FG Düsseldorf: GrESt bei Umstrukturierung im Konzern
FG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2015 – 7 K 1553/15 GE
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um eine durch Abspaltung von der A GmbH/Österreich (A GmbH) neugegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich, die am … 2014 in das österreichische Firmenbuch eingetragen wurde.
Die operativ tätige und börsennotierte A AG mit Sitz in Österreich ist seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen Alleingesellschafterin der in Österreich ansässigen A GmbH. Die A GmbH hielt 100 % der Anteile an der in D ansässigen B GmbH (B GmbH), die wiederum 100 % der Anteile an der C GmbH (C GmbH) mit Sitz in E hält. Sowohl die B GmbH als auch die C GmbH verfügen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte in verschiedenen Gemeinden.
In der Generalversammlung der A GmbH vom 27. 6. 2014 beschloss die A AG die Abspaltung des gesamten Geschäftsanteils der A GmbH an der B GmbH gemäß Spaltungsplan vom 13. 6. 2014 auf die hierdurch neu zu gründende Klägerin gegen Gewährung von Anteilen an der Klägerin an die A AG als Alleingesellschafterin der übertragenden A GmbH. Die Eintragung der Abspaltung erfolgte am … 2014 im Firmenbuch der A GmbH.
Mit Schreiben vom 4. 8. 2014 zeigte die Klägerin den gem. § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Vorgang der Abspaltung bei dem Beklagten an und beantragte die Anwendung des § 6a GrEStG. Der Beklagte führte dagegen aus, nach dem Erlass des FM NRW vom 19. 6. 2012 sei die Begünstigung zu versagen, wenn der Verbund durch Ausgliederung oder Abspaltung zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen begründet werde. Hieran ändere Tz. 4 des Erlasses nichts, da verbundgeborene Gesellschaften nur vorlägen, wenn keine unmittelbare Rechtsbeziehung zum herrschenden Unternehmen hergestellt werde. Der Verbund bestehe aus der A AG als herrschendes Unternehmen und den am Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligten Gesellschaften, der A GmbH und der Klägerin. Die notwendige Vorbesitzzeit ergebe sich aus der unmittelbaren Beziehung des herrschenden Unternehmens zur Klägerin. Sie leite sich nicht aus der A GmbH ab, da diese nicht an der Klägerin beteiligt sei. Demzufolge werde auch mit der Abspaltung nicht die Vorbesitzzeit übertragen, denn die neugegründete Gesellschaft trete in eine eigenständige unmittelbare Beziehung zum herrschenden Unternehmen.
Die Klägerin führte demgegenüber aus, die Abspaltung erfolge aus einem abhängigen Unternehmen, nämlich der A GmbH. Die A AG sei am Umwandlungsvorgang nicht beteiligt. Tz. 4 des Erlasses sei erfüllt, da die A GmbH im Zeitpunkt der Übertragung abhängige Gesellschaft gewesen sei und die Klägerin aus der A GmbH durch Abspaltung entstanden sei. Die Klägerin sei damit eine verbundgeborene Gesellschaft.
Mit Bescheid vom 5. 12. 2014 stellte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gem. § 17 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG gesondert fest. Er führte aus, die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG sei zu versagen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte am 22. 4. 2015 als unbegründet zurückwies. Die nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbare Übertragung des Grundbesitzes sei nicht nach § 6a GrEStG begünstigt. Die Klägerin erfülle nicht die fünfjährige Vorbehaltensfrist, weil sie erst am 23. 7. 2014 durch die Abspaltung gegründet worden sei. Zwar ergebe sich aus dem Zweck des Gesetzes, dass bei einer Umwandlung durch Neugründung die Vorschrift einschränkend ausgelegt werden müsse. Dies entspreche auch der Auffassung in Tz. 4 des Erlasses des Finanzministeriums NRW vom 19. 6. 2012 für sog. verbundgeborene Gesellschaften, die durch einen Umwandlungsvorgang ausschließlich aus einer oder mehreren Gesellschaften entstanden seien, die spätestens im Zeitpunkt des zu beurteilenden Erwerbsvorgangs abhängige Gesellschaften seien. In diesem Fall könnten die Behaltenszeiten im Verbund zusammengerechnet werden. Hier sei aber diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die Klägerin sei nicht ohne Beteiligung des herrschenden Unternehmens am Umwandlungsvorgang entstanden. Es sei schädlich, dass durch die Ausgabe der neu entstandenen Anteile an die A AG als alleinige Anteilseignerin der A GmbH eine unmittelbare Rechtsbeziehung der Klägerin zum herrschenden Unternehmen hergestellt werde. Dadurch könne sich die notwendige Vorbesitzzeit nicht aus der A GmbH ableiten, da diese nicht an der Klägerin beteiligt sei. Sie ergebe sich vielmehr aus der eigenständigen unmittelbaren Beziehung des herrschenden Unternehmens zur Klägerin. Eine andere Auslegung widerspreche Tz. 2.1 des Erlasses, wonach kein begünstigungsfähiger Vorgang vorliege, wenn ein Verbund durch Ausgliederung oder Abspaltung zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen begründet werde.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Im Klageverfahren hat der Beklagte am 7. 9. 2015 aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen.
Die Klägerin trägt vor:
Streitig sei die in § 6a GrEStG genannte Vorbehaltensfrist von fünf Jahren. Bei wortgetreuer Anwendung der Norm sei die Vorbehaltensfrist für die erst durch Abspaltung neu gegründete Klägerin nicht erfüllt. Aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergebe sich jedoch, dass der Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren sei, so Urteil des FG Düsseldorf vom 7. 5. 2014 7 K 281/14 GE. Die in § 6a Satz 4 GrEStG normierte Vorbehaltensfrist diene ebenso wie die in § 6 Abs. 4 S. 2 GrEStG normierte Frist als Missbrauchsvorschrift der Verhinderung von Steuerumgehungen. Es solle verhindert werden, dass Beherrschungsverhältnisse nur zur Erlangung der Steuerbegünstigung kurzfristig hergestellt bzw. zeitnah nach der Umwandlung wieder gelöscht würden. Die Vorschrift orientiere sich nach der Gesetzesbegründung an dem System der §§ 5 und 6 GrEStG. Bei einem ausschließlich konzerninternen Vorgang wie hier sei ein solcher Missbrauch objektiv ausgeschlossen. Das auf die Klägerin übergegangene Vermögen stamme ausschließlich von der abhängigen Gesellschaft, der A GmbH. Die Vorbehaltensfrist hinsichtlich der Anteile an der A GmbH sei der Klägerin zuzurechnen. Durch den Umwandlungsvorgang werde kein Grundstück aus dem Konzernverbund der A-AG gelöst. Durch Einhaltung der Nachbehaltensfrist könne die weitere Zugehörigkeit zum Konzern hinreichend gewährleistet werden. Eine wortgetreue Anwendung der Vorschrift würde dem Gesetzeszweck, Umstrukturierungen mittelstandsfreundlicher und flexibler gestalten zu können, zuwider laufen. Bei Umwandlungen zur Neugründung finde die Vorbehaltensfrist auf die dadurch neu gegründete Gesellschaft keine Anwendung. Warum diese aber anders behandelt werden sollte als die Umwandlung zur Aufnahme sei verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art. 3 GG fraglich. Dementsprechend wende die Literatur die Konzernklausel des § 6a GrEStG auf den hier streitigen Fall einer Seitwärts-Abspaltung einer Tochtergesellschaft zur Neugründung explizit an. Es sei willkürlich, wenn der Beklagte die Ausgliederung einer Tochtergesellschaft zur Neugründung begünstigen, die Abspaltung einer Tochtergesellschaft zur Neugründung hingegen besteuern wolle. Zudem erfülle die Klägerin auch nach dem in Tz. 4 des Erlasses zum Ausdruck kommenden Verwaltungsverständnis als sog. verbundgeborene Gesellschaft die Voraussetzungen des § 6a GrEStG.
Die Klägerin beantragt,
den geänderten Feststellungsbescheid vom 7. 9. 2015
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Einspruchsverfahren.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheides vom 7. 9. 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
Zwar ist die Übertragung des Grundbesitzes nach § 1 Abs.3 GrEStG steuerbar. Die Steuer wird jedoch nach § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an einem – wie hier - steuerbaren Umwandlungsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Erforderlich ist das Vorhandensein eines herrschenden Unternehmens; dieses muss aber nicht zwingend an dem Umwandlungsvorgang beteiligt sein (Boruttau/Viskorf § 6a GrEStG Rz. 43). Die A AG als herrschendes Unternehmen war vorliegend an der Abspaltung nicht beteiligt; beteiligt waren vielmehr – was für § 6a GrEStG ausreicht – ausschließlich von der A AG abhängige Gesellschaften. Abhängig ist eine Gesellschaft gemäß § 6a Satz 4 GrEStG, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 v.H. ununterbrochen beteiligt ist. Diese Vorbehaltensfrist von fünf Jahren ist für die erst mit Vertrag vom 27.6.2014 gegründete Klägerin nicht erfüllt. Allerdings ergibt sich aus dem Zweck des Gesetzes, dass bei einer Umwandlung durch Neugründung einer Gesellschaft die Vorschrift einschränkend ausgelegt werden muss. Die in § 6a Satz 4 GrEStG normierte Frist dient, wie die Frist in § 6 Abs.4 Satz 1 GrEStG, der Verhinderung von Steuerumgehungen durch missbräuchliche Gestaltungen. Bei einem – wie hier - ausschließlich konzerninternen Vorgang ist ein solcher Missbrauch objektiv ausgeschlossen. Durch den Umwandlungsvorgang werden keine Grundstücke aus dem Konzernverbund gelöst. Ebenso, wie die Einhaltung der Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs.4 Satz 1 GrEStG zu sinnwidrigen Ergebnissen führen kann, wenn die Gesamthand noch keine fünf Jahre bestanden hat (vgl. BFH Urteil vom 25.2.1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400), ist die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht bereits deshalb zu versagen, wenn das herrschende Unternehmen seine Beteiligung an dem beherrschten Unternehmen noch keine fünf Jahre gehalten hat, weil das beherrschte Unternehmen neugegründet wurde (vgl. auch Rödder/Schöndorf in DStR 2010, 415ff; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 10.Aufl. 2014 § 6a Rdz.16 m.w.N.). Im Übrigen trägt die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG einem eventuellen Missbrauch hinreichend Rechnung. Die Zeit der Vermögenszugehörigkeit beim übertragenden Rechtsträger ist insofern dem neugegründeten Rechtsträger zuzurechnen (Boruttau/Viskorf § 6a GrEStG Rz. 79).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs.2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.