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Steuerrecht
23.04.2015
Steuerrecht
FG Hamburg: Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG

FG Hamburg, Urteil vom 5.2.2015 – 3 K 201/14

Leitsatz

Das Finanzamt hat die Verlustfeststellung nicht pflichtwidrig gem. § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG unterlassen, wenn ihm Werbungskosten für ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung zwar aus der eingereichten Steuererklärung bekannt sind, es diese aber im Zeitpunkt der Veranlagung in Übereinstimmung mit der geltenden Verwaltungsauffassung lediglich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt.

Die Ausnahme des § 181 Abs. 5 AO i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG, wonach das pflichtgemäße Unterlassen einer Verlustfeststellung zu einer Verlängerung der Feststellungsfrist führt, hat nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens abzunehmen. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Änderungsvorschrift des § 173 AO, die (auch) nicht dazu dient, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der BFH-Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).

§ 10d Abs 4 S 6 Halbs 2 EStG, § 173 AO, § 181 Abs 5 AO

Sachverhalt

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, eine Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 durchzuführen.

I. Die Klägerin ist ausgebildete... Im Jahr 2003 begann sie ein ... Studium in A (...), das sie 2008 erfolgreich abschloss.

II. 1. Die Klägerin reichte am 28.07.2005 beim FA B elektronisch ihre Einkommensteuererklärung für 2004 ein.

Die übermittelte Erklärung enthält eingangs folgende Bezeichnung:

"Einkommensteuererklärung

Antrag auf Festsetzung der Arbeitnehmer-

Sparzulage

Erklärung zur Feststellung des verbleibenden

Verlustvortrags"

Die Klägerin erklärte einen Bruttoarbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 833,00 € und machte als Werbungskosten Fahrten zu ihrem 89 km entfernten Studienort in A für 220 Tage geltend sowie "Fortbildungskosten" in Höhe von 1.780,00 € und sonstige Werbungskosten in Höhe von 36,00 € (Rechtsbehelfsakte -RbA- Bl. 44 ff.).

2. Mit Einkommensteuerbescheid vom 02.11.2005 setzte das FA B die Einkommensteuer für 2004 auf 0,00 € fest (RbA Bl. 48 ff.). Das FA B ermittelte darin einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 0,00 €, indem es von dem erklärten Bruttoarbeitslohn den Arbeitnehmer-Pauschbetrag abzog. Bei den Sonderausgaben berücksichtigte das FA neben Steuerberatungskosten in Höhe von 20,00 € "Weiterbildungskosten" in Höhe von 4.000,00 €. Unter Abzug von beschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von 619,00 € ermittelte es ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von -4.639,00 €.

Der Bescheid enthält folgende Erläuterung:

"Die als Fortbildungskosten geltend gemachten Aufwendungen sind Ausbildungskosten. Sie wurden als Sonderausgaben in Höhe von 4.000 EUR berücksichtigt."

III. 1. Mit Antrag vom 16.09.2013 beantragte die Klägerin bei dem beklagten FA, zum 31.12.2004 einen Verlustvortrag in Höhe von 12.731,00 € (Einnahmen in Höhe von 833,00 € abzgl. Werbungskosten in Höhe von 13.564,00 €) gesondert festzustellen (RbA Bl. 1).

Im Einzelnen brachte die Klägerin dabei folgende Werbungskosten in Abzug: Fahrkosten in Höhe von 11.748,00 € (220 Tage x 2 x 89 km x 0,30 €), Literatur in Höhe von 200,00 €, Studiengebühren in Höhe von 1.580,00 €, Kontoführungskosten in Höhe von 16,00 € und Steuerberatungskosten in Höhe von 20,00 €.

Zur Begründung des Antrags führte sie aus, die Festsetzung sei erforderlich, da sie für die Einkommensteuerfestsetzung 2009 noch von Bedeutung sei (unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 15.05.2013, IX R 5/11). Der Finanzverwaltung sei bereits durch die Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2003 und 2004 bekannt gewesen, dass sie, die Klägerin, nach ihrer ersten Berufsausbildung ein Studium aufgenommen habe. Entsprechend seien die Studienkosten für 2003 als Werbungskosten abgesetzt und anerkannt worden. Für 2004 seien die Studienkosten durch das FA - abweichend von der Steuererklärung - nicht als Werbungskosten abgesetzt, sondern als Ausbildungskosten bei den Sonderausgaben berücksichtigt worden. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 habe sie, die Klägerin, keinen Einspruch einlegen können, da eine zutreffende Beurteilung des Sachverhaltes sich nicht auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hätte. Der ebenfalls mit der Steuererklärung 2004 beantragte Erlass eines Feststellungsbescheides zum Verlustabzug auf den 31.12.2004 sei nicht bearbeitet worden. Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Spätestens nach der Entscheidung des BFH vom 18.06.2009 (VI R 14/07) sei bekannt gewesen, dass Studienkosten für 2004 als Werbungskosten zu erfassen seien. Das FA sei daher verpflichtet gewesen, einen entsprechenden Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen.

2. Mit Bescheid vom 25.09.2013 lehnte das FA den Antrag der Klägerin auf Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 ab. Zur Begründung führte es aus, der Antrag hätte spätestens bis zum Eintritt der Feststellungsverjährung am 31.12.2011 gestellt werden müssen. Das Urteil des BFH vom 15.05.2013 (IX R 5/11) habe keine über den konkret entschiedenen Einzelfall hinausgehende Wirkung (RbA Bl. 19).

3. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 08.10.2013 Einspruch ein (RbA Bl. 20). Zur Begründung führte sie aus, in dem Urteil des FG Hamburg vom 18.02.2013 (6 K 43/11) werde darauf hingewiesen, dass nach § 181 Abs. 5 AO eine gesonderte (Verlust-)Feststellung auch nach Ablauf der für die geltenden Feststellungsfrist möglich sei, sofern es die Finanzverwaltung pflichtwidrig unterlassen habe, die begehrte Verlustfeststellung durchzuführen (RbA Bl.42). Dies sei vorliegend der Fall. Bereits mit der abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2004 habe sie, die Klägerin, die Feststellung des Verlustabzugs beantragt. Dies ergebe sich aus dem Elster-Ausdruck, der nur die ausdrücklich gestellten Anträge enthalte. Hätte sie die Verlustfeststellung nicht markiert, wäre der Zusatz "Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags" nicht auf dem Ausdruck erschienen. Dieser Verlustfeststellungsantrag sei weder im Rahmen der Veranlagung noch nach der Klärung der Rechtslage durch den BFH seitens des FA bearbeitet worden. Sie, die Klägerin, sei nicht verpflichtet gewesen, einen weiteren Antrag auf Verlustfeststellung zu stellen. Vielmehr sei die Finanzverwaltung gem. § 88 AO verpflichtet gewesen, die Feststellung von Amts wegen durchzuführen. Auch nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2004 hätte das FA durch einen EDV-Abgleich prüfen können, ob sich durch das genannte BFH-Urteil vom 18.06.2009 (VI R 14/07) Auswirkungen auf noch offene Feststellungsverfahren ergeben haben.

Dass sie, die Klägerin, gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 keinen Einspruch eingelegt habe, könne nicht in der Weise ausgelegt werden, dass sie gegen die vorgenommene Qualifizierung der Studienkosten als Sonderausgaben keine Einwände gehabt habe, vielmehr habe sie gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 02.11.2005 gar keinen Einspruch einlegen können, da sie aufgrund der Steuerfestsetzung auf 0,00 € durch die fehlerhafte Behandlung der Studienkosten nicht beschwert gewesen sei (RbA Bl. 56).

Fahrkosten seien - wie angegeben - an 220 Tagen entstanden. Das Studium in A sei in Quartestern organisiert. Es seien alle 8 Wochen Prüfungsklausuren geschrieben worden. In der unterrichtsfreien Zeit hätten sogenannte Sozialstunden an der Schule (z. B. Unterstützung anderer Studenten) geleistet werden müssen, seien Arbeitsgemeinschaften abgehalten worden, sei eine Unternehmung gegründet und seien Ausarbeitungen vorgenommen worden. Hierzu seien die Bücherei, die umfangreiche EDV Ausstattung und die Räumlichkeiten der Schule auch außerhalb der Vorlesungszeiten genutzt worden (RbA Bl. 42 f.).

4. a) Mit Einspruchsentscheidung vom 02.07.2014 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück (RbA Bl. 57 ff.). Zur Begründung führte es aus, das Urteil des BFH vom 15.05.2013 (IX R 5/11) sei auf den Streitfall nicht entsprechend anzuwenden, da es die Streitjahre 1995 - 1997 betreffe, für die die Rechtslage bis Ende 2006 maßgeblich sei, nach der die erstmalige Verlustfeststellung unabhängig vom Ablauf der Verlustantragsfrist oder Einkommensteuerfestsetzungsfrist so lange möglich gewesen sei, wie der Vortrag des Verlustes auf eine offene Einkommensteuerveranlagung möglich gewesen sei. Diese Rechtsprechung gelte für alle Fälle, in denen die Feststellungsfrist am Tag der Verkündung des Jahressteuergesetzes am 18.12.2006 bereits abgelaufen gewesen sei. Im Streitfall sei die Festsetzungs-/Feststellungsfrist zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht abgelaufen gewesen, so dass die ab Ende 2006 geltende Rechtslage anzuwenden sei. Danach müsse der Antrag auf Verlustfeststellung, der der Anlaufhemmung unterliege, innerhalb von 7 Jahren gestellt werden, vorliegend mithin bis zum 31.11.2011. Die Klägerin habe die Verlustfeststellung erstmalig jedoch nach Ablauf der Frist, nämlich am 16.09.2013, beantragt.

Es liege grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, die richtigen Anträge zu stellen. Eine Pflichtverletzung des FA B sei nicht zu erkennen. Die vom FA B vorgenommene rechtliche Einordnung der strittigen Aufwendungen als Sonderausgaben sei zum Zeitpunkt der Veranlagung korrekt gewesen; die Aufwendungen seien zu Recht als Sonderausgaben angesetzt worden. Es habe für die Finanzverwaltung daher gar kein Anlass bestanden, eine Verlustfeststellung vorzunehmen.

Schließlich habe die Klägerin auch keinen Einspruch gegen die steuerliche Behandlung der Studienaufwendungen als Sonderausgaben eingelegt. Daraus ergebe sich, dass auch sie, die Klägerin, seinerzeit nicht erwogen habe, die Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten anzusetzen.

b) Die Einspruchsentscheidung vom 02.07.2014 wurde laut Absendevermerk am Dienstag, 01.07.2014, zur Post aufgegeben (RbA Bl. 63), frankiert wurde der Briefumschlag aber erst am Mittwoch, 02.07.2014 (Finanzgerichtsakte -FGA- Bl. 31).

IV. Dagegen hat die Klägerin am Mittwoch, 06.08.2014, Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor (FGA Bl. 1 f.):

Ein verbleibender Verlustabzug sei gemäß § 10d Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz EStG, § 181 Abs. 5 AO für bereits festsetzungsverjährte Jahre festzustellen, wenn die zuständige Finanzbehörde Kenntnis von dem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte gehabt und die Feststellung des Verlustabzugs pflichtwidrig unterlassen habe. § 181 Abs. 5 AO bleibe anwendbar, wenn das FA keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen habe, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, etwa weil ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt gewesen seien. Im Streitfall sei dem FA aus den Steuererklärungen für 2003 und 2004 bekannt gewesen, dass sich wegen der Aufwendungen für ein Studium für 2004 und spätere Jahre Verluste ergeben hätten. Nach der Rechtsprechung des BFH in seinen Urteilen vom 25.05.2011 (IX R 36/10) und vom 08.04.2014 (IX R 32/13) stelle die Unterlassung der Auswertung dieser Kenntnis eine Pflichtverletzung dar. Im Übrigen sei die Finanzverwaltung durch § 88 AO gehalten, von Amts wegen die erforderlichen Festsetzungen vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

das Finanzamt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 25.09.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2014 zu verpflichten, den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2004 auf 12.731,00 € festzustellen;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, ein Verlustfeststellungsbescheid sei im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung mangels vortragsfähiger Werbungskosten nicht zu erstellen gewesen, da die geltend gemachten Fortbildungskosten nach damaliger Rechtslage zutreffend als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien (FGA Bl. 6). Ein pflichtwidriges Unterlassen liege mithin nicht vor.

V. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 30.09.2014 (FGA Bl. 26 ff.) wird Bezug genommen.

Dem Gericht hat Band I der Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.

Aus den Gründen

B. I. Die Klage ist zulässig.

Da sowohl die Einspruchsentscheidung auf den 02.07.2014 datiert und der Briefumschlag, mit dem die Einspruchsentscheidung an den Berater der Klägerin versandt wurde, den Poststempel vom 02.07.2014 trägt, geht das Gericht davon aus, dass die Einspruchsentscheidung entgegen dem Absendevermerk vom 01.07.2014 tatsächlich erst am 02.07.2014 zur Post gegeben wurde. Folglich wurde die Einspruchsentscheidung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 108 Abs. 3 AO am Montag, 07.07.2014, bekanntgegeben, da sich im Steuerrecht die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner Bekanntgabe bis zum folgenden Werktag verlängert, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (BFH-Beschlüsse vom 05.05.2014 III B 85/13 BFH/NV 2014, 1186; vom 23.01.2008 VII B 169/07, BFH/NV 2008, 728).

Damit hat die Klägerin am 06.08.2014 rechtzeitig binnen der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 und 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) Klage erhoben.

II. Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 durch das FA ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides auf den 31.12.2004 am 16.09.2013 war bereits Feststellungsverjährung eingetreten (1.). Eine Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 5 AO kommt wegen § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz Einkommensteuergesetz (EStG) nicht in Betracht (2.).

1. a) Da die Klägerin am 28.07.2005 ihre Einkommensteuererklärung für 2004, die gleichzeitig die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2004 war, beim FA eingereicht hatte (oben A.II.1.), begann die Feststellungsfrist für die Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2005 und endete mit Ablauf des 31.12.2009.

Die Feststellungsfrist ist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 181 Abs. 1 AO gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da das FA keinen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2004 erlassen hat.

b) Eine Ablaufhemmung der Feststellungsfrist gemäß § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO ist vorliegend nicht durch die Abgabe der Verlustfeststellungserklärung am 28.07.2005 eingetreten.

Nach § 171 Abs. 3 i. V. m. § 181 Abs. 1 AO läuft in den Fällen, in denen vor dem Ablauf der Feststellungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Feststellungsantrag gestellt wird, die Feststellungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden ist. Die Vorschrift erfasst alle - ausdrücklich oder konkludent - vorgetragenen Begehren/Bitten (an die Finanzbehörde) auf ein entsprechendes Verwaltungshandeln; die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung ist jedoch nach einhelliger Auffassung kein Antrag i. S. von § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 28.08.2014 V R 8/14, BFH/NV 2014, 1926; vom 15.05.2013 IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143; vom 10.07.2008 IX R 90/07, BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816).

c) Der Antrag der Klägerin auf Verlustfeststellung vom 16.09.2013 ist damit erst nach Eintritt der Feststellungsverjährung gestellt worden.

2. Eine Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 5 AO kommt nicht in Betracht. Diese Norm ist im Streitfall wegen § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG nicht anwendbar.

a) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist ein zum Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibender Verlustabzug auch nach Ablauf der für seine gesonderte Feststellung geltenden Feststellungsfrist gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 AO ist nach § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG jedoch nur anzuwenden, wenn das zuständige FA die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat, obwohl ihm diese möglich gewesen wäre, etwa weil ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt waren (BFH-Urteile vom 08.04.2014 IX R 32/13, BFH/NV 2014, 1206; vom 25.05.2011 IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807; zum Normzweck BT-Drucks 16/2712, S. 44, Ettlich, Der Betrieb 2009, 18, 24; Heuermann, DStR 2011, 1489, 1491).

Da § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 i. d. F. des JStG 2007 für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007 am 19.12.2006 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen anwendbar ist, gilt die Vorschrift auch im Streitfall.

b) Im Streitfall hat das FA die Feststellung des Verlustvortrags auf den 31.12.2004 zwar unterlassen (aa)), dabei aber nicht pflichtwidrig gehandelt (bb)).

aa) Zwar hatte die Klägerin im Elster-Formular gleichzeitig mit der Einkommensteuererklärung 2004 die Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 beantragt und ließen sich der eingereichten Einkommensteuererklärung bereits die Art und die Höhe der geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt 13.564,00 € entnehmen, die bei erklärungsgemäßer Veranlagung zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte geführt hätten und damit Grundlage der beantragten Verlustfeststellung hätten sein können/müssen.

bb) Gleichwohl hat das FA B die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags weder im Zeitpunkt der Veranlagung (aaa)) noch nach Ergehen der Rechtsprechung zu dem zum 01.01.2004 eingeführten § 12 Nr. 5 EStG (bbb)) pflichtwidrig unterlassen.

In der Rechtsprechung wurde bislang - soweit ersichtlich - in keinem Fall ein pflichtwidriges Unterlassen bejaht. Der BFH hat in seinen o. g. Urteilen vom 08.04.2014 (IX R 32/13, BFH/NV 2014, 1206) und 25.05.2011 (IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807) das Vorliegen eines pflichtwidrigen Unterlassens konkret verneint und ausgeführt, dieses sei anzunehmen, wenn das FA keine Verlustfeststellung durchführe, obwohl ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt seien. Die Finanzverwaltung nimmt das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit z. B. in dem Fall an, in dem das FA bei einer Erklärung, die eine negative Summe der Einkünfte (Verlust) ausweist, einen Einkommensteuerbescheid erlässt, der eine Einkommensteuer von 0 Euro festsetzt, den Verlust nur teilweise in die vorangegangenen Veranlagungszeiträume zurückträgt und eine Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags unterlässt (vgl. BMF-Schreiben vom 30.11.2007 IV C 4-S 2225/07/0004, 2007/0493552).

aaa) Der Streitfall unterscheidet sich von diesen Fällen jedoch insoweit wesentlich, als dass vorliegend das FA B bei der Veranlagung der Einkommensteuererklärung 2004 im Jahr 2005 entsprechend der damaligen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten abgelehnt hat.

(1) In der Rechtsprechung des BFH wurde bis 2002 zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt absetzbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf unterschieden. Fortbildungskosten waren danach nur Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigte, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sowie Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger machte, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, also ohne Übergang zu einem anderen Beruf, besser vorwärtskommen kann (vgl. BFH-Urteile vom 19.06.1997 IV R 4/97 BFHE 184, 283, BStBl II 1998, 239; vom 19.04.1996 VI R 19/95, BFH/NV 1996, 879).

Berufsausbildungskosten wurden dagegen angenommen, wenn die Aufwendungen dazu dienten, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig waren oder welche die Grundlage dafür bilden sollten, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen zu wechseln. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein Erststudium an einer Hochschule (Universität oder Fachhochschule) ordnete die Rechtsprechung auf dieser Grundlage den Berufsausbildungskosten und damit den Sonderausgaben zu (BFH-Urteile vom 17.04.1996 VI R 94/94, BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450; vom 28.09.1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94; vom 16.03.1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723).

(2) Mit seinem Urteil vom 04.12.2002 (VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403) begann der BFH, seine Rechtsprechung zu ändern. Nunmehr konnten die Aufwendungen für eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Umschulungsmaßnahme unabhängig davon Werbungskosten sein, ob die Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schaffte oder einen Berufswechsel vorbereitete. Diese Rechtsprechung führte der BFH dahingehend fort, dass Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium, sofern beruflich veranlasst, als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Dabei gab der BFH auch ausdrücklich die Auffassung auf, dass Ausgaben für ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule stets der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und deshalb nur als Sonderausgaben begrenzt abziehbar seien (BFH-Urteil vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407).

(3) Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechung mit der Neufassung von § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG im Rahmen des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze (AOÄndG) vom 21.07.2004. Mit dem AOÄndG ließ der Gesetzgeber Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung im neu gefassten § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bis zur Höhe von 4.000 € im Kalenderjahr zum Sonderausgabenabzug zu und ergänzte gleichzeitig § 12 EStG durch eine neue Nr. 5, wonach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium als nichtabzugsfähige Ausgaben zu bewerten sind, es sei denn, diese Maßnahmen finden im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Diese Regelung trat rückwirkend zum 01.01.2004 in Kraft. Am 04.11.2005 wurde dazu ein BMF-Schreiben veröffentlicht, das in Tz. 2.2.1. u. a. bestimmt, dass ein erstmaliges Studium i. S. d. § 12 Nr. 5 EStG dann vorliegt, wenn ihm kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium vorangegangen ist (2005-11-04 IV C 8-S 2227-5/05, BStBl In 2005, 955).

Streitfälle zur Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Berufsausbildung unter der Geltung des § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. des AOÄndG entschied der BFH erstmals mit Urteilen vom 18.06.2009 (VI R 14/07 BFHE 225, 393, BStBl II 2010, 816; VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797; VI R 79/06 (juris); VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796 und VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799).

Der BFH urteilte, dass auch unter der Geltung des neu geschaffenen § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. des AOÄndG das Veranlassungsprinzip grundsätzlich unverändert fortgelte, so dass Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium demgemäß Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein könnten und dem § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F. ebenso wenig wie das Abzugsverbot in § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. des AOÄndG entgegenstehe. § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. des AOÄndG hindere die Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein sog. Erststudium zumindest dann nicht, wenn eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen sei.

(4) Danach bestand im Zeitpunkt der Veranlagung der Einkommensteuererklärung 2004 durch das FA B in 2005 nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Abzugsverbot für die Aufwendungen für ein Erststudium als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben. Dementsprechend hat das FA B der Klägerin - aus damaliger Sicht - pflichtgemäß nur den Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 € gewährt. Eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten verbunden mit einer entsprechenden Verlustfeststellung entsprach im Zeitpunkt der Veranlagung nicht der Verwaltungsauffassung zur damals geltenden Rechtslage.

bbb) Das FA war auch nicht gehalten, bei Änderung der Rechtsprechung in 2009 alle noch nicht festsetzungsverjährten Fälle darauf zu überprüfen, ob eine abweichende Qualifizierung von geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten eine Verlustfeststellung ermöglichte.

(1) Die Ausnahme des § 181 Abs. 5 AO i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG, wonach das pflichtgemäße Unterlassen einer Verlustfeststellung zu einer Verlängerung der Feststellungsfrist führt, hat nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens abzunehmen. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Änderungsvorschrift des § 173 AO, die nach der Rechtsprechung des BFH (auch) nicht dazu dienen soll, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der BFH-Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).

§ 181 Abs. 5 AO begründet auch keine umfassende "Überwachungspflicht" des FA bzgl. sämtlicher Angaben in einer Steuererklärung im Hinblick darauf, ob durch eine spätere Änderung der BFH-Rechtsprechung eine abweichende Rechtslage eintritt.

Insoweit lag es vielmehr im Verantwortungsbereich der Klägerin, die entsprechenden Anträge zu stellen. Zwar konnte die Klägerin mangels Beschwer den Einkommensteuerbescheid 2004 nicht anfechten. Sie hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, im Hinblick auf den nicht beschiedenen Antrag auf Verlustfeststellung einen Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO einzulegen, um dadurch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO zu erreichen.

(2) Im Übrigen kann die Klägerin aus der Rechtsprechungsänderung des BFH aus den Jahren ab 2009 für das Streitjahr 2004 auch kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten (vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2013 VIII R 22/12, BFHE 243, 486, BStBl II 2014, 165).

III.

1. Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 FGO nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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