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Steuerrecht
30.10.2014
Steuerrecht
EuGH: Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital – Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere

EuGH, Urteil vom 9.10.2014 – C-299/13; Isabelle Gielen gegen Ministerraad

Amtlicher Leitsatz

Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass er der Erhebung einer Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht. Eine solche Steuer kann nicht nach Art. 6 dieser Richtlinie gerechtfertigt werden.

Aus den Gründen

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 46, S. 11).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Gielen und dem Ministerraad (Ministerrat) über die Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Die Erwägungsgründe 2 und 9 der Richtlinie 2008/7 lauten:

„(2)      Die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, d. h. die Gesellschaftssteuer (Steuer auf die Einbringungen in Gesellschaften), die Wertpapiersteuer und die Steuer auf Umstrukturierungen, unabhängig davon, ob diese eine Kapitalerhöhung mit sich bringen, sind Ursache von Diskriminierungen, Doppelbesteuerungen und Unterschiedlichkeiten, die den freien Kapitalverkehr behindern. Dasselbe gilt für andere indirekte Steuern mit denselben Merkmalen wie die Kapitalsteuer und die Wertpapiersteuer. …

(9)      Außer der Gesellschaftssteuer sollten keine indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhoben werden …“

4 Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt die Erhebung indirekter Steuern auf

a)      Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften;

b)      Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften;

c)      die Ausgabe bestimmter Wertpapiere und Obligationen.“

5 In Art. 3 dieser Richtlinie ist eine Reihe von Vorgängen aufgeführt, die für die Zwecke der Richtlinie als Kapitalzuführungen gelten.

6 Art. 5 („Keinen indirekten Steuern unterliegende Vorgänge“) der Richtlinie 2008/7 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erheben von Kapitalgesellschaften keinerlei indirekte Steuern auf

a)      Kapitalzuführungen;

b)      Darlehen oder Leistungen im Rahmen der Kapitalzuführungen;

c)      die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Kapitalgesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann;

d)      Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung einer Kapitalgesellschaft und insbesondere

i)      die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Art;

ii)      die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des Sitzes einer Kapitalgesellschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen;

iii)      die Änderung des Gesellschaftsgegenstands einer Kapitalgesellschaft;

iv)      die Verlängerung des Bestehens einer Kapitalgesellschaft;

e)      die Umstrukturierungen gemäß Artikel 4.

(2)      Die Mitgliedstaaten erheben keine indirekte Steuer irgendwelcher Art

a)      auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten;

b)      auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren.“

7 Art. 6 („Abgaben und Mehrwertsteuer“) dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Unbeschadet von Artikel 5 dürfen die Mitgliedstaaten folgende Abgaben und Steuern erheben:

a)      pauschal oder nicht pauschal erhobene Steuern auf die Übertragung von Wertpapieren;

b)      Besitzwechselsteuern, einschließlich der Katastersteuern, auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder ‚fonds de commerce‘ in eine Kapitalgesellschaft;

c)      Besitzwechselsteuern auf Einlagen jeder Art in eine Kapitalgesellschaft, sofern die Übertragung dieser Einlagen durch andere Werte als Gesellschaftsanteile abgegolten wird;

d)      Abgaben auf die Bestellung, Eintragung oder Löschung von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden;

e)      Abgaben mit Gebührencharakter;

f)      die Mehrwertsteuer.

(2)      Bei den in Absatz 1 Buchstaben b bis e genannten Steuern und sonstigen Abgaben darf es keinen Unterschied machen, ob der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung oder der Sitz der Kapitalgesellschaft im Hoheitsgebiet des die Steuer erhebenden Mitgliedstaats liegt oder nicht. Diese Steuern und sonstigen Abgaben dürfen auch nicht höher sein als diejenigen, die in dem erhebenden Mitgliedstaat für gleichartige Vorgänge erhoben werden.“

8 Mit der Richtlinie 2008/7 wurde gemäß ihren Art. 16 und 17 die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 69/335) zum 1. Januar 2009 aufgehoben und ersetzt. Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/7 entsprechen inhaltlich im Wesentlichen den Art. 11 und 12 Abs. 1 der Richtlinie 69/335.

Belgisches Recht

9 Die Art. 3 bis 5 und 7 des Gesetzes vom 14. Dezember 2005 zur Abschaffung der Inhaberpapiere (Wet van 14 december 2005 houdende afschaffing van de effecten aan toonder, Belgisch Staatsblad, 23. Dezember 2005, S. 55488, 6. Februar 2006, S. 6111, und – offizielle deutsche Übersetzung – 12. Mai 2006, S. 24480) sehen im Wesentlichen ein Verbot der Ausgabe und der tatsächlichen Aushändigung neuer Inhaberpapiere ab dem 1. Januar 2008, eine Umwandlung bestimmter Inhaberpapiere kraft Gesetzes in entmaterialisierte Wertpapiere und eine Verpflichtung vor, die übrigen Inhaberpapiere spätestens bis zum 31. Dezember 2013 je nach Wahl des Berechtigten in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere umzuwandeln. Die schrittweise Abschaffung von Inhaberpapieren erfolgt im Rahmen der Bekämpfung von Missbrauch, Finanzkriminalität, der Finanzierung des Terrorismus, von Geldwäsche und Steuerbetrug.

10 Art. 167 des Gesetzbuchs der verschiedenen Gebühren und Steuern (Wetboek diverse rechten en taksen, im Folgenden: Gesetzbuch), der mit dem Gesetz vom 28. Dezember 2011 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (Belgisch Staatsblad, 30. Dezember 2011, S. 81644) eingefügt wurde, bestimmt:

„Es wird eine Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere gemäß dem Gesetz vom 14. Dezember 2005 zur Abschaffung der Inhaberpapiere festgelegt, mit Ausnahme der Wertpapiere im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nr. 1 des vorerwähnten Gesetzes vom 14. Dezember 2005, die vor dem 1. Januar 2014 fällig werden.“

11 Art. 168 des Gesetzbuchs bestimmt:

„Der Steuersatz wird festgesetzt auf:

–        1 Prozent für die im Laufe des Jahres 2012 durchgeführten Umwandlungen;

–        2 Prozent für die im Laufe des Jahres 2013 durchgeführten Umwandlungen.“

12 Art. 169 des Gesetzbuchs lautet:

„Die einforderbare Steuer wird berechnet am Datum der Hinterlegung:

a)       für Effekten, die in den geregelten Markt oder in ein multilaterales Handelssystem aufgenommen werden, auf den letzten Kurs, der vor dem Datum der Hinterlegung festgesetzt wurde;

b)       für Schuldtitel, die nicht zum geregelten Markt zugelassen sind, auf den Nennbetrag des Kapitals der Forderung;

c)       für die Anteile von Investmentgesellschaften mit variabler Anzahl Anteile auf den zuletzt berechneten Inventarwert vor dem Datum der Hinterlegung;

d)       in allen anderen Fällen auf den Buchwert der Wertpapiere ohne Zinsen, zu veranschlagen am Tag der Hinterlegung durch denjenigen, der die Umwandlung bearbeitet hat.

Wenn der Wert der umzuwandelnden Wertpapiere in einer Fremdwährung ausgedrückt ist, wird er in Euro konvertiert auf der Grundlage des Verkaufskurses am Datum der Hinterlegung.“

13 Art. 170 des Gesetzbuchs bestimmt:

„Die Steuer wird gezahlt:

1.      durch die beruflichen Vermittler, wenn die Inhaberpapiere infolge einer Hinterlegung durch den Inhaber auf einem Wertpapierkonto eingetragen sind;

2.      durch die emittierenden Gesellschaften, wenn die Wertpapiere im Hinblick auf eine Umwandlung in Namenspapiere hinterlegt wurden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

14 Frau Gielen ist mit ihren beiden Kindern Eigentümerin von Inhaberpapieren, die von zwei Aktiengesellschaften mit Sitz in Belgien ausgegeben wurden. Am 21. Dezember 2011 wandelte sie sie gemäß dem Gesetz vom 14. Dezember 2005 zur Abschaffung der Inhaberpapiere in Namenspapiere um; diese Umwandlung konnte jedoch nicht verwirklicht werden, bevor die mit dem Gesetz zur Festlegung verschiedener Bestimmungen vom 28. Dezember 2011 eingeführte Steuer auf Inhaberpapiere am 1. Januar 2012 in Kraft trat.

15 Frau Gielen erhob beim Grondwettelijk Hof eine Klage auf Nichtigerklärung der Bestimmungen zur Einführung dieser Steuer insbesondere wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7. Ihrer Ansicht nach ist die Umwandlung von Inhaberpapieren, da sie zwingend ist, Bestandteil eines „Gesamtumsatzes“ im Hinblick auf die Ansammlung von Kapital und kann daher keiner indirekten Steuer unterliegen.

16 Die belgische Regierung macht geltend, dass die Steuer keine freiwilligen wirtschaftlichen oder finanziellen Transaktionen berühren solle, die Anteile oder Anleihen beträfen, sondern Gesellschaften dazu anhalten solle, einer früheren Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung nachzukommen. Sie falle daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7, der für Umsätze auf dem Primärmarkt gelte. Diese Richtlinie beziehe sich auf die Ausgabe oder das Inverkehrbringen neuer Wertpapiere, nicht auf deren Umwandlung. Die Umwandlung nach dem Gesetz vom 14. Dezember 2005 zur Abschaffung der Inhaberpapiere werde weder auf dem Primärmarkt noch auf dem Sekundärmarkt realisiert und habe nichts mit der Ansammlung von Kapital zu tun.

17 In Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere der Urteile FECSA und ACESA (C31/97 und C32/97, EU:C:1998:508) sowie Kommission/Belgien (C415/02, EU:C:2004:450), möchte der Grondwettelijk Hof wissen, ob die Steuer angesichts der Verpflichtung, Inhaberpapiere spätestens zum 31. Dezember 2013 umzuwandeln, als indirekte Steuer im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7 anzusehen ist.

18 Unter diesen Umständen hat der Grondwettelijk Hof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7 dahin auszulegen, dass er der Erhebung einer Steuer auf eine gesetzlich vorgeschriebene Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere im Wege steht, und − bejahendenfalls − lässt sich eine solche Steuer aufgrund von Art. 6 dieser Richtlinie rechtfertigen?

Zur Vorlagefrage

19 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7 dahin auszulegen ist, dass er der Erhebung einer Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, und − bejahendenfalls – ob sich eine solche Steuer auf der Grundlage von Art. 6 dieser Richtlinie rechtfertigen lässt.

20 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 69/335, die zum 1. Januar 2009 durch die Richtlinie 2008/7 ersetzt wurde, laut ihren Erwägungsgründen den freien Kapitalverkehr fördern soll, der als für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt wesentlich angesehen wird. Die Verfolgung dieses Ziels setzt hinsichtlich der Steuern auf die Ansammlung von Kapital voraus, dass die in den Mitgliedstaaten bisher geltenden indirekten Steuern aufgehoben und durch eine innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhobene Steuer ersetzt werden (vgl. Urteil HSBC Holdings und Vidacos Nominees, C569/07, EU:C:2009:594, Rn. 28).

21 In diesem Zusammenhang verbietet Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/7 jede Form von indirekten Steuern auf insbesondere Kapitalzuführungen. Ferner dürfen die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b dieser Richtlinie keine indirekte Steuer irgendwelcher Art erheben zum einen auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten, und zum anderen insbesondere auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, und alle damit zusammenhängenden Formalitäten.

22 Zu Art. 11 Buchst. b der Richtlinie 69/335, dessen Wortlaut in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/7 übernommen worden ist, hat der Gerichtshof im Urteil FECSA und ACESA (EU:C:1998:508, Rn. 18) ausgeführt, dass diese Bestimmung die Rückzahlung einer Obligationsanleihe zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass das Verbot einer Besteuerung bei der Ausgabe einer Obligationsanleihe bei gleichzeitiger Zulassung der Besteuerung bei der Rückzahlung einer solchen Anleihe jedoch zur Folge hätte, dass entgegen dem von der Richtlinie angestrebten Zweck die Anleihe als einheitliches Geschäft zur Ansammlung von Kapital besteuert würde.

23 Ferner hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Belgien (EU:C:2004:450, Rn. 32) ausgeführt, dass Art. 11 Buchst. a der Richtlinie 69/335, der denselben Wortlaut hat wie Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/7, den Ersterwerb von Aktien oder die Lieferung von Inhaberpapieren zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Erlaubnis zur Erhebung einer Steuer auf den Ersterwerb eines neu emittierten Wertpapiers oder einer Steuer auf die Lieferung von Inhaberpapieren, mit der die physische Aushändigung solcher Wertpapiere, die im Rahmen ihrer Emission stattfindet, belastet wird, in Wirklichkeit aber auf die Besteuerung der Emission dieses Wertpapiers selbst als Bestandteil eines Gesamtumsatzes im Hinblick auf die Ansammlung von Kapital hinauslaufen würde.

24 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 11 der Richtlinie 69/335, insbesondere aus den Urteilen FECSA und ACESA (EU:C:1998:508) sowie Kommission/Belgien (EU:C:2004:450), ergibt sich somit, dass das Verbot der Besteuerung von Kapitalansammlungsvorgängen gemäß den Zielen der Richtlinie auch für Vorgänge gilt, deren Besteuerung nicht ausdrücklich verboten ist, sofern diese darauf hinausliefe, dass ein Umsatz als Bestandteil eines Gesamtumsatzes im Hinblick auf die Ansammlung von Kapital besteuert würde. Diese Auslegung lässt sich auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7, der denselben Wortlaut hat wie Art. 11 der Richtlinie 69/335, übertragen.

25 Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/7, wie die belgische Regierung vorträgt, nicht ausdrücklich die Umwandlung von Aktien erwähnt; die durch das Gesetz vom 14. Dezember 2005 zur Abschaffung der Inhaberpapiere vorgeschriebene Umwandlung von Inhaberaktien in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere fällt jedoch unter die Ausgabe von Aktien im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/7.

26 Daher läuft Art. 167 des Gesetzbuchs, mit dem eine Steuer auf diese Umwandlung eingeführt wurde, in Wirklichkeit auf die Besteuerung der Ausgabe dieses Wertpapiers selbst als Bestandteil eines Gesamtumsatzes im Hinblick auf die Ansammlung von Kapital hinaus und beeinträchtigt damit die praktische Wirksamkeit von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteile FECSA und ACESA, EU:C:1998:508, Rn. 18 und 19, sowie Kommission/Belgien, EU:C:2004:450, Rn. 32 und 33).

27 Demnach ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/7 dahin auszulegen, dass das Verbot, auf die Ausgabe von Aktien eine indirekte Steuer irgendwelcher Art zu erheben, einer Steuer auf die Umwandlung bereits ausgegebener Inhaberpapiere in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht.

28 Was die Frage betrifft, ob eine solche Steuer mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/7, wonach die Mitgliedstaaten eine Steuer auf die Übertragung von Wertpapieren erheben dürfen, gerechtfertigt werden kann, so hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass Art. 12 der Richtlinie 69/335, der im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 6 der Richtlinie 2008/7 hatte, eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot von Abgaben mit denselben Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer darstellt (Urteil Grillo Star Fallimento, C443/09, EU:C:2012:213, Rn. 28).

29 Diese Bestimmung, die als Ausnahme zur Regel der Nichtbesteuerung eng auszulegen ist, kann bei einer Steuer auf die Umwandlung von Inhaberaktien wie der im Ausgangsverfahren fraglichen keine Anwendung finden.

30 Bei dieser Umwandlung werden nämlich Inhaberaktien in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere umgewandelt, ohne dass ein Recht von einem ersten Inhaber auf einen zweiten Inhaber übertragen würde.

31 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7 der Erhebung einer Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht. Eine solche Steuer kann nicht nach Art. 6 dieser Richtlinie gerechtfertigt werden.

Kosten

32 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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