EuGH: Innergemeinschaftlicher Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren
EuGH, Urteil vom 19.12.2018 – C-414/17, AREX CZ a.s. gegen Odvolací finanční ředitelství
ECLI:EU:C:2018:1027
Tenor
1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er auf innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, bei denen die Verbrauchsteuer im Gebiet des Bestimmungsmitgliedstaats der Versendung oder Beförderung dieser Waren entsteht, durch einen Steuerpflichtigen, dessen übrige Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, anzuwenden ist.
2. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Umsätze, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Erwerb durch den Wirtschaftsteilnehmer, der im Bestimmungsmitgliedstaat der Versendung oder Beförderung dieser Waren Verbrauchsteuern zu entrichten hat, nicht als mehrwertsteuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb nach dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn diese Beförderung nicht diesem Erwerb zugeordnet werden kann.
3. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Erwerbe derselben verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung dieser Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Umstand, dass diese Waren in diesem Verfahren befördert worden sind, kein ausschlaggebender Umstand für die Feststellung ist, welchem Erwerb die Beförderung zuzuordnen ist, um ihn der Mehrwertsteuer gemäß dieser Bestimmung zu unterwerfen.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i und iii der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der AREX CZ a.s. (im Folgenden: Arex) und dem Odvolací finanční ředitelství (Einspruchsfinanzdirektion, Tschechische Republik) (im Folgenden: Finanzdirektion) über den Abzug der Mehrwertsteuer durch Arex für Erwerbe von Kraftstoffen bei tschechischen Lieferern, wobei die Kraftstoffe unter Steueraussetzung von Österreich in die Tschechische Republik befördert wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Mehrwertsteuerrichtlinie
3 Der 36. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Zum Vorteil der Steuerschuldner sowie der zuständigen Verwaltungen sollten die Verfahren für die Anwendung der Mehrwertsteuer auf bestimmte innergemeinschaftliche Lieferungen und Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren an die Verfahren und Erklärungspflichten für den Fall der Beförderung derartiger Waren in einen anderen Mitgliedstaat angeglichen werden, die in der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [(ABl. 1992, L 76, S. 1) in der zuletzt durch die Richtlinie 2004/106/EG des Rates vom 16. November 2004 (ABl. 2004, L 359, S. 30) geänderten Fassung] geregelt sind.“
4 In Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
b) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt
i) durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt;
…
iii) wenn die betreffenden Gegenstände verbrauchsteuerpflichtige Waren sind, bei denen die Verbrauchsteuer nach der Richtlinie [92/12 in der Fassung der Richtlinie 2004/106] im Gebiet des Mitgliedstaats entsteht, durch einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, deren übrige Erwerbe gemäß Artikel 3 Absatz 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.
…
(3) Als ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ gelten Energieerzeugnisse, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren, jeweils im Sinne der geltenden [Unionsvorschriften], nicht jedoch über das Erdgasverteilungsnetz geliefertes Gas sowie Elektrizität.“
5 Art. 3 Abs. 1 und 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Abweichend von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i unterliegen folgende Umsätze nicht der Mehrwertsteuer:
a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn die Lieferung im Gebiet des Mitgliedstaats nach den Artikeln 148 und 151 steuerfrei wäre;
b) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, ausgenommen der Erwerb von Gegenständen im Sinne des Buchstabens a und des Artikels 4, von neuen Fahrzeugen und von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder fischereiwirtschaftlichen Betriebs, der der gemeinsamen Pauschalregelung für Landwirte unterliegt, oder durch einen Steuerpflichtigen, der nur Lieferungen von Gegenständen bewirkt oder Dienstleistungen erbringt, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person.
(2) Absatz 1 Buchstabe b gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) im laufenden Kalenderjahr überschreitet der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen nicht den von den Mitgliedstaaten festzulegenden Schwellenwert, der nicht unter 10 000 [Euro] oder dem Gegenwert in Landeswährung liegen darf;
b) im vorangegangenen Kalenderjahr hat der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen den in Buchstabe a geregelten Schwellenwert nicht überschritten.
Maßgeblich als Schwellenwert ist der Gesamtbetrag der in Absatz 1 Buchstabe b genannten innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen ohne die Mehrwertsteuer, der im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung geschuldet oder entrichtet wurde.“
6 Art. 20 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Als ‚innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen‘ gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, der durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versandt oder befördert wird.“
7 Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der [Europäischen Union] versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderem Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
(2) Außer den in Absatz 1 genannten Lieferungen befreien die Mitgliedstaaten auch folgende Umsätze von der Steuer:
…
b) die Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung an den Erwerber nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der [Union] versandt oder befördert werden, wenn die Lieferungen an Steuerpflichtige oder nichtsteuerpflichtige juristische Personen bewirkt werden, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen, die keine verbrauchsteuerpflichtigen Waren sind, gemäß Artikel 3 Absatz 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, und wenn die Versendung oder Beförderung dieser Waren gemäß Artikel 7 Absätze 4 und 5 oder Artikel 16 der Richtlinie [92/12 in der Fassung der Richtlinie 2004/106] durchgeführt wird;
…“
8 Art. 139 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„[Die Steuerbefreiung nach Art. 138 Abs. 1] gilt … nicht für die Lieferungen von Gegenständen an Steuerpflichtige oder nichtsteuerpflichtige juristische Personen, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen gemäß Artikel 3 Absatz 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.“
Die Richtlinien 92/12 und 2008/118/EG
9 Die Richtlinie 92/12 in der Fassung der Richtlinie 2004/106 (im Folgenden: Richtlinie 92/12) wurde mit Wirkung vom 1. April 2010 durch die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem (ABl. 2009, L 9, S. 12) ersetzt. Angesichts der Zeitpunkte der im Ausgangsverfahren streitigen Umsätze sind diese beiden Richtlinien zu berücksichtigen.
10 Gemäß Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/12 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 finden diese Richtlinien unter anderem auf Kraftstoffe Anwendung.
11 Diese Richtlinien enthalten spezielle Regelungen für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung im Gebiet der Union. Diese Regeln finden sich in den Art. 15 bis 21 der Richtlinie 92/12 und in den Art. 17 bis 31 der Richtlinie 2008/118.
12 Das „Verfahren der Steueraussetzung“ wird in Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie 2008/118 als eine „steuerliche Regelung“ definiert, „die auf die Herstellung, die Verarbeitung, die Lagerung sowie die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die keinem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren unterliegen, unter Aussetzung der Verbrauchsteuer Anwendung findet“. Die Richtlinie 92/12 enthielt in Art. 4 Buchst. c in Bezug auf das „Verfahren der Steueraussetzung“ eine ähnliche Definition.
13 Nach Art. 4 Nr. 9 der Richtlinie 2008/118 ist „registrierter Empfänger“ „eine natürliche oder juristische Person, die von den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats ermächtigt wurde, in Ausübung ihres Berufs und gemäß den von diesen Behörden festgesetzten Voraussetzungen, in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderte verbrauchsteuerpflichtige Waren aus einem anderen Mitgliedstaat zu empfangen“. Die Richtlinie 92/12, in der der Begriff „registrierter Wirtschaftsbeteiligter“ verwendet wurde, definierte diesen in ihrem Art. 4 Buchst. d in ähnlicher Weise.
Tschechisches Recht
14 § 2 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes Nr. 235/2004 über die Mehrwertsteuer (zákon č. 235/2004 Sb., o dani z přidané hodnoty) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) sieht vor:
„Der Steuer unterliegen:
…
c) der im Inland durch einen Steuerpflichtigen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit oder durch eine nicht für unternehmerische Zwecke gegründete juristische Person gegen Entgelt vorgenommene Erwerb von Gegenständen aus einem anderen Mitgliedstaat der [Union] sowie der Erwerb eines neuen Fahrzeugs aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine nichtsteuerpflichtige Person gegen Entgelt.“
15 § 64 dieses Gesetzes, mit dem Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie in tschechisches Recht umgesetzt wird, sieht vor:
„(1) Die Lieferung von Gegenständen durch den Steuerschuldner in einen anderen Mitgliedstaat an eine in einem anderen Mitgliedstaat als mehrwertsteuerpflichtig registrierte Person ist, wenn die betreffenden Gegenstände vom Steuerschuldner oder vom Erwerber oder von einem ermächtigten Dritten aus dem Gebiet der Tschechischen Republik versandt oder befördert werden, mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreit; hiervon ausgenommen sind Lieferungen von Gegenständen an eine Person, bei der der Erwerb der Gegenstände in einem anderen Mitgliedstaat nicht besteuert wird.
…
(3) Die Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch den Steuerschuldner in einen anderen Mitgliedstaat an einen Steuerpflichtigen, der nicht in einem anderen Mitgliedstaat als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist, oder an eine juristische Person, die nicht in einem anderen Mitgliedstaat als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist, ist, wenn diese Gegenstände vom Steuerschuldner oder vom Erwerber oder von einem ermächtigten Dritten aus dem Gebiet der Tschechischen Republik versandt oder befördert werden, mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreit, wenn die Versendung oder Beförderung der Gegenstände gemäß dem Verbrauchsteuergesetz erfolgt und die Pflicht zur Zahlung von Verbrauchsteuer beim Erwerber in dem Mitgliedstaat entsteht, in dem der Versand oder die Beförderung der Gegenstände endet.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16 Arex ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Tschechischen Republik, die bei zwei tschechischen Gesellschaften Kraftstoffe aus Österreich erwarb.
17 Diese Erwerbe erfolgten am Ende einer Kette von Umsätzen. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kraftstoffe wurden zunächst durch die Doppler Mineralöle GmbH, eine in Österreich ansässige Gesellschaft, an vier für die Zwecke der Mehrwertsteuer registrierte Gesellschaften mit Sitz in der Tschechischen Republik (im Folgenden: tschechische Erstkäufer) verkauft. Anschließend fanden mehrere aufeinanderfolgende Weiterverkäufe an tschechische Gesellschaften statt, bevor die Kraftstoffe schlussendlich an Arex verkauft wurden.
18 Die tschechischen Erstkäufer hatten einen Vertrag mit der Gesellschaft Garantrans s. r. o. geschlossen, die für diese Käufer der registrierte Empfänger war. Daher zahlte Garantrans im Namen der tschechischen Erstkäufer die Verbrauchsteuern auf die Kraftstoffe. Letztere entrichteten für diese Umsätze keine Mehrwertsteuer in der Tschechischen Republik.
19 Die Kraftstoffe wurden aus Österreich in die Tschechische Republik in einem Verfahren der Steueraussetzung befördert. Ihre Beförderung wurde durch Arex unter Nutzung ihrer eigenen Fahrzeuge sichergestellt.
20 Im Anschluss an eine Steuerprüfung stellte der Finanční úřad pro Jihočeský kraj (Finanzamt für die Region Südböhmen, Tschechische Republik) (im Folgenden: Finanzamt) fest, dass die von Arex vorgenommenen Erwerbe in den Besteuerungszeiträumen Januar bis April, September, November und Dezember 2010 innergemeinschaftliche Erwerbe darstellten. Unter Berufung auf die Urteile vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder (C‑245/04, EU:C:2006:232), und vom 16. Dezember 2010, Euro Tyre Holding (C‑430/09, EU:C:2010:786), sowie unter Hinweis darauf, dass im Fall von Reihengeschäften in Verbindung mit nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung diese nur einem Umsatz zugerechnet werden könne, vertrat diese Behörde die Ansicht, dass der Ort des Erwerbs durch Arex in Österreich und nicht in der Tschechischen Republik gewesen sei. Diese Gesellschaft habe nämlich in Österreich das Recht erworben, wie ein Eigentümer über die Gegenstände zu verfügen, da sie das mit den Gegenständen verbundene Risiko zu tragen gehabt habe und die Beförderung in die Tschechische Republik auf eigene Rechnung durchgeführt habe.
21 Mit sieben Nacherhebungsbescheiden versagte das Finanzamt Arex das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf diese – von Arex als inländische Erwerbe eingestuften – Erwerbe, nahm eine Berichtigung der Mehrwertsteuer vor und erlegte dieser Gesellschaft die Zahlung von Geldbußen auf.
22 Mit Bescheid vom 15. Juli 2015 wies die Finanzdirektion den Einspruch von Arex gegen diese Bescheide zurück. Sich den Schlussfolgerungen des Finanzamts anschließend lehnte die Finanzdirektion zunächst die Anwendung von Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie ab. Sodann betonte sie unter Verweis auf das Urteil vom 14. Juli 2005, British American Tobacco und Newman Shipping (C‑435/03, EU:C:2005:464), dass das Entstehen der Mehrwertsteuer nicht mit der Verbrauchsteuer verknüpft sei. Schließlich wies sie das Vorbringen von Arex zurück, mit dem diese Gesellschaft geltend machte, sie sei wegen des Verfahrens der Steueraussetzung nicht berechtigt gewesen, über die Kraftstoffe während der Beförderung und vor ihrer Überführung in den freien Verkehr in der Tschechischen Republik wie ein Eigentümer zu verfügen. Demnach schloss sie auch die von Arex vorgetragene Möglichkeit aus, eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung für die Zwecke der Mehrwertsteuer in mehrere Beförderungen aufzuspalten.
23 Nachdem ihre Klage gegen diesen Bescheid vom Krajský soud v Českých Budějovicích (Regionalgericht Budweis, Tschechische Republik) abgewiesen worden war, legte Arex Kassationsbeschwerde bei dem vorlegenden Gericht ein.
24 Vor diesem macht Arex geltend, dass Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht ordnungsgemäß in tschechisches Recht umgesetzt worden sei. Nach dieser Bestimmung sei jede an einen Steuerpflichtigen bewirkte Lieferung von im Verfahren der Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat beförderten Gegenständen als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Angesichts der tschechischen Fassung dieser Bestimmung ist Arex der Ansicht, dass die anderen in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen, die sich in dem mit dem Relativpronomen „deren“ beginnenden Nebensatz fänden, nur auf nichtsteuerpflichtige juristische Personen anwendbar seien. Da sie steuerpflichtig sei, könnten diese Voraussetzungen keine Anwendung finden.
25 Für den Fall, dass die Mehrwertsteuer nicht mit der Verbrauchsteuer verknüpft sei und Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzuwenden sei, betont Arex, dass es bei einer Beförderung im Verfahren der Steueraussetzung nicht zu einer Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums komme, da es selbst dann, wenn bei privatrechtlicher Betrachtung eine Eigentumsübertragung vorliegen sollte, unmöglich sei, während der Beförderung über die Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen. Zur Stützung dieses Vorbringens verweist Arex auf das begleitende Verwaltungsdokument, das die Möglichkeit beschränke, während der Beförderung im Verfahren der Steueraussetzung über die Gegenstände zu verfügen, und trägt vor, dass es in den Urteilen vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder (C‑245/04, EU:C:2006:232), und vom 16. Dezember 2010, Euro Tyre Holding (C‑430/09, EU:C:2010:786), nicht um die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren gegangen sei.
26 In Anbetracht dieses Vorbringens hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob die Erwerbe von im Verfahren der Steueraussetzung beförderten Kraftstoffen durch Arex als inländische Erwerbe oder innergemeinschaftliche Erwerbe einzustufen sind.
27 Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist jeder Steuerpflichtige als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen? Wenn nicht, für welche Steuerpflichtigen gilt die angeführte Bestimmung?
2. Falls der Gerichtshof antwortet, dass Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Fälle wie den der vorliegenden Rechtssache (d. h., dass ein im Steuerregister eingetragener Steuerpflichtiger der Erwerber der Erzeugnisse ist) anwendbar ist, ist diese Bestimmung dann dahin auszulegen, dass, wenn die Versendung oder Beförderung der Erzeugnisse im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 erfolgt, eine mit einem Verfahren nach der Richtlinie 2008/118 verbundene Lieferung als steuerfreie Lieferung im Sinne der angeführten Bestimmung anzusehen ist, obwohl ansonsten die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfüllt wären, weil die Warenbeförderung einer anderen Transaktion zuzuordnen ist?
3. Falls der Gerichtshof antwortet, dass Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Fälle wie den der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar ist, ist dann die Tatsache, dass die Beförderung der Waren unter Steueraussetzung erfolgt, bei mehreren aufeinanderfolgenden Lieferungen ausschlaggebend für die Zuordnung der Beförderung zwecks Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie?
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
28 Mit Schriftsatz, der am 31. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat der Vertreter von Arex bei dem vorlegenden Gericht beantragt, gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zu beschließen.
29 Dieser Antrag schließt an die Übermittlung eines Schreibens vom 13. Juli 2018 durch die Kanzlei des Gerichtshofs an den Vertreter von Arex bei dem vorlegenden Gericht an, in dem er unter anderem darüber unterrichtet wurde, dass die für Arex vorgetragenen mündlichen Ausführungen für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens nicht berücksichtigt werden konnten, da sie in der vorliegenden Rechtssache in der mündlichen Verhandlung nicht wirksam vertreten war.
30 Nach Darlegung der Gründe und der Umstände, die seines Erachtens zu dieser unwirksamen Vertretung geführt haben, äußert der Vertreter von Arex bei dem vorlegenden Gericht die Ansicht, dass es sich um einen behebbaren Mangel handele, und beantragt die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens, um Arex die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern.
31 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 der Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen kann, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.
32 Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nach Anhörung der Generalanwältin der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nicht erfüllt sind. Die vom Vertreter von Arex bei dem vorlegenden Gericht geltend gemachten Umstände entsprechen nämlich nicht den Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens. Der Gerichtshof ist jedenfalls der Auffassung, dass er über alle zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen erforderlichen Angaben verfügt und dass nicht auf die Stichhaltigkeit eines Vorbringens einzugehen ist, das nicht vor ihm erörtert worden ist.
33 Demzufolge ist die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nicht anzuordnen.
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
34 Im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist es dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (Urteile vom 14. Oktober 2010, Fuß, C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos, C‑531/15, EU:C:2017:789, Rn. 39).
35 Auch wenn das vorlegende Gericht seine Fragen der Form nach auf die Auslegung von Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie beschränkt hat, hindert dies demnach den Gerichtshof nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem vorlegenden Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2010, Fuß, C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos, C‑531/15, EU:C:2017:789, Rn. 40).
36 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen im Wesentlichen wissen möchte, ob Erwerbe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in der Tschechischen Republik als innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen, die aus einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.
37 Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt jedoch die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von der Mehrwertsteuer und nicht die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Steuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i und iii der Richtlinie festgelegt sind.
38 Daher sind die Vorlagefragen in dem Sinne umzuformulieren, dass sie, was die erste und die zweite Frage anbelangt, die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie und, was die dritte Frage anbelangt, die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie betreffen.
Zur ersten Frage
39 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht in der Sache wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, bei denen die Verbrauchsteuer im Gebiet des Bestimmungsmitgliedstaats der Versendung oder Beförderung dieser Waren entsteht, durch alle Steuerpflichtigen anzuwenden ist oder nur auf Erwerbe durch einen Steuerpflichtigen, dessen übrige Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.
40 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 50, und vom 19. April 2018, Firma Hans Bühler, C‑580/16, EU:C:2018:261, Rn. 33).
41 Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt durch einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, deren übrige Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, der Mehrwertsteuer, wenn die betreffenden Gegenstände verbrauchsteuerpflichtige Waren sind, bei denen die Verbrauchsteuer im Gebiet des Mitgliedstaats entsteht.
42 Erstens ist festzustellen, dass sich anhand des Wortlauts von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht eindeutig bestimmen lässt, ob der Nebensatz „deren übrige Erwerbe gemäß Artikel 3 Absatz 1 [dieser Richtlinie] nicht der Mehrwertsteuer unterliegen“, sowohl einen Steuerpflichtigen als auch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person – wie sie in der erstgenannten Bestimmung genannt werden – betrifft oder ob er sich nur auf diese letztgenannte Person bezieht.
43 In mehreren Sprachfassungen dieser Bestimmung wird nämlich ein unbestimmtes Pronomen verwendet, mit dem sowohl der Singular als auch der Plural wiedergegeben werden kann. Dies ist insbesondere in der deutschen („deren“), der estnischen („kelle“), der spanischen („cuyas“), der französischen („dont“), der italienischen („i cui“) oder der englischen („whose“) Fassung dieser Bestimmung der Fall. Andere Sprachfassungen verwenden Pronomen im Plural. Dies ist in der griechischen („των οποίων“), der lettischen („kuru“) und der polnischen („w przypadku których“) Fassung der Fall. Darüber hinaus enthält die tschechische Fassung dieser Bestimmung ein Pronomen im Singular, das sich nur auf die nichtsteuerpflichtige juristische Person beziehen kann („jejíž“).
44 Was zweitens die Ziele von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Bestimmung in den Rahmen der Mehrwertsteuerübergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handel einfügt, die durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. 1991, L 376, S. 1) eingeführt worden ist. Diese Regelung beruht auf der Einführung eines neuen Mehrwertsteuertatbestands, nämlich des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen, der es ermöglicht, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt. Diese Regelung soll eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 2010, X, C‑84/09, EU:C:2010:693, Rn. 22 und 23 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. Juni 2017, Santogal M-Comércio e Reparação de Automóveis, C‑26/16, EU:C:2017:453, Rn. 37 und 38).
45 Demnach muss mit jedem innergemeinschaftlichen Erwerb, der im Mitgliedstaat des Bestimmungsorts der Versendung oder Beförderung von Gegenständen (im Folgenden: Bestimmungsmitgliedstaat) besteuert wird, eine innergemeinschaftliche Lieferung einhergehen, die im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung (im Folgenden: Abgangsmitgliedstaat) befreit ist. Die Bestimmungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb und zur innergemeinschaftlichen Lieferung haben daher dieselbe Bedeutung und dieselbe Reichweite (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder, C‑245/04, EU:C:2006:232, Rn. 29, und vom 26. Juli 2017, Toridas, C‑386/16, EU:C:2017:599, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Was drittens den Kontext von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung zu einem Regelwerk gehört, mit dem die Belastung innergemeinschaftlicher Erwerbe mit der Mehrwertsteuer und die Befreiung der entsprechenden innergemeinschaftlichen Lieferungen geregelt wird. Die entsprechenden Regeln finden sich in den Art. 2 und 3 bzw. den Art. 138 und 139 dieser Richtlinie.
47 Zum einen ist gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person vorgenommen wird, unter bestimmten Bedingungen, die sich auf den Verkäufer beziehen, im Bestimmungsmitgliedstaat mehrwertsteuerpflichtig, während gemäß Art. 138 Abs. 1 dieser Richtlinie die entsprechende innergemeinschaftliche Lieferung im Abgangsmitgliedstaat befreit ist.
48 Insoweit ist unter Berücksichtigung der Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 41 ihrer Schlussanträge klarzustellen, dass sich der sachliche Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auf alle „Gegenstände“ erstreckt und der Begriff „Gegenstände“ die verbrauchsteuerpflichtigen Waren umfasst. Daraus folgt, dass dann, wenn die anderen in diesen Bestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf den Verkäufer erfüllt sind, die innergemeinschaftlichen Umsätze, die verbrauchsteuerpflichtige Waren betreffen, gemäß Art. 138 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie im Abgangsmitgliedstaat als innergemeinschaftliche Lieferungen von der Mehrwertsteuer befreit sind und im Bestimmungsmitgliedstaat als innergemeinschaftliche Erwerbe mit dieser Steuer belastet werden.
49 Da aber der innergemeinschaftliche Erwerb von „Gegenständen“ durch Steuerpflichtige bereits gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie mehrwertsteuerpflichtig ist, wäre die Festlegung einer Besteuerung für den Erwerb von verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch dieselben Steuerpflichtigen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii dieser Richtlinie überflüssig, da sich diese Besteuerung – auch unter Berücksichtigung der in der vorstehenden Randnummer enthaltenen Ausführungen – schon aus der ersten Bestimmung ergibt.
50 Zum anderen werden jedoch abweichend von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie durch Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmte innergemeinschaftliche Erwerbe durch einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen. Gleichzeitig bestimmt Art. 139 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie, dass die Befreiung nach Art. 138 Abs. 1 nicht für Lieferungen gilt, denen Erwerbe nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie entsprechen.
51 Nach alledem ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie in den Fällen anwendbar, in denen die innergemeinschaftlichen Erwerbe durch einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Besteuerung unterliegen.
52 Daraus folgt, dass bei Erwerben durch Steuerpflichtige nicht alle Steuerpflichtigen, sondern nur der Steuerpflichtige, dessen übrige innergemeinschaftliche Erwerbe gemäß der letztgenannten Bestimmung nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, im Hinblick auf die Mehrwertsteuerpflichtigkeit seiner innergemeinschaftlichen Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, bei denen die Verbrauchsteuern im Bestimmungsmitgliedstaat entstehen, in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt.
53 Wie die Generalanwältin hierzu in den Nrn. 42 und 43 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, wird diese Auslegung durch den Wortlaut von Art. 138 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie gestützt, dem im Wesentlichen zu entnehmen ist, dass „[a]ußer den in Absatz 1 [dieses Art. 138] genannten Lieferungen“ die innergemeinschaftlichen Lieferungen, die den Erwerben nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii dieser Richtlinie entsprechen, befreit sind, wenn sie unter den dort aufgestellten Voraussetzungen an Steuerpflichtige oder nichtsteuerpflichtige juristische Personen bewirkt werden, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen, die keine verbrauchsteuerpflichtigen Waren sind, gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, ergibt sich nämlich aus der Wahl dieser Formulierung, die die Befreiungen in Art. 138 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie einleitet, dass die in Buchst. b dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung einen Regelungsgehalt hat, der über den der in Art. 138 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiung hinausgeht.
54 Die in Rn. 52 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung entspricht auch dem im 36. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie formulierten Ziel, eine gewisse Angleichung der Verfahren für die Anwendung der Mehrwertsteuer auf bestimmte innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren an die Verfahren und Erklärungspflichten für den Fall der Beförderung derartiger Waren in einen anderen Mitgliedstaat, die in den Richtlinien 92/12 und 2008/118 geregelt sind, vorzunehmen. Da Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie auf innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, bei denen Verbrauchsteuern im Gebiet des Bestimmungsmitgliedstaats entstehen, Anwendung findet, führt diese Auslegung nämlich dazu, dass diese Erwerbe in diesem Mitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen, selbst wenn die übrigen Erwerbe des Erwerbers gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.
55 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen – vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht, das allein für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits zuständig ist – nicht hervor, dass die übrigen innergemeinschaftlichen Erwerbe von Arex unter die in Art. 3 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Befreiungen fallen. Sollte das vorlegende Gericht auf der Grundlage seiner eigenen Würdigung aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu dieser Schlussfolgerung gelangen, wären nicht die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie, sondern diejenigen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i dieser Richtlinie anzuwenden, um festzustellen, ob im Ausgangsrechtsstreit die Erwerbe der Kraftstoffe durch Arex als innergemeinschaftliche Erwerbe im Bestimmungsmitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen müssen.
56 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, bei denen die Verbrauchsteuer im Gebiet des Bestimmungsmitgliedstaats entsteht, durch einen Steuerpflichtigen, dessen übrige Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, anzuwenden ist.
Zur zweiten Frage
57 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht in der Sache wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Erwerbe derselben verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung dieser Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Erwerb durch den Wirtschaftsteilnehmer, der im Bestimmungsmitgliedstaat diese Steuer zu entrichten hat, nach dieser Bestimmung als mehrwertsteuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen ist, selbst wenn diese Beförderung nicht diesem Erwerb zugeordnet werden kann.
58 Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung scheinen die tschechischen Erstkäufer, und nicht Arex, der Verbrauchsteuer auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kraftstoffe zu unterliegen. Vor diesem Hintergrund soll mit der zweiten Frage geklärt werden, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende innergemeinschaftliche Beförderung notwendigerweise dem Erwerb durch diese Käufer zugeordnet werden muss, da diese der Verbrauchsteuer unterliegen, und keinem anderen Erwerb, im vorliegenden Fall dem Erwerb durch Arex, zugeordnet werden kann.
59 Insoweit geht, wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils dargestellt, aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor, dass in Anwendung dieser Bestimmung die Erhebung der Mehrwertsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Bestimmungsmitgliedstaat drei kumulativen Voraussetzungen unterliegt.
60 Sie setzt nämlich erstens voraus, dass der Umsatz ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Sinne von Art. 20 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist, zweitens, dass dieser Umsatz verbrauchsteuerpflichtige Waren betrifft, bei denen die Verbrauchsteuern im Gebiet des Bestimmungsmitgliedstaats entstehen, und drittens, dass dieser Umsatz durch einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, deren übrige Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.
61 Was die erste dieser Voraussetzungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands im Sinne von Art. 20 der Mehrwertsteuerrichtlinie dann erfolgt ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist und wenn der Lieferer nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und der Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Abgangsmitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2007, Teleos u. a., C‑409/04, EU:C:2007:548, Rn. 27 und 42, sowie vom 18. November 2010, X, C‑84/09, EU:C:2010:693, Rn. 27). Die Voraussetzung eines Grenzübertritts zwischen Mitgliedstaaten ist Tatbestandsmerkmal eines innergemeinschaftlichen Erwerbs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2007, Teleos u. a., C‑409/04, EU:C:2007:548, Rn. 37).
62 Nur ein Erwerb, der alle diese Voraussetzungen erfüllt, kann als innergemeinschaftlicher Erwerb eingestuft werden.
63 Wenn mehrere gegen Entgelt vorgenommene Erwerbe zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen, kann diese Versendung oder Beförderung daher nur einem dieser Erwerbe zugeordnet werden, der allein im Bestimmungsmitgliedstaat als innergemeinschaftlicher Erwerb der Mehrwertsteuer unterliegt, sofern die anderen in Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. entsprechend Urteil vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder, C‑245/04, EU:C:2006:232, Rn. 45).
64 Diese Auslegung ist geboten, um auf einfache Weise das mit der Übergangsregelung für innergemeinschaftliche Umsätze angestrebte Ziel zu erreichen, das, wie sich aus Rn. 44 des vorliegenden Urteils ergibt, darin besteht, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt. Zu dieser Verlagerung kommt es nämlich bei dem einzigen Umsatz, der zu einer innergemeinschaftlichen Bewegung führt (vgl. entsprechend Urteil vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder, C‑245/04, EU:C:2006:232, Rn. 40).
65 Was die zweite in Rn. 60 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung anbelangt, ist klarzustellen, dass das Entstehen der Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat die Versendung oder Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 92/12 oder der Richtlinie 2008/118 voraussetzt. Diese Voraussetzung spiegelt das im 36. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie formulierte Ziel wider, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in ein und demselben Mitgliedstaat der Verbrauchsteuer und der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
66 Hingegen lässt sich diese Voraussetzung keinesfalls dahin verstehen, dass der Erwerb durch den Steuerpflichtigen oder die nichtsteuerpflichtige juristische Person gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie, die der Verbrauchsteuer unterliegen, aufgrund dieser Bestimmung der Mehrwertsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat unterliegen muss, selbst wenn die fragliche innergemeinschaftliche Beförderung nicht diesem Erwerb zugeordnet werden kann.
67 Eine Auslegung, nach der der Erwerb aufgrund dieser Bestimmung der Mehrwertsteuer unterliegen muss, selbst wenn die innergemeinschaftliche Beförderung ihm nicht zugeordnet werden kann, widerspräche im Übrigen dem kumulativen Charakter der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen. Sie würde es nämlich ermöglichen, einen Erwerb, der keine Verbindung zu einer innergemeinschaftlichen Beförderung hätte, und der damit nicht alle notwendigen Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllen würde, im Bestimmungsmitgliedstaat der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
68 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Umsätze, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Erwerb durch den Wirtschaftsteilnehmer, der im Bestimmungsmitgliedstaat Verbrauchsteuern zu entrichten hat, nicht als mehrwertsteuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb nach dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn diese Beförderung nicht diesem Erwerb zugeordnet werden kann.
Zur dritten Frage
69 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht in der Sache wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Erwerbe derselben verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung dieser Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Umstand, dass diese Waren in diesem Verfahren befördert worden sind, ein ausschlaggebender Umstand für die Feststellung ist, welchem Erwerb die Beförderung zuzuordnen ist, um ihn der Mehrwertsteuer gemäß dieser Bestimmung zu unterwerfen.
70 Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass bei Umsätzen, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann, die folglich als Einzige in Anwendung dieser Bestimmung von der Steuer befreit ist, und dass zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser Würdigung ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls nämlich die zweite Übertragung dieser Befähigung, d. h. die Zweitlieferung, vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden hat, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Toridas, C‑386/16, EU:C:2017:599, Rn. 34 bis 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 Im Hinblick auf das in Rn. 64 des vorliegenden Urteils genannte Ziel ist die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung auf die Beurteilung von Umsätzen zu übertragen, die, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, eine Kette aufeinanderfolgender Erwerbe verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, bilden.
72 Um entscheiden zu können, welcher der Erwerbe in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kette derjenige ist, dem die einzige innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, und der daher als innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen ist, hat das vorlegende Gericht somit eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und insbesondere zu bestimmen, zu welchem Zeitpunkt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten von Arex stattgefunden hat. Falls diese Übertragung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden hat, ist diese dem Erwerb durch Arex zuzuordnen und dieser Erwerb ist daher als innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen.
73 Im Rahmen dieser umfassenden Würdigung kann der Umstand, dass die Beförderung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kraftstoffe im Verfahren der Steueraussetzung erfolgte, jedoch kein ausschlaggebender Umstand sein, um aus den Erwerben der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kette den Erwerb zu bestimmen, dem diese Beförderung zuzuordnen ist.
74 Die in Rn. 70 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung macht nämlich im Wesentlichen die Zuordnung der Beförderung zu dem einen oder zu dem anderen Erwerb einer Kette aufeinanderfolgender Erwerbe von einem zeitlichen Kriterium abhängig, indem sie den Zeitpunkt betont, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind.
75 Im Hinblick auf diese letztgenannte Voraussetzung ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sie nicht auf die Übertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen beschränkt ist, sondern jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei erfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2010, De Fruytier, C‑237/09, EU:C:2010:316, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (Beschluss vom 15. Juli 2015, Itales, C‑123/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:511, Rn. 36).
76 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Richtlinien 92/12 und 2008/118 ein allgemeines Verbrauchsteuersystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren schaffen. Wenn diese Richtlinien zu diesem Zweck insbesondere Anforderungen an die Beförderung im Verfahren der Steueraussetzung vorsehen, beeinflussen sie nicht die Voraussetzungen für die Übertragung des Eigentums an den Gegenständen oder für die Befugnis, wie ein Eigentümer über diese zu verfügen.
77 Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits festgestellt, dass der Steuertatbestand der Mehrwertsteuer, mit dem die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer erfüllt werden, die Lieferung oder die Einfuhr der Ware und nicht die Erhebung der Verbrauchsteuer auf diese ist (Urteil vom 14. Juli 2005, British American Tobacco und Newman Shipping, C‑435/03, EU:C:2005:464, Rn. 41).
78 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass Arex nach dem Erwerb der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kraftstoffe bei ihren tschechischen Vertragspartnern diese in Besitz genommen hat, indem sie sie in Österreich in ihre Tanks geladen hat, bevor sie sie mit ihren eigenen Fahrzeugen von Österreich in die Tschechische Republik beförderte. Außerdem geht aus den Akten hervor, dass es mit dieser Beladung offenbar zu einem Übergang des Eigentums an diesen Waren im Sinne des tschechischen Privatrechts auf Arex kam. Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht ergibt sich somit aus den Akten, dass die einzige innergemeinschaftliche Beförderung erst nach der Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten von Arex erfolgte, so dass die von Arex vorgenommenen Erwerbe als innergemeinschaftliche Erwerbe einzustufen sind.
79 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Kette aufeinanderfolgender Erwerbe derselben verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung dieser Waren im Verfahren der Steueraussetzung geführt haben, der Umstand, dass diese Waren in diesem Verfahren befördert worden sind, kein ausschlaggebender Umstand für die Feststellung ist, welchem Erwerb die Beförderung zuzuordnen ist, um ihn der Mehrwertsteuer gemäß dieser Bestimmung zu unterwerfen.
Kosten
80 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.