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Steuerrecht
07.11.2014
Steuerrecht
FG Saarland: Haftung für Umsatzsteuer bei Globalzession

FG Saarland, Beschluss vom 21.5.2014 – 2 V 1032/14

Sachverhalt

I.

 

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin für Umsatzsteuerschulden der GmbH.

 

Die Antragstellerin war vom 17. Januar 2000 bis zum 12. Juni 2008 Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der GmbH.

 

Die Umsatzsteuervoranmeldungen für März und April 2008 wurden von der GmbH fristgerecht eingereicht. Wegen Dauerfristverlängerung gemäß § 18 Abs. 6 UStG i. V. mit § 46 UStDV war die Umsatzsteuer für März i. H. von 10.853,63 € zum 13. Mai 2008, die für April i. H. von 24.319,72 € am 10. Juni 2008 anzumelden und zu entrichten. Die GmbH hatte dem Antragsgegner eine Einzugsermächtigung für ein Konto der GmbH bei der Sparkasse erteilt. Mit der Sparkasse hatte die GmbH am 18. August 2003 eine Globalzession vereinbart.

 

Mit Schreiben vom 15. April 2008 teilte die Sparkasse der GmbH mit, dass ein Sicherungsgeber die Besicherung des Kontokorrentkredits gekündigt habe. In der Folge reduzierte die Sparkasse am 29. April 2008 das Kontokorrent auf ihre Restforderung und kündigte an, alle eingehenden Beträge mit ihrer Restforderung zu verrechnen, die bis zum Ende des Folgemonats auszugleichen sei. Die Einziehungsermächtigung des Antragsgegners ging daher ins Leere.

 

Die GmbH stellte am 12. Juni 2008 einen Insolvenzantrag, woraufhin das Insolvenzgericht am selben Tag nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 InsO einen vorläufigen starken Insolvenzverwalter bestellte und am 1. August 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnete. Zu diesem Zeitpunkt standen der GmbH nur in geringem Umfang Barmittel und Guthaben bei anderen Kreditinstituten zur Verfügung.

 

Der Antragsgegner nahm die Antragstellerin mit Haftungsbescheid vom 7. November 2008 für Umsatzsteuer März und April 2008 und Säumniszuschläge der GmbH in Anspruch.

 

Auf den Einspruch der Antragstellerin vom 5. Dezember 2008 setzte der Antragsgegner wegen einer Zahlung zur Vorbereitung und Einreichung des Insolvenzantrags, die er den Verbindlichkeiten zurechnete, die Haftungssumme herab. Er wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2013 im Übrigen als unbegründet zurück.

 

Am 29. November 2013 hat die Antragstellerin Klage erhoben. Der am selben Tag beim Antragsgegner gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde am 21. Januar 2014 zurückgewiesen. Am 30. Januar 2014 hat sich die Antragstellerin mit dem Aussetzungsbegehren an das Gericht gewandt.

 

Sie ist der Ansicht, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig, da sie ihre Pflichten als Geschäftsführerin nicht verletzt habe. Sie sei nicht dafür verantwortlich, dass die fristgerecht angemeldete Umsatzsteuer nicht bezahlt worden sei. Die Globalzession an die Sparkasse sei zu einer Zeit erfolgt, zu der die GmbH keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten gehabt habe. Darin könne kein schuldhaftes Verhalten gesehen werden. Anderslautenden Entscheidungen des BFH hätten andere Sachverhalte zu Grunde gelegen. Ohne das Verhalten der Sparkasse hätte die GmbH abgewickelt und die Umsatzsteuer bezahlt werden können, da noch werthaltige Forderungen bestanden. Von der Kündigung der Sicherheiten habe sie erst durch das Schreiben der Sparkasse vom 15. April 2008 erfahren.

 

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

 

die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 7. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2013 von der Fälligkeit an bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusetzen.

 

Der Antragsgegner beantragt,

 

                den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

 

Er ist der Ansicht, die Antragstellerin hafte für die rückständigen Abgaben quotal, da sie sich durch die Globalabtretung außer Stande gesetzt habe, die Umsatzsteuer für März und April 2008 zu bezahlen. Auf den Zeitpunkt der Abtretung komme es nicht an, da eine Globalzession den Kreditgeber ja gerade in einer künftigen Krise absichern solle. Zudem sei anzunehmen, dass die Antragstellerin bereits vor der Information durch die Sparkasse von der anstehenden Kündigung der Sicherheiten gewusst habe.

 

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Aus den Gründen

II.

 

Der zulässige Antrag ist begründet.

 

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. mit Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage bewirken (vgl. BFH vom 31. Oktober 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622; BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182).

 

Hinsichtlich des Prozessstoffes ist das Gericht bei seiner Prüfung auf die ihm vorliegenden Unterlagen - insbesondere die Akten der Finanzbehörde - sowie auf die präsenten Beweismittel beschränkt. Weitere Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ist nicht erforderlich.

 

2. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides.

 

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der Kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dafür müssen jedoch die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nach §§ 69 i. V. mit 34 AO gegeben sein, an deren Vorliegen der Senat Zweifel hat.

 

Eine Haftung kommt nach § 69 AO nur in Betracht, wenn die Umsatzsteuer auf Grund vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist.

 

Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Organ der GmbH im Sinne von § 34 AO ist nicht dadurch zu begründen, dass die GmbH noch vor Inkrafttreten des § 13c UStG mit der GmbH eine Globalzession vereinbart hat. Die Globalzession vom 18. August 2003 war zwar letztlich kausal für die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer. Im Abschluss dieser Vereinbarung liegt aber kein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung zu einer Zeit, zu der die Gesellschaft nicht in einer Krise war, stellt keine Pflichtverletzung dar. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Aspektes, dass die Abtretung der zukünftigen Ansprüche gerade zur Absicherung des Gläubigers in einer etwaigen späteren Krise erfolgt.

 

Der BFH hat zwar in seiner Entscheidung vom 14. Juli 1987 (VII R 188/82, BStBl II 1988, 172) konstatiert, ein Geschäftsführer könne sich durch eine Globalzession an ein Kreditinstitut nicht mit schuld- und damit haftungsausschließender Wirkung der zur Befriedigung des Finanzamts benötigten Mittel begeben (unter Bezug auf BFH vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776). In diesem – wie in anderen vom BFH entschiedenen Fällen (BFH vom 5. November 1991 VII B 116/91, juris; vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BStBl 1988, 172, jeweils m. w. N.) – hatten die Geschäftsführer die Zession aber erst in der Krise vereinbart bzw. bereits dadurch ihre Pflichten schuldhaft verletzt, dass die Erklärungen unzutreffend oder verspätet abgegeben worden und die Kredite noch nicht gekündigt waren.

 

Die  Antragstellerin hat hingegen die Umsatzsteuererklärungen für März und April 2008 fristgerecht eingereicht. Zu ihren steuerlichen Pflichten gehörte aber auch, dafür Sorge zu tragen, dass zum einen die zur Tilgung der Steuerschulden erforderlichen Handlungen – wie z.B. die Erteilung der Einzugsermächtigung – vorgenommen werden, und dass zum anderen die Steuerschulden auf Grund der Einzugsermächtigung tatsächlich eingezogen werden können (vgl. BFH vom 19. Februar 2010 VII B 190/09, BFH/NV 2010, 1120; vom 19. März 1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304). Eine Pflichtwidrigkeit auf Seiten des Geschäftsführers ist indessen zu verneinen, wenn dieser die Einzugsermächtigung rechtzeitig erteilt hat und zum Fälligkeitszeitpunkt eine ausreichende Deckung auf dem Konto vorhanden war, so dass mit einer Tilgung der Steuerschuld zu rechnen war (vgl. BFH vom 19. Februar 2010 VII B 190/09, BFH/NV 2010, 1120; vom 19. März 1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304).

 

Die Antragstellerin durfte bis zur Kündigung des Kontokorrents durch die Sparkasse davon ausgehen, dass die Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet würde, da der Kontokorrentrahmen nicht ausgeschöpft war. Darauf, ob die Antragstellerin bereits vor dem Schreiben der Sparkasse vom 15. April 2008 wusste, dass die Sicherheit für den Kontokorrentkredit gekündigt worden war, kommt es nicht an. Denn die Sparkasse hat in diesem Schreiben zu einem Gespräch gebeten und erst danach den Kredit gekündigt. Damit musste die Antragstellerin bis dahin nicht rechnen. Die Kündigung noch vor der Fälligkeit der Umsatzsteuer für den Monat März 2008 am 13. Mai 2008 war für sie so überraschend, dass es für eine Entscheidung darüber, ob sie noch andere Möglichkeiten hatte, für den Ausgleich der Steuerverbindlichkeiten zu sorgen, weiterer Aufklärung bedarf (vgl. BFH vom 19. Februar 2010 VII B 190/09, BFH/NV 2010, 1120 zur Lohnsteuerhaftung bei überraschender Kündigung des Kontokorrents). Das gilt erst Recht für die zum 10. Juni 2008 fällige Umsatzsteuer im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG (BFH vom 27. Juli 2007 VII R 67/05, BStBl II 2009, 348).

 

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

Die Entscheidung ergeht gemäß § 128 Abs. 3 FGO unanfechtbar, da die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beschwerde entsprechend § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

 

 

 

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