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Steuerrecht
14.03.2019
Steuerrecht
Hessisches FG: Freies Ausschüttungswahlrecht der Investmentgesellschaft

Hessisches FG, Urteil vom 11.12.2018 – 4 K 867/18, Rev. eingelegt (Az. BFH VIII R 3/19)

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-679-1

unter www.betriebs-berater.de

leitsatz der RedaktioN

Die Investmentgesellschaft kann im Ausschüttungsbeschluss frei bestimmen, welche Bestandteile ihrer verfügbaren Mittel sie zur Ausschüttung verwendet.

InvStG § 12, § 15 Abs. 1, Abs. 3, § 43 Abs. 4 Nr. 6, § 44 Abs. 1 Nr. 4 a; KStG § 27,

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Spezialsondervermögen vertreten durch die … Einzige Anlegerin ist die … Am 28.12.2007 fasste die Kapitalanlagegesellschaft einen Ausschüttungsbeschluss für eine Ausschüttung am gleichen Tag über 10.094.524,73 €. Es wurden nur ordentliche Erträge ausgeschüttet, die sich ausweislich des Ausschüttungsbeschlusses wie folgt zusammensetzten: ausgeschüttete Zinsen und sonstige Erträge 8.887.201,36 €, ausschüttungsgleiche Erträge des Vorjahres 46.170,83 € sowie ausgeschüttete Dividenden aus Ziel-Investmentvermögen in Höhe von 1.161.152,54 €. Eine Substanzausschüttung, die auf einer Einlagenrückgewähr beruht, wurde laut Ausschüttungsbeschluss nicht vorgenommen. Entsprechend des Ausschüttungsbeschlusses wurde der Betrag der Ausschüttungen in der Feststellungserklärung für das Spezialsondermögen betreffend das Geschäftsjahr vom 01.12.2006 bis 30.11.2007 ausgewiesen und ausgeschüttete Erträge mit 8.890.959,49 € angegeben, in denen ein Betrag von 47.170,83 € für ausschüttungsgleiche Erträge enthalten waren. Die Einreichung der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen führte zur Feststellung der erklärten Erträge gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 Investmentsteuergesetz (lnvStG) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Im Rahmen einer im Anschluss durchgeführten Außenprüfung bei dem Sondervermögen wurde festgestellt, dass der Betrag der ausgeschütteten/ausschüttungsgleichen Erträge wesentlich geringer war als der Betrag der Ausschüttung. Ursache waren von Zielfonds ausgeschüttete gezahlte Zwischengewinne, welche investmentrechtlich dem außerordentlichen Bereich zugeordnet werden, investmentsteuerrechtlich jedoch in den Bereich der ordentlichen Erträge umzugliedern sind. Dies führte dazu, dass das investmentrechtlich zur Verfügung stehende Ausschüttungsvolumen an ordentlichen Erträgen um 1.375.708 € höher war als das nach Investmentsteuerrecht ermittelte Volumen. Die Klägerin sah den Differenzbetrag zwischen den investmentrechtlichen und den investmentsteuerrechtlichen ordentlichen Erträgen in der Feststellungserklärung als Substanzausschüttung an, der als negativer steuerlicher Ausgleichsposten beim Anleger nicht versteuert wurde.

Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am 06.09.2011 einen Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 15 Abs. 1 InvStG, in dem es die ausgeschütteten/ausschüttungsgleichen Erträge in Höhe von 10.266 .668 € feststellte. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, den das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 05.04.2012 zurückwies.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

….

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 15 Abs. 1 lnvStG vom 06.09.2011 für das Sondervermögen …. für das Geschäftsjahr vom 01.12.2006 bis 30.11.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.04.2012 abzuändern und einen Betrag der ausgeschütteten/ausschüttungsgleichen Erträge in Höhe von 8.890.959,45 € festzusetzen,

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

 

Der von der Feststellungserklärung der Klägerin abweichende Feststellungsbescheid des Finanzamts vom 6.9.2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 15 Abs. 1 Investmentsteuergesetz für das Spezialsondervermögen für das Geschäftsjahr vom 1.12.2006 bis 30.11.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat zulässigerweise entsprechend dem Ausschüttungsbeschluss vom 28.12.2007 neben dem Betrag für ausgeschüttete/ausschüttungsgleiche Erträge von 8.890.959,45 €, die Bewertungsdifferenz zwischen dem Betrag der handelsrechtlichen Ausschüttung und dem investmentsteuerrechtlichen Ertrag i.H. v. 1.329.440,45 € als nicht steuerbare Ausschüttung erklärt.

Die Investmentsgesellschaft ist bzgl. der Bestimmung der auszuschüttenden Bestandteile ihrer verfügbaren Mittel frei

§ 12 Investmentsteuergesetz regelt die Ausschüttung. Die Norm bestimmt, dass über die Verwendung der zur Ausschüttung stehenden Beträge zu beschließen und der Beschluss schriftlich zu dokumentieren ist sowie, dass der Beschluss Angaben zur Zusammensetzung der Ausschüttung zu enthalten hat. Eine Verwendungsreihenfolge der auszuschüttenden Beträge sieht das Investmentsteuergesetz nicht vor. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung, die eine Verwendungsreihenfolge vorgibt, steht es der Investmentgesellschaft daher bei der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses frei, welche Bestandteile ihrer verfügbaren Mittel sie an die Anleger ausgeschüttet.

§ 27 KStG beschränkt mangels Regelungslücke nicht die Wahlfreiheit

Eine Beschränkung der Wahlfreiheit ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden oder direkten Anwendung der körperschaftsteuerlichen Norm des § 27 KStG, die im Hinblick auf das steuerliche Eigenlagekonto im Körperschaftsteuerrecht die Verwendungsreihenfolge bei der Ausschüttung festlegt. Es fehlt insoweit im Investmentrecht eine entsprechende Regelungslücke, da das Investmentsteuergesetz eigene spezialgesetzliche Regelungen zur Ertragsermittlung für Investmentvermögen und deren Anleger enthält.

§§ 43 Abs. 4 Nr. 6 und § 44 Abs. 1 Nr. ra InvStG schränken die Ergebnisverwendung nicht ein

Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich eine vorrangige Ausschüttung von steuerpflichtigen Erträgen auch nicht aus der Systematik des Investmentgesetzes, insbesondere den Regelungen des § 43 Abs. 4 Nr. 6 und § 44 Abs. 1 Nr. 4 a Investmentgesetz. Diese Normen haben einen anderen Regelungsgehalt; sie dienen dazu, die Ausschüttungspolitik in den Vertragsbeziehungen zwischen Anleger und Kapitalanlagegesellschaft zu regeln, schränken jedoch nicht die Kapitalanlagegesellschaft in ihrer freien Ergebnisverwendung ein.

Da die dem Investmentvermögen zustehende Verwendungsabsicht hinsichtlich der Ausschüttungsbestandteile nur steuergesetzlich, nicht jedoch seitens der Finanzverwaltung im Erlasswege eingeschränkt werden kann (vergleiche Berger/Steck/Lübbehüsen, Kommentar zum Investmentgesetz/Investmentsteuergesetz, § 1 Investmentsteuergesetz Rn. 277 m.w.N.) sind die im Ausschüttungsbeschluss getroffenen Festlegungen maßgebend für die Anknüpfung der Besteuerung.

Die Dokumentationspflicht in § 12 S. I Investmentsteuergesetz dient dabei dazu, um die steuerrechtliche Qualifikation der Ausschüttungsbestandteile nachvollziehen zu können (Bundestagsdrucksache 15/1553, Seite 128) und deren Besteuerung sicherzustellen. Der Investmentgesellschaft steht es daher bei der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses frei, welche Bestandteile von vorhandenem Vermögen sie an die Anlegerin ausgeschüttet.

Die Bewertungsdifferenz ist vorliegend nicht steuerbar

Davon ausgehend ist vorliegend ein Betrag i.H.v. 1.375.708,55 € als Bewertungsdifferenz zwischen dem höheren investmentrechtlichen Ertrag und dem steuerbaren ausgeschütteten bzw. ausschüttungsgleichen Ertrag ausgeschüttet worden. Diese Bewertungsdifferenz ist nicht steuerbar, da kein ausgeschütteter Ertrag im Sinne von § 1 Abs. 3 S. 2 Investmentsteuergesetz und kein ausschüttungsgleicher Ertrag nach S. 3 der Norm vorliegt. Der ausgeschüttete Betrag stellt weder einen zur Ausschüttung verwendeten Kapitalertrag noch Ertrag aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten noch einen sonstigen Ertrag oder Gewinn aus Veräußerungsgeschäften dar.

Vom wirtschaftlichen Gehalt her ist die vorliegende Ausschüttung der vorhandenen Liquidität, die kraft Zuweisung des Fondsvermögens im Ausschüttungsbeschluss aus der Bewertungsdifferenz der Ertragsermittlungsbestimmungen herrührt, vergleichbar mit der Ausschüttung des sich aufgrund der steuerlichen Abschreibung ergebenden Liquiditätsüberhangs, für die das BMF-Schreiben vom 18.8.2009 in Textziffer 16b eine ausdrückliche Regelung trifft, die eine Ausschüttung immer für zulässig erachtet. Gleiches muss demzufolge auch vorliegend geltend.

Die angestrebte vorrangige Ertragsversteuerung ergibt sich nicht aus dem Transparenzprinzip

Die vom Beklagten durch die vorrangige Ertragsversteuerung angestrebte periodengerechte und besitzzeitgerechte Versteuerung der Erträge ist zwar nachvollziehbar und erscheint auch systemgerecht, ergibt sich vorliegend aber auch nicht aus dem im Investmentrecht geltenden Transparenzprinzip, das auf eine Gleichstellung des Fondsanlegers mit dem Direktanleger abzielt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt dieses Transparenzprinzip im Investmentrecht nicht generell, sondern der Umfang der Geltung dieses Prinzips wird durch die einzelnen Spezialregelungen bestimmt (BFH, Urteil vom 03. März 2010 – I R 109/08 -, BFHE 229, 351). Es liegt daher nur ein sog. eingeschränktes Transparenzprinzip vor, das nicht geeignet ist, als teleologisches Leitprinzip fehlende Besteuerungstatbestände zu ersetzen (vgl. Hellstem, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1992, 1995 f.). Da vorliegend eine gesetzlich normierte Verwendungsreihenfolge fehlt, knüpft die Besteuerung demgemäß an der vom Fondsvermögen im Ausschüttungsbeschluss bestimmten Verwendung an.

Der Klage war daher vorliegend stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Angesichts mehrerer noch anhängiger Rechtsbehelfsverfahren auf Verwaltungsebene zur gleichen Rechtsfrage erachtete es das Gericht als sachgerecht im Hinblick auf eine höchstrichterliche Klärung der Problematik wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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