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Steuerrecht
04.04.2011
Steuerrecht
BFH: Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbstständige Tätigkeit

BFH, Urteil vom 15.12.2010 - VIII R 50/09

Leitsätze

1. Einkünfte aus einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften sind, auch wenn sie von Rechtsanwälten erzielt werden, grundsätzlich den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter die Tätigkeit unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter ausübt, sofern er dabei selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt; insoweit ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG entsprechend anzuwenden (Aufgabe der Rechtsprechung zur sog. Vervielfältigungstheorie).

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GbR mit in den Streitjahren zwei und in der Folgezeit drei Gesellschaftern. Ihre Gesellschafter sind als Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Rechtsanwalt und Notar tätig.

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 1998 bis 2002 überwiegend Einnahmen aus Insolvenzverwaltung und aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften. Die Einnahmen aus Rechtsanwaltstätigkeiten stammten zumeist aus Prozessen, die im Rahmen der Insolvenzverfahren zu führen waren. Als sonstige weitere Tätigkeit wurden Kopien von Gerichtsakten im Auftrag von Versicherungen gefertigt.

Aufgrund einer Außenprüfung im Jahr 2002 für die Jahre 1998 bis 2000 ging das FA davon aus, dass die Einkünfte der Klägerin nicht entsprechend den bisher abgegebenen Feststellungserklärungen und den erklärungsgemäß ergangenen Gewinnfeststellungsbescheiden als solche aus selbständiger Arbeit, sondern aus Gewerbebetrieb zu erfassen seien. Diese Auffassung gründete sich auf folgende Feststellungen:

In den Jahren 1995 bis 2002 übernahmen die Gesellschafter der Klägerin die Betreuung von jährlich insgesamt bis zu 108 Konkurs- und Insolvenzverfahren; dabei entfielen auf die einzelnen Gesellschafter jährlich zwischen 3 und 48 neue Verfahren.

Die Klägerin beschäftigte in den Jahren 1995 bis 2002 (ohne Berücksichtigung von Reinigungskräften, Boten sowie Auszubildenden) durchschnittlich zwischen 5 und 12 Vollzeit-Mitarbeiter, denen im Wesentlichen Zuarbeiten in Insolvenzverfahren, die Ausstellung von Insolvenz-Bescheinigungen, die Mietüberwachung in der Zwangsverwaltung, Buchhaltungsaufgaben, Lohnangelegenheiten, Büroarbeiten und Botendienste übertragen wurden. Zu diesen Mitarbeitern gehörten neben einem Groß- und Außenhandelskaufmann, einem Industriekaufmann und zwei Studentinnen vor allem jährlich bis zu vier Rechtsanwaltsfachangestellte.

Des Weiteren war für die Klägerin in den Streitjahren 1998 bis 2002 der später (am 1.1.2003) aufgenommene Gesellschafter als Referendar mit einer genehmigten Nebentätigkeit von nicht mehr als 8 Stunden pro Woche für Zivilprozesse und gutachterliche Stellungnahmen gegenüber den Insolvenzverwaltern beschäftigt. Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt war er seit Mai 1998 als angestellter Rechtsanwalt für Zivilprozesse mit Spezialisierung auf das Aktienrecht zuständig; im Jahr 2000 war er zu 25 %, im Jahr 2001 zu 50 % und im Jahr 2002 zu 70 % im Insolvenzbereich tätig. Seit Oktober 2002 ist er Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Daneben waren zur Bearbeitung von Anwaltsmandaten - aus allgemeinen Verfahrensangelegenheiten im Insolvenzbereich wie Arbeitsgerichtsverfahren - eine Rechtsanwältin für drei Monate im Jahre 1999, ein Rechtsanwalt in der Zeit von Februar 2000 bis Dezember 2001 sowie eine weitere Rechtsanwältin seit Dezember 2001 tätig.

Die jährlichen Aufwendungen der Klägerin für die Beschäftigung von Subunternehmern sowie die Beauftragung von Versteigerern und Verwertern zu Lasten der Masse betrugen zwischen 1995 und 2002 zwischen 4 000 Euro und 35 000 Euro. Ihre Erlöse in den Jahren 1999 bis 2002 (ohne Anlagenverkäufe) entfielen zu 82 % bis 89 % auf die Insolvenz- und Zwangsverwaltung, zu 10 % bis 17 % auf Rechtsanwaltstätigkeiten sowie zu unter 1 % auf sonstige (unstrittig gewerbliche) Tätigkeiten.

Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung setzte das FA für jedes der Streitjahre den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheiden vom 24.3.2003 (für 1998 und 1999), vom 17.7.2003 (für 2000), vom 8.1.2004 (für 2001) und vom 9.8.2004 (für 2002) fest.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab. Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Gründen

             

13        II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO).

             

14        Zu Unrecht hat das FG die Einkünfte der Klägerin aus der Insolvenz- und Zwangsverwaltertätigkeit ihrer Gesellschafter als solche aus Gewerbebetrieb angesehen und deshalb unter Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin insgesamt gewerbliche Einkünfte angenommen. Entgegen dieser Auffassung sind die Einkünfte der Klägerin aus Insolvenzverwaltertätigkeit als solche aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht gewerbesteuerpflichtig.

             

15        1. Die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters ist nach der Rechtsprechung des BFH eine vermögensverwaltende i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (BFH-Urteile vom 29.3.1961 - IV 404/60 U, BFHE 73, 100, BStBl. III 1961, 306; vom 5.7.1973 - IV R 127/69, BFHE 110, 40, BStBl. II 1973, 730; vom 11.5.1989 - IV R 152/86, BFHE 157, 148, BStBl. II 1989, 729, BB 1989, 1962).

             

16        a) Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn die Tätigkeit - wie im Streitfall - durch Rechtsanwälte ausgeübt wird, weil sie nicht für einen Rechtsanwalt berufstypisch ist (BFH-Urteil vom 12.12.2001 - XI R 56/00, BFHE 197, 442, BStBl. II 2002, 202, BB 2002, 391, mit kritischer Anmerkung Frystatzki, Ertragsteuerberater 2005, 308; Gerling, Festschrift für Greiner, 2005, 41; Verfassungsbeschwerde gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 5.3.2003 - 1 BvR 437/02; BFH-Beschluss vom 14.7.2008 - VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874; a. A. noch RFH, Urteil vom 28.7.1938 - IV 75/38, RStBl 1938, 809 zur Erfassung einer Konkursverwaltung durch einen Rechtsanwalt als anwaltstypische Tätigkeit).

             

17        b) Auch umsatzsteuerrechtlich hat der BFH die Insolvenzverwaltertätigkeit nicht der anwaltstypischen Berufsausübung i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet, weil sie keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit ist (BFH-Urteile vom 3.10.1985 - V R 106/78, BFHE 145, 248, BStBl. II 1986, 213, BB 1986, 653, mit Anmerkung HFR 1986, 254; vom 2.10.1986 - V R 99/78, BFHE 148, 184, BStBl. II 1987, 147, BB 1987, 673).

             

18        c) An dieser Beurteilung ist insbesondere deshalb festzuhalten, weil sich die Tätigkeit als Insolvenzverwalter in den letzten Jahrzehnten zu einem verfassungsrechtlich geschützten - eigenständigen - Beruf entwickelt hat (BVerfG-Beschluss vom 3.8.2004 - 1 BvR 1086/01, DStR 2004, 1670, unter B.III.2.a bb (2); siehe dazu auch Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter, § 1 (2), veröffentlicht vom Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. - VID - unter www.vid.de), bei dessen Ausübung die kaufmännisch-praktische Betätigung, wenn auch unter Verwertung besonderer Wirtschafts- und Rechtskenntnisse, überwiegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 73, 100, BStBl. III 1961, 306 und in BFHE 197, 442, BStBl. II 2002, 202; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 56 Rz. 18). Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wird nicht nur von Rechtsanwälten, sondern auch von Angehörigen anderer freier Berufe wie etwa Steuerberatern ausgeübt (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2009 - 7 K 3041/07 G, F, EFG 2010, 495). Sie kann aber auch von anderen geeigneten Personen ausgeübt werden. Denn zum Insolvenzverwalter ist nach § 56 Abs. 1 InsO eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die vom Insolvenzgericht aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Auch die Bestellung des Zwangsverwalters durch das Vollstreckungsgericht gemäß §§ 150 ff. des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 20.5.1898 (RGBl. 1898, 369, 713) ist nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt.

             

19        d) Die Zuordnung der Tätigkeiten des Insolvenz- und des Zwangsverwalters zur sonstigen selbständigen Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und nicht zur rechtsanwaltstypischen Tätigkeit ist ferner deshalb geboten, weil es andernfalls zu einer nicht begründbaren Ungleichbehandlung zwischen hauptberuflichen Insolvenz- und Zwangsverwaltern aus dem Kreis der freien Berufe i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einerseits und solchen käme, die nicht diesen Berufen angehören (ebenso BFH-Urteile vom 15.6.2010 - VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl. II 2010, 906, und vom 15.6.2010 - VIII R 14/09, BFHE 230, 54, BStBl. II 2010, 909 zur Zuordnung der Tätigkeit von Berufsbetreuern zu den Einkünften i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG; gl. A. die herrschende Auffassung im Schrifttum: Kanzler, FR 1994, 114; Durchlaub, ZInsO 2002, 319; Gosch, Steuerliche Betriebsprüfung 2002, 86; Grashoff, DStR 2002, 355; Hutter, NWB Fach 3, S. 11971; Kempermann, FR 2002, 391; Maus, ZInsO 2002, 251; Schmittmann, Steuern und Bilanzen 2002, 384; Strahl, BB 2002, 603; Welsch, DZWIR 2002, 114).

             

20        2. Die danach - selbst bei Ausübung durch Rechtsanwälte - den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnende Insolvenzverwaltertätigkeit ist entgegen der Auffassung des FA nicht wegen der Beteiligung qualifizierter Mitarbeiter an der Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren als gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 EStG zu beurteilen.

             

21        a) Allerdings hat der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG an der sog. Vervielfältigungstheorie festgehalten. Sie liegt der vom RFH für alle Berufe i. S. des § 18 EStG entwickelten Rechtsauffassung zugrunde, nach der auch die sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG grundsätzlich persönlich - d. h. ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte - ausgeübt werden muss (BFH-Urteile vom 13.5.1966 - VI 63/64, BFHE 86, 305, BStBl. III 1966, 489 mit zustimmender Anmerkung Gollub, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 18, Rechtsspruch 388; vom 25.11.1970 - I R 123/69, BFHE 101, 215, BStBl. II 1971, 239; vom 11.8.1994 - IV R 126/91, BFHE 175, 284, BStBl. II 1994, 936, BB 1994, 2256; in BFHE 197, 442, BStBl. II 2002, 202: Umkehrschluss aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG; gl. A. Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz. 108; Schmidt/Wacker, EStG, 29. Aufl., § 18 Rz. 23; Kanzler, FR 1994, 114; FG Köln, Urteil vom 13.8.2008 - 4 K 3303/06, EFG 2009, 669, rechtskräftig).

             

22            Gerechtfertigt worden ist diese Rechtsprechung damit, dass die Vervielfältigungstheorie zwar aufgrund der Neufassung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1960 (StÄndG 1960) vom 30.7.1960 (BGBl. I 1960, 616, BStBl. I 1960, 514) auf Angehörige der freien Berufe nicht mehr anzuwenden sei, dass sie jedoch für die sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG weiterhin Bedeutung habe. Der Grund dafür liege darin, dass die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfassten Tätigkeiten ihrer Natur nach einer kaufmännischen Beschäftigung näher stünden als die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufe (so die BFH-Entscheidung in BFHE 175, 284, BStBl. II 1994, 936, m. w. N.).

             

23        b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat, auf den die alleinige Zuständigkeit für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit übergegangen ist, nach erneuter Prüfung nicht mehr fest.

             

24        Weder der ursprünglichen Fassung des Gesetzes (EStG 1934) noch derjenigen durch das StÄndG 1960 lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für Berufe i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG in einer nach Art der Tätigkeit unterschiedlichen Weise beurteilt sehen wollte.

             

25        aa) Vielmehr ist die vom RFH auf der Grundlage des EStG 1934 entwickelte Vervielfältigungstheorie zur grundsätzlichen Unvereinbarkeit qualifizierten Mitarbeitereinsatzes mit dem „Wesen" des freien Berufs (RFH-Urteile vom 8.3.1939 - VI 568/38, RStBl 1939, 577; vom 3.2.1943 - VI 264/42, RStBl 1943, 434) in ständiger Rechtsprechung - auch des BFH - gleichermaßen auf Berufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 wie auf Nr. 3 EStG angewandt worden (vgl. insbesondere zu Hausverwaltern als Vermögensverwalter i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG BFH-Urteile vom 1.12.1955 - IV 395/54 U, BFHE 62, 120, BStBl. III 1956, 45; vom 13.5.1966 - VI 63/64, BFHE 86, 305, BStBl. III 1966, 489). Folgerichtig hat die Rechtsprechung deshalb ihre (hohen) Anforderungen an die höchstpersönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeiten auf der Grundlage des EStG 1934 unterschiedslos für jedwede Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 EStG formuliert.

             

26        bb) Diese grundsätzliche Gleichbehandlung freiberuflicher Tätigkeiten nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung zu § 18 Abs. 1 EStG 1934 hat der Gesetzgeber auch mit dem StÄndG 1960 nicht aufgegeben. Vielmehr hat er der Vervielfältigungstheorie insgesamt mit der Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG zur zulässigen Beschäftigung von Mitarbeitern die Grundlage entzogen. Ein Auffassungswandel des Gesetzgebers hin zu einer beabsichtigten Ungleichbehandlung der Berufe i.S. des § 18 Abs. 1 EStG kann weder dem systematischen Standort dieser Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG allein (so aber die BFH-Entscheidung in BFHE 175, 284, BStBl. II 1994, 936, m. w. N.) noch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift im Übrigen entnommen werden.

             

27        (1) Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des StÄndG 1960.

             

28        Anlass für die Neuregelung waren die als unbefriedigend empfundenen Grenzen der Vervielfältigungstheorie (vgl. BRDrucks 174/58), ohne dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien einen unterschiedlichen Handlungsbedarf für den Einsatz von Mitarbeitern im Bereich des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einerseits und der Nrn. 2 und 3 der Regelung andererseits gesehen hat. Dafür spricht, dass die (Neu-)Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG allein durch die Prüfbitte des Bundesrates an die Bundesregierung - ohne Beschränkung auf Teile der Einkünfte aus selbständiger Arbeit - veranlasst wurde,       ob und inwieweit im Rahmen des damals geltenden Rechts das       Vervielfältigungsverfahren durch ein anderes       Abgrenzungsverfahren ersetzt werden könne (BRDrucks 174/58). 

             

29        Ebenso zeigt die Begründung zum Entwurf des StÄndG 1960 - BTDrucks III/1811, S. 12 - (nur) den Willen des Gesetzgebers, mit dem StÄndG 1960 diese Bitte - ohne ausdrückliche Beschränkung auf Teile des Anwendungsbereichs des § 18 EStG - aufgreifen zu wollen. Dementsprechend spricht er ausdrücklich von der "neuen Abgrenzung" und macht keinerlei Aussagen zur Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit der Neuregelung im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG.

             

30        (2) Auch der Zweck der durch das StÄndG 1960 geschaffenen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG spricht für ihre Geltung in Bezug auf alle Tatbestände des § 18 EStG. Die Regelung sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass die Vervielfältigungstheorie aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und des damit verbundenen Zwangs zur Spezialisierung überholt war (Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz. 55). Dieses Argument gilt indes in gleicher Weise für die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Berufsgruppen und insbesondere für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters, die sich, wie dargelegt, heute zu einem eigenständigen Beruf verselbständigt hat (siehe oben unter II.1.c).

             

31        (3) Ferner spricht der aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG („aus sonstiger selbständiger Arbeit") erkennbare begrenzte Zweck dieser Norm, lediglich den Kreis der gewerbesteuerfreien Tätigkeiten gegenüber den Regelungen in den Nrn. 1 und 2 zu erweitern, ebenfalls dagegen, die Mitarbeit fachlich vorgebildeter Hilfskräfte im Anwendungsbereich der Nr. 3 anders als im Anwendungsbereich der Nr. 1 zu beurteilen. Entsprechendes gilt für die Regelung in Nr. 2 sowie die Erweiterung des § 18 Abs. 1 EStG um die Nr. 4 durch das Gesetz zur Förderung von Wagniskapital vom 30.7.2004 (BGBl. I 2004, 2013), bei der die Problematik eines Einsatzes von Hilfskräften ersichtlich weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmaterialien angesprochen worden ist.

             

32        cc) Auf dieser Grundlage kann allein aus der Stellung der Regelungen der Sätze 3 und 4 in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht im Umkehrschluss auf die Unzulässigkeit des Einsatzes qualifizierter Mitarbeiter bei sonstiger selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG geschlossen werden. Ein solcher Umkehrschluss käme nur in Betracht, wenn sachliche Gründe für eine solche Unterscheidung bestünden. Ein sachlich begründbares Differenzierungsmerkmal für eine Ungleichbehandlung zwischen einem zulässigerweise nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG Mitarbeiter beschäftigenden Rechtsanwalt und einem Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter ist jedoch nicht ersichtlich (vgl. Stahlschmidt, BB 2002, 1727, m. w. N.).

             

33        Für eine solche Differenzierung allein auf die kaufmännische Prägung der Insolvenzverwaltertätigkeit abzustellen (so noch BFH-Urteil in BFHE 175, 284, BStBl. II 1994, 936; Gollub, a. a. O., § 18, Rechtsspruch 388) berücksichtigt schon nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber selbst diese Tätigkeit - trotz ihrer kaufmännischen Prägung - ausdrücklich nicht den gewerblichen, sondern den Einkünften nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zugeordnet hat. Insoweit wird zu Recht darauf hingewiesen, dass manche freien Berufe i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ebenfalls trotz kaufmännischer Ausrichtung, wie z. B. beratende Volks- und Betriebswirte, uneingeschränkt nach Maßgabe der Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG qualifizierte Personen beschäftigen dürfen, ohne den Charakter freiberuflicher Tätigkeit zu gefährden (Stahlschmidt, BB 2002, 1727).

             

34        Das in der bisherigen Rechtsprechung angeführte Argument, die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfassten Tätigkeiten stünden ihrer Natur nach einer kaufmännischen Beschäftigung näher als die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufe (so die BFH-Entscheidung in BFHE 175, 284, BStBl. II 1994, 936, m. w. N.), spricht bei näherer Betrachtung sogar gegen den bisher von der Rechtsprechung gezogenen Umkehrschluss und für eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG auch in den Fällen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Grundsätzlich ist es nämlich für alle Einkunftsarten des EStG unerheblich, ob der Steuerpflichtige die Einkünfte durch persönliche Tätigkeit oder durch den Einsatz von Mitarbeitern erzielt. Lediglich für die freien Berufe, die typischerweise durch eine besondere Ausbildung, eine besondere Qualifikation und ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber herausgehoben sind, hat die ursprünglich vom RFH begründete Rechtsprechung den Einsatz von Mitarbeitern durch die Vervielfältigungstheorie eng begrenzt. Wenn der Gesetzgeber des StÄndG 1960 diese Begrenzung für die freien Berufe als überholt angesehen und durch die offenere Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG ersetzt hat, so muss diese Erleichterung erst recht für die weniger herausgehobenen und eher kaufmännisch geprägten Tätigkeiten i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG gelten. Denn Anlass für die Entwicklung der Vervielfältigungstheorie war der herausgehobene Status der freien Berufe, der den Tätigkeiten i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG gerade nicht zukommt.

             

35        dd) Die danach gebotene entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG für Tätigkeiten i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG entspricht auch dem Gebot verfassungskonformer Auslegung.

             

36        Denn ein nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG sachlich begründetes Differenzierungsmerkmal für eine Ungleichbehandlung zwischen einem Freiberufler, der nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG qualifizierte Mitarbeiter steuerunschädlich beschäftigen kann, und einem Insolvenzverwalter oder anderen Vermögensverwalter i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist nicht ersichtlich.

             

37        3. Die somit auch für Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter als Vermögensverwalter i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zulässige Mitarbeit fachlich Vorgebildeter setzt allerdings voraus, dass der Berufsträger trotz solcher Mitarbeiter weiterhin seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausübt.

             

38        a) Diesem Erfordernis entspricht eine Berufsausübung nur, wenn sie über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist (BFH-Urteile vom 29.7.1965 - IV 61/65 U, BFHE 83, 154, BStBl. III 1965, 557; vom 5.6.1997 - IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl. II 1997, 681, BB 1997, 2206 Ls) und die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet (BFH-Urteil vom 11.9.1968 - I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl. II 1968, 820; BFH-Beschluss vom 7.10.1987 - X B 54/87, BFHE 151, 147, BStBl. II 1988, 17, BB 1988, 324 Ls; BFH-Urteil vom 30.9.1999 - V R 56/97, BFHE 189, 569, BB 1999, 2656; BFH-Beschluss vom 31.8.2005 - IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48, m. w. N).

             

39        Nur unter diesen Voraussetzungen trägt die Arbeitsleistung - selbst wenn der Berufsträger ausnahmsweise in einzelnen Routinefällen nicht mitarbeitet - den erforderlichen „Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 1.2.1990 - IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl. II 1990, 507, BB 1990, 1113; vom 21.3.1995 - XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl. II 1995, 732, BB 1995, 1727; vom 14.3.2007 - XI R 59/05, BFH/NV 2007, 1319).

             

40        b) Ob diese Voraussetzungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsorganisaton einer Insolvenzverwalter- oder Zwangsverwalterpraxis wie auch der Zahl der betreuten Verfahren und der Zahl qualifizierter Mitarbeiter vorliegen, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegt. Diese Würdigung ist jeweils nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls und den Besonderheiten des jeweiligen Berufs vorzunehmen (BFH-Entscheidung vom 7.5.1997 - V B 112/96, BFH/NV 1997, 800).

             

41        c) Die Maßstäbe für die Würdigung der vom FA und dem FG festzustellenden Tatsachen zur Mitarbeiterbeteiligung werden dabei insbesondere bei Ausübung der Insolvenzverwaltertätigkeit im Wesentlichen dadurch bestimmt, was nach den Regelungen der InsO zu den höchstpersönlich auszuführenden Aufgaben eines Insolvenzverwalters gehört.

             

42        aa) Dabei eröffnet das Leitbild der Insolvenzverwaltung als kaufmännisch-praktische Tätigkeit unter Verwertung besonderer Wirtschafts- und Rechtskenntnisse (vgl. BFH-Urteil in BFHE 73, 100, BStBl. III 1961, 306) einen umso größeren Spielraum für die Beschäftigung von Mitarbeitern, je mehr es um einfachere kaufmännisch-praktische Tätigkeiten geht. Je mehr die Insolvenzverwaltertätigkeit dagegen Grundentscheidungen in der Durchführung des Insolvenzverfahrens betrifft und damit eher besondere Wirtschafts- und Rechtskenntnisse erforderlich macht, spricht dies für die Notwendigkeit höchstpersönlicher Tätigkeit des Berufsträgers.

             

43        bb) Mit Blick auf dieses Leitbild ist zu beurteilen, inwieweit typische Insolvenzverwaltertätigkeiten (vgl. dazu FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.6.2007 - 4 K 2063/05, EFG 2007, 1523) durch den jeweils bestellten Insolvenzverwalter höchstpersönlich vorzunehmen sind oder im Rahmen eigenverantwortlicher und leitender Tätigkeit des Insolvenzverwalters auf Mitarbeiter übertragen werden können.

             

44        cc) Dabei trägt schon die insolvenzrechtliche Vergütungsordnung vom 19.8.1998 (BGBl. I 1998, 2205) dem Umstand Rechnung, dass es für einen Insolvenzverwalter regelmäßig faktisch unmöglich ist, alle kaufmännischen Einzelakte persönlich auszuüben (vgl. Smid, DZWIR 2002, 265). Deshalb sieht sie ausdrücklich die Übertragung einzelner Geschäfte auf Dritte vor, indem sie den Vergütungsanspruch danach differenziert, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter in Ausübung seines Amtes selbst handelt (Verrichtungen vornimmt) oder ob und inwieweit er sich dabei Dritter bedient (Smid, DZWIR 2002, 265). Die danach berufstypische Übertragbarkeit etwa der Verwertung der Masse auf Dritte weist aus, dass der Kernbereich der Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Wesentlichen durch die Organisation der Verfahrensabwicklung im Ganzen gekennzeichnet ist und eine Übertragung von Einzelgeschäften bei der Verwertung der Masse und bei der sonstigen Abwicklung unter Genehmigungsvorbehalt des Insolvenzverwalters nicht ausgeschlossen ist.

             

45        dd) Danach ist für die Abgrenzung von zulässiger Mitarbeiterbeschäftigung und gebotener höchstpersönlicher Berufsausübung des Insolvenzverwalters entscheidend, ob Organisation und Abwicklung des Insolvenzverfahrens insgesamt den „Stempel der Persönlichkeit" desjenigen tragen, dem nach § 56 InsO das Amt des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht übertragen worden ist.

             

46        Dies erfordert, dass die Entscheidungen über das „Ob" bestimmter Einzelakte im Rahmen des Insolvenzverfahrens wie z. B. die Führung eines Anfechtungsprozesses oder die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses, die Entscheidung über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern sowie die Entscheidung über die Art der Verwertung der Masse durch den Insolvenzverwalter persönlich zu treffen sind. Auch die zentralen Aufgaben des Insolvenzverwalters wie die Berichtspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss (§§ 58 Abs. 1 S. 2, 69, 79, 152, 156 InsO), seine Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans nach § 218 InsO auf entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) wie auch die Schlussrechnungslegung (§ 66 InsO) muss er unbeschadet etwaiger Zulieferungs- und Hilfsarbeiten seiner Mitarbeiter im Wesentlichen selbst vornehmen.

             

47        Hat er Entscheidungen dieser Art (höchstpersönlich) getroffen, bleibt seine Tätigkeit auch dann eine solche i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn er das „Wie", nämlich die kaufmännisch-technische Umsetzung dieser Entscheidung wie z.B. die anwaltliche Durchführung eines Prozesses, die Kündigung bzw. Abwicklung der Entlassung von Arbeitnehmern oder die Verwertung der Masse durch Versteigerung auf Dritte überträgt. Denn der Gesetzgeber hat in der InsO für diese kaufmännisch-technischen Abwicklungsmaßnahmen, anders als für die Berichtspflichten nach den §§ 58 Abs. 1 S. 2, 156 InsO, keine höchstpersönliche Wahrnehmung durch den Insolvenzverwalter vorgeschrieben (vgl. zu diesen Abwicklungsmaßnahmen auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil in EFG 2007, 1523). Sie können mithin entsprechend § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG qualifizierten Hilfspersonen übertragen werden (vgl. Smid, DZWIR 2002, 265; Schmid, DZWIR 2002, 316).

             

48        ee) Auf dieser Grundlage kann allein aus der Anzahl der für einen Insolvenzverwalter tätigen Hilfspersonen nicht abgeleitet werden, inwieweit der Insolvenzverwalter seine Aufgaben selbständig und höchstpersönlich wahrnimmt. Deshalb kann nicht allein wegen der Beschäftigung von mehr als einem (gleich) qualifizierten Mitarbeiter die gewerbliche Qualifizierung der Einkünfte des Insolvenzverwalters gefolgert werden (Mitlehner, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung 2002, 190; Leibner, DZWIR 2002, 273; Stahlschmidt, BB 2002, 1727). Dies gilt umso mehr, als die Insolvenzverwaltertätigkeit als kaufmännisch-praktische Aufgabe (BFH-Urteil in BFHE 73, 100, BStBl. III 1961, 306) weniger durch einen „persönlichen Dienst am Kunden" als vielmehr durch eine Vielzahl von Einzelgeschäften und einen dadurch bedingten hohen Mitarbeitereinsatz geprägt wird (vgl. zu diesem Unterscheidungskriterium BFH-Entscheidungen in BFH/NV 1997, 800; in BFHE 183, 424, BStBl. II 1997, 681; in BFH/NV 1998, 224; in BFHE 189, 569; vom 30.8.2007 - XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280; vom 21.1.1999 - XI B 126/96, BFH/NV 1999, 822 - jeweils zum Pflegedienst).

             

49        Deshalb hat ein Insolvenzverwalter die erforderlichen höchstpersönlichen Organisations- und Entscheidungsleistungen im Regelfall selbst bei einer Mehrzahl beschäftigter qualifizierter Personen erbracht, wenn er über das „Ob" der einzelnen Abwicklungsmaßnahmen in jedem der von ihm betreuten Verfahren entschieden hat.

             

50        4. Nach diesen Grundsätzen ist nach Maßgabe der tatsächlichen Feststellungen des FG die im Streitfall ausgeübte Insolvenzverwaltertätigkeit ebenso wie die Zwangsverwaltertätigkeit als (sonstige) selbständige Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu beurteilen.

             

51        a) Die gegenteilige Auffassung des FG gründet sich allein auf die Feststellung, dass Gegenstand der Tätigkeit der angestellten Rechtsanwälte und sonstigen Hilfspersonen nicht nur vorbereitende und mechanische, sondern auch Fachwissen erfordernde qualifizierte Arbeiten waren und die Gesellschafter der Klägerin damit von aufwendigen Tätigkeiten ihrer Insolvenzfälle entlastet wurden. Eine solche Entlastung überschreitet indessen nur dann die durch § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG gezogenen Grenzen, wenn Entscheidungen über Art und Umfang von Tätigkeiten betroffen sind, die vom Insolvenzverwalter höchstpersönlich wahrzunehmen sind (Entscheidungen über das „Ob" bestimmter Abwicklungsmaßnahmen entsprechend den Ausführungen unter II.3.c dd) und deren Überlassung an Mitarbeiter mithin nicht mehr dem Gebot leitender und eigenverantwortlicher Berufsausübung i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG entspricht.


             

52        Eine solche Aufgabenverschiebung der Gesellschafter hin zu den angestellten Mitarbeitern hat das FG nicht festgestellt; sie ist auch den Akten im Übrigen nicht zu entnehmen. Insbesondere kann nicht allein aus der Höhe der Erlöse aus der Insolvenzverwaltertätigkeit auf eine solche Aufgabenverschiebung geschlossen werden. Vielmehr ist aufgrund der bereits im Verfahren vor dem FG wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat unstreitig gebliebenen Struktur der Insolvenzfallbearbeitung mit einem Gesellschafter sowie einem angestellten Anwalt und einer weiteren Angestellten je Insolvenzfall sowie angesichts der jährlich zwischen 3 und 48 Fällen zu bearbeitenden Zahl kein Ansatz für die Annahme zu sehen, die Gesellschafter hätten ihre jeweilige Tätigkeit nicht eigenverantwortlich und leitend i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausgeübt.

             

53        b) Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die unstreitig erzielten gewerblichen Einkünfte der Klägerin beeinträchtigt, weil der Anteil dieser Einkünfte weniger als 1 % betrug und damit nach Maßgabe der Rechtsprechung innerhalb der Bagatellgrenze von unter 1,25 % bleibt, die eine Anwendung der Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausschließt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 11.8.1999 - XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl. II 2000, 229, BB 1999, 2175; vom 28.10.2008 - VIII R 73/06, BFHE 223, 218, BStBl. II 2009, 647).

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