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Steuerrecht
07.12.2017
Steuerrecht
FG Köln: Insolvenzordnung: Zur Abgrenzung von Aufklärungsmaßnahmen zu Verwaltungshandeln

FG Köln, Urteil vom 11.10.2017 – 9 K 3566/14

ECLI:DE:FGK:2017:1011.9K3566.14.00

Volltext: BB-Online BBL2017-2967-2

→Das FG hat die Revision zugelassen.

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 rechtmäßig ist, insbesondere ob die streitige Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit darstellt.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A – im Folgenden Herr A –. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am .... Juli 2012. Der Insolvenzschuldner war früher ... selbstständig tätig. Ab dem .... Juli 2012 ist er rechtskräftig mit einem Berufsverbot belegt. Für die Kanzlei wurde ab dem .... Oktober 2012 Herr W zunächst als Vertreter und später als Praxisabwickler bestellt.

Beim Finanzamt B wurde unter der Steuernummer 1 die A KG i. L. – im Folgenden KG – geführt. Diese Gesellschaft reichte bis einschließlich Oktober 2012 beim Finanzamt B Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Hierin erklärte die KG steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 118.280 € und Vorsteuern i.H.v. 5.142,78 €. Auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung entfielen Umsätze in Höhe vom 75.338,25 € und Vorsteuern i.H.v. 3.314,40 €. Die Voranmeldungen waren nicht vom Komplementär der Gesellschaft, Herr C, unterzeichnet. Dieser teilte gegenüber der Finanzverwaltung mit, die KG habe keine Beratungstätigkeiten aufgenommen. Ein aktiver Geschäftsbetrieb sei nicht geführt worden. Es habe sich während der gesamten Zeit um eine inaktive Gesellschaft gehandelt.

Im Rahmen einer bei der KG durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam das Finanzamt B zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft keinen Geschäftsbetrieb entfaltet habe. Steuerpflichtige Umsätze seien Herrn A als Einzelunternehmer und nicht der Gesellschaft zuzurechnen. Hiervon abweichend kam das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D – im Folgenden Steuerfahndung – zu der Auffassung, dass die in Rede stehenden Umsätze nicht dem Einzelunternehmer A, sondern der KG zuzuordnen seien, weil diese im Außenverhältnis gegenüber den Mandanten als Vertragspartner aufgetreten sei.

Da weder der Kläger als Insolvenzverwalter noch der Kanzleivertreter des Insolvenzschuldners im Streitjahr Umsätze erzielt hatten, gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärung 2012 ab. Eine Freigabe von Vermögen im Sinne des § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung – InsO – erklärte der Kläger gegenüber dem Insolvenzschuldner nicht.

Aufgrund der Rechtsauffassung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung des Finanzamts B ging der Beklagte davon aus, dass nicht die KG, sondern der Insolvenzschuldner die streitigen Umsätze erzielt habe. Auf Basis der für die KG eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen schätzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2012 daher mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 auf 6.330,41 € und vertrat insoweit die Rechtsauffassung, es handle sich um eine Masseschuld. Wegen der Einzelheiten wird auf den Umsatzsteuerbescheid verwiesen (Bl. 33 der Prozessakte).

Hiergegen hat der Kläger, an den dieser Bescheid gerichtet war, am 17. Oktober 2014 Einspruch eingelegt. Zur Begründung trug er vor, der Insolvenzschuldner sei mit einem Berufsverbot belegt worden. Daher habe dieser die Umsätze allenfalls über andere Gesellschaften getätigt. Er – der Kläger – habe keine Kenntnis darüber, ob der Insolvenzschuldner berufsverbotswidrig weiterhin eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Erträge seien nicht zur Masse gelangt. Er gehe davon aus, dass sich der Insolvenzschuldner an das Berufsverbot halte und keine selbständige Tätigkeit ausführe.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. November 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voranmeldungen seien nicht vom Komplementär der KG unterzeichnet worden. Daher liege die Vermutung nahe, dass es sich um Umsätze des Insolvenzschuldners aus eigener Tätigkeit handele. Das gelte umso mehr, als die Unterschrift auf den Umsatzsteuervoranmeldungen der Unterschrift des Insolvenzschuldners entspreche.

Der Kläger habe ausreichende Anhaltspunkte dafür gehabt, dass der Insolvenzschuldner auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin seine selbständige Tätigkeit unter anderem unter dem Namen der KG, an der der Insolvenzschuldner als Kommanditist beteiligt gewesen sei, ausgeübt habe. In einem Protokoll zum Insolvenzverfahren vom .... März 2013 habe der Kläger selbst geschrieben, dass das Urteil des Landgerichts E, mit dem dieses Gericht dem Schuldner ein Berufsverbot erteilte habe, ab dem .... Juli 2012 rechtskräftig geworden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt und nach seiner Kenntnis auch über diesen Zeitpunkt hinaus habe der Insolvenzschuldner Leistungen erbracht. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die KG nach Aussage des alleinigen Komplementärs C keinerlei Mandate gehabt habe. Dies bedeute, dass Herr A die KG lediglich als Abrechnungsstelle nutze und sämtliche Forderungen, die über die KG abgerechnet worden seien, eindeutig Herrn A persönlich zuzurechnen seien. Sie gehörten daher zur Insolvenzmasse. Das gleiche gelte für die A UG.

Unerheblich sei auch, dass der Insolvenzmasse bislang keine Erträge aus der Tätigkeit des Insolvenzschuldners zugeflossen seien. Hierzu könne sich der Kläger insbesondere nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2010, X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114, berufen. Danach sei eine Masseverbindlichkeit nicht „in anderer Weise“ nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet, wenn der Insolvenzschuldner eine Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausübe und die entsprechenden Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangt seien. Die beiden „Tatbestände“ müssten kumulativ vorliegen. Da die Tätigkeit des Insolvenzschuldners dem Kläger im Streitfall bekannt gewesen sei, komme es auf den Massezufluss nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen (Bl. 27 der Prozessakte).

Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Insolvenzschuldner sei von Beginn des Insolvenzverfahrens an in keiner Weise bereit gewesen, Auskünfte zu erteilen und in irgendeiner Form mitzuwirken. Auf seinen Antrag hin habe der zuständige Gerichtsvollzieher die Geschäftsräumlichkeiten des Insolvenzschuldners durchsucht und einige wenige Unterlagen sichergestellt. Danach habe das Insolvenzgericht die Vorführung des Insolvenzschuldners angeordnet. Ein von ihm am 14. März 2013 gestellter umfangreicher Fragenkatalog sei vom Insolvenzschuldner erst in diesem Termin zur Auskunftserteilung beantwortet worden. Anhand der Auskünfte, wegen derer auf die Niederschrift über den Vernehmungstermin vom .... November 2013 verwiesen werde, habe er – der Kläger – keinerlei nachvollziehbaren Erkenntnisse über die Einkünfte des Insolvenzschuldners gewinnen können. Daraufhin habe das Amtsgericht D am .... November 2013 einen Haftbefehl gegen den Insolvenzschuldner erlassen, der vorläufig außer Vollzug gesetzt worden sei.

Das Berufsverbot gegen den Insolvenzschuldner sei am .... Juli 2012 rechtskräftig geworden. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Insolvenzschuldner nicht mehr befugt gewesen, als ... tätig zu sein. Nach der Aussage des Insolvenzschuldners im Vernehmungstermin vom .... November 2013 habe dieser für seine Person keine Mandate betreut, Honorare seien ihm nicht zugeflossen. Der Insolvenzschuldner habe ferner angegeben, für die KG Mandate bearbeitet, von dieser Gesellschaft jedoch kein Geld erhalten zu haben. Vor diesem Hintergrund bleibe unklar, wie der Beklagte zu der Rechtsbehauptung komme, Umsätze der KG müssten dem Insolvenzschuldner steuerrechtlich zugerechnet werden.

Sein Schreiben vom 18. März 2013, auf das sich der Beklagte berufe, sei ein Schriftstück hinsichtlich der „Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners gemäß § 97 InsO“ gewesen. Hierin habe er lediglich die Sachverhalte zusammengefasst, die aus seiner Sicht noch aufklärungsbedürftig gewesen seien. Das Schriftstück habe der Insolvenzrichterin zur Vorbereitung der am .... November 2013 durchgeführten Vernehmung des Insolvenzschuldners gedient. Unter II Z. 5 habe er unter der Überschrift „offene Forderungen“ Sachverhalte dargestellt und dabei nur aufklärungsbedürftige Vermutungen ausgesprochen. An anderer Stelle habe er lediglich wiedergegeben, was der Komplementär C erklärt habe. Daraus habe er sodann die Vermutung abgeleitet, dass der Insolvenzschuldner die KG lediglich als Abrechnungsstelle genutzt haben könnte. Der diesbezügliche Sachverhalt bleibe für ihn nach wie vor ungeklärt.

Nach der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 12. Mai 2010 sei es zur Bejahung einer Masseverbindlichkeit erforderlich, dass die Masse tatsächlich vermehrt werde. Im Streitfall sei der Insolvenzmasse kein Vermögen zugeflossen, so dass auch die hierauf entfallenden Steuern keine Masseverbindlichkeit darstellen könnten. Auch definiere § 35 InsO nur den Begriff der Insolvenzmasse. Ob eine Verbindlichkeit Masseverbindlichkeit sei, beurteile sich nach § 55 InsO. Umsatzsteuerrechtlich seien Umsätze erst dann erzielt, wenn die entsprechenden Gelder tatsächlich der Insolvenzmasse zugeflossen seien.

Der Beklagte gehe zu Recht davon aus, dass der Insolvenzschuldner bis zum Oktober 2012, dem Zeitpunkt bis zu dem er für die KG Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben habe, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erwirtschaftet habe. Nach dem Stand der Ermittlungen habe die KG nur auf dem Papier existiert und dem Insolvenzschuldner wie eine Strohfrau gedient. Die praktische Abwicklung der Mandate lasse den einzigen Schluss zu, dass der Insolvenzschuldner seine Mandate als ... unter dem Deckmantel der KG weiter betreut und abgewickelt habe. Auch die Finanzverwaltung in B sei offenbar von dieser Tatsache ausgegangen, weil sie nie Gewinnfeststellungsbescheide erlassen habe.

Hinsichtlich der Frage, ob die Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit darstelle, müsse der Beklagte jedoch die rechtlichen Grundsätze des BFH beachten. Danach seien Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten, die durch Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet würden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

Die Annahme des Beklagten, er – der Kläger – habe derartige Verwaltungsmaßnahmen ergriffen, sei nicht zutreffend. Insbesondere sei es fehlerhaft, alle Vorbereitungsmaßnahmen, die für die Feststellung des Sachverhalts und die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen erforderlich seien, als Verwaltungsmaßnahmen im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren. Insbesondere der Umstand, dass sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht habe aufklären lassen, rechtfertige es, irgendwie geartete Masseverbindlichkeiten zu verneinen. Einer Aufklärung eines Sachverhalts fehle der rechtsgeschäftliche Charakter, sie könne daher keine Ansprüche Dritter gegen die Insolvenzmasse begründen.

Das gelte im Streitfall umso mehr, als die maßgeblichen Aufklärungsmaßnahmen, die vom Beklagten als Verwaltungshandeln im Sinne des § 55 InsO angesehen würden, nach Entstehung der Steuerschuld vorgenommen worden seien.

Denn in der Rechtsprechung des BFH sei der Grundsatz anerkannt, dass eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO nicht begründet werde, wenn der Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausübe und die entsprechenden Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangt seien (zuletzt: BFH-Urteil vom 16. April 2015, III R 21/11).

Er habe in seinem Gutachten vom 14. Juni 2012 lediglich feststellen können, dass der Insolvenzschuldner alleiniger Kommanditist der KG gewesen sei. Er habe ausgeführt, dass ihm die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Gesellschaft nicht bekannt seien. Auch in seinem Bericht zur Gläubigerversammlung vom .... September 2012 habe er nur ausführen können, dass er keine weiteren neuen Erkenntnisse habe. Aufgrund der am .... Dezember 2012 durchgeführten Durchsuchung habe er mit Schreiben vom .... Dezember 2012 erstmals den Verdacht äußern können, dass der Insolvenzschuldner offensichtlich unter der KG tätig sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch keinerlei Kenntnisse darüber gehabt, dass dieser sich der KG in seiner Tätigkeit als ... bedient habe. Folglich sei er – der Kläger – 2012 in tatsächlicher Hinsicht gar nicht in der Lage gewesen, eine selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners entsprechend § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben. Gesicherte Erkenntnisse über die Tätigkeit von Herrn A habe er erst viel später und nach Entstehung und Fälligkeit der streitigen Umsatzsteuer erlangt. In der Zeit davor sei er wegen des gegen Herrn A rechtskräftig verhängten Berufsverbots und der Einsetzung des Herrn W zum Vertreter des an der Berufsausübung langfristig gehinderten Insolvenzschuldners davon ausgegangen, dass Herr A keine Mandate betreue. Das gelte umso mehr, als Herr A während des bisherigen Insolvenzverfahrens in keiner Weise an der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt habe. Als Insolvenzverwalter habe er bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen dürfen, dass ein mit einem Berufsverbot belegter Insolvenzschuldner sich gesetzeskonform verhalte.

Soweit sich der Beklagte auf die Bestimmung des § 35 Abs. 2 InsO berufe, übersehe er, dass es bei der Beurteilung nur auf den Kenntnisstand im Jahr 2012 ankomme und nicht auf die im Rahmen späterer Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse. Eine wirksame Freigabe hätte nur im Veranlagungszeitraum 2012 vor Abgabe der Steuererklärung erfolgen können. Denn das alleinige Dulden einer selbstständigen Tätigkeit durch einen Insolvenzverwalter führe nur dann zur Haftung der Masse, wenn den Insolvenzverwalter eine Rechtspflicht zum Handeln treffe. Ein insoweit pflichtwidriges Unterlassen setze die Kenntnis des Insolvenzverwalters oder zumindest die Erkennbarkeit hinsichtlich der beruflichen Betätigung des Insolvenzschuldners voraus. Habe der Insolvenzverwalter vom Handeln des Schuldners keine Kenntnis, entstünden Masseverbindlichkeiten nicht (BFH ZIP 2010, 2040).

Zudem entspreche es der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der maßgeblichen insolvenzrechtlichen Literatur, dass die aus den Geschäften des Schuldners entstehende Umsatzsteuer nur dann zu einer Masseverbindlichkeit werden könne, wenn der Neuerwerb die Masse tatsächlich vermehrt habe. Fließe der Insolvenzmasse kein Vermögen zu, könne die Umsatzsteuer auch nicht über die Bestimmung des § 35 InsO zu Masseverbindlichkeit werden (BFH ZIP 2010, 2014; Karsten Schmidt/Büttner, InsO, 19. Aufl., § 5, Rn. 5). Denn die Frage, ob eine solche vorliege, bestimme sich nicht nach § 35 InsO, sondern allein nach § 55 InsO.

Abschließend sei zu erwähnen, dass im Streitfall erhebliche Zweifel daran bestünden, ob die Insolvenzmasse das richtige Steuersubjekt sei. Die Bestellung des W zum Vertreter des Herrn A habe zur Folge, dass neben der Insolvenzmasse ein Sondervermögen entstehe, auf das er als Insolvenzverwalter keinen Zugriff habe. Die Einnahmen des Insolvenzschuldners aus seiner Tätigkeit als .... hätten daher Herrn W als Vertreter und in der Folgezeit Abwickler der Kanzlei des Herrn A zugestanden. Aus diesem Grunde habe Herr W als Verwalter des Sondervermögens auch die Lasten, und damit auch die Umsatzsteuer, zu tragen.

Nachdem der Beklagte dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 11. Oktober 2017 übergeben hat, beantragt der Kläger,

den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 11. Oktober 2017 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. November 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

verfahrensrechtlich:

Herrn A unter Hinweis auf das Protokoll zum Erörterungstermin (Bl. 66 der Akte) zur ladungsfähigen Anschrift, beizuladen,

die A KG, vertreten durch den Komplementär C, Anschrift laut Schriftsatz vom 26. Juni 2017, beizuladen,

Herrn W beizuladen;

in der Sache:

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, es ergäben sich im Streitfall ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf die Mehrung der Insolvenzmasse gerichtete Maßnahmen ergriffen habe. Hierzu zählten nicht nur Handlungen, die unmittelbar auf die Auszahlung eines Gewinnanteils (betreffend die in dem Parallelverfahren 1 K 3462/14 anhängige Einkommensteuer) gerichtet seien, sondern auch alle Vorbereitungsmaßnahmen, die für die Feststellung des Sachverhalts und die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen erforderlich seien. Im Streitfall habe das Insolvenzgericht auf Antrag des Klägers eine Postsperre verhängt, mit der Begründung, der Kläger komme bei der Frage der Beteiligungen des Schuldners an zahlreichen Unternehmen nicht voran. Die Postsperre habe unter anderem dem Zweck gedient, die wirklichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners im Zusammenhang mit seinen Gesellschaftsbeteiligungen und damit auch der KG, aufzuklären. Ferner habe der Kläger am .... Oktober 2012 zur Aufklärung des Sachverhalts die Erteilung einer auf die Durchsuchung der Wohnungs- und Geschäftsräume des Insolvenzschuldners gerichtete Vollstreckungsklausel nach § 148 Abs. 2 InsO beantragt. Der Kläger habe bereits im Dezember 2012 mit dem Komplementär der KG, Herrn C, schriftlich Kontakt aufgenommen und Mandantenlisten sichergestellt, die auch die KG beträfen. Diese habe er angeschrieben, um über den wahren Sachverhalt informiert zu werden. Eine Mandantin der KG, Frau F, habe sich am .... Mai 2013 an den Kläger gewandt und um Mitteilung gebeten, an wen sie eine Rechnung über ...leistungen zahlen solle. Am .... April 2014 habe der Kläger das Amtsgericht D (Insolvenzgericht) gebeten, den Insolvenzschuldner nach § 97 InsO zur Auskunftserteilung anzuhalten und erforderlichenfalls den bestehenden Haftbefehl vom 25. November 2013 in Vollzug zu setzen. Das alles zeige, dass der Kläger nachhaltig versucht habe, die Verhältnisse der KG aufzuklären, woraus deutlich werde, dass er auf die aus dieser Tätigkeit erzielten Erlöse nicht habe verzichten wollen.

Demgegenüber seien die Kriterien, die der BFH im Urteil vom 18. Mai 2010, X R 11/09 für die Ablehnung eines Masseanspruchs aufgestellt habe, nicht erfüllt. Hiernach sei für die Ablehnung einer Masseverbindlichkeit erforderlich, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter keine Kenntnis von der Tätigkeit des Insolvenzschuldners gehabt habe. Demgegenüber habe der Kläger bereits in seinem Gutachten vom 29. Mai 2012 auf Seite 19 ausdrücklich auf die Beteiligung des Insolvenzschuldners an der KG hingewiesen. Zwar sei das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 9. Dezember 2016, 7 K 1860/16, zu der Auffassung gelangt, dass die Kenntnis des Insolvenzverwalters von einer Tätigkeit des Insolvenzschuldners dann nicht zu Masseverbindlichkeiten führe, wenn der Insolvenzschuldner die Einnahmen gegenüber dem Insolvenzverwalter verheimliche. Diese Rechtslage sei jedoch keinesfalls eindeutig. So habe der 7. Senat des Finanzgerichts Köln die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Finanzverwaltung habe hiervon aus anderen Gründen keinen Gebrauch gemacht.

Da die Insolvenz nach dem 01. Juli 2007 eröffnet worden sei, finde im Übrigen § 35 Abs. 2 InsO uneingeschränkt Anwendung. Das bedeute, der Kläger hätte gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift dem Insolvenzschuldner gegenüber erklären müssen, ob Vermögen aus einer selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehöre und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht würden. Zu diesen Ansprüchen gehörten auch Verbindlichkeiten des Schuldners (BFH-Urteil vom 8. September 2011, II R 54/10). Solange der Insolvenzverwalter keine Erklärung im Sinne des § 35 Abs. 2 InsO abgebe, sondern stattdessen die Tätigkeit dulde, entstünden Masseverbindlichkeiten mit der Folge, dass die Masse für Steuerforderungen aus dieser Tätigkeit einzustehen habe.

Der Auffassung der Steuerfahndung, dass das Tätigwerden des Insolvenzschuldners der KG zuzurechnen sei, neige auch das Finanzamt zu. Allerdings habe der Liquidator der KG, Herr Alfons C, vorgetragen, die KG könne nicht als Unternehmer angesehen werden. Herr C habe ausgesagt, die KG habe keine Beratungstätigkeiten aufgenommen. Ein aktiver Geschäftsbetrieb sei nicht geführt worden. Es habe sich während der gesamten Zeit um eine inaktive Gesellschaft gehandelt. Etwaige von dem nicht zu Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigten Herrn A abgerechnete Leistungen könnten der KG nicht zugerechnet werden. Die Aufnahme eines aktiven Geschäftsbetriebs wäre ohne Wissen und ohne Billigung des Herrn C in rechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen. Schuldner der Umsatzsteuer sei derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten sei. Das sei nicht die KG gewesen, da diese zu keinem Zeitpunkt wissentlich einen aktiven Geschäftsbetrieb aufgenommen habe.

Insoweit habe das Finanzgericht verbindlich darüber zu entscheiden, wer aufgrund der divergierenden Rechtspositionen als Unternehmer anzusehen sei. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass dies der Insolvenzschuldner gewesen sei, handele es sich um Masseverbindlichkeiten. Daher werde beantragt, Herrn A, die KG und auch Herrn W nach § 174 Abs. 5 S. 2 AO zum Verfahren beizuladen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2017 verwiesen.

In einem Schreiben vom 7. Juli 2017 gehe im Übrigen auch der Kläger davon aus, dass die streitbefangenen Umsätze nicht der KG, sondern dem Insolvenzschuldner zuzurechnen seien. Dort sei aufgeführt, dass die praktische Abwicklung der Mandate nur den Schluss zulasse, dass der Insolvenzschuldner seine Mandate unter dem Deckmantel der KG betreut und abgewickelt habe.

Sollten die vorgelegten Unterlagen für das Gericht nicht ausreichend sein, sich von der Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners zu überzeugen, werde beantragt, zur Frage der „Einzel-Unternehmerstellung“ des Insolvenzschuldners Beweis zu erheben durch die Zeugenvernehmung des Herrn C, der wiederholt betont habe, dass er bei Gründung der KG vom Insolvenzschuldner getäuscht worden sei und zudem vorgetragen habe, dass die KG keine Mandate übernommen habe. Herr C könne sich dazu äußern, wie sich die Abwicklung der im Namen der KG von Herrn A betreuten Mandate tatsächlich darstelle.

Des Weiteren sei Herr W als Zeuge zu hören. Herr W sei der Abwickler der Praxis des Herrn A. Er sei auch mit Mandanten konfrontiert worden, die im Namen der KG betreut worden seien. Dies befähige ihn dazu, sich zu der Frage zu äußern, ob eine Unternehmereigenschaft des Herrn A vorgelegen habe. Zur Kenntnis des Klägers von dem Tätigwerden des Insolvenzschuldners im Namen der KG werde zudem die Beiziehung der Insolvenzakten des Amtsgerichts D (...) und die Vernehmung der Richterin am Amtsgericht, Frau K beantragt. K habe als Insolvenzrichterin häufiger mit dem Kläger in Kontakt gestanden. Aus ihren Beschlüssen ergebe sich, dass ein Tätigwerden des Insolvenzschuldners im Namen der KG allen Verfahrensbeteiligten bekannt gewesen sei.

Sofern von Seiten des Insolvenzverwalters keine Freigabe erfolge, hafte die Insolvenzmasse weiterhin für die im Rahmen der selbständigen Tätigkeit begründeten Verbindlichkeiten. Weitere Handlungen oder Maßnahmen des Insolvenzverwalters seien in einem solchen Fall für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht erforderlich. Der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 InsO setze zwar denknotwendig voraus, dass der Insolvenzverwalter Kenntnis von der selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners habe. Eine solche Kenntnis habe im Streitfall jedoch vorgelegen. Denn der Kläger habe von Beginn des Insolvenzverfahrens an gewusst, dass der Insolvenzschuldner als Kommanditist an der KG beteiligt gewesen sei. Er habe daher über die Freigabe der Tätigkeit entscheiden können. Auch habe der Kläger Kenntnis darüber gehabt, dass der Insolvenzschuldner selbst im Namen der KG tätig geworden sei. Der Kläger habe gegenüber dem Insolvenzgericht in einem Schreiben vom 19. Dezember 2012 geäußert, dass der Insolvenzschuldner anscheinend darum bemüht sei, sich eine Einnahmemöglichkeiten zu schaffen, indem er sich mit Gesellschaftskonstruktionen umgebe, so dass Dritte ihre berechtigten Forderungen ihm gegenüber nicht realisieren könnten. Der Insolvenzschuldner trete nach außen auf wie ein ..., ohne hierzu berechtigt zu sein. Auch habe der Kläger bei der Durchsicht der Unterlagen Vollmachten vorgefunden, bei denen hinter dem Namen des Herrn A der Zusatz KG gesetzt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11. August 2017 verwiesen.

Nach der Gesetzesbegründung komme es hinsichtlich der Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO nicht mal auf die Kenntnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Tätigkeit des Schuldners an. Die Gesetzesbegründung mache deutlich, dass die Norm auch auf zunächst ohne Wissen des Insolvenzverwalters ausgeführte Tätigkeiten Anwendung finde. Zu den Einzelheiten wird auf die Begründung im Schriftsatz vom 26. September 2017 verwiesen. Da sich die Freigabemöglichkeit des § 35 Abs. 2 InsO nicht nur auf erlaubte Tätigkeiten beziehe, habe das Berufsverbot einer Freigabe nicht entgegengestanden. Da der Kläger im Insolvenzgutachten ausdrücklich festgestellt habe, dass Herr A gegen das ihn verhängte Berufsverbot offensichtlich wiederholt verstoßen habe, könne er sich im jetzigen Verfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf die Einhaltung des Berufsverbots durch Herrn A vertraut.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sei es nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH für die Bejahung einer Masseverbindlichkeit auch nicht erforderlich, dass der Insolvenzmasse korrespondierend tatsächlich liquide Mittel zu flössen. Hinsichtlich der rechtlichen Nachweise wird auf den Schriftsatz vom 26. September 2017 verwiesen.

Auch komme entgegen der Rechtserfassung des Klägers eine Geltendmachung der offenen Steuerforderungen gegen W als Praxisabwickler nicht in Betracht. Dieser werde nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig. Daraus resultiere, dass die vom Praxisvertreter/-abwickler verursachte Umsatzsteuer vielmehr als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Kläger festzusetzen sei. Da die Höhe der durch die Praxisabwicklung begründeten Umsatzsteuerforderungen nicht feststehe, sei Herr W zu dem Beweisthema „Höhe der Umsatzsteuerforderungen infolge der Praxisabwicklung“ zu hören. Sollte sich der Sachverhalt nicht aufklären lassen, müssten die Umsätze geschätzt werden. Innerhalb der streitgegenständlichen Steuerfestsetzung dürften diese neuen Gründe für die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Umsatzsteuer auch im Klageverfahren noch vorgebracht werden.

Die Tätigkeit des Herrn A sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Oktober endgültig eingestellt worden. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung sei die Tätigkeit bis in das Jahr 2013 hinein fortgeführt worden. Aus diesem Grunde sei der Umsatzsteuerbescheid am 11. Oktober 2017 – dem Tag der mündlichen Verhandlung – entsprechend dem von der Steuerfahndung ermittelten Zahlenwerk nach § 173 AO verbösernd zu Lasten des Klägers geändert worden.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht werde beantragt, das Klageverfahren aus prozessökonomischen Gründen mit dem beim 1. Senat des Finanzgerichts Köln unter dem Az. 1 K 3462/14 anhängigen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2012 gemäß § 73 Abs. 1 FGO zu verbinden und den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an den 1. Senat des Finanzgerichts Köln abzugeben. Die Zuständigkeit des 9. Senats greife im Streitfall nicht ein, weil der Rechtsstreit ein Verfahren betreffe, das sich gegen eine Hinzuschätzung zu der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage richte. Diese Verfahren seien von der Sonderzuständigkeit ausgenommen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11. August 2017 verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beklagtenvertreter einen Beweisantrag vom 11. Oktober 2017 nebst Auflistung von Namen und ladungsfähigen Anschriften verschiedener Zeugen vorgelegt, bei denen es sich nach der Behauptung des Beklagten um Mandanten der KG gehandelt haben soll. Ferner haben die Beklagtenvertreter die unterlassene Vernehmung dieser Zeugen, sowie unter Bezugnahme auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11. August 2017 die unterlassene Zeugenvernehmung der Herren C, W und der K gerügt. Abschließend haben sie die unterlassene Beiziehung der Insolvenzakten des Amtsgerichts D (...) gerügt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2017 verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht das am Abend des Vortags eingegangene Schreiben des Praxisabwicklers W, Kanzlei W und Partner Steuerberater-Sozietät, vom 10. Oktober 2017 und die schriftliche Ablehnung des 1. Senats des FG Köln, das vorliegende Klageverfahrens mit dem dort geführten Verfahren wegen Einkommensteuer 2012 zu verbinden, verlesen. Hinsichtlich des Inhaltes wird auf diese Schreiben verwiesen.

Aus den Gründen

51        I.

52        Der Senat ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Geschäftsverteilungsplan des Finanzgerichts Köln ist der 9. Senat (unter anderem) für Klagen und Anträge gegen das Finanzamt ... wegen Festsetzung oder Feststellung von Umsatzsteuer (einschließlich steuerlicher Nebenleistungen) zuständig, wenn diese besondere Fragen des Umsatzsteuerrechts betreffen. Im vorliegenden Streitfall wurde das Verfahren vom 1. Senat des Finanzgerichts Köln zutreffend aufgrund dieser Regelung an den 9. Senat abgegeben. Denn im vorliegenden Verfahren ist nicht nur die Höhe einer Schätzung zur Umsatzsteuer streitig, sondern auch die Frage, wer im Streitjahr umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer war und wem die Umsätze aus einer unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um Fragen, die eine umsatzsteuerrechtliche Spezialmaterie betreffen, für die der erkennende Senat auch dann zuständig ist, wenn er nach entsprechender Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass diese Frage entscheidungsunerheblich ist. Denn auch bei der Frage, ob ein umsatzsteuerlicher Aspekt entscheidungserheblich ist, handelt es sich um eine Spezialmaterie des Umsatzsteuerrechts. Im Übrigen ist der erkennende Senat nach der vorgenannten Regelung im Geschäftsverteilungsplan an die Verweisung des Bezirkssenats gebunden.

53        Dem erkennenden Senat war es auch nicht möglich, das Verfahren entsprechend dem Antrag des Beklagten zwecks Verbindung mit dem beim Finanzgericht Köln anhängigen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2012 an den 1. Senat wieder abzugeben. Der 1. Senat hat auf eine entsprechende Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt, dass er eine Verbindung im Hinblick auf die Spezialzuständigkeit des 9. Senats nicht vornehmen werde.

54        II.

55        Die Klage ist begründet.

56        Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom 11. Oktober 2017 ist ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 12. November 2014 nach § 100 Abs. 1 S. 1 FGO aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzten.

57        Zu Unrecht hat der Beklagte die Umsatzsteuer als sonstige Masseverbindlichkeit gegen den Kläger festgesetzt. Nach § 35 Abs. 1 InsO in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Ob ein Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört, bestimmt sich ausschließlich nach dieser Vorschrift. Nach § 35 Abs. 1 InsO wird das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehört und dass er während des Verfahrens erwirbt, der Insolvenzmasse zugeordnet. Zur Insolvenzmasse gehört nach der Insolvenzordnung daher auch der Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens (vgl. Bäuerle in Braun, Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 35 Rz. 1). Vor diesem Hintergrund ist die Beteiligung des Herrn A an der KG bzw. – was im Streitfall offen ist – wäre das Vermögen, das Herr A aus einer selbstständigen Tätigkeit nach Mutmaßung des Beklagten erworben hat, zur Insolvenzmasse gehörig.

58        Daraus folgt jedoch nicht, dass ein etwaiger Umsatzsteueranspruch des Beklagten gegen die KG oder aber gegen Herrn A eine Masseverbindlichkeit darstellen. Ob eine sonstige Masseverbindlichkeit vorliegt, bestimmt sich dabei allein nach der Regelung in § 55 InsO. Nur wenn es sich bei der Abgabenforderung um eine Masseverbindlichkeit handelt, darf sie – was zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht – in einem gegen den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid festgesetzt werden (BFH-Urteil vom 8. September 2011, V R 38/10, BStBl II 2012, 270). Sonstige Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Verbindlichkeit insoweit auf eine wie auch immer geartete Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein (vgl. BFH, Urteil vom 16. Juli 2015 III R 32/13,BStBl II 2016, 251; vom 21. Juli 2009 VII R 49/08, BStBl II 2010, 13, unter II.1.b aa; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 55 Rz 15). Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nur dann, wenn er dadurch eine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt (BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114). Die bloße Duldung einer (freiberuflichen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis macht die Einkommensteuer, die aufgrund dieser Einkünfte entsteht, noch nicht zu einer Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411; vom 1. Juni 2016 X R 26/14, BStBl II 2016, 848,). Das gilt nach Auffassung des erkennenden Senates für Umsatzsteuerverbindlichkeiten gleichermaßen.

59        Die vorgenannten Voraussetzungen liegen entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten in Bezug auf die von ihm unterstellte selbstständige Tätigkeit des Herrn A nicht vor.

60        Dabei kann es dahinstehen, ob die Umsätze – was der Senat mangels rechtlicher Relevanz im Streitfall nicht zu entscheiden hat – der KG oder aber dem Insolvenzschuldner persönlich zuzurechnen sind. Sollten die Umsätze entsprechend der Rechtsauffassung der Steuerfahndung, zu der der Beklagte nach eigenen Angaben ebenfalls neigt, der KG zuzurechnen sein, wäre diese Gesellschaft Steuersubjekt der Umsatzsteuer, so dass ein Bescheid gegen den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A aus diesem Grunde rechtswidrig wäre. Dabei hält der Senat es für durchaus möglich, dass die Umsätze ungeachtet der Tatsache, dass Herr A als Kommanditist handelsrechtlich nicht berechtigt war, die KG nach außen zu vertreten, gleichwohl dieser Gesellschaft zuzurechnen sind. Da der für die KG zuständige Komplementär, Herr C, das Tätigwerden des Herrn A nicht unterbunden hat, hält es der Senat jedenfalls für nicht fernliegend, dass die Gesellschaft durch die von Herrn A durchgeführte Beratung im Wege einer Anscheins- und/oder Duldungsvollmacht aus Sicht der Mandanten Leistungserbringerin war. Hierfür sprechen zumindest die im späteren Verlauf vorgefundenen Vollmachten und Rechnungen, die den Firmenzusatz der KG aufweisen. Auf eine handelsrechtliche Befugnis des Herrn A, die Gesellschaft nach außen zu vertreten, käme es in diesem Fall nicht an. Im Übrigen kann die KG, auch wenn sie von Herrn A im Streitjahr als Strohfrau missbraucht worden sein sollte, umsatzsteuerlich als Unternehmerin anzusehen sein.

61        Der Senat hält es, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, allerdings ebenso gut für möglich, dass Herr A die Mandate im Streitjahr 2012 unter Umgehung des gegen ihn verhängten Berufsverbotes als Einzelunternehmer betreut hat. Sofern dies zutreffend sein sollte, wäre der angefochtene Umsatzsteuerbescheid gleichwohl rechtswidrig, weil es sich auch in diesem Falle bei der Umsatzsteuer nicht um eine Masseverbindlichkeit handeln würde. Denn auch in diesem Falle wäre die Umsatzsteuerverbindlichkeit weder durch eine Handlung des Klägers oder in anderer Weise durch die Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet worden. Die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse sind in den §§ 148 ff. InsO geregelt. Der Handlungsbegriff des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist dabei weit auszulegen. Es werden das rechtsgeschäftliche Tun und Realhandlungen des Insolvenzverwalters in Bezug auf seinen amtlichen Wirkungskreis erfasst (Bäuerle in Schneider, Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 55 Rz. 1.). Nach der vom erkennenden Senat für zutreffend gehaltenen Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs erfüllt die bloße Duldung der Tätigkeit des Insolvenzschuldners hingegen nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse im Sinne der vorgenannten Vorschrift, weil die Arbeitskraft eines Insolvenzschuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört und Insolvenzverwalter keine Möglichkeit haben, die Tätigkeit zu unterbinden oder zu beeinflussen (BFH-Urteil vom 8. September 2011, V R 38/10, BStBl II 2012, 270). Dementsprechend teilt der erkennende Senat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO nicht begründet wird, wenn der Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausübe und die entsprechenden Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangen (zuletzt: BFH-Urteil vom 16. April 2015, III R 21/11).

62        Das gilt im Streitfall umso mehr, als auf Seiten des Klägers nicht einmal eine Duldung einer selbstständigen Tätigkeit des Herrn A festgestellt werden kann. Bei sämtlichen Maßnahmen, die der Beklagte zur Begründung eines Verwaltungshandelns des Klägers im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO vorbringt, handelte es sich um Aufklärungsmaßnahmen, die dazu dienen sollten, den verwirklichten Sachverhalt festzustellen, um den Kläger in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls Maßnahmen im Sinne des § 55 InsO vorzunehmen. Entgegen dem Vortrag des Beklagten kann der Senat in den dargelegten Aktivitäten des Klägers keine Handlung sehen, mit der dieser Erträge aus einer selbstständigen Tätigkeit zur Masse gezogen hätte. Dass der Kläger zur Bestimmung des Umfangs der Masse Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt hat, die bei einem nicht mitwirkenden Schuldner bis hin zur Erwirkung eines Haftbefehls reichen können, gehört zu den beruflichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und führt nicht zu einem Verwaltungshandeln im Sinne des § 55 InsO. Wenn bereits die Duldung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners allein nicht zu einem Verwaltungshandeln im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr 1 InsO führt, gilt das im Wege eines Erst-Recht-Schlusses umso mehr für Aufklärungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters hinsichtlich der bis heute ungeklärten Unternehmereigenschaft des Schuldners. Dass es sich bei solchen Aufklärungsmaßnahmen nicht um ein Verwaltungshandeln im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt, ergibt sich zudem bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Danach sind Verwaltungshandlungen im Sinne dieser Norm Maßnahmen des Insolvenzverwalters, durch die eine Verbindlichkeit begründet wird. Durch eine Sachverhaltsaufklärung wird hingegen keine Verbindlichkeit begründet. Solche Maßnahmen stellen vielmehr lediglich die Suche nach Forderungen oder Verbindlichkeiten dar, ohne sie zu begründen. Derartige Maßnahmen können daher weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zur Bejahung von Masseverbindlichkeiten führen.

63        Im Streitfall kommt für den Beklagten erschwerend hinzu, dass ein Großteil der Sachverhaltsaufklärungshandlungen des Klägers erst nach Durchführung der Leistungen erfolgt ist, so dass der Senat erhebliche Zweifel an einer Kausalität zwischen den Handlungen des Klägers und der Entstehung der Umsatzsteuerverbindlichkeit hegt.

64        Die Umsatzsteuerschuld ist auch nicht in sonstiger Art und Weise, insbesondere nicht durch ein pflichtwidriges Unterlassen des Klägers begründet worden. Weder hat der Beklagte ein konkretes Verwaltungshandeln im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO benannt, dass der Kläger pflichtwidrig unterlassen haben könnte, noch ist ein solches Handeln für den Senat aus anderen Quellen ersichtlich. Sollte der Beklagte in der fehlenden Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO ein pflichtwidriges Unterlassen sehen, liegt ein solches – was an späterer Stelle noch ausgeführt werden wird – nicht vor.

65        Im Übrigen folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des 7. Senats des Finanzgerichts Köln, nach der es nicht in der Rechtsmacht des Schuldners steht, am Insolvenzverwalter vorbei die Insolvenzmasse zu belasten. Dies gilt jedenfalls für den vorliegend zu beurteilenden Fall, dass der Kläger als Insolvenzverwalter aufgrund des Verschweigens und der Einnahmen durch den Insolvenzschuldner kaum eine Möglichkeit hatte, nachträglich einen Massezuwachs zu erlangen. Dies leitet der Senat aus dem Verständnis der §§ 80, 81 InsO a.F. ab. Danach obliegt dem Insolvenzverwalter die alleinige Herrschaftsbefugnis über die Insolvenzmasse (§ 80 InsO a.F.). Verfügungen des Insolvenzschuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse sind unwirksam (§ 81 InsO a.F.). Zwar fällt die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners nicht in die Insolvenzmasse und damit auch nicht unter den Insolvenzbeschlag, dies führt aber nicht dazu, dass der Schuldner für die ihm nicht mehr zugängliche Insolvenzmasse unkontrolliert weitere Schulden anhäufen könnte. Eine andere Auffassung würde dem Zweck des Insolvenzverfahrens, die gleichmäßige Verteilung des Schuldnervermögens unter der staatlichen Aufsicht und sachkundigen Begleitung eines Insolvenzverwalters zu gewährleisten, entgegenlaufen (so FG Köln, Urteil vom 09. Dezember 2016 7 K 1860/16, EFG 2017, 751).

66        An diesem Ergebnis ändert entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten auch die seit dem 1. Juli 2007 geänderte Fassung des § 35 InsO mit der Einführung der neuen Absätze 2 und 3 nichts. Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 hat der Insolvenzverwalter seitdem gegenüber dem Insolvenzschuldner, der eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder beabsichtigt, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Nach § 35Abs. 3 InsO ist die Erklärung des Insolvenzverwalters dem Insolvenzgericht gegenüber anzuzeigen; das Gericht hat die Erklärung und ggf. den Beschluss über ihre Unwirksamkeit (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 3 InsO) öffentlich bekannt zu machen. Der Gesetzgeber will mit der Gesetzesneuschaffung bewirkt, dass im Falle einer positiven Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO neben den Einnahmen, die ein selbstständig tätiger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erzielt, auch seine damit verbundenen Ausgaben und Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten sind. Umgekehrt muss die Insolvenzmasse im Falle einer negativen Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO auf die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners verzichten. Entgegen der Rechtserfassung des Beklagten wird der Begriff der sonstigen Masseverbindlichkeit, der sich allein nach § 55 InsO definiert, durch diese Vorschrift nicht dergestalt erweitert, dass Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners automatisch und in jedem Falle zu Masseverbindlichkeiten werden, wenn der Insolvenzverwalter eine Erklärung im Sinne des § 35 Abs. 2 InsO nicht abgibt. Eine solche von den Voraussetzungen des § 55 Insolvenzordnung losgelöste und damit eigenständige Definition einer sonstigen Masseverbindlichkeit bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die sich in § 35 Abs. 2 InsO nicht finden lässt.

67        Der Gesetzgeber hat vielmehr auf eine Regelung einer Rechtsfolge für den Fall, dass der Verwalter eine Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht abgibt, verzichtet. Das Sächsische Finanzgericht schließt hieraus, dass es in einem solchen Falle bei der Rechtslage bleibt, wie sie vor Einfügung der Abs. 2 und 3 in § 35 InsO Bestand hatte, so dass Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nach der Insolvenzeröffnung nach § 35 InsO in die Insolvenzmasse fallen, während die damit im Zusammenhang stehenden Ausgaben und Verbindlichkeiten sich grundsätzlich nicht gegen die Insolvenzmasse richten, weil sie regelmäßig keine Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellen. Selbst im Falle einer pflichtwidrigen Nichtabgabe der Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter soll es nach Auffassung des Sächsischen Finanzgerichts nicht Sache der Prozessgerichte sein, die Tatbestände der Masseverbindlichkeiten über § 55 InsO hinaus auszudehnen; vielmehr sei es Aufgabe der Insolvenzgerichte, die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu beaufsichtigen und ihn ggf. zur Abgabe dieser Erklärung anzuhalten (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14. Januar 2015, 8 K 1573/14, juris).

68        Der erkennende Senat lässt es dahinstehen, ob er der Rechtsauffassung des Sächsischen Finanzgerichts in allen Fallgestaltungen folgen könnte. Das gilt insbesondere für Sachverhalte, in denen dem Insolvenzverwalter eine positive Kenntnis hinsichtlich einer nach Insolvenzeröffnung aufgenommen oder weitergeführten selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nachgewiesen werden kann, ohne dass dieser eine Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO abgibt.

69        In Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine positive Kenntnis des Insolvenzverwalters über die selbständige, eine eigene Umsatzsteuerpflicht des Insolvenzschuldners (und nicht der KG) auslösende Tätigkeit des Insolvenzschuldners nicht festgestellt werden kann, teilt der Senat hingegen die Rechtsauffassung des Sächsischen Finanzgerichts. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend, weil der Senat sich außer Stande sieht, eine positive Kenntnis des Klägers von einer einzelunternehmerischen Tätigkeit des Herrn A zu bejahen Die vom Beklagten vorgebrachten Tatsachen rechtfertigen keine nach § 96 FGO für eine Klageabweisung ausreichende Überzeugung, dass dem Kläger eine selbstständige Tätigkeit des Herrn A als Einzelunternehmer bekannt war. Selbst dem Beklagten, der anders als der Kläger auf die Erkenntnisse zweier Prüfungsdienste zurückgreifen konnte, ist es bis zum heutigen Zeitpunkt nicht gelungen, herauszufinden, wer als leistender Unternehmer hinsichtlich der streitigen Umsätze anzusehen ist. Dem Kläger allein wegen seiner im Ergebnis nicht mal zielführenden Aufklärungsmaßnahmen eine positive Kenntnis hiervon zu unterstellen, entbehrt jeglicher Grundlage. Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass der Kläger keine Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO abgegeben hat – und mangels Kenntnis auch nicht abgeben konnte –, entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht zu einem pflichtwidrigen Unterlassen, mit der Folge, dass allein aus diesem Grunde losgelöst von den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Vorliegen einer sonstigen Massenverbindlichkeit zu bejahen wäre.

70        Dass es sich hierbei um das zutreffende Ergebnis handelt, ergibt sich für den erkennenden Senat auch daraus, dass der Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO im Wesentlichen nur eine deklaratorische, klarstellende Bedeutung zukommt (Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35, Rz. 72). Eine konstitutive Wirkung hat diese Erklärung nur dann, wenn der Insolvenzverwalter erklärt, dass er den aus der Tätigkeit zu erwartenden Neuerwerb nicht zur Masse ziehen wird (Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 35 Rz. 99).

71        Der Umsatzsteuerbescheid erweist sich auch nicht aus dem Grunde als rechtmäßig, weil W als Kanzleivertreter und -abwickler Umsätze generiert hätte, die als Masseverbindlichkeiten anzusehen wären. Aus der Bestätigung des Herrn W von 10. Oktober 2017 ergibt sich schlüssig, dass dieser im Jahr 2012 noch keine Umsätze generiert hat, weil ihm die Unterlagen erst im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme Ende Dezember 2012 übergeben wurden. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob durch die Einsetzung eines Kanzleivertreters ein insolvenzrechtliche, den Zugriff des Klägers entzogenes Sondervermögen entstanden ist.

72        Im Hinblick auf die dargestellte Sach- und Rechtslage hat das Gericht unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt wirksame und taugliche Beweise angeboten hat, von den vom Beklagten beantragten Beweiserhebungen abgesehen. Im Streitfall ist es nach den vorstehenden Ausführungen für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung, ob die Beratung durch die KG (falsches Steuersubjekt) oder Herrn A persönlich (keine Masseverbindlichkeit) ausgeübt wurde. Über rechtlich unerhebliche Tatsachen darf das Gericht keine Beweise erheben.

73        Das Gericht hat ebenfalls davon abgesehen, die vom Beklagten beantragten Personen zum Verfahren beizuladen. Da im vorliegenden Verfahren über die Frage, ob die Umsätze aus der Tätigkeit der KG oder aber Herrn A zuzurechnen sind, nicht zu entscheiden war, kann es nicht zu einer Rechtskrafterstreckung auf die vom Beklagten benannte Personen kommen, so dass der Senat von einer Beiladung abzusehen hat.

74        Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

75        Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

76        Der Senat hat die Revision zugelassen, weil das Verhältnis der Vorschriften des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 35 Abs. 2 InsO zu einander und die sich hieraus ergebenden Folgen für die Fragen der Steuerfestsetzung höchstrichterlich noch nicht ausreichend geklärt ist, so dass eine Entscheidung des BFH der Fortbildung des Rechts in diesem Bereich dient.

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