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Steuerrecht
31.03.2015
Steuerrecht
BFH: Entschädigung zum Neuwert als steuerbare Einnahme

BFH, Urteil vom 2.12.2014 – IX R 1/14

Amtliche Leitsätze

1. Brennt das vermietete Gebäude ab und nimmt der Vermieter deshalb eine AfaA in Anspruch, so führen Leistungen einer Gebäudefeuerversicherung aufgrund desselben Schadensereignisses bei ihm bis zum Betrag der AfaA zu einer Einnahme aus Vermietung und Verpachtung, soweit ihm die Zahlungen steuerlich zurechenbar sind. Das gilt unabhängig davon, ob die Versicherung zum Zeitwert oder zum gleitenden Neuwert entschädigt.

2. Entschädigungszahlungen einer Gebäudefeuerversicherung sind im Grundsatz demjenigen steuerlich zuzurechnen, der sie nach dem Versicherungsvertrag beanspruchen kann.

Sachverhalt

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr im Juli 2007 verstorbener Ehemann werden im Streitjahr (2007) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Der Ehemann war ursprünglich Alleineigentümer eines mit einem Lebensmittelmarkt und einem Getränkemarkt bebauten Grundstücks, welches er vermietete. Im Jahr 2003 übertrug der Ehemann der Klägerin und den gemeinsamen vier Kindern im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich ideelle Miteigentumsanteile von zusammen 60 % an dem Grundstück und behielt sich den Nießbrauch daran vor. Zugunsten der Klägerin ist in derselben Urkunde ein entsprechender Nießbrauch bestellt für den Fall, dass der Ehemann vor der Klägerin verstirbt.

Im Dezember 2006 brannte der Lebensmittelmarkt ab. Das Gebäude wurde vollständig zerstört. In Höhe des restlichen Buchwerts des Gebäudes von 343.412 EUR nahm der Ehemann als Miteigentümer und Vorbehaltsnießbraucher in seiner Einkommensteuererklärung für 2006 eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) in Anspruch, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) anerkannte.

Für das Gebäude des Lebensmittelmarkts hatte der Ehemann eine Feuerversicherung zum gleitenden Neuwert abgeschlossen. Das Gebäude wurde noch im Jahr 2007 neu errichtet. Die Versicherung leistete im Jahr 2007 Zahlungen in Höhe der Herstellungskosten für das neue Gebäude (1.227.312,34 EUR) und darüber hinaus für die Instandsetzung des Getränkemarkts (17.382,55 EUR), für Aufräumkosten (43.812,92 EUR) und Mietausfall (168.795,90 EUR). Bis Mitte Juli 2007 hatte die Versicherung Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 600.000 EUR erbracht. Darin waren die Entschädigung für den Getränkemarkt und die Aufräumkosten enthalten. Der Ehemann ist beerbt worden von der Klägerin und seinen vier Kindern. Danach waren die Klägerin zu 36 % und die vier Kinder zu je 16 % Miteigentümer des Grundstücks.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 behandelte die Klägerin die Versicherungsleistungen nur in Höhe der Entschädigung für den Mietausfall als Einnahme. Das FA setzte darüber hinaus einen Teilbetrag der Versicherungsleistungen in Höhe von 343.412 EUR (entsprechend der 2006 vom Ehemann in Anspruch genommenen AfaA) als steuerpflichtige Einnahme an, die es dem Ehemann zurechnete (richtiggestellt in der Einspruchsentscheidung). Die Versicherung habe insoweit Werbungskosten (AfaA) ersetzt.

Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2007 blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. November 2010). Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 440). Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 18. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2010 dahin abzuändern, dass bei den Einkünften des Ehemanns aus Vermietung und Verpachtung Versicherungsleistungen in Höhe von 343.412 EUR nicht als Einnahme angesetzt werden,

hilfsweise,

die Einnahme nur in Höhe des Miteigentumsanteils des Ehemanns von 40 % (entspricht 137.364,80 EUR) anzusetzen,

hilfsweise,

das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

9          II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10        1. Entschädigungszahlungen einer Feuerversicherung bei einem im Privatvermögen gehaltenen, vermieteten Grundstück gehören grundsätzlich nicht zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, denn sie werden nicht für die Nutzungsüberlassung geleistet, sondern betreffen im Regelfall die nicht steuerbare Vermögensebene. Sie mindern auch nicht die Herstellungskosten für den Wiederaufbau des durch Brand zerstörten Gebäudes (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BFHE 170, 113, BStBl II 1994, 12). Davon sind die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgegangen.

11        2. Ausnahmsweise sind jedoch Einnahmen anzunehmen, soweit die Leistung der Versicherung den Zweck hat, Werbungskosten zu ersetzen. Davon geht der BFH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung aus. Er hat dies u.a. ausdrücklich bejaht für Leistungen mit dem Zweck, den in Form von AfaA berücksichtigten Wertverlust auszugleichen (BFH-Beschluss vom 4. September 1990 IX B 10/90, BFH/NV 1991, 164; BFH-Urteile vom 1. Dezember 1992 IX R 189/85, BFHE 170, 111, BStBl II 1994, 11, und in BFHE 170, 113, BStBl II 1994, 12; zustimmend Grube, Deutsche Steuer-Zeitung 2000, 469, 470). Solche Zahlungen sind im Jahr des Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind (BFH-Urteil vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748).

12        a) Im Ergebnis zu Recht hat das FG angenommen, dass die Versicherungsleistungen als Einnahmen zu erfassen sind, soweit sie den in Form von AfaA als Werbungskosten berücksichtigten Wertverlust ausgleichen sollen.

13        aa) Das FG hat sich dafür auf den Versicherungsvertrag gestützt. Dem kann indes nicht gefolgt werden. Die Frage, ob die Versicherungsleistung (zumindest auch) den Ersatz von Werbungskosten bezweckt, kann nicht nach Versicherungsrecht bestimmt werden, weil dieser Zweck jedenfalls für eine Gebäudefeuerversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (im Streitfall: AFB 87, Stand 1. Dezember 1994) unerheblich ist. Die Feuerversicherung bezweckt als Sachversicherung den Ausgleich von Schäden an der versicherten Sache nach Maßgabe des versicherten Interesses (Versicherungswert, §§ 74, 88, 93 des Versicherungsvertragsgesetzes --VVG--). Ob und bei wem dieser Schaden ganz oder zum Teil zum Abzug von Werbungskosten geführt hat, ist weder für das Entstehen von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag noch für deren Höhe von Bedeutung. Unerheblich ist deshalb auch, welche Schlüsse die Revision aus dem Versicherungsvertragsrecht zieht.

14        bb) Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Die Vermögensmehrung muss durch eine der Einkunftsarten veranlasst sein. Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören nicht nur die für die Überlassung eines Gegenstandes gezahlten Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 69/98, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197; vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02, BFHE 208, 546, BStBl II 2005, 468). Maßgeblich ist danach, ob die empfangene Zahlung bei wertender Beurteilung des die Vorteilszuwendung auslösenden Moments als der vermietenden Tätigkeit zugehörig anzusehen ist. Davon ist allerdings nicht nur dann auszugehen, wenn der maßgebliche Bestimmungsgrund ausschließlich der Erwerbssphäre zuzurechnen ist; ausreichend ist vielmehr eine Mitveranlassung in dem Sinne, dass das auslösende Moment des erhaltenen Vorteils nach der an den Umständen des Einzelfalls auszurichtenden Wertung in signifikantem Ausmaß zumindest auch der Erwerbssphäre zuzuordnen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 546, BStBl II 2005, 468).

15        cc) Nach diesen Maßstäben sind Leistungen einer Gebäudefeuerversicherung insoweit durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst (Erwerbssphäre), als sie bei wertender Betrachtung des die Zahlung auslösenden Moments (Sachschaden durch Brand; vgl. § 1 Nr. 1 AFB 2008; früher § 1 Nr. 1 AFB 87) zumindest auch den Schaden ausgleichen sollen, der als AfaA steuerlich wirksam geworden ist. Das ist unabhängig davon der Fall, ob die Versicherung zum Zeitwert oder zum gleitenden Neuwert entschädigt. Der durch den Brand entstandene und als AfaA steuerlich berücksichtigte Aufwand wird bei wirtschaftlicher Betrachtung durch die Leistungen der Versicherung neutralisiert. Dies rechtfertigt es, die Zahlungen bei der Person als Einnahme zu erfassen, bei der sich der Aufwand (zuvor) steuerlich ausgewirkt hat.

16        b) Rechtsfehlerhaft hat das FG allerdings die Zahlungen der Versicherung in voller Höhe der Klägerin oder ihrem verstorbenen Ehemann zugerechnet und mit Rücksicht auf die Zusammenveranlagung offengelassen, wem deshalb eine Einnahme in Höhe der vom Ehemann der Klägerin in Anspruch genommenen AfaA zuzurechnen sei.

17        aa) Hinsichtlich der persönlichen Zurechnung der Zahlungen hat das FG ausgeführt, sämtliche Zahlungen seien entweder dem Ehemann der Klägerin als Miteigentümer und Vorbehaltsnießbraucher oder nach dessen Tod der Klägerin als Miteigentümerin und Rechtsnachfolgerin im Nießbrauch zuzurechnen. Das FG hat dabei übersehen, dass der Vorbehaltsnießbrauch des Ehemannes mit dessen Tod erloschen ist (§ 1061 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--); eine Rechtsnachfolge im Nießbrauch findet nicht statt. Der vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Nießbrauch der Klägerin ist erst mit dem Tod des Ehemannes entstanden und kein Vorbehaltsnießbrauch, weil die Klägerin nicht Alleineigentümerin war. Ihr wären die Zahlungen der Versicherung mit dieser Begründung auch dann nicht zuzurechnen, wenn sich der Vorbehaltsnießbraucher die Leistungen der Versicherung zurechnen lassen müsste (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1993 IX R 103/90, BFH/NV 1994, 539). Auf dieser fehlerhaften Erwägung beruht das Urteil; es kann deshalb keinen Bestand haben.

18        bb) Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Zwar sind dem Ehemann der Klägerin bis zu dessen Tod Abschlagszahlungen der Versicherung zugeflossen, die in Summe den Betrag der AfaA übersteigen. Diese Zahlungen könnten aber nur dann zur Zurechnung einer Einnahme in Höhe der AfaA beim Ehemann der Klägerin führen, wenn sie ihm in voller Höhe als Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen wären, was zwischen den Beteiligten (auch in tatsächlicher Hinsicht) streitig ist, und wenn sie vorrangig den Zweck gehabt hätten, den steuerlich relevanten Schaden auszugleichen. Letzteres ist indes nicht der Fall. Das FG hat auch keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die Versicherungsleistungen dem Vorbehaltsnießbraucher zugerechnet werden könnten.

19        c) Da die Revision bereits aus materiellen Gründen Erfolg hat, bedarf es nicht mehr der Prüfung, ob auch die geltend gemachten Verfahrensrügen durchgreifen.

20        3. Die Sache ist nicht spruchreif. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG kann der Senat nicht selbst entscheiden, in welcher Höhe beim verstorbenen Ehemann der Klägerin wegen der Versicherungsleistungen im Streitjahr eine Einnahme anzusetzen ist.

21        4. Für die weitere Bearbeitung des Falles weist der Senat auf Folgendes hin.

22        a) Der Anspruch auf die Versicherungsleistung steht im Zweifel dem Versicherungsnehmer zu (§ 43 Abs. 3 VVG). Das FG wird im zweiten Rechtsgang zunächst prüfen und entscheiden müssen, ob der Ehemann der Klägerin den Versicherungsvertrag auf eigene Rechnung oder für einen anderen (z.B. als Nießbraucher für den Eigentümer entsprechend § 1045 BGB) abgeschlossen hatte. Für die steuerliche Zurechnung der Zahlungen kommt es in erster Linie darauf an, wer den Anspruch gegen die Versicherung hatte (§ 39 Abs. 1 AO). Vom Ausgang dieser Prüfung hängt es ab, ob dem Ehemann der Klägerin die bis zu seinem Tod von der Versicherung erbrachten Teilzahlungen als Versicherungsnehmer in voller Höhe oder als Miteigentümer nur im Umfang seines Miteigentumsanteils zuzurechnen sind. Nur wenn das FG eine Zurechnung zum Eigentümer für zutreffend hält, stellt sich die weitere Frage, ob die Zahlungen ausnahmsweise abweichend von der zivilrechtlichen Rechtslage (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) dem Vorbehaltsnießbraucher zugerechnet werden können. Insofern wird es auch auf die Gründe ankommen, die dafür leitend waren, diesem die weitere Inanspruchnahme der Absetzung für Abnutzung und AfaA zuzubilligen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380; vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627; vom 2. Oktober 1984 IX R 50/81, BFH/NV 1985, 24).

23        b) Gelangt das FG zu der Überzeugung, dass die Teilzahlungen der Versicherung in voller Höhe bis zu dessen Tod dem Ehemann der Klägerin zuzurechnen waren (600.000 EUR abzüglich der darin enthaltenen Zahlungen für die Instandsetzung des Getränkemarkts von 17.382,55 EUR und für Aufräumkosten von 43.812,92 EUR), wird es (vorbehaltlich neuer Feststellungen zum Zweck der einzelnen Teilzahlungen der Versicherung) beim Ehemann der Klägerin eine Einnahme für den Ausgleich der AfaA gleichwohl nur im Verhältnis der gesamten Entschädigung für den durch Brand verursachten Sachschaden zu den dem Ehemann anteilig zuzurechnenden Entschädigungszahlungen ansetzen. Entsprechendes gilt, wenn das FG zu dem Ergebnis kommt, dass die Zahlungen der Versicherung dem Ehemann der Klägerin nur im Umfang seines Miteigentumsanteils zuzurechnen sind.

24        c) Ob und in welchem Umfang die Versicherungsleistungen der Klägerin (als Eigentümerin oder Nießbraucherin) zuzurechnen sind, bedarf keiner Entscheidung, denn die Klägerin hat die AfaA nicht selbst in Anspruch genommen. Die den Ausgleich des Schadens bezweckenden Leistungen der Versicherung führen deshalb bei ihr nicht zu einer Einnahme. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin und ihr Ehemann im Streitjahr noch zusammenveranlagt werden. Die Ermittlung der Einkünfte und ihre persönliche Zurechnung geht der Zusammenveranlagung voraus; die Zusammenveranlagung hat nicht die Wirkung, dass der Klägerin die von ihrem Ehemann in Anspruch genommene AfaA als eigene zugerechnet wird, auch wenn sie sich bei ihr aufgrund der Zusammenveranlagung steuerlich ausgewirkt hat.

25        5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

 

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