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Steuerrecht
10.09.2009
Steuerrecht
BFH: Hinzurechnung von steuerfreien Einkünften zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer

BFH, Urteil vom 1.7.2009 - I R 76/08

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.7.2008 - 3 K 148/05 (EFG 2008, 1908)

LEITSÄTZE

1. Die Hinzurechnung von nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren steuerfreien Einkünften zur Bemessungsgrundlage der in Baden-Württemberg erhobenen Kirchensteuer gemäß § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG kann nicht durch Verrechnung mit im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht verbrauchten Verlustvorträgen neutralisiert werden.

2. Das Fehlen einer Verrechnungsmöglichkeit verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

EStG 2002 § 3 Nr. 40, § 10d, § 51a Abs. 2 Satz 2; KiStG BW § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

SACHVERHALT

I.

Streitpunkt ist die Hinzurechnung einkommensteuerbefreiter Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer nach Maßgabe von § 51a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002), wenn im betreffenden Veranlagungszeitraum nach Festsetzung der Einkommensteuer nicht verrechnete Verlustabzüge verblieben sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die der zum Verfahren beigeladenen Evangelischen Landeskirche in Baden (Beigeladene) angehören. Zum 31. Dezember 2002 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die noch berücksichtigungsfähigen Verluste der Kläger wie folgt gesondert fest:

Verbleibender Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG 2002 für die

 

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

auf 1 646 913 €

   
 

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

auf 3 398 272 €

   
 

Einkünfte aus Leistungen

auf 3 938 €

Verbleibender Verlustabzug (aus den Jahren vor 1999) nach § 10d Abs. 3 EStG in der Fassung vom 16.04.1997:

auf 1 668 079 €

Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr ermittelte das FA einen Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger in Höhe von 1 121 426 €. Dazu gehörten gewerbliche Einkünfte des Klägers, bei deren Ermittlung nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG 2002 ein Betrag in Höhe von 1 796 222 € unberücksichtigt geblieben war. Nach Verrechnung mit den zum 31. Dezember 2002 gesondert festgestellten Verlustabzügen und nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ergab sich für das Streitjahr ein negatives zu versteuerndes Einkommen der Kläger von ./. 37 818 €, so dass das FA die Einkommensteuer auf 0 € festsetzte.

Die Kirchensteuer für das Streitjahr setzte das FA auf 66 647,04 € fest. Dabei rechnete es unter Berufung auf § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 dem Betrag des zu versteuernden Einkommens jenen Betrag von 1 796 222 € hinzu, der bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers gemäß § 3 Nr. 40 EStG 2002 als steuerfrei unberücksichtigt geblieben war. Auf diese Weise errechnete das FA eine fiktive Einkommensteuer von 833 088 € als Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer.

Die gegen die Festsetzung der Kirchensteuer erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 22. Juli 2008 3 K 148/05 abgewiesen. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1908 abgedruckt.

Die Beigeladene hat während des Einspruchsverfahrens einem Antrag der Kläger auf Kappung der Kirchensteuer im Umfang von 5 115 € entsprochen. Über das weiter gehende Kappungsbegehren der Kläger ist vor dem FG ein weiteres Klageverfahren anhängig.

Gegen die Abweisung der gegen die Kirchensteuerfestsetzung gerichteten Klage richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte, vom FG zugelassene Revision der Kläger.

Die Kläger beantragen (sinngemäß), das FG-Urteil und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Kirchensteuer für das Streitjahr auf 0 € festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Dem Antrag der Kläger, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, weil sie beabsichtigten, bei der Beigeladenen einen Antrag auf Steuererlass zu stellen, kann nicht entsprochen werden. Denn das Ruhen des Verfahrens kann gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung nur auf Antrag beider Hauptbeteiligter angeordnet werden. Das FA hat dem Ruhensantrag der Kläger jedoch widersprochen.

III.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Die Vorinstanz hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen. Der Finanzgerichtsweg in evangelischen Kirchensteuerangelegenheiten in Baden-Württemberg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i.V.m. § 4 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 29. März 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg -GVBl. BW-- 1966, 49) eröffnet. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 33/97 (BFHE 184, 167, BStBl. II 1998, 126, BB 1998, 205 Ls); die maßgebliche Gesetzeslage hat sich nicht geändert.

Das FA ist im Klageverfahren passiv prozessführungsbefugt. Das folgt aus § 17 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (KiStG BW) vom 15. Juni 1978 (GVBl. BW 1978, 370), wonach auf das Verfahren betreffend die Kirchensteuern, die als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben werden, die für die Einkommensteuer geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit die Verwaltung der Kirchensteuern gemäß § 17 Abs. 1 KiStG BW den Landesfinanzbehörden übertragen ist. Nach den Feststellungen des FG ist das im Hinblick auf die hier in Rede stehende evangelische Kirchensteuer in Baden-Württemberg der Fall.

2. In der Sache ist die Revision unbegründet. Das FA hat die Kirchensteuer der Kläger für das Streitjahr zutreffend festgesetzt.

a) Die in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger sind gemäß § 3 Abs. 1 KiStG BW landeskirchensteuerpflichtig. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KiStG BW i.V.m. § 4 Nr. 1 der Kirchensteuerordnung der Beigeladenen vom 28. Oktober 1971 (GVBl. BW 1971, 173) werden die Kirchensteuern als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben. Zur Berechnung der Zuschlagsteuer verweist § 5 Abs. 2 KiStG BW auf § 51a EStG in seiner jeweiligen Fassung.

b) Bei der landesgesetzlichen Verweisung auf die bundesrechtliche Norm des § 51a EStG "in seiner jeweiligen Fassung" handelt es sich um eine sog. dynamische Verweisung, die zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber unter bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich nur eingeschränkt zulässig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 1. März 1978 1 BvR 786/70, 793/70, 168/71, 95/73, BVerfGE 47, 285; vom 26. Januar 2007 2 BvR 2408/06, Gewerbearchiv 2007, 149). Möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der dynamischen Verweisung des § 5 Abs. 2 KiStG BW braucht der Senat jedoch für die im Streitfall relevante Fassung des § 51a Abs. 2 EStG 2002 nicht weiter nachzugehen. Denn diese ist mit dem Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1978) in das Einkommensteuergesetz aufgenommen worden. Diese Änderung des § 51a Abs. 2 EStG war ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen des Landtags von Baden-Württemberg (Drucks 12/5792, S. 4) Anlass für den Landesgesetzgeber, die Bestimmung des § 5 Abs. 2 KiStG BW durch das Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom 6. Februar 2001 (GVBl. BW 2001, 116) zu ändern und die jetzige Form einer dynamischen Verweisung auf § 51a EStG in das Gesetz aufzunehmen. Damit ist die Verweisung jedenfalls insoweit als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen, als es um die Bezugnahme auf § 51a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 2000 geht. Denn zumindest deren Geltung hat der Landesgesetzgeber offenkundig und konkret in seinen Gesetzgebungswillen aufgenommen.

c) Gemäß § 51a Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 ist Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern die Einkommensteuer unter Berücksichtigung bestimmter --hier nicht relevanter-- Freibeträge. In § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 heißt es sodann u.a., dass das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Beträge zu erhöhen ist.

Im Streitfall ergibt sich aus diesen Modifikationen die vom FA angesetzte "fiktive" Einkommensteuer von 833 088 € als Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer: Nach Verrechnung der zum 31. Dezember 2002 festgestellten Verlustvorträge mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 10d, § 2 Abs. 3 EStG 2002) und nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen verblieb das vom FA errechnete zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG 2002) von ./. 37 818 €. Diesem Betrag sind gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 die nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Einkünfte hinzuzurechnen; das sind im Streitfall die bei der Besteuerung der gewerblichen Einkünfte des Klägers unberücksichtigt gebliebenen "Halbeinkünfte" von 1 796 222 €. Auf das sonach modifizierte zu versteuernde Einkommen von 1 758 404 € entfällt eine "fiktive" Einkommensteuer von 833 088 €. Bei dem gemäß § 9 KiStG BW i.V.m. § 2 des Kirchlichen Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsbuches der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Jahre 2002 und 2003 vom 24. Oktober 2001 (GVBl. BW 2002, 53) für das Streitjahr geltenden Kirchensteuersatz von 8 % errechnet sich daraus die festgesetzte Kirchensteuer von 66 647,04 €. Dass diese Berechnung der Kirchensteuer nach dem Wortlaut des Gesetzes richtig ist, stellen auch die Kläger nicht in Abrede.

d) Der Umstand, dass den Klägern für das Streitjahr noch nicht durch Verrechnung verbrauchte Verlustvorträge zur Verfügung gestanden haben, führt nicht zu einer Reduzierung der Kirchensteuer. Verlustvorträge gemäß § 10d EStG 2002 verringern die Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das nach § 2 Abs. 5 EStG 2002 zu versteuernde Einkommen als Ausgangsgröße der Berechnung der Zuschlagsteuern gemäß § 51a Abs. 2 EStG 2002 mindern. Eine weiter gehende Verwendung von Verlustvorträgen für Zwecke der Zuschlagsteuern sieht das Gesetz nicht vor.

e) Eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke, die --z.B. im Wege einer Analogie zu § 10d EStG 2002-- eine Berücksichtigung der für die Zwecke der Einkommensteuer nicht "verbrauchten" Verlustvorträge im Rahmen der Bemessung der Kirchensteuer ermöglichen würde, besteht nicht.

aa) § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist durch das Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1978) in das Gesetz aufgenommen worden. Zweck der Bestimmung --soweit es um die hier relevante Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Einkünfte geht-- war es, die mit der Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl. I 2000, 1428) verbundenen Auswirkungen auf die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage insbesondere der Kirchensteuern zu neutralisieren (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses --7. Ausschuss--, BTDrucks 14/4546, S. 3). Das Erfordernis einer Neutralisierung der Auswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens auf die Bemessung der Kirchensteuer beruht auf dem Gedanken, dass die Freistellung der Hälfte der in § 3 Nr. 40 EStG 2002 aufgeführten Einkünfte (insbesondere Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften) von der Einkommensbesteuerung der steuerlichen Vorbelastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft durch die Reduzierung der Einkommensteuer auf die ausgeschüttete Dividende im Wege der Pauschalierung Rechnung tragen soll; an einem vergleichbaren Grund für eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer fehlt es jedoch, weil die Erträge von Kapitalgesellschaften nicht der Kirchensteuer unterliegen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 20. August 2008 9 C 9/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 193; Pust in Littman/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 51a EStG Rz 101).

bb) Ob den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bei der Schaffung der in § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 enthaltenen Regelung bewusst war, dass die Hinzurechnung der einkommensteuerbefreiten Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer bei vorhandenen Verlustabzügen nach § 10d EStG 2002 dazu führen kann, dass bei einer Einkommensteuer von 0 € eine nicht unerhebliche Kirchensteuer anfällt (zweifelnd Hofmann, Der Betrieb --DB-- 2005, 2157, 2158; Petersen in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 51a EStG Rz C 18), lässt sich anhand der Gesetzesmaterialien nicht mit Sicherheit feststellen. In Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BTDrucks 14/4546, S. 3), heißt es zu den Konsequenzen der Regelung lediglich, die Korrekturrechnung auf der Basis des zu versteuernden Einkommens könne "im Einzelfall dazu führen, dass aufgrund der Nichtberücksichtigung von Freibeträgen die Kirchensteuerbelastung geringfügig erhöht wird". Immerhin geht daraus hervor, dass die Hinzurechnung auf der Ebene des zu versteuernden Einkommens eine bewusste und gewollte Entscheidung des Gesetzgebers war, um --wie es dort ebenfalls heißt-- "den Verwaltungsaufwand einer vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung des Halbeinkünfteverfahrens" zu vermeiden.

cc) Es besteht kein Grund zu der Annahme, das Gesetz sei, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, was Voraussetzung für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 21. Oktober 1999 I R 66/98, BFHE 190, 390, BStBl. II 2000, 288, BB 2000, 814 Ls; vom 16. März 1994 I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl. II 1994, 941, BB 1994, 2399; vom 19. Dezember 2007 I R 52/07, BFHE 220, 180, BStBl. II 2008, 431, BB 2008, 1270; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 348). Insbesondere ist die Konsequenz einer wortgetreuen Gesetzesanwendung weder systemwidrig noch wirtschaftlich unvertretbar.

aaa) Es besteht kein Rechtsgrundsatz, nach dem die Kirchensteuer als Zuschlagsteuer die festgesetzte Einkommensteuer in einzelnen Veranlagungszeiträumen der Höhe nach nicht übersteigen darf.

bbb) Die Versagung einer weiter gehenden Verrechnung der Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer mit einkommensteuerrechtlich nicht "verbrauchten" Verlustvorträgen führt nicht zu einem definitiven Wegfall des Verlustverrechnungspotentials für Zwecke der Kirchensteuer (BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, Finanz-Rundschau --FR-- 2008, 153, 157; Petersen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 51a Rz C 23). Denn der nicht verbrauchte Verlustabzug kann nach Maßgabe des § 10d EStG 2002 in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen zur Minderung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verwendet werden und reduziert dann zugleich auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. Die Hinzurechnung gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 ändert somit nichts daran, dass für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer in jedem Veranlagungszeitraum dasjenige Verlustverrechnungspotential ausgenutzt wird, das zur Reduzierung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verwendet worden ist.

Soweit die Kläger demgegenüber unter Bezugnahme auf ihr fortgeschrittenes Lebensalter darauf verweisen, die festgestellten Verlustvorträge könnten von ihnen möglicherweise nicht mehr ausgenutzt werden, beschreiben sie nur jenes Spannungsverhältnis zwischen dem ertragsteuerlichen Abschnittsprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das grundsätzlich eine abschnittsübergreifende Nettobesteuerung erfordern würde (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl. II 2008, 608, BB 2008, 1038 m. Komm. Schulte/Knief; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 I ER-S 1/03, BFHE 203, 496, BStBl. II 2004, 414). Dieses Spannungsverhältnis besteht indes in gleicher Weise auf der Ebene der Einkommensteuer, wo im Streitjahr das identische Verlustverrechnungspotential ungenutzt geblieben ist. Daraus kann mithin nicht gefolgert werden, im Bereich der Kirchensteuern müsse das Verlustverrechnungspotential in größerem Umfang ausgenutzt werden können als bei der Einkommensteuerfestsetzung.

ccc) Eine Berücksichtigung der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht ausgenutzten Verlustvorträge im Bereich der Kirchensteuerfestsetzung würde dem erklärten Ziel des Gesetzgebers (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 14/4546, S. 3) zuwiderlaufen, durch die Hinzurechnung der steuerbefreiten Halbeinkünfte auf der Ebene des zu versteuernden Einkommens den Verwaltungsaufwand einer vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung des Halbeinkünfteverfahrens im Bereich der Kirchensteuer zu vermeiden (BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 157). Sie hätte nämlich zur Konsequenz, dass sich die für die Einkommensteuer und die für die Kirchensteuer verwendbaren Verlustabzüge unterschiedlich entwickeln würden; für die Zwecke der Kirchensteuer müsste dann jeweils eine gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge vorgenommen werden. Dass die Ermittlung der Kirchensteuer sich in dieser Weise verfahrensrechtlich zu einer Schattenveranlagung verselbständigt, wollte der Gesetzgeber offenkundig verhindern.

f) Die Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte nach § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Dieser verpflichtete den Gesetzgeber auch nicht, eine Möglichkeit der Verrechnung des Hinzurechnungsbetrags mit noch nicht genutzten Verlustvorträgen zu schaffen.

aa) Durch die Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerbefreiten Halbeinkünfte zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer werden die Steuerpflichtigen mit Einkünften, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, nicht unangemessen benachteiligt. Wie oben ausgeführt, ist die Hinzurechnung vielmehr eine folgerichtige Reaktion auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (ebenso BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 155 ff.; Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 51a Rz 2; Pust in Littman/Bitz/Pust, a.a.O., § 51a EStG Rz 101; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 51a Rz 30a; Blümich/Treiber, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 51a EStG Rz 53; im Grundsatz auch Hofmann, DB 2005, 2157, 2158; a.A. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., § 51a Rz 1: "nicht zweckmäßig"; kritisch auch Schult, Betriebs-Berater 2001, 1019). Da die empfangenen Dividenden auf der Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaften nicht mit Kirchensteuern "vorbelastet" sind, besteht kein sachlicher Grund dafür, diese Einkünfte auf der Ebene des Empfängers zur Hälfte von der Kirchensteuer freizustellen.

bb) Der Ausschluss einer Verlustverrechnung im Hinblick auf die hinzuzurechnenden Halbeinkünfte führt dazu, dass die vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte i.S. von § 3 Nr. 40 EStG 2002 unabhängig von der Höhe eines zur Verfügung stehenden Verlustvortrags nach § 10d EStG 2002 in jedem Fall zur Hälfte der Kirchensteuer zu unterwerfen sind. Ein Steuerpflichtiger, der gleich hohe Einkünfte erzielt hat, zu denen aber nicht solche i.S. des § 3 Nr. 40 EStG 2002 gehören, und die gemäß § 10d EStG 2002 vollständig mit Verlustabzügen verrechnet werden können, muss demgegenüber im gleichen Veranlagungszeitraum keine Kirchensteuern entrichten. Jedoch verstößt diese Ungleichbehandlung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

aaa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden ("horizontale" Steuergleichheit, vgl. BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, m.w.N.).

Jedoch ist auch die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Bei der Ordnung steuerrechtlicher Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 112, 268; vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214; vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; jeweils m.w.N.). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; in BVerfGE 112, 268, jeweils m.w.N.). Allerdings darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268).

bbb) Nach diesen Maßstäben war der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen gehalten, eine Verrechnung des nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 hinzurechnenden Betrages mit noch nicht verbrauchten Verlustvorträgen vorzusehen (so auch BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 157 f.; a.A. Hofmann, DB 2005, 2157, 2158). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Sachverhalt wie dem des Streitfalls, in dem ein festgestellter Verlustvortrag den Gesamtbetrag der Einkünfte im betreffenden Veranlagungszeitraum erheblich übersteigt, im Massengeschäft der Veranlagung zur Kirchensteuer ein eher seltener Ausnahmefall sein dürfte. Demgegenüber würde das Erfordernis von getrennten Verlustfeststellungsverfahren bei der Erhebung von Einkommen- und Kirchensteuern die Komplexität einer Vielzahl von Veranlagungsverfahren weiter erhöhen.

Das Fehlen einer Möglichkeit zur Verlustverrechnung ist dem Steuerpflichtigen insbesondere deshalb zumutbar, weil es sich --wie oben dargestellt-- nicht um einen definitiven Ausschluss einer Verlustverrechnung handelt. Vielmehr mindert das vorhandene Verlustverrechnungspotential in künftigen Veranlagungszeiträumen in dem Maße, wie es die jeweilige Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verringert, auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. An einer Regelung, die den Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich streckt, bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlichen Zweifel (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl. II 1998, 485, BB 1998, 1672 m. Komm. Weber; BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150, m.w.N.). Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Auch erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht zu einer grundgesetzlich geschützten Vermögensposition --Art. 14 Abs. 1 GG-- (Senatsurteil in BFHE 185, 393, BStBl. II 1998, 485, BB 1998, 1672 m. Komm. Weber; BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Den Klägern waren gemäß § 139 Abs. 4 FGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese das Verfahren durch Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gefördert hat (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1993 I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl. II 1993, 889, BB 1993, 2344; vom 20. Juni 2001 VI R 169/97, BFH/NV 2001, 1443; vom 9. Februar 2009 III R 39/07, juris, jeweils m.w.N.).

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