile des BFH halten, dies nahe.

Am 24.02.2021 hat ein Erörterungstermin vor der zuvor zuständigen Berichterstatterin stattgefunden, in dem die Beteiligten erklärt haben, sie gingen übereinstimmend davon aus, dass die tatsächlichen Grundlagen der Gutachtenerstellung (Anschaffungszeitpunkt, Größe der Grundstücke und der Gebäude etc.) nicht in Zweifel gezogen würden. Der Senat hat am 27.04.2023 mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Protokolle Bezug genommen.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), als der Beklagte bei der Ermittlung der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung die typisierten Nutzungsdauern gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG und nicht die von den Klägern erklärten kürzeren Nutzungsdauern gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt hat.

1. a) Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen, § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG); die Absetzung bemisst sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG). Abweichend hiervon bestimmt sich die AfA für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude nach den festen Prozentsätzen des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG; die Regelung stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob den AfA eine die gesetzlich (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG) vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer i.S. des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 17, m. w. N.).

b) Es ist Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer – im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten (vgl. BFH-Urteil vom 11.08.1993 - X R 82/90, BFH/NV 1994, 169) – darzulegen und gegebenenfalls – im Rahmen der ihm obliegenden Feststellungslast - nachzuweisen. Die Würdigung der insoweit von Klägern dargelegten Umstände obliegt dann im Klageverfahren dem Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz (BFH, Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 18, m. w. N.).

aa) Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten – z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 EStDV), im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 19).

bb) Die Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierten AfA-Satz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG zufriedengibt oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend macht und darlegt. Auszugehen ist von der Schätzung des Steuerpflichtigen, solange dieser Erwägungen zugrunde liegen, wie sie ein vernünftig wirtschaftender Steuerpflichtiger üblicherweise anstellt. Da im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen nicht Gewissheit über die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden kann, ist sie nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 20, m. w. N.).

(1) Vor diesem Hintergrund ist etwa die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens, insbesondere die Zustandsermittlung von Immobilien mit Hilfe des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen), seitens des Steuerpflichtigen nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer. Wählt der Steuerpflichtige oder ein von diesem beauftragter Sachverständiger daher aus nachvollziehbaren Gründen eine andere Nachweismethode, kann dies – gegebenenfalls unter Berücksichtigung entsprechender Anpassungen (vgl. BFH-Beschluss vom 19.01.2018 – X B 60/17, BFH/NV 2018, 530) – Grundlage für die im Einzelfall erforderliche Schätzung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer sein, soweit aus der gewählten Methode Rückschlüsse auf die zu ermittelnden Determinanten möglich sind. Da im Rahmen der Schätzung nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer verlangt werden kann, würde eine Verengung der Gutachtenmethodik oder eine Festlegung auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren die Anforderungen an die Feststellungslast überspannen (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 21 f.).

(2) Dabei kann auch das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung (§§ 21 ff. i. V. m. § 6 Abs. 6 ImmoWertV vom 19.05.2010, BGBl I 2010, 639) im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG Anwendung finden. Auch wenn das dabei anwendbare Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen nicht primär darauf gerichtet ist, die tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln, kann ein solches Modell geeignet sein, eine sichere Überzeugung über die im Einzelfall anzuwendenden Schätzungsgrundlagen zu bilden (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108, Rz. 24, zur Anlage 4 der SW-RL). Eine Rechtfertigung, vom (baurechtlichen) Grundsatz der Gleichwertigkeit der Bewertungsverfahren aus steuerrechtlichen Gründen abzuweichen, besteht nicht (vgl. BFH, Urteil vom 20.09.2022 – IX R 12/21, BFH/NV 2023, 186, Rz. 41, zur Wahl der Wertermittlungsmethode bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein Immobilienobjekt in Grund- und Boden- sowie Gebäudeanteil für Zwecke der AfA).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat auf der Grundlage der von den Klägern vorgelegten Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in Bezug auf die streitgegenständlichen Immobilien zutreffend zugrunde gelegt wurde.

a) Die Bestimmung der von der Klägerin zum Abzug begehrten AfA-Beträge nach Maßgabe der vom sachverständigen Zeugen erstellten Gutachten ist nicht zu beanstanden.

aa) Im Streitfall hat der Kläger für jedes der streitgegenständlichen Gebäude Wertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten sowie nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständige vorgelegt. In seine Wertermittlung für die streitgegenständlichen Gebäude musste der Gutachter das Alter und die Restnutzungsdauer des Gebäudes einbeziehen. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat der sachverständige Zeuge aufgrund sachlicher Kriterien jeweils eine – gegenüber § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG abweichende – Restnutzungsdauer ermittelt. Er hat nach Ortsbesichtigung ermittelt, in welchem Zustand Wände, Dächer, Bäder, Fenster und Heizungsanlagen der einzelnen Immobilien waren und Instandsetzungsbedarf aufgezeigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige außerdem erläutert, welche Auswirkungen sowohl durchgeführte als auch durchzuführende Modernisierungen auf die Länge der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer haben und auf welche Weise er die konkrete Restnutzungsdauer ermittelt hatte.

bb) Der Senat folgt den fundierten Ausführungen des sachverständigen Zeugen.

(1) Wie in dem vom BFH entschiedenen Verfahren (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108) hat der sachverständige Zeuge eine modellhafte Ermittlung der Restnutzungsdauer durchgeführt. Wie in dem der BFH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt erfolgte neben der modellhaften Berechnung eine Inaugenscheinnahme der Gebäude, um die Bauweise und etwaige ausstehende Modernisierungs- bzw. Sanierungsarbeiten beurteilen zu können. Der Umstand, dass bei der Ermittlung der Gesamtnutzungsdauer ebenfalls auf eine modellhafte Berechnung entsprechend den Festlegungen der örtlich zuständigen Gutachterausschüsse zurückgegriffen wurde, steht der Anerkennung des Gutachtens nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist – wie bereits ausgeführt – dem Umstand, dass einer vom Gutachter angewandte Ermittlungsmethode lediglich eine modellhafte wirtschaftliche Restnutzungsdauer zugrunde liegt, keine entscheidende Bedeutung beizumessen; der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegung des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten wie technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung und rechtliche Nutzungsbeschränkungen geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen (BFH-Urteil vom 28.07.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108 Rz. 19). So ist der sachverständige Zeuge auch hier vorgegangen, sodass für die Ermittlung der Restnutzungsdauer – anders als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – nicht wesentlich auf die tragenden Elemente des Gebäudes abzustellen ist.

Dies führte im Streitfall zu der – für das Gericht nachvollziehbaren – Einschätzung der Restnutzungsdauern der einzelnen im Eigentum der Klägerin stehenden Gebäude. Insoweit hat der sachverständige Zeuge in der mündlichen Verhandlung insbesondere näher dargelegt, dass er die Restnutzungsdauer entsprechend der allgemeinen Handlungsempfehlungen des AGVGA NRW unter Heranziehung einer allgemein heranzuziehenden Berechnungshilfe ermittelt hat. Dass diese Ergebnisse außerhalb des zulässigen Schätzungsrahmens liegen, ist weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich.

(2) Auch die sonstigen Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch.

(a) Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der sachverständige Zeuge die von ihm begutachteten Mängel und den festgestellten Renovierungszustand bei der Ermittlung der Restnutzungsdauern berücksichtigt. Diese Umstände sind in die jeweilige Ermittlung des Gebäudestandards eingeflossen, der wiederum jeweils Grundlage für die Ermittlung der standardbezogenen Gesamtnutzungsdauer war. Aus der Differenz von standardbezogener Gesamtnutzungsdauer und rechnerischem Gebäudealter ermittelte der sachverständige Zeuge sodann die rechnerische Restnutzungsdauer. Aus dieser wurde unter Berücksichtigung von Modernisierungen die wirtschaftliche Restnutzungsdauer ermittelt. Dies führte im Streitfall zu der – für das Gericht nachvollziehbaren – Einschätzung des sachverständigen Zeugen der jeweils gegebenen Restnutzungsdauer.

(b) Die nachvollziehbaren und glaubhaften Ausführungen des sachverständigen Zeugen in seinen Gutachten werden auch nicht durch andere Umstände in Zweifel gezogen.

(aa) Die Vorschriften zur Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 406 Abs.1 Satz 1, § 42 Abs.1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind auf einen sachverständige Zeugen nicht anwendbar (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 406 Rz. 2).

Der sachverständige Zeuge ist im Verfahren tatsächlich als Zeuge und nicht als Sachverständiger behandelt worden. Zwar ist er als Sachverständiger geladen worden. Ob eine Auskunftsperson im Einzelfall sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger ist, richtet sich jedoch nicht nach der Ladung, sondern nach der tatsächlichen Behandlung im Verfahren (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 414 Rz. 2). Tatsächlich ist der als Sachverständige Geladene in der mündlichen Verhandlung als Zeuge belehrt und vernommen worden, sodass er in dieser Eigenschaft nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden darf.

(bb) Im Streitfall liegen auch keine Umstände vor, die die Glaubhaftigkeit der Gutachten erschüttern.

Der Senat hat nicht feststellen können, dass die vom sachverständigen Zeuge im Nachgang zur Erstellung der Gutachten geäußerte Kritik am Verhalten bzw. an der Rechtsauffassung des Beklagten bereits bei Erstellung der Gutachten maßgeblich war.

Soweit der Beklagte seine Zweifel an den Gutachten darauf gestützt hat, dass der sachverständige Zeuge auf seiner Internetseite damit „werbe“, Gutachten zum Nachweis einer höheren Abschreibung sowie zur Minderung der Steuerlast zu erstellen, begründet dies keinen Umstand, dessentwegen ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme haben kann, der Sachverständige werde sich aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen. Ganz abgesehen davon, dass der Hinweis auf die steuerlichen Folgen eines erfolgreichen Nachweises der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zutreffend ist, ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der sachverständige Zeuge bei der Erstellung seiner Gutachten allein vom Motiv der Erreichung ungerechtfertigter Steuervorteile hat leiten lassen.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der sachverständige Zeuge ausgeführt hat, er habe den Eindruck, manche Finanzämter würden versuchen, gebrauchte Immobilien immer auch wie Neubauimmobilien abzuschreiben, was nicht gesetzeskonform sei, sowie die Äußerung, das Finanzamt habe „Bevormundungen“ und „Beckmessereien“ zu vermeiden. Diese vom Beklagten zum Anlass für die Zweifel an den Gutachten gemachte Äußerung mag als drastisch formuliert bezeichnet werden können, weist jedoch einen sachlichen Bezug zu den zu begutachtenden Tatsachen auf, da der sachverständige Zeuge in diesem Zusammenhang auf finanzgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG Bezug genommen hat (BFH, Urteil vom 28.09.1971 – VIII R 73/68, BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176; FG Köln, Urteil vom 23.01.2001 – 8 K 6294/95, EFG 2001, 675). Seine Äußerung, manche Finanzämter würden versuchen, gebrauchte Immobilien wie Neuimmobilien abzuschreiben und manches Finanzamt würde sich nicht an Recht und Gesetz handeln, verweist der Sache nach auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG und die – nach Auffassung des sachverständigen Zeugen – unangemessen hohen Hürden, die seitens der Finanzbehörden mitunter an den Nachweis der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu stellen seien.

Soweit der Beklagte Gründe für eine „Unparteilichkeit“ des sachverständigen Zeugen darin sieht, dass im Laufe des Einspruchsverfahrens „im Rahmen eines Telefonats mitgeteilt worden [sei], dass je nach Ausgang des Verfahrens im Fall der Nichtanerkennung der Gutachten die Entgelte der Gutachten zurückgefordert werden würden, da diese den versprochenen Zweck nicht erfüllten“, hat er dies nicht substantiiert.

b) Aus den vorgenannten Gründen ergeben sich im Vergleich zu den bisher angesetzten AfA-Beträgen folgende Änderungen:

Abb. 3

▀Abb. 3

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung allgemein anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze. Dass das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22.02.2023 – IV C 3 – S 2196/22/10006:005 (BStBl I 2023, 332, Rz. 24) faktisch die abstrakten Rechtsmaßstäbe des BFH-Urteils vom 28.07.2021 – IX R 25/19 (BFH/NV 2022, 108) modifiziert und der Sache nach einen teilweisen Nichtanwendungserlass zur vorgenannten BFH-Entscheidung darstellt, begründet für sich gesehen ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund (vgl. BFH-Beschluss vom 18.03.2010 – IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627, Rz. 4, m.w.N.).

 

 

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