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Steuerrecht
19.02.2009
Steuerrecht
: Einbezug des Krankengelds in den Progressionsvorbehalt

BFH, Urteil vom 26.11.2008 - X R 53/06

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 9.10.2006 - 11 K 5157/04 E (EFG 2007, 418)

LEITSATZ

Die Einbeziehung des Krankengeldes, das ein freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherter Steuerpflichtiger erhält, in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist verfassungsgemäß.

EStG § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; GG Art. 3

SACHVERHALT

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 2002 mit ihrem am 7. Dezember 2002 verstorbenen Ehemann (E) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin war als selbständiger Schornsteinfeger tätig. Als Selbständiger hatte er sich bei der Innungskrankenkasse (IKK) freiwillig krankenversichert. Anspruch auf Krankengeld bestand bei ihm ab Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Hierfür entrichtete er einen Beitragssatz von 15,8 % aufgrund von § 22 Abs. 4 i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 4 der IKK-Satzung; sein Beitrag überstieg damit den allgemeinen Beitragssatz um einen Prozentpunkt.

In der Zeit vom 6. März 2002 bis zum 7. Dezember 2002 bezog E Krankengeldleistungen von der IKK in Höhe von 24 570 €. Nach Mitteilung der IKK vom 20. Juli 2006 beruhten diese Leistungen auf § 47 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V, im Folgenden jeweils in der im Streitjahr geltenden Fasssung). Die Höhe belief sich, da E kein Arbeitnehmer war, auf 70 % des sog. Regelentgeltes, das begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze 78,75 € je Krankheitstag betrug.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterwarf die Krankengeldleistungen nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr gültigen Fassung dem Progressionsvorbehalt. Die Einkommensteuer für 2002 wurde auf 9 455 € festgesetzt.

Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass nur die gegenüber einem Arbeitnehmer, nicht jedoch die gegenüber einem Selbständigen erbrachten Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Das ihrem verstorbenen Ehemann gezahlte Krankengeld stelle keine Sozialleistung im Sinne der Reichsversicherungsordnung dar. Der Anspruch bestehe vielmehr aufgrund eigener Beiträge. Die IKK sei in diesem Fall eine Privatkasse unter dem Dach der gesetzlichen Sozialversicherung.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück und verwies darauf, dass § 32b EStG den Progressionsvorbehalt nicht nur auf Pflichtversicherte erstrecke, sondern auf alle Steuerpflichtigen, die Krankengeld auf der Grundlage des SGB V bezogen hätten. Damit sei auch das an freiwillig gesetzlich Versicherte gezahlte Krankengeld in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Aufgrund der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. September 1996 VI B 86/95 (BFH/NV 1997, 22) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. Mai 1995 1 BvR 1176/88 (BStBl II 1995, 758) sei geklärt, dass die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf Krankengeldleistungen an freiwillig versicherte Selbständige verfassungsrechtlich unbedenklich sei.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 418 veröffentlichten Urteil ab.

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, entscheidend sei, dass der Krankengeldanspruch ihres Ehemannes durch eigene Leistung aufgrund einer zusätzlichen freiwilligen Versicherungsvereinbarung entstanden sei. Es sei die persönliche freiwillige Entscheidung ihres Ehemannes gewesen, sich zu versichern, ebenso wie er als selbständig Gewerbetreibender die Wahl gehabt habe, einer privaten Versicherung beizutreten. Diese Wahlmöglichkeit sei auch der entscheidende Unterschied zwischen einem Arbeitnehmer, zu dessen Schutz Vorschriften im Sozialgesetzbuch (SGB) normiert seien, und einem Gewerbetreibenden, für den die Vorschriften des SGB keine Gültigkeit hätten.

Die Versicherungsbeiträge seien nicht dadurch umzuqualifzieren, dass der gezahlte Betrag, insbesondere der erhöhte Betrag zur Erlangung des Versicherungsschutzes ab der 3. Woche, nicht von der Krankenkasse getrennt verwaltet und ohne Rücksicht auf Alter und Gesundheit kalkuliert werde sowie dem Risikostrukturausgleich unterliege.

Die von dem Ehemann erbrachten Beitragsleistungen stünden in keinem Zusammenhang mit seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb als Schornsteinfeger oder anderen Einkünften i.S. des § 2 EStG. Dies zeige auch das Urteil des BFH vom 26. Mai 1998 VI R 9/96 (BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581), in dessen Entscheidungsgründen ausgeführt werde, dass "soweit Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis auf eigene --nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende-- Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht werden, ... regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor(liegt), wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird". Dieses Urteil sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 i.V.m. § 47 SGB V sei in ihrem Fall zweifelhaft. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Gestaltung der Satzung der Krankenkasse. Danach sei hier eine zusätzliche Versicherungsmöglichkeit durch die gesetzliche Krankenkasse für die freiwillig Versicherten künstlich geschaffen worden, die grundsätzlich nicht Adressaten des Schutzzwecks des SGB seien. Die gesetzliche Krankenkasse habe nur für den Bereich der Arbeitnehmer die Schutzvorschriften des SGB zu beachten. Daher sei für Leistungen, die nicht durch das SGB geschützt seien, keine andere rechtliche Bewertung möglich als für Leistungen aus Versicherungen, die bei einer anderen privaten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen worden seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 9. Oktober 2006 den Bescheid für 2002 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20. Oktober 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2004 dahingehend zu ändern, dass bei der Steuerfestsetzung die im Jahr 2002 dem verstorbenen Ehemann zugeflossenen Krankengeldzahlungen nicht in die Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b EStG einbezogen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es ist der Ansicht, die Einbeziehung der an sich steuerfreien Sozialleistungen in den Progressionsvorbehalt begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG unterscheide bei dem in den Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Krankengeld nicht danach, ob es sich um einen Anspruch aufgrund einer freiwilligen Versicherung handele oder ob der Bezieher pflichtversichert sei. Es sei auch unmaßgeblich, dass der Anspruch auf Krankengeld ohne, nur teilweise oder gänzlich aufgrund eigener Beitragsleistung erworben worden sei. Gesetzliche Voraussetzung sei lediglich, dass der Leistungsbezug auf der Grundlage des Fünften, Sechsten oder Siebten Buches Sozialgesetzbuch erfolge. Dies sei hier der Fall, da die IKK als gesetzliche Krankenkasse in ihrer Satzung ausdrücklich an die Regelungen des SGB V anknüpfe und sich explizit darauf berufe. Soweit die Klägerin auf die um einen Prozentpunkt erhöhten Beitragsleistungen hinweise, sei zu berücksichtigen, dass diese nur erhoben würden, damit das freiwillig versicherte Mitglied nicht erst ab Beginn der 7. Woche, dem Ende der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung, sondern bereits ab dem Beginn der 3. Woche Anspruch auf den entsprechenden Leistungsbezug habe. Auch die Erweiterung des Leistungsbezuges beruhe --worauf das FG zu Recht hingewiesen habe-- auf § 242 SGB V und sei unter § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zu subsumieren. Zudem könnten die erhöhten Zahlungen --wenn überhaupt-- die Annahme eines "privaten" Versicherungsverhältnisses nur in Bezug auf die Krankengeldzahlungen für die 3. bis 6. Woche der Arbeitsunfähigkeit begründen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2002 ist rechtmäßig. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das vom Ehemann der Klägerin im Streitjahr 2002 gemäß § 44 Abs. 1 SGB V bezogene Krankengeld in Höhe von 24 570 € gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegt (unten 1.). Die Einbeziehung des Krankengeldes der gesetzlichen Rentenversicherung in die Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b EStG verletzt die Klägerin nicht in dem Grundrecht aus Art. 3 des Grundgesetzes --GG-- (unten 2.).

1. Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in dem Veranlagungszeitraum Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte erhalten, sind diese Bezüge dem Progressionsvorbehalt unterworfen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Diese Voraussetzungen treffen auf den Leistungsbezug des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu, mit dem sie im Streitjahr zusammen veranlagt wurde und der als freiwillig Versicherter Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 47 SGB V erhalten hatte.

a) Die von der Klägerin vertretene Auffassung, § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG erfasse nicht das Krankengeld, das auf einem freiwillig abgeschlossen Krankenversicherungsvertrag beruhe, findet keine Stütze im Gesetz. Der Wortlaut dieser Vorschrift enthält keine grammatikalische Einschränkung des nach dem SGB V gewährten Krankengeldes dahingehend, dass der Krankengeldberechtigte pflichtversichert sein muss. Eine entsprechende Einschränkung ergibt sich auch nicht aus den in der weiteren Aufzählung der Ersatzleistungen genannten "vergleichbaren Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch".

Für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG lediglich auf das Krankengeld, das von einem Pflichtversicherten bezogen wird, besteht keine Notwendigkeit. Dies wird durch die Gesetzesbegründung der Vorschrift im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) bestätigt. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich ausgeführt, durch die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf "Lohn- und Einkommensersatzleistungen" solle erreicht werden, dass die progressive Besteuerung nach dem Jahresprinzip nicht unangemessen ermäßigt werde, wenn der Steuerpflichtige anstelle von der Besteuerung unterliegenden Einnahmen steuerfreie Ersatzleistungen erhalte. Während zunächst die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf bestimmte Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz und dem Soldatenversorgungsgesetz beschränkt gewesen sei, sollten nunmehr aus Gründen der Gleichbehandlung die zusätzlich und abschließend genannten Leistungen ebenfalls in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden. Der Gleichmäßigkeit der Besteuerung werde insoweit Vorrang vor der damit verbundenen Verwaltungserschwernis eingeräumt (BTDrucks 11/2157, 149).

Damit werden nicht nur Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt einbezogen, sondern auch sonstige enumerativ aufgezählten "Einkommensersatzleistungen", zu denen auch das von dem Ehemann der Klägerin bezogene Krankengeld zählt (so auch BFH-Urteil vom 30. August 1995 I R 113/94, BFHE 178, 369, BStBl II 1996, 96; Probst in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 32b EStG Rz 8; Frotscher, EStG, 6. Aufl., § 32b Rz 14).

b) Die Zahlungen des Krankengeldes an den verstorbenen Ehemann der Klägerin beruhen auf den Vorschriften des SGB V, obwohl er als selbständiger Schornsteinfeger bei der IKK nicht pflichtversichert sondern freiwillig versichert war und erhöhte Beiträge für eine Krankengeldgewährung bereits ab Beginn der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage der Satzung der IKK entrichtet hatte. Für die Annahme einer privaten Krankenversicherung "unter dem Dach der Sozialversicherung" fehlen gesetzliche Anhaltspunkte.

Das SGB V hat sowohl die Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft als auch deren Rechtsfolgen, nämlich den Leistungsbezug auf der einen und die Beitragspflicht auf der anderen Seite umfassend geregelt.

aa) Mit dem freiwilligen Beitritt zur IKK hat der Ehemann der Klägerin die Möglichkeit wahrgenommen, gemäß § 9 SGB V Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung zu werden. Das SGB V hat in § 188 den Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft normiert, genauso wie durch § 191 die Regelungen für das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft geschaffen wurden.

bb) In Bezug auf das den Versicherten zur Verfügung gestellte Leistungsspektrum (§ 2 in Verbindung mit den Vorschriften des Dritten Kapitels --§§ 11 ff.-- SGB V) differenziert das SGB V nicht zwischen den verschiedenen Arten von Versicherten. Der medizinische Standard gilt für Freiwillig- und Pflichtversicherte gleichermaßen (siehe Plagemann, in: Schlegel/Voelzke, SGB V, § 2 Rz 24).

cc) Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V, dessen Abs. 1 darauf verweist, dass sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Für Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht für mindestens 6 Wochen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes haben, ist nach § 242 SGB V der allgemeine Beitragssatz entsprechend zu erhöhen, während aufgrund von § 243 Abs. 1 SGB V dann, wenn kein Anspruch auf Krankengeld besteht oder aufgrund von Vorschriften des SGB V der Umfang der Leistungen für bestimmte Mitgliedergruppen beschränkt wird, der Beitragssatz entsprechend zu ermäßigen ist. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht zwar gemäß § 46 SGB V am Tag der Krankenhausbehandlung bzw. am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Dieser Anspruch kann aber für freiwillig Versicherte nach § 44 Abs. 2 SGB V ausgeschlossen werden oder später entstehen, wenn die Satzung der gesetzlichen Krankenkasse entsprechende Regelungen enthält.

Solche Regelungen hat die IKK in ihrer Satzung erlassen. Nach § 22 Abs. 2 der IKK-Satzung werden die Leistungen durch den Wegfall des Krankengeldes beschränkt, während dessen Abs. 4 freiwilligen Mitgliedern, die selbständig tätig sind, die Möglichkeit einräumt, entweder vom Beginn der 3. Woche oder vom Beginn der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit an mit Anspruch auf Krankengeld versichert zu werden. Die Höhe der Beiträge variiert dementsprechend zwischen 12,9 % der beitragspflichtigen Einnahmen für eine Krankenversicherung ohne Krankengeldanspruch, 14,8 % für einen Krankengeldanspruch ab Beginn der 7. Woche bzw. 15,8 %, wenn --wie im vorliegenden Fall-- ein Anspruch auf Krankengeld bereits ab Beginn der 3. Woche besteht. Wenn die konkrete Regelung für den Krankengeldbezug auch in der Satzung der IKK zu finden ist, so beruht die Zahlung dennoch --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin-- auf den oben genannten gesetzlichen Vorschriften des SGB V, da die IKK als öffentlich-rechtliche Körperschaft im Rahmen ihrer Satzungsautonomie gemäß § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB V den verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt zu beachten hat, was bedeutet, dass die Selbstverwaltung nur aufgrund und im Rahmen gesetzlicher Ermächtigung tätig werden darf (vgl. Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 194 Rz 46). Diese gesetzliche Ermächtigung findet sich in § 44 Abs. 2 SGB V mit den weiteren Vorgaben für die Bestimmung der Beitragshöhe in den §§ 240, 242 und 243 SGB V.

dd) Die gerade aufgeführten Vorschriften des SGB V zeigen auch, dass entgegen der Annahme der Klägerin kein Raum für die Annahme eines separaten (privaten) Versicherungsverhältnisses außerhalb des SGB V gegeben ist, da eine solche Möglichkeit ansonsten in diesem Gesetz geregelt worden wäre. Dies ist aber nicht geschehen; das SGB V sieht lediglich in § 194 Abs. 1a eine Ermächtigung vor, in die Satzung eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die gesetzliche Krankenkasse den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Versicherungsunternehmen vermitteln kann.

c) Das Argument der Klägerin, die Schutzvorschriften des SGB seien auf ihren selbständig tätigen Ehemann nicht anwendbar, so dass auch der Krankengeldanspruch nicht dem SGB unterfalle, geht ebenfalls fehl. Die gesetzliche Krankenversicherung ist zwar auch heute noch vor allem eine Pflichtversicherung der abhängig Beschäftigten, die grundsätzlich als schutzbedürftig angesehen werden. Das SGB V eröffnet dementsprechend nur noch wenigen, in § 9 SGB V aufgeführten anderen Personengruppen, bei denen der Gesetzgeber ein (begrenztes) Schutzbedürfnis vermutet, (Wille, in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 9 Rz 16), die Möglichkeit, Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu werden und sich damit dem besonderen Schutz der gesetzlichen Krankenkasse zu unterwerfen. Dafür hat sich der Ehemann der Klägerin entschieden. Darauf, dass er ggf. aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit als Schornsteinfeger weniger schutzbedürftig war, kommt es dann nicht mehr an.

d) Der Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581 kann nicht weiterführen, da dort nicht die Frage des Einbezugs von Krankengeld in den Progressionsvorbehalt der Streitgegenstand war, sondern vielmehr die vorgelagerte Frage zu entscheiden war, ob es sich bei den Zahlungen um steuerfreie Leistungen aus einer Krankenversicherung gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG oder um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelte.

2. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 GG.

a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. April 2008 2 BvL 4/05, BFH/NV 2008, Beilage 4, 295, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG).

Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27; vom 16. März 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, und in BFH/NV 2008, Beilage 4, 295, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Er muss aber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umsetzen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 107, 27, und in BFH/NV 2008, Beilage 4, 295, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Diese Grundsätze zugrunde gelegt verstößt die Einbeziehung des Krankengeldes lediglich gesetzlicher Krankenkassen und nicht privater Krankenkassen in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht gegen Art. 3 GG (so auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 22; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, siehe Kammerbeschluss vom 21. Dezember 1996 2 BvR 2111/96, Steuer-Eildienst 1997, 170; Naujok in Lademann, EStG, § 32b EStG Rz 32c; Blümich/Wagner, § 32b EStG Rz 19; siehe auch HHR/Probst, § 32b EStG Rz 7 f.; Frenz, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32b Rz A 168; Handzik in Littman/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32b Rz 54 f.).

Dies gilt sowohl für die Einbeziehung des von einem freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten, selbständig Erwerbstätigen bezogenen Krankengeldes in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG (unten b) als auch für die gleichzeitige Nichteinbeziehung des Krankengeldes aus einer privaten Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt (unten c).

b) Die Einbeziehung des aufgrund des SGB V gezahlten Krankengeldes in den Progressionsvorbehalt wird mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt (siehe oben unter II.1.a), während das arbeitsmarktpolitische Argument, den Versicherten zu einer schnelleren Arbeitsaufnahme zu motivieren, Grund für die vorherige Einbeziehung des Arbeitslosengeldes und anderer Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523) war; diese Regelung wurde vom BVerfG im Kammerbeschluss in BStBl II 1995, 758 als verfassungsgemäß bestätigt.

Es ist nicht zu beanstanden und entspricht der folgerichtigen Weiterentwicklung einer getroffenen Belastungsentscheidung, die verhindern soll, "dass die progressive Besteuerung nach dem Jahresprinzip nicht unangemessen ermäßigt wird" (BTDrucks 11/2157, 149), wenn auch weitere Leistungen, die steuerpflichtige Einkünfte ersetzen und die vom Gesetzgeber zunächst als steuerfrei behandelt werden, ebenso wie das Arbeitslosengeld in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden.

c) § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt auch nicht deswegen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil er nur das Krankengeld einer gesetzlichen Krankenversicherung und nicht auch das einer privaten Versicherung in den Progressionsvorbehalt einbezieht. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes bzw. bei der Auswahl der Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen sollen, den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum verfassungskonform ausgefüllt.

Die gesetzliche Krankenversicherung unterscheidet sich von der privaten Krankenversicherung nicht nur durch die weitgehende Ausgestaltung als Pflichtversicherung in öffentlich-rechtlicher Organisationsform, sondern auch nach den unterschiedlichen Grundstrukturen, auf denen die jeweiligen Versicherungen aufbauen (siehe auch Ebsen, in: von Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4. Aufl., § 15 Rz 52).

Während die gesetzliche Krankenversicherung wesentlich durch das Solidarprinzip geprägt ist, folgt die private Krankenversicherung dem Äquivalenzprinzip. Die Bemessung der Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung bestimmt sich damit nach dem versicherten Risiko. Bei privaten Krankenversicherungsbeiträgen kann daher --anders als bei Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung-- davon ausgegangen werden, dass einem höheren Beitrag ein äquivalent höherer Individualvorteil des Beitragszahlers entspricht (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228, m.w.N.). Ob der jeweilige Arbeitnehmer durch seine Beiträge über das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung individuell begünstigt oder belastet wird, hängt von Einkommenshöhe, Alter, Gesundheitszustand und Familienstand im Einzelfall ab.

Demgegenüber führen die Finanzierungsvorschriften des SGB V dazu, dass den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherungen Beiträge auferlegt werden, die nicht allein der Absicherung ihres eigenen Krankheitsrisikos, sondern zugleich dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung dienen. Insbesondere haben Beitragspflichtige mit hohem Einkommen und niedrigem Krankheitsrisiko auf diese Weise Solidarlasten zu tragen, die den im Übrigen gleich leistungsfähigen Steuerpflichtigen, die nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherungen sind, nicht abverlangt werden (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2008, Beilage 3, 228, m.w.N.).

Neben der Abkopplung der Beitragshöhe vom versicherten Krankheitsrisiko ist grundsätzlich auch das Leistungsniveau weitgehend unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge. Lediglich das Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V knüpft der Höhe nach an das der Beitragsberechnung unterliegende Entgelt an, wie dies auch bei dem Ehemann der Klägerin der Fall war (siehe oben unter II.1.b cc). Daher ist hier die Ähnlichkeit mit dem Krankengeld einer privaten Krankenversicherung sehr groß.

Dennoch durfte der Gesetzgeber zwischen den Krankengeldern der unterschiedlichen Krankenkassen differenzieren. Die gesetzlichen Krankenkassen nehmen als Träger öffentlicher Verwaltung die Aufgaben der Sozialversicherung i.S. des Art. 74 Nr. 12 GG wahr (siehe auch Art. 87 Abs. 2 GG; Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 87 Rz 49) und sind öffentlich-rechtliche Körperschaften. Während der Anspruch auf Krankengeld des Versicherungsnehmers einer privaten Versicherung auf dem Versicherungsvertrag beruht, ergibt sich der Anspruch auf Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung als Sozialleistung aus dem gesetzlichen Leistungskatalog des § 11 SGB V, der in Abs. 1 Nr. 4 auf die Leistungen zur Behandlung einer Krankheit in den §§ 27 bis 52 SGB V, also auch auf die Gewährung von Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 SGB V, verweist. Dass es die Möglichkeit gibt, den Krankengeldanspruch für freiwillig Versicherte in der Satzung der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Gebührenreduzierung auszuschließen oder einzuschränken (siehe oben unter II.1.b cc), ändert an der grundsätzlichen Qualifizierung dieses Leistungsanspruchs nichts. Er ist Teil des Sozialversicherungsverhältnisses und damit eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses, das zwar im Grundsatz dem Privatversicherungsverhältnis nachgebildet ist, jedoch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs modifiziert wurde (Kreikebohm/von Koch, in: von Maydell/Ruland/Becker, a.a.O., § 6 Rz 8). Diese entsprechend den Geboten des Sozialstaats vorgenommene Ergänzung des Versicherungsprinzips ist auch die Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Krankengelder und gleichzeitig für die Gleichbehandlung der Krankengelder der gesetzlichen Krankenversicherungen mit den Leistungen der ebenfalls zur Sozialversicherung zählenden Arbeitslosenversicherung.

d) Dieses Ergebnis wird zudem durch den Aspekt der Administrierbarkeit gestützt, da der Praktikabilität einer Steuerregelung im Interesse des Verifikationsprinzips eine besondere Bedeutung zukommt und nicht allein auf die Selbsteinschätzung des Steuerpflichtigen abgestellt werden kann (siehe die Gesetzesbegründung zum Alterseinkünftegesetz, BTDrucks 15/2150, 41). Durch § 32b Abs. 3 EStG werden die Träger der Sozialleistungen i.S. des Abs. 1 Nr. 1 verpflichtet, bei Einstellung ihrer Leistungen oder spätestens am Ende des jeweiligen Kalenderjahrs dem Empfänger die Dauer des Leistungszeitraums sowie die Art und Höhe der während des Kalenderjahrs gezahlten Leistungen zu bescheinigen. Nach § 32b Abs. 3 Satz 2 EStG ist der Empfänger auf die steuerliche Behandlung dieser Leistungen und seine Steuererklärungspflicht hinzuweisen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren bereits bei Lohnersatzleistungen von der Bundesanstalt für Arbeit praktiziert worden sei und sich in der Praxis bewährt habe (BTDrucks 11/2157, 150).

Die Gewährleistung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs rechtfertigt es damit auch, nur solche Ersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen, die von einer überschaubaren Gruppe von öffentlich-rechtlichen Trägern von Sozialleistungen und nicht von einer Vielzahl privater Versicherungen erbracht werden, da so die Kontrollmöglichkeiten mit einem überschaubaren Aufwand gegeben sind. Dass dieser Aspekt der Administrierbarkeit und Kontrolle bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts eine immer wichtigere Rolle spielt, zeigt im Übrigen auch die Änderung des § 32b Abs. 3 EStG durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150), wonach die Sozialleistungsträger die Daten über die gewährten Leistungen für jeden Empfänger bis zum 28. Februar des Folgejahrs nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch amtlich bestimmte Datenfernübertragung zu übermitteln haben.

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