BFH: Einkünfteerzielungsabsicht bei jahrelangen Gebäudeleerstand
BFH, Urteil vom 25.6.2009 - IX R 54/08
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 23.7.2008 - 2 K 2541/05
Leitsätze
1. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige --will er seine fortbestehende Vermietungsabsicht belegen-- zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen.
2. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten oder --sollte er bei seinen bisherigen, vergeblichen Vermietungsbemühungen mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt haben-- für deren Aufgabe.
EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Sachverhalt
I. Die Beteiligten streiten um die Vermietungsabsicht in Bezug auf seit ca. 30 Jahren leerstehende Wohneinheiten.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Vorbehaltsnießbraucherin eines Wohn- und Geschäftsgrundstücks, auf dem im Jahr 1976 ein dreigeschossiges Gebäude errichtet wurde. Im Erdgeschoss, Keller und ersten Obergeschoss sind ein Ladengeschäft, Lager- und Personalräume seit Fertigstellung des Gebäudes gewerblich vermietet. Mehrere Wohnungen stehen seit dem Jahr 1976 leer, ebenso einige Räume in den oberen Geschossen, die im Jahr 1988 für gewerbliche Vermietungen umgebaut wurden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte die auf die leer stehenden Räumlichkeiten entfallenden Aufwendungen mangels einer ernsthaften Vermietungsabsicht bei der Veranlagung des Streitjahres (2003) nicht als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung an.
Die Klage blieb erfolglos. Auch das Finanzgericht (FG) verneinte die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin. Zwar habe sie einen Makler beauftragt. Interessenten aus den Jahren 1989 und 1993 hätten die Lage der Räume in den Obergeschossen ohne Aufzug im Anwesen als ungeeignet abgelehnt. Dies hätte die Klägerin zum Anlass nehmen müssen, das Vermietungsobjekt an die Erfordernisse des Markts anzupassen. Anderenfalls sei ihre Entscheidung, nichts Weiteres zu tun, ihrem privaten Vermögensbereich zuzuordnen. Sofern ein Wirtschaftsgut aus diesen Gründen nicht mehr zur Erzielung von Einkünften tauglich sei, seien die hierauf entfallenden Aufwendungen nicht mehr auf Einkünfteerzielung ausgerichtet.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sie auf die Verletzung der §§ 9 und 21 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) stützt. Sinngemäß trägt sie vor, es sei von einem strukturell bedingten Leerstand auszugehen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 11. Juli 2005 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2005 zu ändern und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts in ... weitere Werbungskosten von 3 690 € zu berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach Auffassung des FA liege jedenfalls im Streitjahr kein strukturell bedingter Leerstand vor. Es stützt sich zur Begründung auf Aufstellungen des statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz.
Aus den Gründen
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die im Zusammenhang mit den seit Jahren leer stehenden Räumen angefallenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen und das heißt, durch sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477).
Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat. Dieser endgültige Entschluss zu vermieten --die Einkünfteerzielungsabsicht-- muss sich anhand ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen belegen lassen, wobei es sich dabei um Beweisanzeichen handelt, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt (grundlegend zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 1/07, BFHE 223, 186). Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten oder --sollte er bei seinen bisherigen, vergeblichen Vermietungsbemühungen mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt haben-- für deren Aufgabe.
2. Nach diesen Maßstäben konnte das FG zu dem Ergebnis gelangen, die Vermietungsbemühungen der Klägerin hätten nicht ausgereicht, um von ihrem unbedingten und endgültigen Entschluss auszugehen, die Räume im Obergeschoss zu vermieten. Zutreffend hat das FG allein den Maklerauftrag zur gewerblichen Vermietung nicht als ausreichend beurteilt. Es fanden sich in den Jahren 1989 und 1993 nur zwei Interessenten. Von daher hätte es nahe gelegen, den Kreis der möglichen Mieter auch auf Privatinteressenten zu erweitern. Überdies zeigte sich nach den Feststellungen des FG, dass für die Räumlichkeiten --so wie sie waren-- ein Markt nicht bestand und sie ohne weitere bauliche Maßnahmen (z.B. Einbau eines Aufzugs) nicht vermietbar waren. Weil es die Klägerin unterließ, hierauf etwa durch bauliches Umgestalten zu reagieren, sie einen Leerstand der Räume vielmehr weiterhin jahrelang hinnahm, konnte das FG daraus den Schluss ziehen, sie habe einen (vorhandenen) Vermietungsentschluss wieder aufgegeben. Die weiteren, mit den leer stehenden Räumen zusammenhängenden Aufwendungen sind dann der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen.
Der Senat muss nicht entscheiden, ob --und ggf. wie lange-- die Vermietungsabsicht auch dann fortbestehen kann, wenn das zu vermietende Objekt aufgrund eines strukturellen Überangebots von Immobilienobjekten wegen ungünstiger örtlicher Entwicklungen nicht (mehr) vermietbar ist. Denn das FG hat derartige Umstände nicht festgestellt. Überdies sprechen die vom FA im Revisionsverfahren vorgetragenen offenkundigen Tatsachen über die örtliche wirtschaftliche Entwicklung (vgl. § 291 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO) ersichtlich gegen einen von der Klägerin im Streitjahr nicht zu vertretenden Leerstand.