FG Köln: Gewerbesteuermessbetrag
FG Köln, Urteil vom 24.10.2012 - 15 K 883/10
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum 2005 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - zu ändern, oder ob dem der Grundsatz von Treu und Glaube entgegensteht (Verfahren 15 K 883/10).
Ferner ist streitig, ob der festzustellende Gewinn unter die Einkunftsart Gewerbebetrieb fällt.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in allen Streitjahren Einkünfte aus Übersetzer- und Dolmetschertätigkeit erzielte. Im September 2009 verlegte die Klägerin ihren zuvor in der A-Straße ..., ... B, belegenen inländischen Betriebssitz in die C-Straße ..., ... D. Aufgrund einer zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt D geschlossenen Zuständigkeitsvereinbarung gem. § 26 Satz 2 AO blieb der Beklagte (u.a.) bis zur Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid für die Besteuerung der Klägerin zuständig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt D vom 18. Oktober und 2. Dezember 2009 verwiesen (Blatt 254, 255 der Prozessakte 15 K 57/11).
Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren Frau E und Herr F. Frau E ist von Beruf Dipl.-Übersetzerin; Herr F absolvierte nach einem Unfall in den Jahren 1989 bis 1991 eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker (NC-Programmierer). Anschließend absolvierte er ein Studium als Dipl.-Ingenieur an der Fachhochschule B, das er im Juli 1995 erfolgreich abschloss. In den Streitjahren verfügte Herr F bereits über eine jahrelange Erfahrung als Programmierer für Datenbanken und als Fachübersetzer in den Sprachen Deutsch, Spanisch und Englisch.
Die Klägerin selbst war und ist spezialisiert auf technische Übersetzungen. Wie in anderen spezialisierten Übersetzungsbüros ist sie dabei aufgrund des beruflichen Werdegangs und der Erfahrungen des Herrn F in der Lage, ihren Kunden zusätzliche Ingenieurleistungen wie bspw. Projektmanagement, Terminologiearbeit, IT-Leistungen, etc. zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Maschinenbaukenntnisse des Herrn F ist sie überdies in der Lage, die Leistungen eines technischen Redakteurs anzubieten.
Wegen der Spezialisierung auf den Maschinenbaubereich bearbeitete die Klägerin Texte mit hoher Textwiederholungsrate. Dabei bestellten die Kunden Übersetzungen der von ihnen selbst erstellten Dokumentationen. Die Klägerin erstellte hieraus qualitativ hochwertige, fertig übersetzte und layoutete Handbücher, Bedienungsanleitungen, etc.. Die Bearbeitung der Dokumentationen erfolgte in speziellen Programmen wie z.B. Framemaker, Interleaf, QuarkXpress. Aufgrund der technischen Erfahrung des Herrn F konnte die Klägerin dabei Dokumentationen mit hoher Komplexität bearbeiten (z.B. Mietanlagen für Luftfahrtindustrie, Werkzeugmaschinen, Straßenbaumaschinen, etc.). Hierzu setzte die Klägerin von Anfang an Translation-Memory-Systeme - TMS - ein, die sämtliche übersetzten Segmente abspeichern konnten. Wenn der gleiche Satz in einem zukünftigen Übersetzungsprojekt wieder benötigt wurde, konnte das System ihn automatisch zur Verfügung stellen. Die für die Verwaltung und die Arbeit mit diesen Systemen benötigten besonderen Fachkenntnisse brachte Herr F aufgrund seines beruflichen Werdeganges mit.
Anfangs bot die Klägerin ihren Kunden lediglich Übersetzungen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch an, die sie komplett selbst anfertigte. Aufgrund der guten Erfahrungen mit den Dienstleistungen der Klägerin gaben die Kunden nach und nach auch andere Sprachkombinationen in Auftrag, die die Klägerin unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern fertigte.
Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen - GuV - der Klägerin ergeben sich in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2007 folgende Umsatzerlöse (netto) und Fremdleistungen (netto):
GuV | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 |
€ | € | € | € | € | |
Umsatzerlöse | 170.826 | 280.339 | 271.226 | 208.478 | 429.154 |
Fremdleistungen | 86.514 | 158.096 | 121.297 | 59.784 | 110.603 |
Verhältnis | ca. 50 % | ca. 56 % | ca. 45 % | ca. 28 % | ca. 26 % |
Für das Streitjahr 2005 existiert eine Aufteilung der Ausgangsumsätze auf die übersetzten Sprachen. Danach entfallen die Umsatzerlöse zu insgesamt 56,69 % 147.078,21 €) auf die von den Gesellschaftern der Klägerin selbst beherrschten Sprachen Deutsch, Spanisch, Französisch und Englisch. Die verbleibenden 43,31 % entfallen auf die Sprachen Portugiesisch, Polnisch, Italienisch, Schwedisch, Dänisch, Arabisch, Niederländisch, Türkisch, Slowenisch, Russisch, Norwegisch, Tschechisch und sowie verschiedene weitere Sprachen. Zur Aufteilung wird auf die Anlage 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12. Oktober 2009 in dem Aussetzungsverfahren 15 V 2981/09 verwiesen (Bl. 235 der Prozessakte 15 V 2981/09).
Die in den Streitjahren erstellten Ausgangsrechnungen der Klägerin sind in einem einheitlichen Layout verfasst. Die darin enthaltenen Angaben lassen sich beispielhaft wie folgt darstellen:
Beschreibung | TM-System Match | Zeilen je Match | E-Preis Zeile | Ges.Preis |
Übersetzung technische Dokumentation ... Seiten ... Sprachkombination: ... Dokumentation: .... Seiten, Word-Format Gesamtzeilen Zieltext Basispreis Tats. Durchschn. ... Zeilen ...€/Zeile ... €/Zeile Service: Formatierung gemäß Fax-Vorlage, so dass kein Nacharbeitsaufwand entsteht. Firmenspezifische Terminologieverwaltung Anmerkung: Erforderliche Formatierungsarbeiten sowie das Einscannen der Graphiken wurden als Serviceleistung ohne Aufpreis durchgeführt. | 100% 75-99% < 75% | ... ... ... | ... ... ... | ... ... ... |
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausgangsrechnungen in den dem Gericht vorgelegten Buchführungsunterlagen verwiesen.
Die Klägerin betrieb ihr Unternehmen in einer Betriebsstätte in der A-Straße ..., ... B und seit Mitte des Veranlagungszeitraums 1999 in einer weiteren Betriebsstätte in G, H, Spanien. Die in ihrer spanischen Betriebsstätte erzielten Umsätze führte die Klägerin nahezu ausschließlich an in Deutschland ansässige Unternehmen aus. Den Gewinn aus ihrem (einheitlichen) Unternehmen ermittelte sie durch separate Betriebsstätten-Buchführungen. Den Gewinn aus der deutschen Betriebsstätte ermittelte sie auf Grund einer Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, den Gewinn der spanischen Betriebsstätte aufgrund eines Bestandsvergleichs nach spanischem Recht. Aufzeichnungen darüber, wie sie die Betriebseinnahmen und -ausgaben den beiden Betriebsstätten zugerechnet hatte, führte die Klägerin nicht.
Die in der spanischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte deklarierte die Klägerin in ihren Feststellungserklärungen der Veranlagungszeiträume 1999 bis 2006 in der hierfür vorgesehenen Anlage AUS nicht. Ihren Gewinnermittlungen fügte sie jährlich eine Bescheinigung ihrer steuerlichen Beraterin bei, die gleichlautend in den Veranlagungszeiträumen seit 1999 folgenden Inhalt hat:
„Bescheinigung
Seit Mitte des Kalenderjahres 1999 betreibt die Gesellschaft noch eine weitere Betriebsstätte in G/H in Spanien. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Spanien sowie den entsprechenden Einzelsteuergesetzen der Länder wurde der Umsatz und der Gewinn aus der Betriebsstätte in G in Spanien versteuert. Demzufolge handelt es sich bei der hier vorliegenden Einnahme-/Überschussrechnung um die Betriebsstätte in Deutschland. Sämtliche Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus der Betriebsstätte in Spanien sind in der o. g. Einnahmen-/Überschussrechnungen nicht enthalten.
(...)"
Mit Schreiben vom 05. Februar 2002 nahm der Beklagte wegen einer ihm vorliegenden Kontrollmitteilung Kontakt mit der Steuerberaterin der Klägerin, Frau K, auf. Nach den Informationen des Finanzamtes hatte die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2000 neben den Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit auch Vergütungen für Subunternehmertätigkeit erhalten. In dem Schreiben bat der Beklagte um Mitteilung, um welche Art von Tätigkeit es sich dabei gehandelt hatte und welche Einnahmen erzielt worden seien. Mit Schreiben vom 06. März 2002 antwortete die Steuerberaterin, im Kalenderjahr 2000 seien sämtliche vereinnahmte Umsätze im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG versteuert worden. Zu der Anfrage vom 05. Februar 2002 könne sie nicht weiter helfen. Mit Schreiben vom 14. März 2002 übersandte Frau K dem Beklagten als Nachtrag zur Anfrage vom 05. Februar 2002 eine Aufstellung der Klägerin aus der sich die vereinnahmten Umsätze des Kalenderjahres 2000 im Einzelnen ergaben. Ausländisch Umsätze waren hierin nicht aufgeführt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten an Frau K vom 05. Februar 2002 sowie die Schreiben von Frau K an den Beklagten vom 06. März und 14. März 2002 verwiesen (Bl. 46 ff. der Prozessakte 15 K 4042/10).
In ihrer Feststellungserklärung für den Veranlagungszeitraum 2005 erklärte die Klägerin einen je zur Hälfte auf die beiden Gesellschafter entfallenden freiberuflichen Gewinn in Höhe von 119.006,17 €. Hierbei handelte es sich ausschließlich um den in Deutschland erzielten Gewinn.
Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 12. September 2007 veranlagte der Beklagte die Klägerin erklärungsgemäß. Der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.
Gemäß Prüfungsanordnung vom 26. August 2008 und Prüfungserweiterung vom 24. Oktober 2008 führte der Beklagte vom 07. Oktober 2008 bis 22. Juni 2009 (Datum des Bp-Berichts) eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin durch. Diese führte zu folgenden, auszugsweise wiedergegebenen Prüfungsbeanstandungen.
Tz. 2.3.2 des Bp-Berichts: Methodik der Berechnung und Ermittlung der Anteile
Da die Klägerin keine Aufzeichnungen darüber geführt hat, welche Einnahmen/Ausgaben welcher Betriebsstätte zuzurechnen sind, war eine nachträgliche Ermittlung der Betriebsstättengewinne nach der direkten Methode nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde konnten die Gewinne nur noch schätzungsweise nach der indirekten Methode auf die Betriebsstätten verteilt werden. Mit der Klägerin wurden einvernehmlich folgende Gewinnanteile der jeweiligen Betriebsstätte ermittelt:
2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | |
Deutschland | 8,36 % | 25,07 % | 72,60 % | 65,21 % | 70,14 % |
Spanien | 91,64 % | 74,93 % | 27,40 % | 34,79 % | 29,86 % |
Tz. 2.16 des Bp-Berichts: Gewerbesteuer
Die Klägerin erklärte bislang nur Einkünfte gemäß § 18 EStG. Im Rahmen der Prüfung ergab sich, dass die Klägerin in nicht unbeträchtlichem Umfang Fremdleistungen in Anspruch genommen hat. Diese Fremdleistungen beruhen größtenteils auf Rechnungen von Drittübersetzern, die Sprachen übersetzten, die die Klägerin selbst nicht anbieten konnte. Nach ständiger Rechtsprechung und Hinweis 15.6 (Mithilfe anderer Personen) der Einkommensteuerrichtlinien - EStR - liegen insoweit keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern gewerbliche Einkünfte vor.
Der Umstand, dass die Klägerin keine Fließtext-Übersetzungen für ihre Kunden anfertigte, ändert an dieser Beurteilung nichts, da es sich bei den über die reinen Übersetzungen hinausgehenden Tätigkeiten um „handwerkliche" und organisatorische Nebentätigkeiten zum Hauptprodukt "Übersetzung" handelt, die weder für sich gesehen noch im Gesamtkontext eine freiberufliche Tätigkeit darstellen. Da die Klägerin im Prüfungszeitraum keine Trennung der gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten vollzogen hat, liegen nach der Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Satz 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte vor. Die Gewerbesteuerpflicht beschränkt sich dabei gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz - GewStG - auf die inländische Betriebsstätte. Aus Verjährungs- und Freibetragsgründen ist erstmalig ab 2003 Gewerbesteuer festzusetzen. Dabei sind nur die inländische Gewinne zugrunde zu legen:
Auf Basis dieser Prüfungsbeanstandungen erließ der Beklagte unter anderem am 10. Juli 2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung des Streitjahres 2005 in dem er sowohl die auf die deutsche als auch die auf die spanische Betriebsstätte entfallende Gewinnanteile berücksichtigte. Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin unter anderem die Freistellung der spanischen Betriebsstättengewinne von der deutschen Besteuerung geltend und rügte die fehlende Befugnis des Beklagten zur Änderung des bereits bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheides 2005. Nachdem der Beklagte am 22. März 2010 über diesen Einspruch noch nicht entschieden hatte, erhob die Klägerin gegen den Feststellungsbescheid am 24. März 2010 die unter dem Aktenzeichen 15 K 883/10 anhängige Untätigkeitsklage.
Ferner beantragte die Klägerin eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Hierzu trug sie mit Schreiben vom 13. Juli und 24. August 2010 betreffend „div. Einspruchsverfahren" vor, dass den Gesellschaftern nach Abschluss der Rechtsbehelfsverfahren nicht zugemutet werden könne, weiter um den Erhalt ihrer Altersvorsorgerücklagen als Schonvermögen zu kämpfen. Insbesondere aufgrund der bisherigen Rechtsauffassung des Finanzamtes zur Gewerbesteuerpflicht der Klägerin seien Billigkeitsmaßnahmen schon im Festsetzungsverfahren zu gewähren, da die nachträglich festgesetzten Gewerbesteuern und Zinsen in Höhe von 125.642 € für die Jahre 2003 bis 2007 den Tatbestand der Existenzgefährdung hervorriefen. Es werde daher nochmals auf den Antrag gemäß § 163 AO hingewiesen und ausdrücklich eine abweichende Steuerfestsetzung im Rahmen der Entscheidung über die Einspruchsverfahren durch Freistellung eines Altersvorsorgevermögens von mindestens 150.000 € beantragt (Bl. 70 ff. der Prozessakte 15 K 4041/10).
Diesen Antrag übersandte der Beklagte am 19. November 2010 an das Finanzamt D, das er wegen der 2009 erfolgten Sitzverlegung hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für örtlich zuständig hielt. Über den Erlassantrag ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf den diesbezüglichen Schriftwechsel verwiesen (Blatt 231 - 250 der Prozessakte 15 K 57/11).
Am 25. November 2010 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung, mit der er die gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2005 als solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von 150.393,79 € und die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Königreich Spanien als steuerfrei zu belassenen Einkünfte auf 80.252 € feststellte. Insofern stellte der Beklagte die Klägerin hinsichtlich ihres Begehrens, die spanischen Betriebsstättengewinne von der deutschen Besteuerung freizustellen, klaglos. Streitig blieb die Befugnis des Beklagten, den ur-sprünglichen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung vom 12. September 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern zu dürfen und die Qualifikation des Gewinns der Klägerin als Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Insoweit wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2005 wurde zum Gegenstand der bereits unter dem Aktenzeichen 15 K 883/10 anhängigen Untätigkeitsklage.
Wie bereits im Betriebsprüfungs- und Einspruchsverfahren trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor.
Es sei bereits fraglich, ob das Vorliegen einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache bejaht werden könne. Denn die Existenz der spanischen Betriebsstätte sei beim Beklagten aktenkundig gewesen. Wenn der Beklagte argumentiere, nicht die Existenz der spanischen Betriebsstätte, sondern die Höhe der dort erzielten und bislang unbekannten Einnahmen stelle eine neue Tatsache dar, müsse das bestritten werden. In den Bescheinigungen ihrer Steuerberaterin hätte eindeutig gestanden, dass sie in Spanien Einnahmen erziele und dort versteuere.
Die Existenz dieser steuerrelevanten Einkünfte hätte der Beklagte sofort und ohne große Anstrengung erkennen können und müssen, was ihrer Auffassung nach auch geschehen sei. Von daher sei dem Beklagten ein überwiegendes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden etwaiger steuererhöhender Tatsachen anzulasten. Zu Ungunsten des Steuerpflichtigen dürfe eine Änderung eines Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht durchgeführt werden, wenn das Finanzamt eigene Ermittlungen trotz eindeutiger Anhaltspunkte für eine abweichende Steuerfestsetzung unterlassen bzw. unzureichend geführt habe und dadurch seiner Ermittlungspflicht gemäß § 88 AO nicht nachgekommen sei und ein Mitverschulden des Steuerpflichtigen nicht überwiege. Treuwidrig verhalte sich das Finanzamt, wenn es die Änderungsmöglichkeit durch eigene erhebliche Pflichtverstöße selbst herbeigeführt habe und so die im Gesetz angelegte Verteilung der Mitwirkungs- und Ermittlungslast verschiebe.
Vorliegend hätten dem Beklagten lange vor Beginn der Betriebsprüfung eindeutige Hinweise über die ausländische Betriebsstätte und die ausländischen Einkünfte vorgelegen. Insbesondere der seit 1999 enthaltene Hinweis in ihren Einnahme-Überschussrechnungen sei völlig ausreichend gewesen, um beim Beklagten diesbezügliche Ermittlungen zu veranlassen.
Dem Beklagten habe - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - im Übrigen eine weitere Rechnung vorgelegen, aus dem sich eindeutig ihre spanische Betriebsstätte ergebe (Bl. 364 der Prozessakte 15 K 883/10). Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Kontrollmitteilung des Finanzamts M, die einen Hinweis auf ausländische Leistungen enthalte (Bl. 347 der Prozessakte 15 K 883/10). Auch müsse berücksichtigt werden, dass in den Steuerakten handschriftliche Notiz zu finden seien, die die Kenntnis des Beklagten über die Existenz ihrer Betriebsstätte in Spanien bestätigten. Hinsichtlich dieser Notizen wird auf den Aktenvermerk vom 07. Oktober 2008 und auf den handschriftlichen Vermerk des Betriebsprüfers über das Eröffnungsgespräch verwiesen (Bl. 397 und 413 der Prozessakte 15 K 883/10).
Dass der Beklagte diesen Hinweisen nicht nachgegangen sei, stelle einen eindeutigen Verstoß gegen die dem Finanzamt obliegenden Sachaufklärungspflicht dar. Der Beklagte könne sich angesichts der eindeutigen Hinweise über die ausländische Betriebsstätte auch nicht darauf berufen, dass sie die ausländischen Gewinne nicht im Steuererklärungsformular deklariert habe.
Sie habe ihre Steuererklärung gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 AO nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck abgegeben. Der Beklagte müsse alle Angaben in den Unterlagen zur Steuererklärung beachten und dürfe sich nicht lediglich auf das Steuerformular stützen. Dass der Beklagte ihre ausländischen Betriebsstätteneinkünften trotz der entsprechenden Hinweise über mehrere Jahre nicht ermittelt habe, wiege im Übrigen schwerer als die erstmals im Jahr 1999 von ihr gemachten unvollständigen Angaben in der Steuererklärung. Aufgrund der unterlassenen Ermittlungen in den früheren Veranlagungszeiträumen habe der Beklagte in den Folgejahren dafür gesorgt, dass sie ihre Steuererklärungen gutgläubig in der gewohnten Weise abgegeben habe. Hierdurch habe der Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sie entsprechende Vermögensdispositionen getroffen habe. Im Anschluss an den Schriftwechsel und das Telefonat mit der Steuerberaterin im Jahre 2002 habe sie davon ausgehen können, dass sie hinsichtlich der Deklaration der ausländischen Betriebsstättengewinne alles richtig gemacht habe. Denn der Beklagte habe sich bis zum Beginn der Betriebsprüfung im Jahr 2008 nicht mehr zu den spanischen Betriebsstätteneinkünften geäußert. Dass der Beklagte trotz eindeutiger Hinweise auf das Bestehen der spanischen Betriebsstätte keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt habe, lege die Vermutung nahe, dass der Beklagte ebenso wie ihre Steuerberaterin einem Rechtsirrtum unterlegen sei und ebenfalls die Ansicht vertreten habe, die Gewinne der spanischen Betriebsstätte seien gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Spanien und Deutschland nur in Spanien zu versteuern.
Sämtliche Unterlagen ließen keinen anderen Schluss zu, als dass das Finanzamt sie unter Missachtung der §§ 85, 88 und 89 AO gezielt ins Visier genommen habe, nachdem sie offensichtlich falsch beraten worden sei. Trotz Kenntnis des Finanzamts hinsichtlich der unrichtigen Steuererklärungen seien die Steuererklärungen der Folgejahre wissentlich unrichtig veranlagt worden, um die Fehler in einer späteren Betriebsprüfung aufzudecken. Die Motivation des Finanzamts liege auf der Hand, es lohne sich für die Finanzbehörde nicht, eine Firma bereits nach einem Jahr darauf aufmerksam zu machen, dass sie steuerrechtlich einem Irrtum unterlegen sei, da die Steuerpflichtige den Fehler korrigieren könne und das Finanzamt in den folgenden Jahren keine Mehrsteuer erzielen würde.
Im Übrigen habe der Beklagte zu Unrecht Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt.
Es habe sich bei ihr in den Jahren 2003 bis 2007 um eine Personengesellschaft mit überwiegend freiberuflichem Charakter gehandelt, die von zu Hause betrieben worden sei und daher keinerlei Infrastruktur der Stadt genutzt habe. Vor diesem Hintergrund sei es gleichheitswidrig, wenn sie auf ihren gesamten Gewinn Gewerbesteuer zahlen müsste, während andere, die Infrastruktur der Stadt nutzende Betriebe von der Gewerbesteuer verschont würden.
Die von ihr erbrachten freiberuflichen und gewerblichen Betätigungsanteile könnten nicht getrennt voneinander beurteilt werden, ihr gesamter Betrieb sei nach der Verkehrsauffassung vielmehr als einheitliches Unternehmen anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 02. Oktober 2003, BStBl II 2004, 363 und im Urteil vom 24. April 1997, BStBl II 1997, 567, komme eine Umqualifizierung von Einkünften nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, wenn eine gemischte Tätigkeit als einheitliche Gesamtbetätigung anzusehen sei. Eine solche Tätigkeit müsse vielmehr unabhängig von der Abfärbetheorie danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gebe. Eine einheitliche Erfassung sei stets dann angeboten, wenn sich die Tätigkeiten gegenseitig bedingten und derart miteinander verflochten seien, dass der gesamte Betrieb nach der Verkehrsauffassung als einheitlich anzusehen sei. In ihrem Unternehmen würden die Kunden in aller Regel ein Handbuch oder einzelne Textbausteine eines solchen in Auftrag geben, die in verschiedene Sprachen übersetzt werden müssten. Eine Einzelbestellung in lediglich drei Sprachen komme nicht vor, der Kunde erwarte vielmehr einen Gesamterfolg in mehreren Sprachen. Sie verfüge über etliche EdV-Systeme, Hardware, Abläufe und organisatorische Strukturen, die für sämtliche Sprachkombinationen gemeinsam eingesetzt würden, so dass eine nicht aufzulösende Verflechtung hinsichtlich der selbst gesprochenen und der von ihren Gesellschaftern nicht beherrschten Sprachen vorliege, bei denen auch wiederum nur teilweise Fremdübersetzer neu beauftragt würden. Alle Leistungsbestandteile würden mit eigenem personellem Einsatz erbracht. So arbeite Herr F wegen des großen Termindrucks parallel an verschiedenen Projekten in unterschiedlichen Sprachen, wenn beispielsweise ein Handbuch in fünf Sprachen gleichzeitig übersetzt werde müsse und bereits Teile des Handbuches in allen Sprachen im TMS vorhanden seien. Die Ingenieurleistungen (Projektmanagement, Vorbereitung des Handbuchs zur Bearbeitung in mehreren Sprachen, Ressourcenplanung, etc.) würden zusammen für das gleiche Projekt erbracht, so dass eine Aufteilung nicht möglich sei. Bei der Leistungserbringung überwiege zweifelsohne die freiberufliche Tätigkeit als technischer Redakteur und die eigenen Übersetzungsleistungen. Diese untertrennbaren Leistungen seien für alle Sprachen und Aufträge erforderlich und würden vom Kunden übergreifend beauftragt.
Ihre Gesellschafter hätten als Freiberufler die Durchführung der Arbeiten überwacht, grundsätzliche Fragen selbst entschieden und ihre Arbeitskraft so eingesetzt, dass sie die uneingeschränkte fachliche Verantwortung auch für die nicht von ihnen persönlich, sondern von Mitarbeitern erbrachten Leistungen übernommen hätten. Die Fachkenntnisse müssten sich auf den gesamten Bereich der Berufstätigkeit erstrecken. Die von ihnen übersetzten Handbücher trügen in erheblichem Maße den Stempel ihrer Persönlichkeit. Ingenieurleistungen und technische Redaktionsleistungen würden in den Handbüchern in unterschiedlichen Sprachen untrennbar miteinander verbunden.
Die von Herrn F genehmigten bzw. überarbeiteten Texte der Fremdübersetzer seien Textauszüge oder Textmodule, die für die Erstellung mehrerer Handbücher verwendet würden. Ein Übersetzer könne z. B. 170 Zeilen für ein Handbuch A und 100 für ein Handbuch B liefern, dann weitere 100 Zeilen für die Datenbank und verschiedene Termini für eine Tabelle eines Handbuch C. Das sei von Fall zu Fall verschieden. Herr F würde im Falle des Handbuches A die 170 Zeilen in die zentrale Datenbank des TMS importieren und erst anschließend den Übersetzungsprozess für das beauftragte Produkt im eigenen Hause automatisch durchführen. Das Endprodukt sei ein 250 Seiten starkes Handbuch, z. B. in Polnisch, für das lediglich 170 Zeilen neu und unter Kontrolle von Herr F erstellt worden seien. Es könne auch vorkommen, dass ein Projekt (Handbuch oder Terminologieliste) in einer von den Gesellschaftern der Klägerin nicht beherrschten Sprache ohne erneuten Zukauf von Fremdübersetzungen vollständig aus dem TMS erstellt würde. Das Lektorat übernehme z. B. die Filiale des Kunden im Zielland. Die Ausgangsrechnungen mit hohen Fremdleistungen sagten daher nichts über den Anteil dieser Fremdleistungen am eigentlichen Endprodukt aus. Selbst wenn in einem Handbuch ein größerer Anteil an übersetzten Text verwendet werde (z. B. 70 % neu übersetzte Textbausteine), seien diese 70 % immer noch nicht das, was der Kunde bestellt habe. Sie würden erst zum kompletten Handbuch, nachdem die 70 % zunächst in das TMS eingespeist und dann auf Vollständigkeit und richtige Terminologieverwendung überprüft worden seien. Dies sei nur aufgrund der Kenntnisse des Herrn F als Übersetzer und seiner technischen Erfahrungen möglich. Nachdem das Handbuch aus dem TMS bei der Klägerin neu generiert worden sei, würden abschließend alle Tabellen und Grafiken manuell durch Herrn F ergänzt, beschrieben und formatiert. Somit sei trotz der Beauftragung einer größeren Textmenge von Übersetzungen der Anteil von Herrn F an jedem Handbuch immer in ausreichendem Umfang vorhanden, so dass der Stempel seiner Persönlichkeit immer gegeben sei. Im Falle einer Reklamation eines Handbuchs, für das der Einkauf von Fremdleistungen erforderlich gewesen sei, könne sie sich nicht an die Fremdübersetzer wenden, da der gesamte endgültige Text des Handbuchs aus dem TMS generiert worden und allein Herr F dafür verantwortlich gewesen sei. Aus diesem Grunde kontrolliere er die Übersetzungen. Ohne die Tätigkeit von Herrn F seien die von den Fremdübersetzern gelieferten Textmodule für den Kunden überhaupt nicht verwertbar. Ihre Arbeitsweise sei von den Arbeitsabläufen vergleichbar mit der eines Zahnarztes, welcher einen Zahntechniker zur Erstellung von Zahnbrücken, Zahnkronen oder sonstigen Zahnprothesen beauftrage. Der Zahntechniker habe aufgrund einer speziellen Ausbildung Kenntnisse und Fähigkeiten, über die ein Zahnarzt nicht in gleichem Maße verfüge. Trotzdem sei der Zahnarzt (wie auch Herr F für das Übersetzungsbüro) in der Lage, die Leistung des Zahntechnikers zu kontrollieren und diese anschließend weiter zu verarbeiten, in dem sie den Patienten passend eingesetzt werde.
Ihr gewerblicher Teil beschränke sich lediglich auf den Einkauf von Texten in nicht beherrschten Fremdsprachen. Alle anderen Arbeitsabläufe und Tätigkeiten zur Erstellung der vom Kunden bestellten Handbücher würden persönlich und ohne die Inanspruchnahme von Angestellten oder Fachkräften durchgeführt. Dass der freiberufliche Teil ihrer Betätigung dem Unternehmen das Gepräge gebe, lasse sich auch erkennen, wenn man die eingekauften Texte in den von den Gesellschaftern nicht beherrschten Sprachen zum Nettoumsatz der Gesellschaft ins Verhältnis setze.
2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | |
Netto-Gesamtumsatz | 100 % | 100 % | 100 % | 100 % | 100 % |
gewerblicher Anteil (Einkauf der Texte in nicht beherrschten Sprachen | 26 % | 25 % | 15 % | 21 % | 23 % |
freiberuflicher Anteil (alle anderen Tätigkeiten der GbR) | 74 % | 75 % | 85 % | 79 % | 77 % |
Auch die Auffassung des Beklagten, ihre Gesellschafter könnten den Arbeiten den Stempel ihrer Persönlichkeit nicht ausreichend aufdrücken, weil sie die Sprache der Fremdübersetzer nicht beherrschten und es in Bezug auf diese Fremdleistungen an der Eigenverantwortlichkeit der Leistungserbringung fehle, werde durch den oben belegten geringen Anteil der eingeholten Fremdleistungen an der Gesamtleistungserbringung widerlegt.
Der Beklagte gehe offenbar davon aus, dass die eingekauften Übersetzungen von ihren Gesellschaftern kontrolliert werden müssten wie Klassenarbeiten in der Schule. Das Finanzamt stelle sich offenbar vor, sie müsse die Grammatik und Stilistik prüfen und die Fremdübersetzer wie Schüler korrigieren. Das sei natürlich nicht der Fall gewesen. Die Qualitätssicherung in einem technischen Ingenieurbüro basiere auf ISO- und DIN-Normen und werde auf die Forderungen der Kunden angepasst. Die Qualitätssicherung und damit die Leitung und eigenverantwortliche Tätigkeit ihrer Gesellschafter habe somit lange vor der Beauftragung von Fremdübersetzern begonnen und ende lange nach Erhalt der eingekauften Übersetzungen.
Während des gesamten Übersetzungsprozesses habe Herr F den Übersetzern im Übrigen zur Seite gestanden und Anweisungen erteilt, wie welche Systeme einzusetzen seien. Er habe Hilfe bei Problemen mit dem Einsatz der Programme geleistet, technische Zusammenhänge erklärt und Terminologieunterstützung geleistet, in dem er z.B. die Funktionsweise und Einsatzbeispiele für entsprechende Bauteile erklärt habe.
Die eingekauften Texte seien nicht einfach unbesehen in die Handbücher eingefügt worden, sondern hätten einen ausgefeilten Prozess durchlaufen, der spezielle Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen voraussetze. Es handele sich bei ihr somit nicht um ein einfaches Übersetzungsbüro, sondern um ein Ingenieurbüro für technische Kommunikation, in dem sie ein Nischenprodukt mit spezialisierten Dienstleistungen, die eine Kombination aus Übersetzungs- und Ingenieurleistungen darstellten, anbiete.
Die technischen Handbücher hätten die Überprüfung, Korrektur und intensive Bearbeitung durch die Gesellschafter vorausgesetzt (z.B. das Lektorat der Ausgangsdokumentationen auf Verständlichkeit, Terminologiegebrauch, Vollständigkeit, Einhaltung/ Umwandlung von Einheiten und Zahlen, Vorgaben zur Textlänge, etc,). Sämtliche zugekauften Texte seien erst nach vorheriger Prüfung durch die Gesellschafter in ein TMS importiert worden. Anschließend sei die endgültige Übersetzung durch die Gesellschafter intern zusammen mit den bereits in den Systemen enthaltenen Texten oder Kapiteln in den betreffenden Sprachen entstanden.
Ihre Gesellschafter hätten die von den Fremdübersetzern verwendete Fachterminologie z.B. anhand der eigenen Terminologiedatenbanken, durch Internetrecherchen, in Rücksprache mit anderen Fachübersetzern, in Rücksprache mit dem Kunden und den ausländischen Filialen der Kunden, etc., überprüft. Bei der Kontrolle der nicht beherrschten Sprachen seien einige zusätzlich speziell hierfür ausgearbeitete Arbeitsschritte den Qualitätssicherungsprozessen zugefügt worden.
Verfahrensrechtlich sei zu berücksichtigen, dass sich in den Steuerakten Hinweise finden ließen, dass der Beklagte bereits 2003 für den Veranlagungszeitraum 2001 eine Veranlagung zur Gewerbesteuer ins Auge gefasst habe, weil es sich bei dem Gesellschafter F um eine berufsfremde Person gehandelt habe. Auch seien die hohen Fremdleistungen dem Beklagten bereits lange vor der BP bekannt gewesen. Gleichwohl habe eine solche Außenprüfung nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob der Beklagte nach Treu und Glauben überhaupt noch befugt gewesen sei, erst im Anschluss an die BP gewerbliche Gewinne anzusetzen.
Ihre Gesellschafter hätten aufgrund der jährlichen Steuerfestsetzung Vermögensdispositionen getroffen und Gelder für deren Altersvorsorge zurückgelegt. Dieses Geld hätten sie zu ihrem bisherigen steuerlichen Nachteil nicht in einen privaten Altersvorsorgevertrag eingezahlt und somit von der Steuer abgesetzt. Wäre der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen, hätten ihre Gesellschafter im Jahr 2002 eine Korrektur ihrer Vermögensdisposition durchgeführt.
Die Vorgehensweise des Beklagten lasse keinen anderen Schluss zu, als dass das Finanzamt sie unter Missachtung der §§ 85, 88 und 89 AO gezielt ins Visier genommen habe, nachdem sie offensichtlich falsch beraten worden sei. Trotz Kenntnis des Finanzamts hinsichtlich der unrichtigen Steuererklärungen seien die weiteren Erklärungen wissentlich unrichtig veranlagt worden, um die Fehler in einer späteren Betriebsprüfung aufzudecken. Die Motivation des Finanzamts liege auf der Hand, es lohne sich für die Finanzbehörde nicht, eine Firma bereits nach einem Jahr darauf aufmerksam zu machen, dass sie steuerrechtlich einem Irrtum unterlegen sei, da die Steuerpflichtige den Fehler korrigieren könne und das Finanzamt in den folgenden Jahren keine Mehrsteuer erzielen würde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12. Oktober 2011 (Blatt 236 der Prozessakte 15 K 4041/10) und den ergänzenden Sach- und Rechtsvortrag ihre Gesellschafter in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 10. Juli 2009 in Gestalt der hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für gegeben. Ausschlaggebend für die Frage, ob der Feststellungsbescheid 2005 nach dieser Vorschrift geändert werden durfte, sei allein, dass eine neue Tatsache für 2005 vorgelegen habe, die dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden sei und dass er nicht wegen eines Ermittlungsfehlers an der Änderung des Bescheides gehindert sei. Die Klägerin argumentiere, dass das Finanzamt aufgrund der Kontrollmitteilungen und der Bescheinigungen in den Vorjahren hätte erkennen müssen, dass die Klägerin ihre Einnahmen aus der Betriebsstätte in Spanien nicht ordnungsgemäß angegeben habe. Hinsichtlich der Kontrollmitteilungen sei darauf hinzuweisen, dass diese nicht das Streitjahr beträfen und damit für die Frage eines Ermittlungsfehlers unbeachtlich seien. Es werde auch nicht bestritten, dass die Existenz der Betriebsstätte in Spanien dem Finanzamt bekannt gewesen sei. Die Existenz dieser Betriebsstätte sei allerdings nicht bewusst wahrgenommen worden. Im übrigen könne sich ein Steuerpflichtiger auf Treu und Glauben nur dann berufen, wenn er seinerseits seiner Mitwirkungspflichten voll genügt habe. Das sei vorliegend zu verneinen, weil die Klägerin die streitigen Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte in der Feststellungserklärung weder an der zutreffenden Stelle des Vordrucks eingetragen noch der Höhe nach erklärt habe. Die Höhe der Einkünfte sei - anders als die Existenz der Betriebsstätte als solche - bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheides daher nicht bekannt gewesen und erst während der Betriebsprüfung festgestellt worden. Insoweit liege eine neue Tatsache vor. Von Bedeutung sei dabei, dass das Finanzamt den Feststellungserklärungen nicht mit Misstrauen begegnen müsse, sondern regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen dürfe. Wenn sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt hätten, den Sachverhalt aufzuklären, treffe zumindest bei unvollständigen Angaben in der Steuererklärung in der Regel den Steuerpflichtige die Verantwortlichkeit, mit der Folge, dass der Steuer- bzw. Feststellungsbescheid geändert werden dürfe (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BStBl II 1988, 115). Da es sich um einen Auslandssachverhalt handele, treffe die Klägerin gemäß § 90 Abs. 2 AO sogar eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Diese Mitwirkungspflichten habe die Klägerin mit ihrer abstrakten Angabe in der Feststellungserklärung 2005, es liege eine spanische Betriebsstätte vor, nicht erfüllt. Denn in der Anlage AUS zur Feststellungserklärung werde ausdrücklich nach ausländischen Einkünften gefragt. Diese Frage habe die Klägerin nicht beantwortet. Hinzuweisen sei auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 24. März 2004, BFH/NV 2004, 1070, wonach der Bürger selbst dann seine Mitwirkungspflicht verletze, wenn er die Einkünfte in seiner Steuererklärung zwar nicht verschweige, im amtlichen Vordruck aber an der falschen Stelle eintrage. Die Klägerin habe die spanischen Einkünfte überhaupt nicht im Steuererklärungsvordruck angegeben und Angaben zur Höhe unterlassen.
Soweit die Klägerin dem Finanzamt vorwerfe, es habe Unterlagen unterdrückt und mit der Betriebsprüfungsstelle bewusst zu ihrem Nachteil gearbeitet, sei der Vorwurf unzutreffend und für die Frage der Zulässigkeit der Änderung des Feststellungsbescheides auch nicht entscheidungserheblich.
Hinsichtlich der Gewerblichkeit der von der Klägerin erzielten Gewinne bestätige diese, dass die Anteile der Fremdleistungen für nicht beherrschte Sprachen zwischen 15% und 26% gelegen hätten. Dieser Anteil gebe der Tätigkeit der Klägerin zwar nicht das Gepräge, er führe aber zu einer Infektion zur Gewerblichkeit. Insoweit räume die Klägerin auch ein, dass die eingekauften Übersetzungsleistungen von ihr nicht überprüft worden seien. Gefordert werde für die Annahme eines freiberuflichen Unternehmens, dass der individuelle, über eine bloße Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz des Betriebsinhabers den gesamten Bereich seiner Tätigkeit umfasse. Der Betriebsinhaber müsse eigene Fachkenntnisse besitzen, die sich auf den gesamten Bereich seiner Tätigkeit erstreckten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die bestellten Handbücher seien ins Türkische, Arabische, Schwedische, Slowenische, Polnische, Italienische, Dänische, Niederländische, Russische, Portugiesische und noch in weitere Sprachen übersetzt worden. In diesen Sprachen hätten die Gesellschafter der Klägerin nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfügt. Damit hätte der Einsatz der Betriebsinhaber nicht den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfasst. Insoweit hätten die Gesellschafter der Klägerin die freiberufliche Tätigkeit erst gar nicht ausgeübt. Daran ändere auch der Umstand, dass die fremdbezogenen Texte nachgearbeitet (layoutet) und auf die Einhaltung einer bestimmter Terminologie überprüft worden seien, nichts. Die Klägerin sei aufgrund des fehlenden Fachwissens in den genannten Sprachen nicht in der Lage gewesen die Übersetzungen selbstständig zu erstellen. Auch wenn sich die Klägerin nicht als Übersetzungsbüro fühle, sondern als Ingenieurbüro für technische Kommunikation, handele es sich bei den Übersetzungen nicht um reine Nebentätigkeiten. Das zeige sich bereits darin, dass ein hoher Anteil an Übersetzungen habe eingekauft werden müssen.
Die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge sei auch nicht verwirkt. Zum einen sei es nicht zutreffend, dass bereits 2003 eine Veranlagung zur Gewerbesteuer habe erfolgen sollen. Die Angaben in der Eingabemaske für den Veranlagungszeitraum 2001 seien erst nach der BP im Jahre 2008 erstellt worden.
Im Übrigen habe das Finanzamt keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, die Gewerbesteuermessbeträge nicht festsetzen zu wollen.
Aus den Gründen
Der Senat ist nicht daran gehindert, in der Sache zu entscheiden. Insbesondere war die Verhandlung nicht im Hinblick auf das noch anhängige Verfahren über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auszusetzen.
Gemäß § 74 FGO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine Aussetzung der Verhandlung ist in aller Regel geboten, wenn in einem Rechtsstreit über einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen strittig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen noch ausstehenden oder noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (Gräber/Koch FGO, 5. Aufl., § 74 Rz. 12 m.w.N.). Die Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO ist eine vom Finanzgericht zu treffende Ermessensentscheidung, im Rahmen derer prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind (Koch in Gräber, FGO, § 74 Rz 7; Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 16, jeweils m.w.N.). Eine Pflicht zur Aussetzung der Verhandlung besteht nur in Ausnahmefällen (BFH-Urteil vom 08.05.1991 I B 132, 134/90, BStBl II 1991, 641).
Diesen Grundsätzen folgend war die Verhandlung im Streitfall nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass ihnen an einer zeitnahen Klärung sowohl der Verfahrensrechtlichen Problematik hinsichtlich der Änderungsbefugnis des Beklagten nach § 173 Abs. 1 Satz 1 FGO als auch hinsichtlich der Einordnung der von der Klägerin erzielten Einkünfte unter die zutreffende Einkunftsart gelegen ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Verhandlung hat folgerichtig keiner der Beteiligten gestellt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Aussetzung der Verhandlung nur dann geboten, wenn mit einer Entscheidung über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen alsbald zu rechnen wäre. Gerade das ist nach der im Streitfall gegebenen Tatsachenlage nicht der Fall.
Der Beklagte hat sich für diesen Antrag nicht zuständig gesehen und ihn an das für die Klägerin nunmehr örtlich zuständige Finanzamt D weitergeleitet. Der Senat hat vor dem Hintergrund, dass § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. 180 Abs.1 Nr. 2 b) AO hinsichtlich der Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung auf die Verhältnisse am Schluss des Gewinnermittlungszeitraums abstellt, Bedenken, dass sich eine Zuständigkeit des Finanzamtes D herleiten lässt. Je nach Entscheidung dieser Finanzbehörde müsste in dem Billigkeitsverfahren u.U. zunächst ein Verfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg und ggf. ein weiteres Verwaltungsverfahren vor dem Beklagten mit einem sich ggf. anschließendem Klageverfahren vor dem Finanzgericht Köln geführt werden. Es ist nicht ermessensgerecht, den Beteiligten die Klärung der Rechtsfragen des vorliegenden Verfahrens, an der ihnen gelegen ist, über einen unabwägbar langen Zeitraum vorzuenthalten.
Die Klage ist zulässig.
Der Klägerin fehlt es insbesondere nicht an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Klagebefugnis. Soweit sich die Klägerin gegen die Erhöhung des festgestellten Gewinns wendet, liegt das auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.
Aber auch soweit sich die Klägerin gegen die Feststellung gewerblicher Einkünfte statt solcher aus selbständiger Arbeit wendet, ist sie klagebefugt. Denn auch die gesonderte Feststellung einer unzutreffenden Einkommensart stellt eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs.2 FGO dar (BFH-Urteil vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676).
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte war befugt, den bestandskräftigen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2005 vom 12. September 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt; also Zustände und Vorgänge der Seinswelt, die Eigenschaften der Gegenstände dieser Seinswelt und die gegenseitigen Beziehungen zwischen diesen Gegenständen, z.B. Einnahmen, Ausgaben, Forderungen oder Verbindlichkeiten (Tipke/Kruse, AO, § 173 Rz. 2, mit zahlreichen Nachweisen aus der Finanzrechtsprechung). Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie die zuständige Veranlagungsstelle des Finanzamtes im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416; vom 18. Mai 2010, X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225). In der heutigen Zeit der elektronischen Veranlagung entspricht dies der Freigabe des Steuerfalles zur Übersendung an das für die elektronische Steuerberechnung zuständige Rechenzentrum. Bekannt ist der zuständigen Dienststelle dabei der Inhalt der bei ihr geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2010, X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Neue Tatsache ist im Streitfall nicht die Kenntnis über die Existenz der spanischen Betriebsstätte und auch nicht die Kenntnis, dass die dort erzielten Einkünfte nicht in der Gewinnermittlung erklärt wurden. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass das für den Beklagten keine neuen Tatsachen darstellen. Denn dieser Lebenssachverhalt war dem Beklagten zumindest aus den jährlichen Bescheinigungen der Steuerberaterin in der Gewinn- und Verlustrechnung des Beklagten bekannt, selbst wenn diese nicht zur Kenntnis genommen worden sein sollten.
Als neue Tatsache ist jedoch die Kenntnis über die konkrete Höhe der in beiden Betriebsstätten erzielten Einnahmen und über das Fehlen von Aufzeichnungen bzw. Unterlagen aus denen sich eine direkte Zuordnung der insgesamt angefallenen Einnahmen und Ausgaben auf die beiden Betriebsstätten ergibt, anzusehen. Sowohl die genaue Höhe der insgesamt erzielten Einnahmen und Ausgaben als auch die Zuordnung auf die einzelnen Betriebsstätten sind für die Ermittlung der in Deutschland steuerpflichtigen Gewinne und die Berechnung des Progressionsvorbehalts von Bedeutung. Diese steuererhöhenden Tatsachen sind dem Beklagten erst im Verlauf der Betriebsprüfung und damit nach der Freigabe des Feststellungsbescheides vom 12. September 2007 bekannt geworden.
Damit liegen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist es dem Beklagten nicht verwehrt, sich auf das Vorliegen dieser nachträglich bekannt gewordenen Tatsache zu berufen. Insbesondere steht der damit eröffneten Änderungsbefugnis des Beklagten nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sieht selbst keinerlei diesbezüglichen Einschränkungen vor. Gleichwohl ist es in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs anerkannt, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung bzw. gesonderten Feststellung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausscheidet, wenn sie auf Tatsachen beruht, die der Finanzbehörde infolge der Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht (§ 88 AO) trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 49/09, BFH/NV 2012, 692 m.w.N.). Trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung bedeutet, dass diese Änderungsschranke nur eingreift, wenn der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH- Urteil vom 6. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1200; vom 13.November 1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs in der Regel die Verantwortung den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BstBl II 1995, 293). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des Finanzamtes gegen dessen Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen dessen Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (vgl. FG des Saarlandes vom 3. Dezember 2008 1 K 2374/04, EFG 2009, 731 m.w.N. auf die Rechtsprechung des BFH).
Der erkennende Senat folgt dieser ganz vorherrschenden Auffassung in der (höchstrichterlichen) Finanzrechtsprechung und kann sich der insbesondere in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stelle bei kumulativen Pflichtverstößen nicht auf ein Überwiegen der Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamtes ab, nicht anschließen.
Die vorgenannten Voraussetzungen, unter denen es dem Finanzamt nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die nachträgliche Kenntnis einer steuererhöhenden Tatsache zu berufen, liegen im Streitfall nicht vor.
Zwar hat der Beklagte seine Ermittlungspflichten dadurch verletzt, dass er nach Einreichung der Feststellungserklärung keine Ermittlungen über etwaige in Spanien bezogene Einnahmen angestellt hat. Ausreichenden Anlass hierzu hätten die der Gewinn- und Verlustrechnung - nicht zum ersten Mal vorgelegten - Bescheinigungen der Steuerberaterin gegeben. Dieser Pflichtverstoß wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
Er überwiegt jedoch nicht in deutlichem Maße die der Klägerin anzulastenden Mitwirkungspflichtverletzungen.
Die Klägerin war verpflichtet, die in Spanien und in Deutschland erzielten Einkünfte zutreffend auf die jeweiligen Betriebsstätten aufzuteilen. Ferner war sie verpflichtet, die hiernach im Inland steuerpflichtigen Einnahmen und Ausgaben zutreffend in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung zu erklären. Hinsichtlich der in Deutschland nicht steuerpflichtigen Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte war die Klägerin verpflichtet, diese in den Zeilen 38 bis 43 Anlage AUS zu erklären, um ihren Mitwirkungspflichten zu genügen. Hierüber werden die Steuerpflichtigen durch folgenden Hinweis in der Anleitung zur Anlage AUS ausdrücklich belehrt:
"Wenn Einkünfte auf Grund eines DBA im Inland steuerfrei sind, dürfen diese nicht in den Anlagen zur Einkommensteuererklärung enthalten sein (ausgenommen Anlage N). Die Einkünfte unterliegen jedoch regelmäßig dem Progressionsvorbehalt, d.h. die Einkünfte werden in die Bemessung des Steuersatzes einbezogen, der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden ist. Geben Sie - getrennt nach Staaten - die Höhe dieser Einkünfte, die Einkommensquelle und die Einkunftsart an. (...)".
Aufgrund ihrer Mitwirkungspflichtverletzungen hat die Klägerin bei der Abgabe der Feststellungserklärung für das Streitjahr 2005 dem Beklagten den steuerlich relevanten Sachverhalt nicht in Übereinstimmung mit den von dem Erklärungsvordruck geforderten Angaben (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO) vollständig und deutlich zur rechtlichen Prüfung unterbreitet. Dieser Erklärungsverstoß wieg insoweit schwer, als die Feststellungserklärung selbst - und nicht die der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügte Bescheinigung der Steuerberaterin - die Grundlage für die Veranlagung der Klägerin bildete. Insoweit ist bereits seit langer Zeit in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass die Finanzbehörde einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Steuererklärung nicht mit Misstrauen begegnen muss, sondern regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer solchen Erklärung vertrauen darf (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569, 572; vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588; so auch Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 65, m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn die Erklärung - anders als im Streitfall - ohne Mitwirkung einer fachkundigen Person erstellt worden ist und wenn sie u.a. die Beurteilung von Rechtsfragen zum Gegenstand hat (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911). Auch in einem solchen Fall muss die Behörde deshalb im Allgemeinen nur dann in weitere Ermittlungen eintreten, wenn sich aus der Erklärung Unklarheiten oder Zweifel ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2007 I B 16/06, nv. Juris-Dokument).
Im Streitfall ergaben sich aus der Erklärung selbst keine Zweifel hinsichtlich weiterer in Spanien erzielter Einkünfte. Dass sich solche - wie in den Vorjahren - aus dem der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügten Hinweis der Steuerberaterin ergeben haben, reicht insoweit nicht aus. Denn ohne die Abgabe einer Anlage AUS kann ein solcher, lediglich der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügter Hinweis bei der laufenden Steuerveranlagung schnell übersehen oder aber seinem rechtlichen Gehalt nach falsch gedeutet werden. Die im Steuererklärungsvordruck selbst abgefragten Angaben könnte das Finanzamt demgegenüber nur durch bewusstes Wegschauen übersehen. Insoweit entspricht es gerade dem Zweck der amtlichen Erklärungsvordrucke, die Finanzverwaltung explizit auf die dort anzugebenden Besteuerungsgrundlagen hinzuweisen. Wenn das Finanzamt es unterlässt, den Mangel einer vollständig ausgefüllten Steuererklärung dadurch zu beheben, dass es sich die steuerlich relevanten Tatsachen aus den mit der Steuererklärung eingereichten Anlagen selbst heraussucht, wiegt dieser Ermittlungsfehler jedenfalls nicht schwerer als die unvollständig ausgefüllte Steuererklärung, an sich.
Der Beklagte hat die der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen Einkünfte auch zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.
Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist; ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH ferner, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465, m.w.N.). Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.
Ergänzend hierzu bestimmt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass die mit Einkünfteerzielungs-absicht unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat die Klägerin in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG unterhalten.
Zwar übte die Klägerin vom Grundsatz her die Tätigkeit eines sog. freien Berufes i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, denn sowohl der Beruf des Dolmetschers als auch der Beruf des Ingenieurs wird ausdrücklich im Katalog dieser Vorschrift erwähnt. Insoweit bedarf es nicht des Rückgriffs auf die Geprägerechtsprechung des Bundesfinanzhofs, auf die sich die Klägerin in Abgrenzung zu der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG normierten Abfärbewirkung stützt.
Diese Geprägerechtsprechung besagt, dass die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche Gewinne nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ("Abfärbetheorie") nur dann in Betracht kommt, wenn die Tätigkeit nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen ist. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind diese getrennt zu betrachten, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413, m.w.N.). Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH, a.a.O.). Infolge dessen muss eine gemischte Tätigkeit, unabhängig von der "Abfärbetheorie", danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gibt (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BStBl II 1997, 567; vom 1. Februar 1979 IV R 113/76, BStBl II 1979, 574).
Diese Rechtsprechung ist von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger sowohl eine - originär - freiberufliche als auch eine - originär - gewerbliche Tätigkeit ausübt (im BFH-Verfahren IV R 60/95 war dies die Tätigkeit als beratender Ingenieur (freiberuflich) unter gleichzeitigem Verkauf von Computerhardware (gewerblich)). In einem solchen Fall ist (zunächst) zu ermitteln, ob und ggf. welche der ausgeübten Tätigkeiten dem Betrieb das Gepräge gibt.
Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall nicht verwirklicht. Die Klägerin hat keine gemischten Tätigkeiten im Sinne der Geprägerechtsprechung ausgeübt. Denn die von ihr gefertigten Übersetzungen unterfallen allesamt dem Katalogberuf des Dolmetschers. Das wird auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt.
Gleichwohl liegen im Streitfall Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Denn allein die Ausübung eines Katalogberufes reicht zur Bejahung freiberuflicher Einkünfte nicht aus. Auch bei der Ausübung eines Katalogberufs erfordert der Charakter der selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG, dass die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen geprägt ist (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Fehlt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen der "Stempel seiner Persönlichkeit", so ist sie - auch im Bereich der Katalogberufe - keine freiberufliche (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, DStRE 2001, 577, 578). Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Steuerpflichtigen selbst und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter zuzurechnen sein. Es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter (vgl. z.B.: BFH-Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BStBl. II 1990, 507 ff., 508, 509 m.w.N.).
Bei dieser Prüfung stehen die Tatbestandsmerkmale "leitend" und "eigenverantwortlich" selbständig nebeneinander. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00 a.a.O. m.w.N.). Das ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Danach ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient: Voraussetzung ist jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.
Im Bezug auf Übersetzungsbüros hat der Bundesfinanzhof die vorstehenden Grundsätze dahingehend konkretisiert, dass der individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz eines Steuerpflichtigen, der die wichtigste Sprache seines Übersetzungsbüros beherrscht, den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen muss, wenn die Voraussetzungen für ein freiberufliches Unternehmen gegeben sein sollen (BFH-Beschluss vom 10. August 1993 IV B 1/92, BFH/NV 1994, 168; Urteil vom 5. Dezember 1968 IV R 125/66, BStBl. II 1969, 165; Urteil vom 2. Dezember 1980 VIII R 32/75, BStBl. II 1981, 170 ff.; Urteil vom 11. September 1968 I R 173/66, BStBl. II 1968, 820 ff.; ebenso: BFH-Beschluss vom 12.6.1996 IV B 121/95, BFH/NV 1997, 25).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es ist der Klägerin nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Ausführung jedes einzelnen Übersetzungsauftrags durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung ihrer Gesellschafter und deren Fachkenntnissen geprägt war. Die Klägerin hat in nicht unerheblichen Umfang in den Streitjahren Übersetzungen in Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch, Russisch, Portugiesisch, Bulgarisch und etliche weitere Sprachen gefertigt. Dies konnte sie nur unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern, wobei ihr eine inhaltliche Kontrolle der übersetzten Texte wegen der insoweit fehlenden Sprachkenntnisse nicht möglich war. In Bezug auf diese Fremdübersetzungen konnten die Gesellschafter der Klägerin nicht - wie es das Gesetz fordert - auf Grund eigener Fachkenntnisse, sondern nur im Vertrauen auf die Richtigkeit der von den Übersetzern geleisteten Vorarbeiten leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Beispielsfall des Zahnarztes, auf den sich die Klägerin beruft. Anders als der Zahnarzt, der einen einzusetzenden Zahnersatz zwar nicht selbst herstellt, wohl aber auf dessen Verwendungsfähigkeit hin prüfen kann, mussten die Gesellschafter der Klägerin auf die Fehlerfreiheit der Übersetzungsleistungen vertrauen.
Daran ändert auch der Umstand, dass die Klägerin für die Erstellung der Handbücher, etc., ein Translation-Memory-System einsetzte, nichts. Denn mit Hilfe dieses TMS hätte ein neuer Übersetzungsauftrag in einer nicht beherrschten Sprach allenfalls dann ohne Beauftragung eines weiteren Fremdübersetzers ausgeführt werden können, wenn eine hundertprozentige Übereinstimmung zwischen dem Ausgangstext und den im TMS gespeicherten Segmenten bestanden hätte. Ausweislich der Ausgangsrechnungen der Klägerin war das nur äußerst selten der Fall. In den Ausgangsrechnungen lassen sich nur sehr vereinzelt sog. 100%-Matches finden. Der weit überwiegende Teil besteht aus Matches unter 75%, die nach den Angaben der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung von Fremdübersetzern bearbeitet werden mussten. Aber selbst wenn ein komplettes Handbuch in einer nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprache aus dem TMS heraus hätte erstellt werden können, wäre ein solches nicht durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung der Klägerin geprägt gewesen, weil es bereits den im TMS gespeicherten Texten an dieser Eigenschaft mangelte.
Damit waren die Übersetzungsleistungen in Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, nicht durch die persönliche, auf eigener Fachkenntnis beruhende individuelle Arbeitsleistung der Gesellschafter der Klägerin geprägt, auch wenn das für den Rest der Arbeiten, die erst zu dem fertigen Übersetzungsprodukt (Handbuch) führten, zu bejahen ist.
Auch der Umstand, dass die Klägerin die Texte ihrer Kunden nicht lediglich in ihrer Urform übersetzte, sondern auf Verständlichkeit und technische Richtigkeit hin überprüfte und ordnete, ggf. die Übersetzungsreife erst herstellte und das in Auftrag gegebene Handbuch layoutete und so ein Gesamtprodukt herstellte, das über eine reine Übersetzung hinausging, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts.
Denn auch wenn diese Leistungen für die Kunden der Klägerin von großer Bedeutung waren, bestand ein ganz wesentlicher Teil ihrer Aufgaben in der Übersetzung der von den Kunden gelieferten Texte. Insofern konnte die Klägerin den Senat nicht davon überzeugen, dass ihre Tätigkeit eigentlich der eines technischen Redakteurs entsprach. Sicherlich spielten die technisch redaktionellen Leistungen der Klägerin für den Kunden eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Der Senat ist aber nicht davon überzeugt, dass dieser Teil den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin ausmachte, gegenüber dem die Übersetzungsarbeiten in den Hintergrund getreten wären. Dagegen sprechen insbesondere Abrechnungen mit den Kunden, in denen die Klägerin nur die Übersetzungsleistungen als solche fakturiert hat. Die technisch redaktionellen Tätigkeiten werden in den Rechnungen lediglich als Serviceleistungen aufgeführt, für die ein gesondertes Entgelt nicht in Rechnung gestellt wird.
Da die Klägerin in Bezug auf die Übersetzungsleistungen in nicht von ihren Gesellschaftern beherrschten Sprachen teilweise gewerblich tätig war, gilt ihre gesamte Betätigung nach der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb.
Wie der Bundesfinanzhof bereits mehrfach entschieden hat, führt diese Abfärbung nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen, denn der Eintritt der Abfärbewirkung kann durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine personenidentische zweite Gesellschaft vermieden werden. Die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist zudem sachlich gerechtfertigt. Das Steuerrecht folgt insoweit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, dass Personengesellschaften nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben können und dass diese insgesamt als kaufmännisch anzusehen ist, wenn diese Voraussetzungen auch nur partiell erfüllt sind. Nur bei einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Tätigkeit greift die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein (BFH, Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, BStBl II 2002, 221 ff., 224, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit im Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 festgestellt (BVerfGE 120, 1 ff.).
In der oben genannten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof eine gewerbliche Teilbetätigung, die lediglich 1,25 v.H. der Gesamtumsätze betrug und deren Einnahmen deutlich unter der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG lag, als unerheblich angesehen. Ein gewerblicher Anteil von mehr als 6% wurde vom Bundesfinanzhof schon als schädlich eingestuft (BFH-Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, a.a.O.; vom 10: August 1994 I R 133/93; BStBl II 1995, 171). Im Streitfall ist diese „Bagatellgrenze" angesichts der umfangreichen Fremdübersetzungen in nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprachen überschritten. Denn auch nach den Berechnungen der Klägerin machten diese 15 bis 26% des Gesamtumsatzes aus und lagen damit deutlich über der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze von 24.500 € in den Streitjahren.
Die Heranziehung der Klägerin zur Gewerbesteuer verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass zu dieser Steuer nur Gewerbetreibende herangezogen werden und nicht auch Freiberufler und sonstige selbstständige, die die Infrastruktur der Kommune in gleicher Weise oder sogar mehr beanspruchen wie beispielsweise die Klägerin.
Auch insoweit hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 (a.a.O.) die Verfassungsmäßigkeit bejaht.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war das Recht (und die Verpflichtung) des Beklagten, Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen im Streitfall auch nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des auch im Steuerschuldrechtsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben.
Dieser Grundsatz gebietet u.a. für Steuergläubiger und Steuerpflichtigen gleichermaßen, auf die Belange des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise in Widerspruch zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl II 1993, 174 m.w.N.). Dabei ist es anerkanntes Recht, dass das Finanzamt auch außerhalb einer verbindlichen Zusage (§§ 204 ff. AO) oder einer verbindlichen Auskunft nach Treu und Glauben an eine Zusicherung, eine zweifelhafte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne zu beurteilen, gebunden sein kann und hieraus verpflichtet ist, bei einer späteren Veranlagung der Zusicherung gemäß zu handeln (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1958 I 176/57 U, BStBl III 1959, 52; vom 15.12.1966 V 181/63, BStBl III 1967, 212; vom 13.01.1970 I R 122/67, BStBl II 1970 352).
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin reicht hierzu jedoch eine fehlerhafte Einkünftequalifizierung - auch über mehrere Jahre hinweg - nicht aus. Denn aus einer fortgesetzten fehlerhaften Rechtsanwendung lässt sich aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht schließen, dass die Finanzbehörde das Recht auch dann noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhaft anwenden und von einer möglichen Korrektur der Bescheide absehen will, wenn es die Fehlerhaftigkeit erkannt hat. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu einer ausdrücklichen oder konkludenten Zusicherung, der ein solcher Bindungswille immanent ist.
Auch der Umstand, dass die Klägerin im Vertrauen auf die bisherige Rechtsanwendung insoweit Dispositionen getroffen hat, als sie den „gewerbesteuerschädlichen" Teil ihrer Betätigung nicht auslagerte, führt nicht dazu, dass sich die Korrektur der Bescheide als treuwidrig erweist. Denn die Disposition des Steuerpflichtigen ist kein rechtfertigendes Kriterium, das Verhalten der Finanzbehörde wie eine Zusicherung zu behandeln. Die Disposition des Steuerpflichtigen stellt, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen, eine eigenständige Voraussetzung dar, ohne die sich der Steuerpflichtige auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen kann (vgl. zur Disposition des Steuerpflichtigen auch BFH-Urteil vom 23.05.1989 X R 17/85, BStBl II 1989, 879 m.w.N.).
Ein in diesem Sinne rechtsmissbräuchliches Verhalten ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen. Denn der Beklagte hat keinen über die fehlerhafte Einkünftequalifizierung hinausgehenden Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den die Klägerin ein Vertrauen in das Fortbestehen der fehlerhaften Besteuerung stützen könnte.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine im Widerspruch zum geltenden Recht stehende Bindung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstößt, weil die Bevorzugung eines Steuerpflichtigen für alle anderen Personen, die dem Gesetz entsprechend behandelt werden, eine Benachteiligung bedeutet (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1962 VI 215/61 U, BStBl 1963 III S. 86), und der Steuerpflichtige bei einer fehlerhaft zu niedrigen Besteuerung oft jahrelang wettbewerbsmäßig gegenüber anderen Unternehmern, die bei gleichen Verhältnissen dem Gesetz entsprechend zur Steuer herangezogen worden sind, im Vorteil war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.07.1964 V 92/61 S, BStBl III 1964, 634).
Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn im Streitfall der Veranlagungsbezirk und die Betriebsprüfungsstelle des Beklagten, wie die Klägerin dies vermutet, tatsächlich eine Außenprüfung mit dem Ziel „verschleppt" hätte, die Klägerin von einer Umstrukturierung ihres Betriebes abzuhalten, um auf diese Weise im Nachhinein Steuern festzusetzen, die die Klägerin bei einer Umstrukturierung zumindest teilweise hätte vermeiden können, kann dahinstehen. Denn dieser von der Klägerin vermutete Sachverhalt lässt sich nicht anhand ausreichender objektivierter Kriterien verifizieren und damit vom Gericht nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Kriterien, unter denen der Änderung eines Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht und die Kriterien, unter denen die Ausübung eines Katalogberufs i.S.d. § 18 EStG ausnahmsweise als Gewerbebetrieb anzusehen ist, in der Rechtsprechung geklärt sind, so dass im Streitfall ein Sachverhalt unter feststehende Rechtsätze zu subsumieren war.