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Steuerrecht
08.10.2015
Steuerrecht
FG Köln: Informationsaustausch zu internationalen Unternehmen der digitalen Wirtschaft im Rahmen des BEPS-Aktionsplans der OECD untersagt

FG Köln, Beschluss vom 7.9.2015 – 2 V 1375/15

Amtliche Leitsätze

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird dem Antragsgegner bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt, den Finanzverwaltungen Australiens, Kanada, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Japans jeweils Informationen über die Konzernstruktur, die Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die daraus folgende Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen zu tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Antragstellerin zu übermitteln und sie um Übermittlung entsprechender Informationen zu ersuchen.

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin, eine Gesellschaft des W-Konzerns, ist eine Tochtergesellschaft der W ... AG mit Sitz in der Schweiz.

Im Rahmen einer am 14. Januar 2014 geführten Telefonkonferenz tauschten sich die Vertreter der Finanzverwaltungen Deutschlands, Kanada, Australien, Frankreich, Japan und des Vereinigten Königreichs („E6“) zu Auskunftsersuchen aus. Der beabsichtigte Informationsaustausch basiert auf der Untersuchung von Geschäftsmodellen der digitalen Wirtschaft und deren Besteuerung. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Telefonkonferenz Bezug genommen (in englischer Sprache, Bl. 3 ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners).

Ziel der länderübergreifenden Zusammenarbeit ist es, die Ursache für die niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft, basierend auf dem von der OECD veröffentlichten Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), zu ermitteln.

Die auszutauschenden Informationen waren auf der Basis eines Musters für das Fallprofil (Suggested Format for Case Profiles), welches dem Protokoll der Telefonkonferenz vom 15. Januar 2014 beigefügt ist, zusammenzustellen (Bl. 5 ff der Verwaltungsakte). Die Informationen sollten umfassen:

1. Überblick über die Unternehmensgruppe

2. Globale Struktur und Geschäftsmodell

3. BEPS - Anforderungen an Besteuerung und Verwaltung (Bestandsaufnahme und Bedürfnisse)

4. Empfehlung für die Zukunft.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Muster des Fallprofils Bezug genommen (englischsprachig, Bl. 5 ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners).

Das vom Antragsgegner erstellte Fallprofil „W“ ist überschrieben mit „E6-Initiative, German Comments on the Case Profile of the W Group“ (Bl. 38 ff. der Verwaltungsakte; Übersetzung siehe Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 24. Juli 2015, „Deutsche Kommentare zum Fallprofil des W-Konzerns“, Bl. 274 ff. der FG-Akte, die erstmals im gerichtlichen Verfahren vom Antragsgegner vorgelegt wurde). Darin werden zunächst die weltweite Struktur und das Geschäftsmodell des W Konzerns dargelegt. In diesem Zusammenhang wird unter anderem ausgeführt, dass das Verrechnungspreisverfahren ab 2009 für Routinegeschäftsvorgänge angemessen sei und der Aufschlagssatz innerhalb der Bandbreiten vergleichbarer Unternehmen liege. Allerdings hätten Untersuchungen, die während der letzten Prüfung vorgenommen worden seien, Hinweise ergeben, dass die Antragstellerin unabhängige Tätigkeiten ausgeübt habe, die über ihren vertraglich vereinbarten Dienstleistungen stünden bzw. über diese hinausgehen würden. Es sei nicht möglich zu bestimmen, ob diese Tätigkeiten Ws Kerngeschäft beeinträchtigen würden (Seite 3, Abschn. 1.2, des deutschsprachigen Fallprofils). Die strukturellen Unterschiede des Konzerns in verschiedenen Ländern sowie deren Auswirkungen auf den Gewinn und die Steuern werden herausgearbeitet. Hinsichtlich der Struktur wird ein Schwerpunkt auf das Verhältnis zwischen der W Inc. (USA), der W ... AG (Schweiz) und der Antragstellerin gelegt. Es wird gemutmaßt, dass W die Besonderheiten des US-Steuersystems nutze, um Einkommen in Rechtsgebiete mit niedrigen Steuersätzen umzuschichten. Unter Würdigung der von W in den USA veröffentlichten Bilanzen für das Jahr 2012 wird die Höhe der tatsächlich gezahlten Steuern gewürdigt. Hieraus wird gefolgert, dass W ein Unternehmen zu sein scheine, das Nutzen aus internationalen Steuervorteilen ziehe. In Abschnitt 2 des Fallprofils werden Themen der Basiserosion und Gewinnumschichtung untersucht (Seite 9 ff. des Fallprofils). In diesem Zusammenhang wird zur Frage der Verrechnungspreisproblematik ausgeführt, dass „auf der Grundlage der aktuellen Gesetzeslage“ die Antragstellerin nicht als abhängiger Vertreter in Form einer dauerhaften Betriebsstätte behandelt werden könne. Die Prüfer seien nicht in der Lage, einen entsprechenden Beweis hervorzurufen, der bei einem ordentlichen Gericht standhalten könnte. „Ohne eine internationale neue Regulierung der Besteuerung dieser Betriebe“ werde es nicht möglich sein, zu einer Besteuerung zu gelangen, die spürbar von der bestehenden abweiche (Seite 10 des Fallprofils). Darüber hinaus würden die deutschen Prüfer auch nicht die Gesetzesauslegung der Behörden anderer Länder teilen. Selbst wenn man das Bestehen eines dauerhaften Vertreters mit einer deutschen Betriebsstätte beweisen könnte, erlaube die aktuelle Gesetzgebung keine Zuordnung bedeutsamer Gewinne zur dauerhaften Betriebsstätte (Seite 10 des Fallprofils). In dem Fallprofil wird sodann in Abschnitt 2.3. „Themen der Steuerpolitik“ ein Überblick über die Gewinn- und Umsatzzahlen des Kerngeschäfts des W-Konzerns als ganze Einheit in Deutschland gegeben (Seite 12 des Fallprofils). Als „nützlicher erster Schritt“ wird in diesem Zusammenhang angesehen, multinationale Unternehmen dazu aufzufordern, den Steuerbehörden gegenüber das Einkommen offen zulegen, das sie in anderen Ländern erzeugen oder erklärt haben. Zusätzlich wäre es sinnvoll, diese Unternehmen dazu aufzufordern, die auf dieses Einkommen entfallende Steuer offenzulegen. Dies würde es ermöglichen, dass die Diskrepanz zwischen den Gewinnen und den Steuern tatsächlich zu Tage trete (Seite 13 des Fallprofils). In Abschnitt 3 „Darüber hinausgehende Empfehlungen“ spricht sich die deutsche Finanzverwaltung dafür aus, Informationen in Bezug auf W von anderen E6 Steuerbehörden zu erhalten, um auszuwerten, ob das aktuelle Steuersystem in „unseren Ländern“ vergleichbar sei. Wenn es klar würde, ob die Nicht-US-Gewinne von W aus Niedrigsteuerrechtsgebieten abgeleitet würden, könnten weitere Schritte zwischen den betroffenen E6-Partnern besprochen werden. Dem Fallprofil ist als Anlage eine Liste der nationalen und internationalen Tochtergesellschaften der W Inc., USA, beigefügt (Seite 14 ff. des Fallprofils).

In einer E-Mail des Antragsgegners vom 23. Juli 2014 (konkreter Absender geschwärzt) schreibt der Urheber, dass er mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes A vereinbart habe, dass er Anhörungsschreiben für jeweils fünf Länder sowohl für die Antragstellerin als auch für ein weiteres Unternehmen wortgleich (nur unter Anpassung der Firmen und unter Entfernung des Hinweises auf die Holding) erstelle (Bl. 29 der Verwaltungsakte des Antragsgegners).

Mit jeweils einzelnen Schreiben vom 28. August 2014 unterrichtete das Finanzamt A die Antragstellerin darüber, dass ein Informationsaustausch mit den Finanzverwaltungen Australiens, Frankreichs, Japans, Kanadas und des Vereinigten Königreichs beabsichtigt sei. Es führte aus, dass die jeweilige ausländische Finanzverwaltung gemeinsam mit den anderen genannten Staaten, darunter Deutschland, die Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft und deren Besteuerung untersuche. Dies umfasse auch W. W sei u.a. in den genannten Ländern jeweils wirtschaftlich tätig und unterliege den dortigen Besteuerungsregelungen. Zur Prüfung der steuerlichen Konsequenzen sei die deutsche Finanzverwaltung jeweils von den genannten Finanzbehörden gebeten worden, die „firmen- und gesellschaftsrechtlichen Strukturen Ws darzustellen und die in Deutschland getätigten wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die hieraus folgenden Besteuerungsrechte Deutschlands zu erläutern“. Das Finanzamt A teilte zudem mit, dass die deutsche Finanzverwaltung beabsichtige, Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltungen Australiens, Frankreichs, Japans, Kanadas und des Vereinigten Königreichs zu richten, „um entsprechende Informationen zu erhalten“. Die jeweiligen Ersuchen der ausländischen Finanzverwaltungen wurden der Antragstellerin trotz entsprechenden Antrags nicht zur Kenntnis gegeben. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin auch nicht mit, welche konkreten Informationen er zu übermitteln beabsichtige.

Aus einer E-Mail eines Mitarbeiters des Antragsgegners (Urheber geschwärzt) vom 10. Februar 2015 ergibt sich, dass „Herr <geschwärzt> dem Fragenkatalog bereits zugestimmt“ habe und „Sie“ (der Adressat, Herr F, BZSt) bei W „in die Vollen gehen“ könne. Der E-Mail war ein Fragenkatalog zu „W im Rahmen der E6-Gruppe“ beigefügt. Die Fragen sollten „im Rahmen von Telefonkonferenzen auf Prüferebene gestellt werden“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Fragenkatalog Bezug genommen (Bl. 57 der Verwaltungsakte des Antragsgegners).

Auf Nachfrage teilte der zwischenzeitlich einbezogene Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Mai 2015 zum Umfang der beabsichtigten Informationsweitergabe mit, dass es sich bei den weiterzuleitenden Daten um die bekannte Konzernstruktur, die Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die hieraus folgende Besteuerung, und gegebenenfalls Anmerkungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten handele. Hinsichtlich der angekündigten Auskunftsersuchen sei beabsichtigt, um Informationen über die zuvor genannten Daten zu ersuchen.

Dabei erläuterte der Antragsgegner im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Informationsaustausch jeweils mit Australien, Kanada, Frankreich, Japan und dem Vereinigten Königreich, dass die australische Steuerverwaltung die zutreffende Besteuerung bestimmter multinationaler Unternehmen prüfe und die Finanzverwaltungen Frankreichs, Japans, Kanadas, des Vereinigten Königreichs und der Bundesrepublik Deutschland „eingeladen“ habe, sich diesen Prüfungen anzuschließen. Der australische Commissioner of Taxation habe dieses Programm unter anderem in seiner Rede vom 27. März 2014 vor dem Tax Institute of Australia vorgestellt. Ziel der Prüfung sei es zunächst, durch eine Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten die Ursachen für die „niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft zu ermitteln“. Der W-Konzern solle zur Gruppe der Unternehmen gehören, die im Rahmen dieser „multinationalen Initiative untersucht“ würden. Der Informationsaustausch sei erforderlich, insbesondere weil die jeweilige ausländische Finanzbehörde die Informationen über die in Deutschland befindlichen Konzernteile nicht selbst ermitteln könne. Die Verhältnismäßigkeit sei gegeben. Vorliegend gebe es eine Vielzahl von Hinweisen, dass multinational tätige Unternehmen – gerade aus dem Bereich der digitalen Wirtschaft – eine tatsächliche Steuerquote aufweisen würden, die deutlich unter dem gesetzlichen Regelsatz liege. Die Aufklärung der diesem Ergebnis zu Grunde liegenden Gewinnverlagerungen und unverhältnismäßigen Gewinnkürzungen sei Ziel der Prüfung der australischen Steuerverwaltung. In dem von der OECD veröffentlichten Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) sei der – mangelhaften – Besteuerung der digitalen Wirtschaft sogar ein eigener Aktionspunkt gewidmet worden. Dies rechtfertige daher eine nähere Aufklärung. Die Rechtmäßigkeit des deutschen Auskunftsersuchens an die jeweilige ausländische Steuerverwaltung ergebe sich daraus, dass nach § 85 Satz 2 AO ein struktureller Vollzugssicherungsauftrag bestehe, der die Finanzverwaltung befuge, Maßnahmen außerhalb eines konkreten Besteuerungsverfahrens zu ergreifen (§ 85 AEAO Rz. 4). Ein hinreichender Ermittlungsanlass bestehe bereits dann, wenn aufgrund konkreter Umstände oder auch nur allgemeiner Erfahrungen, die auch branchenspezifisch sein könnten, entsprechende Ermittlungen als sachgerecht erscheinen würden (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 – VII R 1/87). Für die Branche der digitalen Wirtschaft seien solche konkreten Umstände zweifelsfrei unter anderem:

- Europäische Kommission „Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung“ vom 6. Dezember 2012 und nachfolgende Initiativen;

- OECD Report „Addressing Base Erosion and Profit Shifting“ vom 12.02.2013;

- Bericht des US-Senates vom 20. September 2012 „Offshore Profit Shifting and the U.S. Tax Code”;

- Berichte von Unternehmen an die Securities and Exchange Commission (SEC);

- Ermittlungsverfahren der EU-Wettbewerbskommission;

- unwidersprochene Presseveröffentlichungen zur tatsächlichen Steuerquote global agierender E-Commerce Unternehmen außerhalb ihres Sitzstaates (Ertragssteuerquote von weniger als 5 %).

Diese Feststellungen seien der hinreichende Anlass für Einzelermittlungen (§ 88 Abs. 1 AO) zur Erfüllung der Aufklärungspflicht des § 85 AO. Abschließend teilte der Antragsgegner mit, dass er beabsichtige, die Informationen am 26. Mai 2015 weiterzuleiten.

Daraufhin stellte die Antragstellerin am 23. Mai 2015 (Posteingangsdatum) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die Antragstellerin trägt vor, dass ihr ein Anspruch auf Unterlassung der Auskunftserteilung auf Ersuchen und des Auskunftsersuchens zustehe.

Nach Art. 26 Abs. 1 OECD-MA dürften die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten im Rahmen der Amtshilfe solche Informationen austauschen, die zur Durchführung des entsprechenden Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung voraussichtlich erheblich seien. Eine rechtliche Erheblichkeit in Bezug auf das innerstaatliche Recht sei zu bejahen, wenn die Daten für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände des ersuchenden Vertragsstaats von Bedeutung seien (vgl. Hendricks, in Wassermeyer, DBA, Art. 26 MA Rn. 29). Hieran mangele es im Streitfall. Denn es gehe allein darum, durch eine Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten die Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft zu ermitteln. Den Auskunftsersuchen fehle – selbst wenn diese als Gruppenanfrage qualifiziert werden sollten – ein hinreichend klarer Einzelfallbezug zu ihrer, der Antragstellerin, Besteuerung bzw. zur Besteuerung der W-Gruppe. Ziel der offensichtlich international koordiniert vorgenommenen Auskunftsersuchen sei eine steuerpolitisch motivierte Bestandsaufnahme, die im Zusammenhang mit dem Aktionsplan der OECD gegen „Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)“ stehe, worauf auch der Antragsgegner hinweise. Das erklärte Ziel der sog. BEPS-Initiative bestehe darin, dass die beteiligten Staaten in koordinierter Weise fiskalisch unerwünschten Steuergestaltungen durch eine zukünftige Änderung nationaler Steuergesetze entgegenwirken könnten.

Im Streitfall diene die beabsichtigte Informationsweitergabe der bloßen Analyse von Geschäftsmodellen diverser Unternehmen der digitalen Wirtschaft, um hiernach gegebenenfalls in Zukunft Anpassungen in der Gesetzgebung vornehmen zu können. Sie diene gerade nicht den Zwecken ihrer, der Antragstellerin, tatsächlichen Besteuerung.

Die Auskunftsersuchen würden keinen Bezug zu einer konkreten Besteuerung aufweisen. Die diesbezüglichen (pauschalen) Erwägungen des Antragsgegners würden bei näherer Betrachtung nicht valide erscheinen. Im Fallprofil trete die tatsächliche Zielsetzung deutlich zu Tage (Bl. 46 der Verwaltungsakte). Der Antragsgegner gehe dort selbst davon aus, dass ihre, der Antragstellerin, aktuelle Besteuerung im Einklang mit den gültigen Steuergesetzen stehe und als gerichtsfest (Bl. 45 der Verwaltungsakte) zu bezeichnen sei.

Dem Informationsinteresse des Antragsgegners sowie den übrigen beteiligten Finanzverwaltungen liege folglich eine untaugliche Zielsetzung zugrunde. Weder der Antragsgegner noch das Finanzamt A hätten konkrete, einzelfallbezogene Erwägungen ausgeführt. Sowohl die deutsche Finanzverwaltung als auch die übrigen beteiligten Staaten würden ins Blaue hinein ermitteln. Ein Tätigwerden ohne hinreichenden Anlass sei jedoch unzulässig (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1986 – VII R 82/85; vom 24. Oktober 1989 – VII R 1/87; Beschluss vom 21. März 2002 – VII B 152/01).

Die eigentliche Zielsetzung des Antragsgegners bestehe darin, die Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen in der digitalen Wirtschaft zu ermitteln. Dies allein sei der Zweck der Anfragen. Daher müsse der beabsichtigte Informationsaustausch scheitern. Nicht sie, die Antragstellerin, bzw. die im Konzernverbund befindlichen Unternehmen seien im konkreten hinsichtlich möglicher steuerlicher Auswirkungen Prüfungsgegenstand, sondern multinationale Unternehmen der digitalen Wirtschaft im Allgemeinen.

Die Informationen sollten offensichtlich dazu dienen, eine zutreffende und der aktuellen Gesetzeslage entsprechende Besteuerung durch Anpassung von Gesetzen zukünftig abzuändern. Allein hierfür sollten die Informationen erhoben und verteilt werden.

Dies werde durch den Aktionsplan der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung bestätigt. Hierin werde ausgeführt, dass zur Feststellung, inwieweit die aktuellen Regelungen angepasst werden müssten, es wichtig sei, genau zu prüfen, wie Unternehmen dieser Branche Mehrwert schaffen und ihre Gewinne erzielen würden (Seite 13 des Aktionsplans). Aus der Darstellung des Vorgehens im Aktionspunkt 1 (Seite 17 des Aktionsplans) gehe hervor, dass auch der Aktionsplan darauf abstelle, dass eine möglicherweise niedrige Steuerlast in den derzeitig bestehenden Vorschriften begründet sei und der derzeitigen Rechtslage entspreche. Ziel der beabsichtigten Analyse seien gegebenenfalls notwendige Anpassungen in der Gesetzgebung, um fiskalisch unerwünschte Steuerfolgen in Zukunft zu unterbinden. Etwaige Auswirkungen auf eine aktuelle Besteuerung würden weder erwartet noch als Nebeneffekt auch nur benannt.

Das Fallprofil enthalte lediglich eine Reihe von Mutmaßungen, die keinerlei tatsächlichen Gehalt aufweisen würden. Diese Mutmaßungen seien für die Prüfung etwaiger Besteuerungsrechte nicht erforderlich. Zunächst werde ein Zeitungsbericht zitiert, der selbst seinerseits nur Mutmaßungen enthalte (Bl. 40 f. der Verwaltungsakte). Dieser Zeitungsartikel betreffe sodann auch ausschließlich W (UK), also nicht sie, die Antragstellerin. Darüber hinaus werde eine nicht näher bezeichnete Spontanauskunft im Entwurf erwähnt, ohne deren Inhalt darzulegen. Es könne nur vermutet werden, dass es sich um eine Mitteilung der italienischen Guardia di Finanza handele, die die W ... AG in Italien betreffe.

In dem Fallprofil stelle der Antragsgegner auch auf mittlerweile überholte und nicht verwirklichte Sachverhalte ab. Dies werde von ihm dort auch ausdrücklich festgestellt („The auditors were unable to determine that this is the case“; „Both solutions were discussed but according to national and international transfer pricing regulations could not be regarded as applicable“; Bl. 40 der Verwaltungsakte).

Die fehlende steuerliche Erheblichkeit des beabsichtigten Informationsaustauschs zeige sich auch in der gleichlautenden Übermittlung sämtlicher Informationen an alle Staaten. Es gehe letztendlich um die Schaffung von Erkenntnissen zur Änderung der bestehenden Normen, nicht um eine geänderte Besteuerung unter der aktuellen Gesetzeslage.

Es werde der Eindruck gewonnen, dass der beabsichtigte Informationsaustausch die Grenzen einer unzulässigen sog. Fishing Expedition (Ausforschungsersuchen) überschreiten dürfte.

Im Einzelnen sei die Informationsweitergabe an die Finanzverwaltungen Australiens und Kanadas, für die jeweils nach den einschlägigen DBA-Regelungen eine große Auskunftsklausel gelte, zu versagen, weil sie nicht erforderlich sei. Sie, die Antragstellerin, sei wieder in Australien noch in Kanada steuerpflichtig. Sie unterhalte keine Geschäftsbeziehungen zu dortigen Konzernunternehmen und weise auch nicht über dort ansässige Tochter- oder Muttergesellschaften einen Bezug dorthin auf. Es sei auch unklar, ob und ggf. welche innerstaatlichen Aufklärungsmöglichkeiten im Ausland bereits genutzt worden seien oder warum diese nicht hätten genutzt werden können. Auch sei nicht ersichtlich, welche Relevanz die weiter zu gebenden Informationen für ihre Besteuerung in Australien und Kanada haben könnten.

Die geplante Informationsweitergabe an die Finanzverwaltungen Frankreichs und des Vereinigten Königreichs richte sich nach der EU-Amtshilferichtlinie, deren Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien. Die Informationen seien nicht erforderlich im Sinne dieser Regelung. Sie, die Antragstellerin, sei weder in Frankreich noch im Vereinigten Königreich steuerpflichtig. Sie erhalte keine Geschäftsbeziehungen zu dortigen Konzernunternehmen. Auch verfüge sie dort über keine Tochter- oder Muttergesellschaften, so dass sich auch kein mittelbarer Bezug zu diesen Ländern ergebe. Die Relevanz der weiter zu gebenden Informationen sei nicht schlüssig dargelegt worden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welche konkreten Besteuerungssachverhalte betrachtet werden sollten.

Auch die beabsichtigte Informationsweitergabe an die Finanzverwaltung Japans sei zu untersagen. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 AO, auf den der Antragsgegner die Informationserteilung stütze, seien nicht erfüllt. Eine Kulanzauskunft sei im Übrigen auch nicht erforderlich. Es fehle klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit. Sie, die Antragstellerin, sei in Japan nicht steuerpflichtig. Sie unterhalte keine Geschäftsbeziehungen zu dortigen Konzernunternehmen. Sie habe auch keinen mittelbaren Bezug zu Japan über dort ansässige Tochter- oder Muttergesellschaften. Da Art. 26 DBA-Japan lediglich eine kleine Informationsklausel vorsehe, scheide eine Informationserteilung auf der Grundlage des DBA aus, da die Informationen jedenfalls nicht zur Durchführung des Abkommens erforderlich seien.

Im Hinblick auf die Auskunftserteilung an die ausländischen Finanzverwaltungen würden auch Bedenken bestehen, ob die gewählte Art der Anfrage durch die ausländischen Staaten ausreichend gewesen sei. Dem Protokoll der Anfrage sei nicht zu entnehmen, dass der Antragsgegner mit ausreichenden Informationen betreffend den maßgeblichen Sachverhalt in den jeweiligen Staaten versorgt worden sei. Insoweit müsse jedoch ein Mindestmaß an Informationen geliefert werden, damit von der Finanzverwaltung eingeschätzt werden könne, ob die angeforderten Informationen zumindest Anhaltspunkte für eine Besteuerung liefern könnten (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 1995 – I B 92/94, BStBl II 1995, 358).

Der Antragsgegner hätte die Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten durch die ersuchenden ausländischen Finanzverwaltungen prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden müssen, ob die Auskunft erteilt werde. Es sei indes weder bekannt, welche Ermittlungsmaßnahmen seitens der ausländischen Staaten erfolgt seien, noch habe der Antragsgegner ausreichende Informationen gehabt, um eine sachgerechte Ermessensentscheidung zu treffen.

Der Antragsgegner behaupte lediglich, dass die kanadische, australische, französische, britische und japanische Finanzverwaltung die zutreffende Besteuerung der W GmbH überprüfe. Es sei aber nicht ersichtlich oder nachvollziehbar dargelegt, dass eine solche Prüfung gerade im Hinblick auf sie, die Antragstellerin, erfolge. Dies sei auch sonst nicht ersichtlich.

Auch die vom Antragsgegner geplanten Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltungen Australiens, Frankreichs, Japans, Kanadas und des vereinigten Königreichs seien zu untersagen. Die Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1, 111 Abs. 1 AO würden nicht vorliegen. Auch ein Auskunftsersuchen an ausländische Finanzverwaltungen sei nur zulässig, wenn es erforderlich sei. Dies sei im Streitfall nicht ersichtlich. Die Auskunftsersuchen könnten zudem nicht für die Durchführung ihrer, der Antragstellerin, Besteuerung erforderlich sein, da sie den genannten Ländern nicht steuerpflichtig sei. Dies werde durch die Ausführungen in dem Fallprofil bestätigt (Bl. 45 f. der Verwaltungsakte).

Hinzu komme, dass auch der Antragsgegner von ihrer, der Antragstellerin, zutreffenden Besteuerung ausgehe. Wenn eine zutreffende Besteuerung vorliege, bedürfe es jedoch eines Auskunftsersuchens nicht mehr (FG Köln, Urteil vom 26. Februar 2004 – 2 K 1993/02, EFG 2004, 1734).

Ein Anordnungsgrund liege vor. Es drohe eine Verletzung ihres subjektiven Rechts auf Wahrung des Steuergeheimnisses durch eine nicht durch eine Rechtsgrundlage abgedeckte Auskunft. Es werde Bezug genommen auf den Beschluss des FG Köln vom 20. August 2008 (2 V 1948/08).

Hinsichtlich der Verwaltungsakte sei angemerkt, dass nicht ersichtlich sei, aus welchem Grund ein Teil der Akte geschwärzt sei. Aufgrund der Schwärzungen sei nicht erkennbar, welche Personen in das Verfahren eingebunden (gewesen) seien. Aufgrund der unvollständigen Akte könne nicht eingeschätzt werden, ob den Beteiligten diese Informationen gegebenenfalls bereits vorliegen würden oder auf welchem anderen – gegebenenfalls einfacheren, innerstaatlichen – Weg diese Informationen hätten beschafft werden können.

Es erschließe sich im Übrigen nicht, welche Anfragen seitens des Antragsgegners überhaupt gestellt werden sollten, mithin welche Anfragen Gegenstand des von der deutschen Finanzverwaltung über den Antragsgegner eingeleiteten zwischenstaatlichen Amtshilfeverfahrens seien.

In dem vom Antragsgegner innerbehördlich per E-Mail vom 10. Februar 2015 übermittelten Fragenkatalog (Bl. 55 ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners) würden Fragen aufgeworfen, bei denen nicht klar sei, ob sie Gegenstand des streitigen Auskunftsersuchens seien. Es stelle sich die Frage, ob es sich hierbei um bereits avisierte weitere Auskunftsersuchen handele.

Die Antragstellerin beantragt,

1.) dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den Finanzverwaltungen Australiens, Kanada, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Japans jeweils Informationen über ihre Konzernstruktur, Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der daraus folgenden Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen zu tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten zu übermitteln;

2.) dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Finanzverwaltungen Australiens, Kanada, Frankreichs, des vereinigten Königreichs und Japans jeweils zu ersuchen, dem Antragsgegner Informationen über sie bezüglich ihrer Konzernstruktur, Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der daraus folgenden Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen zu tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten zu übermitteln;

3.) hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

1.) die Anträge abzulehnen;

2.) hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner trägt vor, dass das Ziel der länderübergreifenden Zusammenarbeit darin bestehe, zunächst die Ursache für die niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft, basierend auf dem von der OECD veröffentlichten Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), zu ermitteln. Insbesondere sollten steuerschädliche Regelungen erfasst werden, deren Ziel der Abzug der Steuerbasis aus anderen Ländern sei. Die gezielte Ausnutzung steuergesetzlicher Regelungen der einzelnen Staaten zur Herbeiführung der Nichtbesteuerung von Unternehmensgewinnen, insbesondere bei mobilen Einkünften wie Zinsen, Dividenden und Lizenzen, solle darüber hinaus im Rahmen des Aktionsplans aufgedeckt werden.

Der Antrag sei bereits deshalb abzulehnen, weil es an einem Anordnungsgrund gemäß § 114 FGO mangele. Die vorgetragenen Einzelfälle zur Weitergabe von Informationen an Unbefugte seien nicht geeignet, einen Nachteil für die Antragstellerin darzulegen, insbesondere sei dieses Vorbringen nicht geeignet, schlüssig und substantiiert darzulegen, dass durch die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz ihre wirtschaftliche oder persönliche Existenz unmittelbar bedroht sei. Auch die drohende Verletzung des subjektiven Rechts auf Wahrung des Steuergeheimnisses ergebe sich nicht. Die Auskünfte seien jeweils durch eine Rechtsgrundlage abgedeckt. Außerdem seien die ausländischen Finanzverwaltungen ihrerseits zur Geheimhaltung der Informationen verpflichtet.

Es mangele auch an einem Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen des von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruchs seien weder im Hinblick auf die geplante Auskunftserteilung an die ausländischen Steuerbehörden noch im Hinblick auf das geplante deutsche Auskunftsersuchen erfüllt.

Die kanadische, australische, britische, französische und japanische Finanzverwaltung überprüfe jeweils die zutreffende Besteuerung des Unternehmens W GmbH. Ziel sei es jeweils, im Rahmen der Zusammenarbeit mit der deutschen Finanzverwaltung die Ursache für die niedrige effektive Steuerbelastung des Unternehmens zu finden.

Die Ermächtigung zur Auskunftserteilung an die britische und französische Finanzbehörde ergebe sich aus Art. 5 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der EUAHiRL und § 4 Abs. 1 EUAHiG. Für den Informationsaustausch nach der EU-AHiRL (Richtlinie 2011/16/EU) reiche es aus, dass die erbetenen Informationen erheblich seien. Dies setze voraus, dass die ernstliche Möglichkeit bestehe, dass ein Besteuerungsrecht des Staates Großbritannien bzw. Frankreich bestehen und die britische bzw. französische Steuerverwaltung ohne die Auskunft von dem Gegenstand des Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangen würde.

Die Ermächtigung zur Auskunftserteilung an die kanadische, australische und japanische Finanzverwaltung ergebe sich aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 Abs. 1 DBA-Kanada bzw. Art. 24 Abs. 1 DBA-Australien bzw Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan. Hilfsweise könne auch die Auskunftserteilung an die britische und französische Finanzverwaltung auf Art. 27 Abs. 1 DBA-Großbritannien bzw. Art. 22 Abs. 1 DBA-Frankreich gestützt werden. Nach diesen DBA-Regelungen – mit Ausnahme des DBA-Japan – könnten die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen austauschen, die zur Durchführung des Abkommens oder des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern erforderlich seien. Diese Voraussetzung sei jeweils erfüllt. Nur durch einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den zuständigen Finanzbehörden der betreffenden Staaten bzw. der Staaten, in denen die Unternehmen der digitalen Wirtschaft tätig seien, könnten Missbräuche frühzeitig erkannt bzw. aufgedeckt und zukünftig verhindert werden.

Im Streitfall sollten Informationen über die bekannte Konzernstruktur, Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die hieraus resultierende Besteuerung und gegebenenfalls Anmerkungen zu länderspezifischen tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten ausgetauscht werden. Diese Daten seien zur Einkommens- bzw. Gewinnermittlung geeignet, insbesondere werde hierdurch die Ermittlung nicht deklarierter Einkünfte ermöglicht bzw. erleichtert.

Der Informationsaustausch sei für die Erreichung dieser Zwecke auch geeignet. Die auszutauschenden Informationen würden sowohl der Subsumtion unter steuerrelevanter Sachverhalte dienen, als auch präventiv zielorientiert im Sinne des BEPS zur Einführung von Antimissbrauchsregelungen in den gegebenenfalls neu zu verhandelnden DBAs und im internationalen Recht sein.

Soweit eine direkte oder indirekte steuerliche Auswirkung durch die Informationen nicht vollumfänglich gegeben sei, sei darauf hingewiesen, dass es sich bei dem streitigen Informationsaustausch um einen ersten Schritt der Zusammenarbeit handele. Infolge der Zunahme der internationalen Tätigkeit der Konzerne scheine es erforderlich, auch im Rahmen der Besteuerung mit den Finanzbehörden der einzelnen Länder näher zusammenzuarbeiten. Hieraus ergebe sich die Geeignetheit.

Der Informationsaustausch sei auch angemessen.

Eine Subsidiarität der in Rede stehenden Informationshilfen liege grundsätzlich bei grenzüberschreitenden Fällen nicht vor, da die auszutauschen Informationen aufgrund mangelnder Zuständigkeit nicht anderweitig beschafft werden könnten. Da bereits vorhandene Daten ausgetauscht würden, sei eine effektivere Umsetzung gleichermaßen nicht möglich.

In Anbetracht einer zutreffenden Besteuerung sei der beabsichtigte Informationsaustausch von besonderer Bedeutung. Die Aufklärung der geringen Steuerquote der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft stelle einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund für die Weitergabe der Informationen dar. Vor dem Hintergrund der internationalen Tätigkeit des Unternehmens W GmbH könne eine Aufklärung nur im Rahmen der internationalen Kooperation zwischen den Finanzverwaltungen erfolgen. Soweit eine länderübergreifende Zusammenarbeit der Steuerbehörden unterbleibe, scheine dies den tatsächlichen Gegebenheiten fremd. So müsse ein international tätiges Unternehmen, wie die Antragstellerin, auch mit einer „internationalen Besteuerung“ und einem in diesem Zusammenhang stehenden Informationsaustausch rechnen.

Soweit es sich bei den weiter zu gebenden Informationen um frei zugängliche Informationen handele, insbesondere bei den Informationen zu den firmen- und gesellschaftsrechtlichen Strukturen der W GmbH sei eine Weitergabe auch ohne die Erfüllung der Voraussetzungen des jeweiligen DBAs möglich. Dieser Teil der Informationen, namentlich die durch den W Konzern veröffentlichten Bilanzzahlen, eine Erläuterung zum Kerngeschäft des Konzerns, strukturelle Unterschiede in Großbritannien, Aussagen zur US-Besteuerung des W Konzerns und eine Liste internationaler Tochtergesellschaften würden aus Quellen stammen, die im Internet frei zugänglich seien (Einzelheiten s. Schriftsatz des Antragsgegners vom 24. Juli 2015, Seite 3, Bl. 262 der FG-Akte). Eine Berufung auf das Steuergeheimnis greife hier nicht.

Es sei ohnehin fraglich, ob ein Informationsaustausch bezüglich einer internationalen Tätigkeit eines Unternehmens in der digitalen Wirtschaft überhaupt ein Steuergeheimnis nach § 30 AO verletzen könne, da der Austausch lediglich der Besteuerung eines über mehrere Länder hinaus tätigen Unternehmens diene.

Die begehrten Auskünfte könnten auch gemäß § 117 Abs. 3 AO im Wege einer Kulanzauskunft an Kanada, Australien, Großbritannien, Frankreich und Japan erteilt werden, da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt seien. Insbesondere sei die verbürgte Gegenseitigkeit gegeben. Der angestrebte Informationsaustausch basiere jeweils auf dem Ersuchen seitens der kanadischen, australischen, britischen, französischen und japanischen Finanzverwaltung, welche wiederum auf dem am 14. Januar 2014 verfassten Protokoll der Telefonkonferenz beruhen würden. Von einer Wahrung des Steuergeheimnisses sei auszugehen.

Auch das deutsche Auskunftsersuchen jeweils an die kanadische, australische, britische, französische und japanische Finanzbehörde sei rechtmäßig.

Im Verhältnis zu Großbritannien ergebe sich dies aus Art. 5 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der EU-AHiRL und i.V.m. dem EU-AHiG. Im Verhältnis zu Kanada, Australien und Japan folge dies aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 Abs. 1 DBA-Kanada bzw. Art. 24 Abs. 1 DBA-Australien bzw. Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan sowie des § 117 Abs. 3 AO. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlagen seien erfüllt.

Er, der Antragsgegner, sei befugt, Maßnahmen außerhalb eines konkreten Besteuerungsverfahrens zu ergreifen (§ 85 AEAO Rz. 4). Dabei sei die Finanzverwaltung zur Vermeidung von Steuerverkürzungen verpflichtet, Zweifelsfragen nachzugehen. Zweifelsfragen würden bereits dann vorliegen, wenn ein konkreter Verdacht auf Unregelmäßigkeiten vorliege. Ausreichend sei bereits ein hinreichender Anlass, wie konkrete Umstände oder Erfahrungswerte, die auch branchenspezifisch sein könnten (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 – VII R 1/87). Für die Branche der digitalen Wirtschaft, zu der die Antragstellerin zähle, seien diese konkreten Umstände und Erfahrungswerte gegeben, z.B. Europäische Kommission „Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung“ vom 6. Dezember 2012 und nachfolgende Initiativen, Ermittlungsverfahren der EU-Wettbewerbskommission, unwidersprochene Presseveröffentlichungen zur tatsächlichen Steuerquote global agierende E-Commerce Unternehmen außerhalb des Sitzstaates.

Soweit die Antragstellerin nach dem Gehalt des Fragenkatalogs der E-Mail vom 10. Februar 2015 frage, sei darauf zu erwidern, dass es sich um Fragen handele, die bislang nicht hätten beantwortet werden können. Diese Fragen sollten im Rahmen des Informationsaustauschs (auf Prüferebene) an die beteiligten ausländischen Finanzbehörden gestellt werden. Es werde versichert, dass bislang keine Informationen übermittelt worden seien.

Erstmals mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 trägt der Antragsgegner vor, dass bei Unternehmen, die wie vorliegend in einem internationalen Verbund tätig seien, typischerweise intern festgelegte Verrechnungspreise eine gewichtige Rolle bei Steuerplanmodellen spielen würden. Bei der Verrechnungspreisgestaltung fließe eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Aspekte ein. Neben der Koordination der im Unternehmen vorhandenen Ressourcen und der Preiskalkulation spiele unter anderem die Einkommensverteilungsfunktion zwischen den Konzernunternehmen eine wichtige Rolle bei der Verrechnungspreisgestaltung. Ein weiterer Gesichtspunkt grenzüberschreitender Transaktionen multinationaler Unternehmen bestehe in den durch die Konzernführung zugewiesenen Tätigkeitsfeldern. Hiervon sei wiederum abhängig, ob eine Betriebsstätte, insbesondere eine Vertreterbetriebsstätte in dem Mitgliedstaat oder Drittstaat vorliege oder nicht. Die einzelnen Fragen- und Antwortkomplexe des Auskunftsersuchens würden eine Transparenz der einzelnen Aspekte der unternehmerischen Entscheidung ermöglichen. Denn konzerninterne Leistungsbeziehungen in internationalen Konzernen hätten einen unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerungsgrundlage eines Landes. Durch eine Verlagerung von Gewinnen in Länder mit niedriger Steuerbelastung wäre eine Optimierung der Steuerquote im Konzern möglich. Diese Vorgehensweise gehe regelmäßig mit Steuerausfällen in den einzelnen Mitgliedstaaten und Drittstaaten einher. Dies gelte insbesondere wie vorliegend im Bereich der gewerblichen E-Commerce-Einkünfte, da das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nach den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen werde, wenn im Quellenstaat weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter vorhanden seien. Durch das Auskunftsersuchen werde geprüft, inwieweit Anknüpfungspunkte für eine Besteuerung im Quellenstaat bestehen würden. Darüber hinaus führe die mit der Auskunft einhergehende Transparenz zur Eindämmung eines schädlichen Steuerwettbewerbs zu Lasten anderer Mitgliedstaaten oder Drittstaaten und zur Förderung des fairen innergemeinschaftlichen und globalen Wettbewerbs. Schlussendlich diene die durch das Auskunftsersuchen ermöglichte Funktionsanalyse konkret aber auch der tatsächlichen Besteuerung der Antragstellerin, da hierdurch die einzelnen Glieder der globalen Wertschöpfungskette identifiziert werden könnten.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 trägt der Antragsgegner zur voraussichtlichen Erheblichkeit des Informationsaustauschs vor, dass diese Voraussetzung erfüllt sei, da die zur Weitergabe vorgesehenen Informationen eine Aufzeichnung der multinationalen Handlungsfelder des Konzerns W darstellen würden. Darüber hinaus diene die Information der Klärung der Einflussmöglichkeiten der Tochtergesellschaften auf das Kerngeschäft der W Inc., mit Sitz in den Vereinigten Staaten. Zur Klärung der internen Beziehung der W Inc. sowie der W ... AG sei es erforderlich, dass Kenntnisse über die vertraglichen Regelungen der einzelnen W Unternehmen im Detail erlangt würden. In Deutschland bestünde eine Reihe von W Tochtergesellschaften. Die wichtigste Gesellschaft für die Landesaufgaben sei die Antragstellerin. Sie stelle die Verknüpfung mit dem W Kerngeschäft dar, den „...“. Darüber hinaus agiere eine dauerhafte Betriebsstätte der Schweizer W ... AG als Telefon-Hotline für die deutschen Kunden. Für diese Routineaufgaben werde als Verrechnungspreis ein aufgabenbezogener Kostenaufschlag angewendet. Kenntnisse bezüglich der vertraglichen Regeln, welche die interne Beziehung zwischen der W Inc. sowie der W ... AG regeln würden, würden nicht bestehen. Die vorgelegten Vertragswerke würden vorsehen, dass die Antragstellerin in Deutschland das gegenwärtige Geschäft lediglich als Beratungsunternehmen für das Marketing und andere laufende Dienstleistungen unterstütze. Die Antragstellerin sei ein Tochterunternehmen der W ... AG und gemäß ihrer eigenen Angaben weder rechtlich noch operativ in der Lage, in das elektronische Kerngeschäft des Konzerns einzugreifen. Dementsprechend könne die Antragstellerin auf der Grundlage der aktuellen Gesetzgebung nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen nicht als ständiger Vertreter in Form einer dauerhaften Betriebsstätte behandelt werden. Entsprechend der Funktions- und Risikoanalyse würden die Tätigkeiten, die nötig seien, um das Kerngeschäft von W zu beeinflussen, entweder bei der W ... AG oder der W Inc. ausgeführt. Eine dauerhafte Betriebsstätte, die zu einer Besteuerung der Gewinne aus dem Kerngeschäft in Deutschland führen würde, sei somit nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht möglich. Erkenntnisse während der letzten Betriebsprüfung hätten jedoch ergeben, dass die Antragstellerin unabhängige Tätigkeiten ausgeübt habe, die über ihre vertraglich vereinbarten Dienstleistungen hinausgehe. Es habe keine Möglichkeit bestanden zu bestimmen, ob oder in welchem Maße die Tätigkeit der Antragstellerin das Kerngeschäft beeinflusse. Zudem seien die Deutschen Geschäftsführer offenbar auch in den UK-Gesellschaften tätig, was aber weder qualitativ noch quantitativ durch die Betriebsprüfung habe ermittelt werden können. Dies könnte im Wege des Auskunftsverkehrs geklärt werden.

Zur Ermittlung der zutreffenden Besteuerung am Standort der wirtschaftlichen Aktivität sei eine genaue Kenntnis der internationalen Konzernstrukturen notwendig. Wie bei der Betrachtung des W Konzerns deutlich werde, sei der in Deutschland zu versteuernde Gewinnanteil des Kerngeschäfts verhältnismäßig gering, obwohl der deutsche Markt der drittgrößte des W Konzerns sei. Weil die Antragstellerin darlege, nur Beratungs- und Marketingleistungen durchzuführen, würden die Zahlen in der Berechnung der Gewinne, die durch die Marketing- und Beratungstätigkeit der Antragstellerin erwirtschaftet würden, mit denen verglichen, die durch das weltweite Kerngeschäft erwirtschaftet würden. So betrage der weltweite Gewinn vor Steuern 22 % der Umsätze im Jahr 2012, auf die Antragstellerin in Deutschland sei jedoch nur eine Gewinnmarge von ca. 0,5 % entfallen.

Durch eine Erlangung von Informationen über die internationale Konzernstruktur könne überprüft werden, wie die globale Wertschöpfung im Konzern über die einzelnen Glieder verteilt sei und ob die bislang ermittelten Gewinnanteile zutreffend seien. Der (für die Besteuerung zugrunde zu legende) Wert der konkret ausgeübten Funktionen des jeweiligen Unternehmens könne nur dann zutreffend ermittelt werden, wenn der Zusammenhang mit Wertschöpfungsbeiträgen in anderen Unternehmensteilen erkennbar sei. Gerade bei global agierenden Unternehmen, bei denen mehrere Unternehmensteile in den Wertschöpfungsprozess eingebunden seien, greife die Betrachtung eines einzelnen Unternehmensteils daher notwendigerweise zu kurz. So liege auch der Streitfall. Nur mit den länderübergreifenden Beiträgen sei eine Bestimmung der Art und Höhe der im Rahmen der Wertschöpfungskette in Deutschland und den weiteren beteiligten Ländern erbrachten Leistungen möglich. Der technische Ablauf der von W betriebenen „...“ werde so transparenter und eine Überprüfung der zahlreichen Leistungsbeziehungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften ermöglicht. Insofern sei es auch unerheblich, ob die Antragstellerin eigene Tochtergesellschaften in den anderen am Informationsaustausch beteiligten Staaten besitze. Entscheidend sei die Ermittlung der Wertschöpfungsbeiträge im Gesamtkonzern, die durch den Informationsaustausch mit diesen anderen Staaten ermöglicht werde.

Darüber hinaus sei es hilfreich, Informationen aus den anderen, an diesem Informationsaustausch beteiligten Ländern zu bekommen, da nur so eine Auswertung des aktuellen Steuersystems möglich sei. Wenn deutlich würde, dass die Gewinne Ws in Niedrigsteuerrechtsgebiete geleitet würden, könnten weitere Schritte zwischen den beteiligten Ländern besprochen und eingeleitet werden. Der gegenseitige internationale Informationsaustausch verschaffe den Steuerverwaltungen Informationen über die globale Steuerplanung und bilde die Grundlage, künstliche Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuergebiete aufzudecken. Als Ziel stünden die Sicherstellung einer gerechten Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Ländern sowie eine Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung im Vordergrund.

Soweit die Antragstellerin die Schwärzungen in der Verwaltungsakte rüge, sei dem entgegenzuhalten, dass hierdurch nicht ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt werde. Die geschwärzten Daten seien für die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes nicht erforderlich.

Aus den Gründen

II.

Der Antrag ist begründet. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund i.S.d. § 114 FGO liegen vor.

1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Weiterleitung von Auskünften bzw. gegen das Ersuchen um Auskünfte ist im Wege einer einstweiligen Anordnung i.S.d. § 114 FGO statthaft.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. §  920 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte sie verhindern, dass der Antragsgegner sie betreffende steuerliche Verhältnisse an eine ausländische Steuerbehörde im Wege der Auskunftserteilung und des Auskunftsersuchens mitteilt. Sie möchte damit die Veränderung eines bestehenden Zustandes verhindern (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 28. Oktober 1997 – VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424).

2. Die entsprechenden Voraussetzungen sind erfüllt. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist gegeben. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner, die beabsichtigte Erteilung der Auskünfte bzw. das beabsichtigte Ersuchen um Auskünfte zu unterlassen.

a. Die Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch bildet § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 30 AO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. September 2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008/51; vom 29. April 1992 - I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Durch die Weiterleitung der erbetenen Auskünfte bzw. das Ersuchen um Auskünfte werden steuerliche Verhältnisse der Antragstellerin - nämlich Informationen über ihre Konzernstruktur, Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der daraus folgenden Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen in diesem Zusammenhang - unbefugt offenbart, so dass die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch hat.

b. Eine Duldungspflicht der Antragstellerin besteht nicht. Insbesondere hat sie es nicht analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass der Antragsgegner die Informationen an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Steuerbehörde weiterleitet. Die Antragstellerin ist insoweit durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO geschützt.

aa. Dem Schutz durch das Steuergeheimnis steht nicht § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO entgegen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Hiernach ist die Offenbarung steuerlicher Verhältnisse, die dem Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 AO unterliegen, ausnahmsweise zulässig, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Hieran mangelt es im Streitfall.

bb. Die einzige im Streitfall in Betracht kommende ausdrückliche gesetzliche Zulassung in diesem Sinne enthält § 117 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörden u.a. auf Grund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des EU-Amtshilfegesetzes Amtshilfe leisten können. Durch eine Maßnahme, die sich in diesem Rahmen hält, wird deshalb das Steuergeheimnis nicht verletzt (vgl. BFHBeschlüsse vom 10. Mai 2005 I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; vom 29. April 1992 - I B 12/92, a.a.O.).

Im Streitfall hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung einer solchen völkerrechtlichen Vereinbarung weder hinsichtlich der geplanten Auskunftserteilung an die verschiedenen ausländischen Finanzbehörden noch hinsichtlich des geplanten Ersuchens um Auskunft bei den ausländischen Finanzbehörden gegeben sind.

(1) Als innerstaatlich anwendbare völkerrechtliche Vereinbarung im Sinne des § 117 Abs. 2 AO, die zur Erteilung der beabsichtigten Auskunft befugen könnte, kommt im Verhältnis zu Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan die jeweils im entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen geregelte Auskunftsklausel in Betracht (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-Australien, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Kanada, Art. 22 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 27 Abs. 1 DBA-Großbritannien, Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan).

(a) Danach tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die zur Durchführung des jeweiligen Abkommens betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern „erforderlich“ (so Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-Australien, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Kanada, Art. 22 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan) bzw. „voraussichtlich erheblich“ sind (so Art. 27 Abs. 1 DBA-Großbritannien). Das DBA-Japan beschränkt sich hierauf (sog. kleine Auskunftsklausel). Der Austausch nach den DBA-Australien, DBA-Kanada, DBA-Frankreich und DBA-Großbritannien umfasst dagegen zusätzlich die Informationen, die zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten bzw. zur Vermeidung von Steuerhinterziehung erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich sind (sog. große Auskunftsklausel, vgl. hierzu Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 27; Czakert, in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 50 f.; Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz. 19 ff.).

(b) Eine Auskunftserteilung ist „erforderlich“, wenn die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt (BFH-Beschluss vom 10. Mai 2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; vom 13. Januar 2006 – I B 35/05, BFH/NV 2006, 922; vom 17. September 2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008, 51 (jeweils im Zusammenhang mit einer Spontanauskunft); Hendricks, IStR 2008, 31, 33 f.; vgl. Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz. 18). Die um Auskunft ersuchte Behörde muss dabei nicht den genauen Inhalt des ausländischen Rechts ermitteln. Es genügt eine „Schlüssigkeitsprüfung“. Allerdings muss ein Bezug zur Besteuerung im ersuchenden Staat bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 – I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807). Die Auskünfte müssen zudem vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sein (Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz. 19.97; Eilers, in D/W, Doppelbesteuerung, Art. 26 MA Rz. 26). Folglich ist die Auskunftserteilung nicht schon dann legitimiert, wenn das entsprechende Ersuchen aus der Sicht des ersuchenden Staates effektiver oder einfacher ist als innerstaatliche Mittel (Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz. 19.97).

(c) Das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ in dem DBA-Großbritannien, das Art. 26 OECD-MA in seiner ab 2005 geltenden Fassung entspricht, verlangt, dass zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird (Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert, in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55). Die Daten müssen für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände des ersuchenden Vertragsstaates von Bedeutung sein (Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29). Darauf, ob die Information nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an und macht das ursprüngliche Ersuchen nicht unzulässig (Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert, in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55). Indes wird mit dem Tatbestandsmerkmal auch klargestellt, dass es den Vertragsstaaten nicht freisteht, „fishing expeditions“ bzw. Anfragen „ins Blaue hinein“ zu stellen oder um Auskünfte zu ersuchen, die wahrscheinlich für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen unerheblich sind (Art. 26 Rz. 5 OECD-MA). Es muss ein Einzelfallbezug bestehen (Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 30).

Rechtlich unterscheidet sich das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ nicht vom Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ (vgl. Engelschalk in Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage 2008, Art. 26 Rz. 34). Nach dem OECD-Musterkommentar sollte die Wirkung der Regelung nicht verändert werden (Art. 26 Abschn. 4.1 OECD-MK). Das Kriterium der voraussichtlichen Erheblichkeit der Auskunft soll lediglich besser zum Ausdruck bringen, dass der ersuchte Staat regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die tatsächliche Bedeutung der Information für das Besteuerungsverfahren im Empfangsstaat zu beurteilen (vgl. Engelschalk in Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage 2008, Art. 26 Rz. 34; Herlinghaus, in FS Herzig, S. 933, 946).

(d) Im Streitfall ist die geplante Weiterleitung der Auskünfte an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Finanzbehörde nicht erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich.

(aa) Geht man von der gegenüber der Antragstellerin in Aussicht gestellten Auskunftserteilung vom 28. August 2014 bzw. vom 4. Mai 2015 aus, so ist nicht erkennbar, inwieweit die ernstliche Möglichkeit besteht, dass Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zusteht.

Denn in der Ankündigung der Auskunftserteilung vom 28. August 2014 führt das Finanzamt A lediglich aus, dass die Staaten die Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft und deren Besteuerung untersuchen. Es wird weiterhin dargelegt, dass W u.a. in den genannten Ländern jeweils wirtschaftlich tätig sei und den dortigen Besteuerungsregelungen unterliege. Zur Prüfung der steuerlichen Konsequenzen sei die deutsche Finanzverwaltung jeweils von den genannten Finanzbehörden gebeten worden, die „firmen- und gesellschaftsrechtlichen Strukturen Ws darzustellen und die in Deutschland getätigten wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die hieraus folgenden Besteuerungsrechte Deutschlands zu erläutern“. Diese Ausführungen sind sehr allgemein gehalten. Hieraus lässt sich nicht schließen, inwieweit die ernstliche Möglichkeit besteht, dass den genannten Staaten abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zusteht.

Auf Nachfrage der Antragstellerin führte der Antragsgegner in der letztmaligen Ankündigung der Auskunftserteilung vom 4. Mai 2015 zum Umfang der beabsichtigten Informationsweitergabe mit, dass es sich bei den weiterzuleitenden Daten um die bekannte Konzernstruktur, die Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die hieraus folgende Besteuerung, und gegebenenfalls Anmerkungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten handele.

Diese Angaben zu den beabsichtigten Auskunftserteilungen sind sehr abstrakt und unbestimmt. Es ist nicht erkennbar, welche Auskünfte in concreto übermittelt werden sollen. Es lässt sich erst Recht nicht erkennen, ob und inwieweit sie überhaupt einen Bezug zu einem Besteuerungsrecht und insbesondere gerade zu einem Besteuerungsrecht Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans haben. Es geht nicht hervor, welcher vermeintlich steuerlich relevante Sachverhalt übermittelt werden soll.

Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Antragsgegners in einer E-Mail vom 23. Juli 2014 (konkreter Absender geschwärzt) schreibt, dass er mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes A vereinbart habe, dass er Anhörungsschreiben für jeweils fünf Länder sowohl für die Antragstellerin als auch für ein weiteres Unternehmen wortgleich (nur unter Anpassung der Firmen und unter Entfernung des Hinweises auf die Holding) erstellt. Auch hieran ist zu erkennen, dass es an einem Bezug zum Einzelfall mangelt.

(bb) Aber auch unter ergänzender Würdigung des Fallprofils, das jeweils an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Finanzverwaltung übermittelt werden soll, sind die beabsichtigten Auskunftserteilungen weder erforderlich noch voraussichtlich erheblich im Sinne der Auskunftsklausel der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen.

(α) Das Fallprofil besteht in einer Bestandsaufnahme der Verhältnisse des W Konzerns. So werden die weltweite Struktur und das Geschäftsmodell des W Konzerns dargelegt.

Es wird wiederholt festgestellt, dass die Besteuerung des Konzerns auf der Grundlage der geltenden Gesetzeslage nicht zu beanstanden sei. Im Hinblick auf die Verrechnungsproblematik wird dies im Besonderen hervorgehoben. In dem Fallprofil wird zwar u.a. festgestellt, dass die Wirtschaftsprüfer nicht in der Lage seien, einen entsprechenden Beweis hervorzurufen, dass die Antragstellerin als abhängiger Vertreter in Form einer dauerhaften Betriebsstätte behandelt werden könne. Hieraus wird jedoch kein Informationsbedarf der Auskunft ersuchenden Finanzbehörden Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans gefolgert. Vielmehr wird hieraus die Konsequenz gezogen, dass es „ohne eine internationale neue Regulierung der Besteuerung dieser Betriebe“ nicht möglich sein werde, zu einer Besteuerung zu gelangen, die spürbar von der bestehenden abweiche (Seite 10 des Fallprofils). Dass die Beweisbarkeit eines abhängigen Vertreters in Form einer dauerhaften Betriebsstätte nicht steuerlich erforderlich oder voraussichtlich erheblich ist, wird zudem dadurch bestätigt, dass die deutsche Finanzverwaltung in dem Fallprofil ausführt, dass selbst wenn man das Bestehen eines dauerhaften Vertreters mit einer deutschen Betriebsstätte beweisen könnte, die aktuelle Gesetzgebung keine Zuordnung bedeutsamer Gewinne zur dauerhaften Betriebsstätte erlaube (Seite 10 des Fallprofils). Schließlich liegt ein weiterer Schwerpunkt des Fallprofils in der Zusammenstellung von Empfehlungen de lege ferenda.

(β) Aus dem Fallprofil ergibt sich nicht, dass und unter welchen Aspekten die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt. Ebensowenig ergibt sich, dass eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird. Es ist kein Bezug zur Besteuerung in den einzelnen jeweiligen ersuchenden Staaten ersichtlich. Hieran mangelt es insbesondere auch deshalb, weil in dem Fallprofil nicht nach den Auskunft ersuchenden Staaten differenziert wird. Zwar hat das Finanzamt A in seinem Schreiben vom 28. August 2014 mitgeteilt, dass W u.a. in den betreffenden Ländern jeweils wirtschaftlich tätig sei und den dortigen Besteuerungsregelungen unterliege. Dies reicht jedoch nicht aus. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Antragsgegners in seinem Schreiben vom 4. Mai 2015. Hierin wird mitgeteilt, dass die betreffenden Länder auf Anregung Australiens die zutreffende Besteuerung bestimmter multinationaler Unternehmen prüften. Ebenso gilt entsprechendes, soweit der Antragsgegner im vorliegenden Antragsverfahren vorträgt, dass durch die Auskunftserteilung eine Ermittlung nicht deklarierter Einkünfte ermöglicht bzw. erleichtert wird. Auch hierbei handelt es sich um eine schlichte Behauptung. Ungeachtet dessen, dass das tatsächlich mit der Auskunftsübermittlung verfolgte Ziel ein anderes ist - nämlich die effektive Änderung von Gesetzen - sind die vorgenannten Behauptungen nicht substantiiert dargelegt. Es handelt sich um schlichte, völlig abstrakt gehaltene Behauptungen. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass gerade Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan ein Besteuerungsrecht haben könnten, das ihnen ohne die Auskunft unbekannt bliebe. Im Gegenteil, einen Schwerpunkt des Fallprofils bildet das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der W Inc. mit Sitz in den USA sowie der W ... AG mit Sitz in der Schweiz. Dabei wird gemutmaßt, dass W die Besonderheiten des US-Steuersystems nutze, um Einkommen in Rechtsgebiete mit niedrigen Steuersätzen umzuschichten. Ungeachtet der mangelnden Erkennbarkeit eines bislang nicht bekannten möglichen Besteuerungsrechts sind die Finanzbehörden der USA und der Schweiz an dem Auskunftsaustausch schon gar nicht beteiligt.

Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass die Auskunftserteilung der zutreffenden Besteuerung oder der Ermittlung nicht deklarierter Einkünfte dient, rückt die Auskunftserteilung jedenfalls in die Nähe sog. „Fishing expeditions“, also von Auskunftserteilungen „ins Blaue hinein“. Denn dabei geht der Einzelfallbezug verloren. Weder ergibt sich, in welchem konkreten Staat welches vermeintliche Besteuerungsrecht bestehen soll, noch welcher konkrete Steuerpflichtige hiervon betroffen sein soll. Der W-Konzern ist als solcher kein Steuerpflichtiger, sondern eine Zusammenfassung von einzelnen Steuerpflichtigen. Dass das Fallprofil in „irgendeinem“ Staat möglicherweise zur Besteuerung „irgendeiner“ Gesellschaft des W-Konzerns führen könnte, reicht für dessen steuerliche Erforderlichkeit bzw. voraussichtliche Erheblichkeit nicht aus.

(γ) Dass das Erfordernis der Erforderlichkeit bzw. voraussichtlichen Erheblichkeit nicht erfüllt ist, wird zudem dadurch bestätigt, dass den Finanzbehörden aller fünf betreffenden Staaten das gleiche Fallprofil übermittelt werden soll. Auch hieran ist zu erkennen, dass nicht über einen Sachverhalt Auskunft erteilt werden soll, der im jeweils anderen Staat steuerlich relevant sein könnte.

(δ) Das Fallprofil dient – nach dem ausdrücklichen Vortrag des Antragsgegners – vielmehr dazu, durch eine Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten die Ursachen für die „niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft – wozu der W-Konzern gehört – zu ermitteln. So endet das Fallprofil auch mit Empfehlungen.

Der Antragsgegner beruft sich ausdrücklich auf den von der OECD veröffentlichten Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), der der mangelhaften Besteuerung der digitalen Wirtschaft einen eigenen Aktionspunkt gewidmet hat. Der Antragsgegner trägt dabei vor, dass die auszutauschenden Informationen präventiv zielorientiert im Sinne des BEPS zur Einführung von Antimissbrauchsregelungen in den gegebenenfalls neu zu verhandelnden DBAs und im internationalen Recht dienen würden. Denn die niedrige effektive Steuerbelastung beruht auf der „Ausnutzung“ der bestehenden Gesetzeslage. Es wird nicht substantiiert dargelegt, dass die niedrige effektive Steuerbelastung nicht im Einklang mit den Gesetzen stehen dürfte. Es wird lediglich – ohne nähere Konkretisierung – behauptet, dass die auszutauschenden Informationen u.a. der Subsumtion unter steuerrelevante Sachverhalte dienen würden. Den Finanzverwaltungen Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans kommt es indes darauf an, zu klären, welche gesetzlichen Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastung bestehen, damit die Gesetzgeber der verschiedenen Staaten gesetzlich Abhilfe schaffen können.

Dies wird auch durch das Muster für das Fallprofil, welches dem Protokoll der Telefonkonferenz vom 15. Januar 2014 beigefügt ist, bestätigt. Hiernach sollen die Informationen einen Überblick über die Unternehmensgruppe, die Globale Struktur und das Geschäftsmodell, Anforderungen an Besteuerung und Verwaltung (Bestandsaufnahme und Bedürfnisse) im Hinblick auf BEPS sowie Empfehlungen für die Zukunft umfassen.

Das Aufklärungsbedürfnis der E6-Staaten bezieht sich dabei von der Zielsetzung her noch nicht einmal konkret auf den W-Konzern, sondern auf die Unternehmen der digitalen Wirtschaft insgesamt. So trägt auch der Antragsgegner vor, dass die geringe Steuerquote der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft aufgeklärt werden soll. Die Untersuchung des Falls W ist folglich lediglich „Mittel zum Zweck“.

Daraus ist ersichtlich, dass die Übermittlung des Fallprofils nicht für die Besteuerung erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich ist, sondern dass die Erforderlichkeit bzw. voraussichtliche Erheblichkeit für die zukünftige Gesetzgebung besteht.

(ε) Der Einwand des Antragsgegners, dass bereits ein hinreichender Anlass, wie konkrete Umstände oder Erfahrungswerte, die auch branchenspezifisch sein könnten, für die Erteilung einer Auskunft ausreichen würden, verfängt im Streitfall nicht. Das Erfordernis eines Einzelfallbezugs kann nicht gänzlich außer Kraft gesetzt, sondern – je nach den konkreten Umständen - lediglich in einem weiteren Sinne verstanden werden.

So betrifft auch das vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang zitierte BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 (VII R 1/87, BStBl II 1990, 198, BFHE 158, 502) ein Sammelauskunftsersuchen an Kreditinstitute. Dort knüpfte das Auskunftsersuchen an den Inhalt der Bescheinigungen des klagenden Kreditinstituts und das Ergebnis der Kontrollmitteilungen durch die Betriebsprüfungsstelle. Die Gruppe der betroffenen Steuerpflichtigen konnte durch diese spezifischen Suchkriterien identifiziert werden. Im Streitfall mangelt es an solchen spezifischen Suchkriterien. Allein die Zugehörigkeit zu den Unternehmen der digitalen Wirtschaft reicht hierfür nicht aus, da dieses Kriterium viel zu abstrakt ist. Hieran ändert auch nichts, dass sich der Antragsgegner auf branchenspezifische Feststellungen beruft. Denn auch diese stellen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dar.

Hinzu kommt, dass die von dem Antragsgegner vorgetragenen Erfahrungswerte darauf hinaus laufen, dass die Unternehmen der digitalen Wirtschaft durch steuerliche Gestaltungen einer niedrigen Steuerquote unterliegen. Indes ist dies auf eine „Ausnutzung“ der geltenden Rechtslage zurückzuführen. Die Besteuerung steht im Einklang mit den Gesetzen. Ziel des Antragsgegners ist es, einen Beitrag zur Aufklärung der – rechtlich nicht zu beanstandenden – branchenspezifischen geringen Steuerquote der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft zu leisten.

(ζ) Soweit der Antragsgegner erstmals mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 ausführlicher auf die Verrechnungspreisproblematik abstellt, vermag dies ebenfalls nicht das Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ bzw. „voraussichtlichen Erheblichkeit“ der Auskünfte zu erfüllen. Die diesbezüglichen Ausführungen sind sehr abstrakt gehalten und weisen keinen Bezug zum konkreten Streitfall auf. Außerdem spiegeln sich diese Ausführungen nicht in dem Fallprofil wider. In dem Fallprofil werden nicht unter Differenzierung zwischen den verschiedenen Empfängerstaaten hierauf konkret bezogene Auskünfte erteilt. Die Ausführungen sind vielmehr derart allgemein formuliert, dass sie auf jeden international tätigen Konzern übertragen werden könnten. Es wird noch nicht einmal dargelegt, im Verhältnis zwischen welchen Gesellschaften und welchen Staaten die Informationen im Hinblick auf die Verrechnungspreise relevant sein sollen.

Zwar führt der Antragsgegner erstmals mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 aus, dass im Wege des Auskunftsverkehrs geklärt werden könnte, ob oder in welchem Maße die Tätigkeit der Antragstellerin das Kerngeschäft des Konzerns beeinflusse und ob oder inwieweit die deutschen Geschäftsführer auch in den UK-Gesellschaften tätig seien. Jedoch ist nicht erkennbar, inwieweit durch das Fallprofil gerade hierzu relevante Auskünfte erteilt werden sollen. Es handelt sich vielmehr um einen Aufklärungswunsch, dem allgemein im Rahmen des Informationsaustauschsprojektes der E6 Rechnung getragen werden soll.

Mit den erst zuletzt im vorliegenden Verfahren nachgeschobenen Ausführungen versucht der Antragsgegner, eine Relevanz der Auskunftserteilung für die Besteuerung darzulegen. Allerdings ist nicht erkennbar, inwieweit gerade das Fallprofil diese Relevanz erfüllt. Denn in ihm wird nicht konkret mitgeteilt, wie z.B. die Wertschöpfungsbeiträge verteilt sind. Letztlich formuliert der Antragsgegner lediglich das Ziel und die Feststellung, dass nur mit länderübergreifenden Beiträgen die Art und Höhe der im Rahmen der Wertschöpfungskette in Deutschland und den weiteren beteiligten Ländern erbrachten Leistungen bestimmt werden können. Inwieweit gerade das Fallprofil hierfür erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich ist, ist nicht erkennbar. Das Ziel kann – wenn überhaupt – nur als erstrebtes Ziel des Gesamtprojektes der E6 verstanden werden.

Allerdings ändert auch dies nichts daran, dass das Fallprofil einen ersten Beitrag zur Auswertung des aktuellen Steuersystems leisten soll, worauf der Antragsgegner zum wiederholten Male auch in seinem zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 24. Juli 2015 hinweist. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Zielsetzung, die nicht von den DBA-Auskunftsklauseln gedeckt ist.

Der Antragsgegner trägt auch vor, dass es zur Klärung der internen Beziehung der W Inc. (USA) sowie der W ... AG (Schweiz) erforderlich sei, dass Kenntnisse über die vertraglichen Regelungen der einzelnen W Unternehmen im Detail erlangt würden. Wenn dies eines der Ziele der Auskunftserteilung sein soll, dann erscheint es zweifelhaft, dass ausgerechnet die Finanzbehörde der entsprechenden Sitzstaaten – USA und Schweiz – nicht an dem Informationsaustausch beteiligt sind.

(η) Ungeachtet dessen ist auch nicht erkennbar, inwieweit die Informationen für die Finanzverwaltungen Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind. Dies gilt umso mehr, als ein Teil der Informationen sogar im Internet frei zugänglich sind.

(θ) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners unterliegen die mit dem Fallprofil zur Weiterleitung vorgesehenen Informationen auch in vollem Umfang dem Schutzbereich des Steuergeheimnisses nach § 30 AO. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal des „Offenbarens“ ist erfüllt.

Voraussetzung des Offenbarens ist, dass die Verhältnisse des anderen oder die Geheimnisse nicht bereits bekannt sind (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1993 - IV R 107/92, BStBl II 93, 666; Drüen, in Tipke/Kruse, § 30 AO, Tz. 51a). Was jedem Interessenten ohne größere Schwierigkeiten und Opfer zugänglich ist, ist offenkundig und kann nicht mehr offenbart werden (Drüen, in Tipke/Kruse, § 30 AO, Tz. 51a), z.B. die durch Pressemitteilungen (im Internet) veröffentlichten Informationen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 2008 - VII B 226/07, BFH/NV 2008, 1295).

Auch wenn der Antragsgegner geltend macht, dass es sich bei einem Teil der Auskünfte, deren Weiterleitung geplant ist, um Informationen handelt, die im Internet zugänglich sind, vermag der Senat gleichwohl nicht für einen bestimmten Teil der zur Weiterleitung geplanten Informationen das Tatbestandsmerkmal des „Offenbarens“ zu verneinen und damit den Schutz durch § 30 AO auszuschließen. Denn zum einen lässt sich im Fallprofil nicht klar trennen, welche konkreten Informationen aus dem Internet stammen und welche nicht. Zum anderen führt die Nutzung der im Internet zugänglichen Informationen im Kontext mit den weiteren Informationen dazu, dass der Aussagewert für die Empfängerstaaten insgesamt ein höherer ist. Ein solcher Aussagewert kommt den im Internet zugänglichen Informationen jeweils für sich gesehen nicht zu.

Soweit der Antragsgegner in Frage stellt, ob ein Informationsaustausch bezüglich einer internationalen Tätigkeit eines Unternehmens in der digitalen Wirtschaft überhaupt ein Steuergeheimnis nach § 30 AO verletzen könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Im Streitfall geht es um den Schutz der Antragstellerin durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO. Nur weil sie Teil eines international tätigen Konzerns ist, ist dadurch nicht ihr Schutz reduziert. Der Besteuerung eines über mehrere Länder hinaus tätigen Unternehmens trägt der internationale Auskunftsverkehr Rechnung. Das Bedürfnis nach einem internationalen Auskunftsverkehr setzt den Schutzbereich des § 30 AO jedoch nicht dem Grunde nach außer Kraft. Es sind lediglich Durchbrechungen möglich, insbesondere wenn sie vom Gesetz vorgesehen sind. Solche gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen bilden u.a. die Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsabkommen. Allerdings müssen deren Voraussetzungen erfüllt sein.

(2) Im Verhältnis zur französischen und britischen Finanzbehörde ergibt sich eine gesetzliche Zulassung zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO auch nicht aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. dem EU-Amtshilfegesetz.

Insoweit kommt § 4 Abs. 1 Satz 1 EU-AHiG in Betracht. Hiernach erstellt die zuständige Finanzbehörde auf Ersuchen alle Antworten, die für die Festsetzung von Steuern nach § 1 EU-AHiG voraussichtlich erheblich sind. Hieran mangelt es.

Mit dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ wurde der OECD-Standard im EU-AHiG übernommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet. Zugleich soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen ("Fishing Expeditions") zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind (Begründung zum Entwurf des EU-Amtshilfegesetz der Bundesregierung vom 25. Mai 2012, BR-Drucks. 302/12, S. 66 f.).

Wie bereits zuvor im Zusammenhang mit den DBA-Auskunftsklauseln dargelegt, ist das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit im Streitfall nicht erfüllt.

(3) Eine gesetzliche Zulassung zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ergibt sich – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – auch nicht aus § 117 Abs. 3 AO (sog. Kulanzauskunft). Denn diese Norm ist nicht anwendbar.

Nach § 117 Abs. 3 AO können die Finanzbehörden unter bestimmten Voraussetzungen nach pflichtgemäßem Ermessen zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe auf Ersuchen auch in anderen Fällen als denen des § 117 Abs. 2 AO leisten.

Der genaue Anwendungsbereich von § 117 Abs. 3 AO, insbesondere das Verhältnis zu den in § 117 Abs. 2 AO genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen, ist umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass eine Kulanzauskunft nach § 117 Abs. 3 AO ausscheidet, wenn mit dem ersuchenden Staat eine völkerrechtliche Vereinbarung über den zwischenstaatlichen Informationsaustausch existiert. Denn dann richte sich der Auskunftsverkehr ausschließlich nach an dieser Vereinbarung (vgl. Wagner in Kühn/v. Wedelstädt, § 117 AO Rz. 5; Becker, JbFfSt 1980/81, 122, 135). Zu einem anderen Teil wird die Auffassung vertreten, dass Kulanzauskünfte erteilt werden können, wenn entweder völkerrechtliche Vereinbarungen fehlen oder aber im Falle der Existenz völkerrechtlicher Vereinbarungen, diese im konkreten Fall nicht einschlägig sind (Hendricks, in Beermann/Gosch, § 117 AO, Rn. 102; Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz. 91; Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 117 AO Rn. 168).

Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, welcher Auffassung vor dem Hintergrund des Vorrangs völkerrechtlicher Vereinbarungen nach § 2 AO der Vorzug zu geben ist. Denn beide Auffassungen führen im Streitfall dazu, dass § 117 Abs. 3 AO nicht zur Anwendung gelangt. Denn im Hinblick auf die Staaten aller fünf Empfänger-Finanzbehörden existieren völkerrechtliche Doppelbesteuerungsabkommen, die im Streitfall auch einschlägig, also dem Grunde nach anwendbar sind. Die Auskunftserteilung nach den völkerrechtlichen Verträgen scheitert lediglich daran, dass die konkreten Tatbestandsmerkmale der „Erforderlichkeit“ bzw. „voraussichtlichen Erheblichkeit“ nicht erfüllt sind.

c. Die Antragstellerin hat es auch nicht analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass der Antragsgegner ein Auskunftsersuchen an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Steuerbehörde weiterleitet. Die Antragstellerin ist auch insoweit durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO geschützt. Dem Schutz durch das Steuergeheimnis steht nicht § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO entgegen. Die streitige Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse ist nicht durch Gesetz ausdrücklich zugelassen.

aa. Als Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsersuchen kommt im Streitfall § 117 Abs. 1 AO in Betracht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

(1) Nach § 117 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals „nach Maßgabe des deutschen Rechts“ ist keine spezielle Rechtsgrundlage erforderlich. Die Inanspruchnahme ausländischer Amtshilfe im Wege eines Auskunftsersuchens bedarf also keiner weiteren besonderen innerstaatlichen Rechtsgrundlage (vgl. Höppner, in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 26 OECD-MA Rz. 246).

Die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe gemäß § 117 Abs. 1 AO ist nur unter den Voraussetzungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) zulässig. Deshalb müssen die Auskünfte zur Durchführung der deutschen Besteuerung „erforderlich“ sein (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AO). Erforderlich sind Auskünfte dann, wenn diese für die Besteuerung rechtlich erheblich und vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind (Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz. 19.63; vgl. Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO Tz. 11).

(2) Im Streitfall ist die Einholung der Auskünfte jeweils bei der australischen, kanadischen, französischen, britischen und japanischen Steuerbehörde nicht erforderlich i.S.d. § 111 Abs. 1 Satz 1 AO.

Der Inhalt der geplanten Auskunftsersuchen ergibt sich aus den an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 28. August 2014 und vom 4. Mai 2015. Diese Schreiben lassen nicht erkennen, inwieweit und in Bezug worauf die Finanzbehörden Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans Auskünfte erteilen können sollen, die für die Besteuerung der Antragstellerin rechtlich erheblich sind.

Aus den beiden Schreiben ist zu schließen, dass hinsichtlich des W-Konzerns um Auskunft ersucht werden soll zur Konzernstruktur, den Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der hieraus folgende Besteuerung, und gegebenenfalls Anmerkungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten.

Dieses Auskunftsersuchen ist – entsprechend der geplanten Auskunftserteilung - sehr abstrakt und unbestimmt. Es ist nicht erkennbar, welche der jeweiligen Behörden um jeweils welche Auskünfte konkret ersucht werden soll. Es lässt sich erst Recht nicht erkennen, ob und inwieweit überhaupt ein Bezug zu einem Besteuerungsrecht Deutschlands besteht. Es geht nicht hervor, welcher vermeintlich steuerlich relevante Sachverhalt mit dem Auskunftsersuchen übermittelt werden soll.

Der Antragsgegner hat zudem nicht dargelegt, welcher aufzuklärende Sachverhalt im Streitfall zu einer höheren Besteuerung führen kann und inwieweit gerade die ersuchten Finanzbehörden hierzu jeweils Auskünfte geben können sollen. Selbst im Zusammenhang mit der Verrechnungspreisproblematik, auf die der Antragsgegner auch erst zuletzt im vorliegenden Verfahren eingegangen ist und die sich in dem abstrakt umschriebenen Auskunftsersuchen nicht widerspiegelt, bestehen keine derartigen Anhaltspunkte mit Bezug zu den jeweils ersuchten Staaten.

Die mangelnde Erforderlichkeit wird auch dadurch bestätigt, dass das Ziel des Projektes der E6 in der Verhinderung von Steuergestaltungen, insbesondere BEPS besteht.

Die Tatsache, dass das Auskunftsersuchen an die Finanzbehörden aller fünf betroffenen Staaten gleich lautet, bestätigt zusätzlich, dass es sich um die Einholung um Auskünften handelt, die zumindest in die Nähe von Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein“ rücken.

bb. Als weitere Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsersuchen kommt im Verhältnis zur französischen und britischen Steuerbehörde zusätzlich auch § 6 EU-AHiG in Betracht. Auch dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Denn auch diese Vorschrift verlangt – wie die Auskunftserteilung nach § 5 EU-AHiG –, dass die Informationen für die Besteuerung voraussichtlich erheblich sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EU-AHiG). Hieran mangelt es.

d. Soweit die Beteiligten den Fragenkatalog gemäß der E-Mail eines Mitarbeiters des Antragsgegners (Urheber geschwärzt) vom 10. Februar 2015 ansprechen, ist dieser nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, dass es sich um Fragen handele, die im Rahmen des Informationsaustauschs auf Prüferebene an die beteiligten ausländischen Finanzbehörden gestellt werden sollen. Die Antragstellerin wurde bislang nicht hierzu angehört. Sie hat den Fragenkatalog auch nicht zum Gegenstand ihres Antrags gemacht.

3. Ein Anordnungsgrund i.S.d. § 114 FGO ist ebenfalls gegeben. Denn im Streitfall droht eine Verletzung des subjektiven Rechts der Antragstellerin auf Wahrung des Steuergeheimnisses durch eine nicht durch eine Rechtsgrundlage abgedeckte Auskunft; diese Verletzung könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden und kann nur durch den Erlass der einstweiligen Anordnung aufgehalten werden (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 - I B 87/05, BStBl II 2006, 616, BFHE 212, 4). In diesem Fall folgt der Anordnungsgrund aus dem Anordnungsanspruch.

Der Einwand des Antragsgegners, dass die ausländischen Finanzverwaltungen ihrerseits zur Geheimhaltung der Informationen verpflichtet seien, vermag hieran nichts zu ändern. Denn das Steuergeheimnis ist im Streitfall unabhängig von der Geheimhaltungspflicht der anderen Behörden nicht gewahrt, da es an einer gesetzlichen Grundlage für dessen Durchbrechung mangelt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO

5. Der Senat lässt nicht die Beschwerde gegen die getroffene Entscheidung gemäß § 128 Abs. 3 FGO zu, da sie auf allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze beruht und dem Rechtsstreit folglich keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommt.

6. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert beträgt ein Drittel des Streitwerts in der Hauptsache, für die der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG angesetzt wurde.

Hinweis der Redaktion: Vgl. auch Riegel/Walke, BB 2015, 1814.

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