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Steuerrecht
17.07.2025
Steuerrecht
EuG: EuG: Verbrauchsteueranspruch – Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr – Energieerzeugnisse – Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs – fiktive Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf gefälschten Rechnungen

EuG, Urteil vom 9.7.2025 – T-534/24; MK gegen Ministarstvo financija Republike Hrvatske, Samostalni sektor za drugostupanjski upravni postupak

ECLI:EU:T:2025:682

Volltext BB-Online BBL2025-1685-2

Tenor

Art. 7 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch die nationalen Behörden entgegensteht, die die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs auf Basis einer fiktiven Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf gefälschten Rechnungen vorsehen. 

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 7 und 8 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MK, einer natürlichen Person, und dem Ministarstvo financija Republike Hrvatske, Samostalni sektor za drugostupanjski upravni postupak (Finanzministerium der Republik Kroatien, Selbständige Abteilung für Verwaltungsverfahren zweiter Instanz) über die Beitreibung der von MK geschuldeten Verbrauchsteuern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Die Richtlinie 2008/118 wurde mit Wirkung vom 13. Februar 2023 durch die Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (ABl. 2020, L 58, S. 4), die sie ersetzt hat, aufgehoben. In Anbetracht des Zeitpunkts des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalts ist dieses Vorabentscheidungsersuchen jedoch im Licht der Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 zu prüfen.

4          Im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 hieß es:

„Da es nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind, muss auf Gemeinschaftsebene klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.“

5          Art. 7 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„(1)       Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

(2)        Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt

a)         die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b)         der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde;

c)         die Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Herstellung, außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

d)         die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Einfuhr, es sei denn, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren werden unmittelbar bei ihrer Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt.

…“

6          Art. 8 der Richtlinie 2008/118 lautet:

„(1)       Steuerschuldner eines entstandenen Verbrauchsteueranspruchs ist:

a)         im Zusammenhang mit der Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a:

i)          der zugelassene Lagerinhaber, der registrierte Empfänger oder jede andere Person, die die verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnimmt oder in deren Namen die Waren aus diesem Verfahren entnommen werden, und – im Falle der unrechtmäßigen Entnahme aus dem Steuerlager – jede Person, die an dieser Entnahme beteiligt war;

ii)         im Falle einer Unregelmäßigkeit bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung nach Artikel 10 Absätze 1, 2 und 4 der zugelassene Lagerinhaber, der registrierte Versender oder jede andere Person, die die Sicherheit nach Artikel 18 Absätze 1 und 2 geleistet hat, und jede Person, die an der unrechtmäßigen Entnahme beteiligt war und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Entnahme unrechtmäßig war;

b)         im Zusammenhang mit dem Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b: jede Person, die im Besitz der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist, oder jede andere am Besitz dieser Waren beteiligte Person;

c)         im Zusammenhang mit der Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c: jede Person, die die verbrauchsteuerpflichtigen Waren herstellt, und – im Falle der unrechtmäßigen Herstellung – jede andere an der Herstellung dieser Waren beteiligte Person;

d)         im Zusammenhang mit der Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe d: die Person, die die verbrauchsteuerpflichtigen Waren anmeldet oder in deren Namen diese Waren bei der Einfuhr angemeldet werden, und – im Falle der unrechtmäßigen Einfuhr – jede andere an der Einfuhr beteiligte Person.

(2)        Gibt es für eine Verbrauchsteuerschuld mehrere Steuerschuldner, so sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Steuerschuld verpflichtet.“

Kroatisches Recht

7          Art. 7 („Berechnung der Verbrauchsteuern“) des Zakon o trošarinama (Verbrauchsteuergesetz) vom 21. November 2018 (Narodne novine, Nr. 106/18) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:

„(1)       Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt der Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr im Hoheitsgebiet der Republik Kroatien, sofern dieses Gesetz nichts anderes vorschreibt …“

8          In Art. 12 („Berechnung und Zahlung der Verbrauchsteuer bei rechtswidrigem Verhalten“) des Verbrauchsteuergesetzes heißt es:

„(1)       Der Verbrauchsteueranspruch entsteht auch, wenn Folgendes festgestellt wird:

1.         eine rechtswidrige Vorgehensweise mit Steuerobjekten,

2.         dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren rechtswidrig in den steuerrechtlich freien Verkehr im Hoheitsgebiet der Republik Kroatien überführt wurden …

(2)        Im Sinne dieses Gesetzes gelten als rechtswidrige Vorgehensweise die Herstellung, die Verarbeitung, die Lagerung, der Empfang, der Versand, die Einfuhr, die Verbringung, die Beförderung, die Verwendung, der Verkauf, der Kauf oder der Besitz von Steuerobjekten, für die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verbrauchsteuer nicht berechnet oder entrichtet wurde oder nicht zur Gänze berechnet und entrichtet wurde, sowie jeder andere Rechtsmissbrauch bei der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte. Als rechtswidrige Vorgehensweise gilt auch jedes Verhalten, das nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ausdrücklich als rechtswidrig gilt. Eine rechtswidrige Vorgehensweise mit Steuerobjekten wird dann angenommen, wenn die Person, die mit den Steuerobjekten vorgeht, die Ordnungsmäßigkeit des Erwerbs, des Besitzes und jeglicher sonstigen tatsächlichen oder rechtlichen Verfügung nicht nachweisen kann und sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass mit den Steuerobjekten rechtswidrig vorgegangen wurde.

(3)        Der Verbrauchsteueranspruch gemäß diesem Artikel wird mit Bescheid festgestellt.

…“

9          Art. 124 des Verbrauchsteuergesetzes schreibt vor:

„(1)       Als Rechtsmissbrauch bei der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte gilt jede Handlung von Personen, die in irgendeiner Weise direkt oder indirekt an der Beförderung von Steuerobjekten oder an der Verfügung über Steuerobjekte beteiligt sind, die auf Folgendes gerichtet ist:

1.         die Verschleierung der wahren Absicht, des wahren Ziels oder der wahren Grundlage der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte,

2.         die Vermeidung der Zahlung von Verbrauchsteuern oder anderen öffentlichen Abgaben, einschließlich der Schaffung von Bedingungen für die Vermeidung der Entrichtung von Verbrauchsteuern oder anderen öffentlichen Abgaben.

(2)        Es wird angenommen, dass Personen, die in irgendeiner Weise direkt oder indirekt an der Beförderung von Steuerobjekten oder an der Verfügung über Steuerobjekte beteiligt sind, das Recht bei der Beförderung von Steuerobjekten oder bei der Verfügung über sie missbrauchen, wenn:

1.         sie fiktive Rechtsgeschäfte oder Scheinrechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte abschließen oder sich in irgendeiner Eigenschaft am Abschluss oder an der Durchführung solcher Rechtsgeschäfte beteiligen,

2.         sie fiktive Lieferungen, Eingänge, Beförderungen von Steuerobjekten oder Verfügungen über Steuerobjekte organisieren oder sich direkt oder indirekt daran beteiligen,

3.         sie das EDV-gestützte Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren missbrauchen, um fiktive Beförderungen oder Verfügungen anzuzeigen,

4.         sie sich direkt oder indirekt an der Fälschung von Geschäfts‑, Transport- oder anderen Unterlagen im Zusammenhang mit der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte oder an der Verwendung solcher gefälschten Unterlagen beteiligen,

5.         sie die Daten anderer natürlicher oder juristischer Personen unbefugt oder eigenmächtig zum Zwecke der Vornahme von Handlungen oder zum Zwecke der Schaffung von Voraussetzungen für die Vornahme von Handlungen, die Vorgehensweise mit Steuerobjekten, die Beförderung von Steuerobjekten oder die Verfügung über Steuerobjekte zu verwenden,

6.         sie durch Vertrauensmissbrauch, durch betrügerische, falsche oder irreführende Handlungen mit Steuerobjekten Handlungen vornehmen, mit Steuerobjekten vorgehen, sie befördern oder über sie verfügen oder Bedingungen für solche Handlungen, Vorgehensweisen, Beförderungen oder Verfügungen schaffen.

(3)        Als Verfügung über Steuerobjekte im Sinne dieses Artikels gilt jede tatsächliche oder rechtliche Verfügung, einschließlich der ausschließlichen Durchführung von Finanztransaktionen oder Handlungen, die die Ausstellung, Bestätigung oder Authentifizierung irgendeines Buchhaltungs- oder Rechnungswesensdokuments, den Abschluss eines Vertrags oder die Beteiligung an Vertragsbeziehungen oder die Ausstellung, Bestätigung oder Authentifizierung von Transport- oder anderen Dokumenten in der Eigenschaft als Käufer, Verkäufer, Vermittler, Beförderer, Empfänger oder Versender von Steuerobjekten, umfassen.“

10        Art. 125 des Verbrauchsteuergesetzes schreibt vor:

„(1)       Ist die Grundlage für die Feststellung des Verbrauchsteueranspruchs ein Rechtsmissbrauch bei der Beförderung von Steuerobjekten oder der Verfügung über Steuerobjekte und wird in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines fiktiven Rechtsgeschäfts oder Scheinrechtsgeschäfts oder einer fiktiven Lieferung oder eines fiktiven Empfangs, einer fiktiven Beförderung von Steuerobjekten oder einer fiktiven Verfügung über Steuerobjekte festgestellt, dann ist die Grundlage für die Ermittlung der Verbrauchsteuer das fiktive Rechtsgeschäft oder das Scheinrechtsgeschäft bzw. die fiktive Lieferung, der fiktive Empfang, die fiktive Beförderung von Steuerobjekten oder die fiktive Verfügung über Steuerobjekte. Wer direkt oder indirekt am Rechtsmissbrauch beim Abschluss oder der Durchführung eines fiktiven Rechtsgeschäfts oder eines Scheinrechtsgeschäfts oder einer fiktiven Lieferung, eines fiktiven Empfangs, einer fiktiven Beförderung von Steuerobjekten oder einer fiktiven Verfügung über Steuerobjekte beteiligt ist, haftet als Gesamtschuldner für die Entrichtung der daraus resultierenden Verbrauchsteuer.

(2)        Wer aufgrund objektiver Umstände wusste oder hätte wissen müssen, dass er durch sein Handeln oder die Unterlassung der erforderlichen Handlungen an einem Rechtsmissbrauch bei der Beförderung von Steuerobjekten oder bei der Verfügung über Steuerobjekte beteiligt ist, haftet als Gesamtschuldner für die Entrichtung der daraus resultierenden Verbrauchsteuer.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

11        MK ist Eigentümer eines gewerblichen Unternehmens kroatischen Rechts, das die Tätigkeit des Holzeinschlags ausübt und Hilfsdienstleistungen in der Forstwirtschaft erbringt.

12        Am 1. Juli 2019 erließ die Porezna uprava, Područni Ured Virovitica (Steuerverwaltung, Finanzamt Virovitica, Kroatien) im Anschluss an eine Steuerprüfung des Unternehmens von MK einen Steuerbescheid, mit dem MK zur Nachzahlung von Mehrwertsteuer in Höhe von 135 603,57 Kuna (HRK) (ca. 18 000 Euro) zuzüglich Verzugszinsen aufgefordert wurde. Die Steuerverwaltung stellte nämlich fest, dass MK im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2017 Mehrwertsteuer auf der Grundlage von Rechnungen für Lieferungen von Erdölerzeugnissen, die sich als gefälscht herausgestellt hatten, als Vorsteuer abgezogen hatte. Es wurde insbesondere festgestellt, dass in Wirklichkeit keine Lieferung von Erdölerzeugnissen vorgelegen hatte. Daher wurde MK das Recht auf Vorsteuerabzug versagt.

13        Darüber hinaus führten die Beamten der Zollverwaltung im Verwaltungsverfahren, das dem Ausgangsrechtsstreit vorausgegangen war, eine Prüfung über die Entrichtung der von MK geschuldeten Verbrauchsteuer gemäß den Bestimmungen des Verbrauchsteuergesetzes durch. So wurde festgestellt, dass im geprüften Zeitraum 36 im Jahr 2016 ausgestellte Rechnungen und 119 im Jahr 2017 ausgestellte Rechnungen für den Kauf von „Eurodiesel“-Kraftstoff, die MK vorgelegt hatte, gefälschte Rechnungen waren und dass die betreffenden Lieferungen nicht stattgefunden hatten. In diesem Zusammenhang vertraten die Zollbehörden die Auffassung, dass MK einen Rechtsmissbrauch bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, nämlich Erdölerzeugnissen, in einer Menge von 63 435,23 Litern im Sinne von Art. 124 Abs. 2 des Verbrauchsteuergesetzes begangen habe. Daher setzte die Zollverwaltung mit Steuerbescheid vom 22. Oktober 2019 die von MK für den Zeitraum vom 10. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2017 geschuldeten Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse auf 226 837,09 HRK (ca. 30 125 Euro) fest.

14        Das Finanzministerium der Republik Kroatien, Selbständige Abteilung für Verwaltungsverfahren zweiter Instanz wies mit Bescheid vom 31. März 2022 den Einspruch von MK gegen den Steuerbescheid vom 22. Oktober 2019 zurück. MK erhob daraufhin gegen den Bescheid des Finanzministeriums Klage beim vorlegenden Gericht, dem Upravni sud u Osijeku (Verwaltungsgericht Osijek, Kroatien).

15        Zunächst weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass MK vom Općinski sud u Virovitici (Gemeindegericht Virovitica, Kroatien) mit Urteil vom 19. März 2019 strafrechtlich zu einer bedingten Freiheitsstrafe und auf eine zivilrechtliche Nebenklage zur Zahlung eines Betrags in Höhe seiner Steuerschuld wegen Urkundenfälschung und Abgaben- oder Zollhinterziehung verurteilt wurde.

16        Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass die Zollverwaltung am 21. April 2021 unabhängig von der Erhebung von Verbrauchsteuern gegen MK gemäß den Bestimmungen des Verbrauchsteuergesetzes und wegen der begangenen Verwaltungsübertretung, nämlich des Rechtsmissbrauchs bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, eine Geldbuße in Höhe von 45 000 HRK (ca. 6 000 Euro) verhängt habe.

17        Sodann erläutert das vorlegende Gericht, dass diese Bestimmungen des Verbrauchsteuergesetzes, wie sie von den nationalen Gerichten und Verwaltungsbehörden ausgelegt werden, einen Verbrauchsteueranspruch auf Energieerzeugnisse ungeachtet der allgemeinen Regelungen zur Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs und insbesondere unabhängig von der Existenz von Beförderungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren begründen.

18        Schließlich weist das Gericht, nachdem es betont hat, dass nach den Angaben von MK die fraglichen Erdölerzeugnisse nie existiert hätten, darauf hin, dass es sich bei den Verbrauchsteuern um eine Steuer handle, die auf den Verbrauch eines einzelnen Gutes anfalle. Es äußert somit Zweifel an der Unionsrechtskonformität von nationalen Rechtsvorschriften in der Auslegung der nationalen Behörden, mit denen Verbrauchsteueransprüche in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden begründet werden, in der es zweifellos keine Beförderungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren gegeben hat und in der gefälschte Rechnungen ausgestellt wurden, um rechtswidrig das Recht auf Vorsteuerabzug geltend zu machen.

19        Unter diesen Umständen hat das Upravni sud u Osijeku (Verwaltungsgericht Osijek) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Richtlinie 2008/118, insbesondere ihre Art. 7 und 8, so auszulegen, dass sie im Widerspruch zu der nationalen Praxis (und Gesetzgebung) stehen, die die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs auf Energieerzeugnisse für den Fall vorsieht, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht in den freien Verkehr überführt wurden, sondern der Verbrauchsteueranspruch für Waren festgestellt wurde, die in gefälschten Rechnungen über den Kauf von Energieerzeugnissen aufgeführt werden, die, gerade weil sie gefälscht sind, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, da es sich um fiktive Lieferungen von Energieerzeugnissen handelt, was auch in einem Strafverfahren rechtskräftig festgestellt wurde?

Zur Vorlagefrage

20        Zunächst ist festzustellen, dass sich die Frage des vorlegenden Gerichts so, wie sie formuliert ist, auf die Auslegung sowohl von Art. 7 der Richtlinie 2008/118 als auch von Art. 8 dieser Richtlinie bezieht, wobei die letztgenannte Vorschrift die Bestimmung des „Steuerschuldners eines entstandenen Verbrauchssteueranspruchs“ betrifft. Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch nicht hervor, dass das vorlegende Gericht das Gericht zur Frage der Bestimmung des Steuerschuldners eines entstandenen Verbrauchsteueranspruchs befragen möchte. Um die dem Gericht gestellte Frage sachdienlich zu beantworten, ist daher nur Art. 7 der Richtlinie 2008/118 auszulegen.

21        Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner einzigen Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 7 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch die nationalen Behörden entgegensteht, die die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs auf Basis einer fiktiven Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf gefälschten Rechnungen vorsehen.

22        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 „der Verbrauchsteueranspruch … zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr [entsteht]“. Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie definiert die „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“ anhand von vier Fallgestaltungen.

23        Zudem geht aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 hervor, dass es für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, dass der Begriff der „Entstehung des Verbrauchsteueranspruches“ und die Voraussetzungen dafür in allen Mitgliedstaaten gleich sind.

24        Zu diesem Zweck legt Art. 7 der Richtlinie 2008/118 auf Unionsebene den Zeitpunkt der Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr fest. Wie der Gerichtshof entschieden hat, ermöglicht es diese Harmonisierung grundsätzlich, im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten Doppelbesteuerungen zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2024, Girelli Alcool, C‑509/22, EU:C:2024:341, Rn. 41; vgl. entsprechend auch Urteil vom 24. Februar 2021, Silcompa, C‑95/19, EU:C:2021:128, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25        Zudem muss der Ausdruck „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“, der den Zeitpunkt der Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs bestimmt, in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑590/16, EU:C:2018:77, Rn. 45).

26        Wie das vorlegende Gericht ausführt, steht der Ausgangsrechtsstreit im Zusammenhang mit fiktiven Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf gefälschten Rechnungen. Auf der Grundlage der Angaben des vorlegenden Gerichts ist davon auszugehen, dass die Verbrauchsteuern im Ausgangsrechtsstreit nicht aufgrund einer Entnahme von Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung, wegen des Besitzes von Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wegen einer Herstellung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung oder wegen einer Einfuhr, also den oben in Rn. 22 erwähnten, in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen Fallgestaltungen, erhoben wurden. Sie wurden auch nicht wegen unrechtmäßiger Entnahme, Herstellung oder Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die unter die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen Fälle der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr fallen, erhoben.

27        Wie sich nämlich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt, wurden im Ausgangsrechtsstreit die Verbrauchsteuern wegen eines Rechtsmissbrauchs im Sinne von Art. 124 des Verbrauchsteuergesetzes erhoben, hier der Erfassung wirtschaftlicher Ereignisse in der Buchführung auf der Grundlage gefälschter Rechnungen, obwohl die verbrauchsteuerpflichtigen Energieerzeugnisse weder in den Verkehr gebracht noch geliefert wurden.

28        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, wie oben in Rn. 22 erwähnt, die Fälle der „Überführung“ einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware „in den steuerrechtlich freien Verkehr“ festlegt. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, dass diese Fälle abschließend aufgezählt werden. Abgesehen von diesen Fällen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein solches Erzeugnis in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden ist. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der oben in den Rn. 24 und 25 erwähnten Notwendigkeit, den Begriff „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“ in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen.

29        Es ist jedoch festzustellen, dass der oben in Rn. 27 genannte Fall keinem der in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 genannten Fälle entspricht und nicht als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.

30        Im Übrigen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften u. a. durch den Schutz der steuerlichen Interessen der Republik Kroatien gerechtfertigt seien, um den Missbrauch bestimmter Verbrauchsteuerregelungen und die Begehung erheblicher Steuerhinterziehungen zu verhindern.

31        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse daran haben, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer finanziellen Interessen zu ergreifen, und dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein mit der Richtlinie 2008/118 verfolgtes Ziel ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal, C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 59).

32        Gleichwohl darf die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten zum Erlass solcher Maßnahmen, wie sie oben in Rn. 31 erwähnt werden, nicht unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/118, insbesondere deren Art. 7 Abs. 1 und 2, ausgeübt werden, da anderenfalls das vom Unionsgesetzgeber verfolgte und insbesondere im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie dargelegte Harmonisierungsziel beeinträchtigt würde (Urteil vom 21. Dezember 2023, CDIL, C‑96/22, EU:C:2023:1025, Rn. 68).

33        In diesem Zusammenhang macht die kroatische Regierung geltend, dass die Bestimmungen der Art. 124 und 125 des Verbrauchsteuergesetzes bezweckten, die Verwendung illegal erlangter Energieerzeugnisse zu verhindern. Was dieses Vorbringen betrifft, genügt der Hinweis, dass, wie sich dies bereits aus den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils ergibt, die Besteuerung, auf die sich die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage bezieht, keine illegal erlangten Energieerzeugnisse betraf.

34        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch die nationalen Behörden entgegensteht, die die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs auf Basis einer fiktiven Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf gefälschten Rechnungen vorsehen.

Kosten

35        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

 

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