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Steuerrecht
23.04.2009
Steuerrecht
: Differenzbesteuerung - Leistung eines Gesellschafters an seine Gesellschaft - Gesetzlicher Beteiligtenwechsel

BFH, Urteil vom 18.12.2008 - V R 73/07

Vorinstanz: FG Köln vom 15.8.2007 - 4 K 5412/03 (EFG 2008, 816)

LEITSÄTZE

1. Bei der nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG für die Differenzbesteuerung erforderlichen Lieferung muss es sich um eine Lieferung gegen Entgelt handeln.

2. Lieferungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft können entgeltlich z.B. gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder unentgeltlich als "verdeckte Einlage" erfolgen.

UStG 1993/1999 § 25a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 26a

SACHVERHALT

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betreibt einen Antiquitätenhandel und versteuerte in den Streitjahren 1998 bis 2000 ihre Umsätze als Wiederverkäuferin nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG).

Die Klägerin versteuerte Lieferungen auch insoweit nach § 25a UStG, als es sich um die Lieferung von Antiquitäten handelte, die ihre Gesellschafter ohne Vorsteuerabzug erworben und aus ihrem Privatvermögen in die GbR eingelegt hatten.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der ursprüngliche Beklagte (das Finanzamt I --FA I--) davon aus, dass § 25a UStG auf die Lieferung dieser Gegenstände nicht anzuwenden sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. § 25a UStG sei auch bei einer Einlage aus dem Privatvermögen in das Unternehmen des Wiederverkäufers anzuwenden. Das FG ging weiter davon aus, dass die Differenzbesteuerung auf der Grundlage der von den Gesellschaftern gezahlten Einkaufspreise anzuwenden sei.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 816 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der im Laufe des Revisionsverfahrens anstelle des zunächst beklagten FA I für die Besteuerung der Klägerin zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (FA) Verletzung materiellen Rechts. Die Überführung von Gegenständen aus dem nichtunternehmerischen Bereich der Gesellschafter in den unternehmerischen Bereich der Klägerin und damit die Einlage in das Betriebsvermögen der Klägerin führe nicht zu einer Lieferung an die Klägerin. Im Übrigen fehle es an einer Lieferung an einen Wiederverkäufer in seiner Eigenschaft als Wiederverkäufer, da die Gegenstände von den Gesellschaftern vor Gründung der GbR erworben worden seien und damit im Zeitpunkt der Anschaffung die erforderliche Wiederverkaufsabsicht noch nicht vorgelegen habe. Bei einer Einlage aus dem privaten Bereich sei im Übrigen allenfalls ein Einkaufspreis von 0 € anzusetzen. Der Wiederverkäufer habe mithin in diesem Fall keinen Einkaufspreis aufgewendet.

Das FA beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, dass die Differenzbesteuerung auch Gegenstände erfasse, die "an einen Wiederverkäufer zu privaten Zwecken geliefert worden" seien. Dies ergebe sich aus Art. 26a Teil A Buchst. e der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage-- (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sei Steuerpflichtiger auch, wer eine Antiquität zum Zwecke des Wiederverkaufs seinem Unternehmen zuordne. Es komme nicht darauf an, dass Gegenstände an den Wiederverkäufer "als Wiederverkäufer" oder zum Zwecke des Wiederverkaufs geliefert werden. Eine Lieferung an den Wiederverkäufer liege auch bei einer Lieferung zu privaten Zwecken vor. Hierfür spreche das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6. November 2008 C-291/07, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE 2008, 1519--). Darüber hinaus führe auch die Einlage von Antiquitäten durch einen Gesellschafter in das Vermögen der Klägerin zu einer Lieferung. Das FA verkenne, dass es sich um die Klage einer GbR handele, die umsatzsteuerrechtlich als selbständiger Rechtsträger zu behandeln sei. Zwischen Gesellschaft und Gesellschafter könnten Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG auch dann vorliegen, wenn der Gesellschafter --wie im Streitfall die Gesellschafter der Klägerin-- nicht Unternehmer seien. Die Gesellschafter seien auch nicht durch die Einlagen zu Unternehmern geworden. Die Lieferungen durch die Gesellschafter an die Klägerin hätten dem Ziel eines späteren Verkaufs gedient. Die Einlage sei bei der Klägerin bilanziell gegen das Kapitalkonto des einbringenden Gesellschafters gebucht worden. Die Einbringung der Antiquitäten sei nicht durch die allgemeine Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten worden. Bei der Erhöhung des Kapitalkontos habe es sich um eine Gegenleistung für die Einlage gehandelt, so dass der Einlagewert als Einkaufspreis i.S. von § 25a Abs. 3 UStG anzusehen sei. Hilfsweise sei die Sache dem EuGH vorzulegen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der während des Revisionsverfahrens durch einen Organisationsakt der Verwaltung eingetretene Zuständigkeitswechsel für die Besteuerung der Klägerin führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, unter II.1. der Gründe; vom 3. April 2008 IV R 54/04, BFH/NV 2008, 1263, unter II.1.c der Gründe, jeweils m.w.N.).

Das Urteil des FG ist aufzuheben, da es auf einer Verletzung von § 25a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UStG beruht. Bei der Klägerin handelte es sich unstreitig um eine Wiederverkäuferin, die nach § 25a UStG die Differenzbesteuerung anwendete. Ob sie zur Anwendung dieser Sonderregelung auf Gegenstände, die sie durch Einlagen ihrer Gesellschafterin erworben hat, berechtigt war, hängt von weiteren Feststellungen ab, die im zweiten Rechtsgang zu treffen sind. Der Entscheidung der Vorinstanz lässt sich nicht entnehmen, ob die von § 25a UStG vorausgesetzte entgeltliche Lieferung an die Klägerin vorliegt.

1. Nach § 25a Abs. 1 UStG setzt die Differenzbesteuerung voraus, dass der Unternehmer ein Wiederverkäufer ist (Nr. 1), die Gegenstände an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden und für diese Lieferung Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben oder die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde (Nr. 2) und es sich bei den Gegenständen nicht um Edelsteine oder Edelmetalle handelt (Nr. 3). Der Umsatz wird dabei gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt; bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG und in den Fällen des § 10 Abs. 5 UStG tritt an die Stelle des Verkaufspreises der Wert nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG.

Gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 25a UStG ist Art. 26a der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Teil B Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer auf "Lieferungen" anzuwenden. § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Die Besteuerungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Absatz 2 ergibt sich aus der Differenz des steuerpflichtigen Wiederverkäufers, abzüglich des Betrags der auf diese Differenz erhobenen Mehrwertsteuer. Diese Differenz entspricht dem Unterschied zwischen dem von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands.

Im Sinne dieses Absatzes gelten als

- "Verkaufspreis" die gesamte Gegenleistung, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom Käufer oder von einem Dritten erhält oder zu erhalten hat, einschließlich der unmittelbar mit diesem Umsatz zusammenhängenden Zuschüsse, die Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben sowie die Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom Käufer fordert, mit Ausnahme der in Artikel 11 Teil A Absatz 3 genannten Beträge;

- "Einkaufspreis" die gesamte Gegenleistung entsprechend der Definition des ersten Gedankenstrichs, die der Lieferant von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhält oder zu erhalten hat."

2. Die Anwendung der Differenzbesteuerung setzt nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG insbesondere eine Lieferung an den Wiederverkäufer voraus.

Bei der Lieferung an den Wiederverkäufer muss es sich --entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung-- um eine entgeltliche Lieferung handeln. Zwar stellt der Wortlaut der Vorschrift nur auf das Vorliegen einer Lieferung ab, wobei § 3 Abs. 1 UStG den Begriff der Lieferung definiert. Die bloße "Verschaffung der Verfügungsmacht" an den Wiederverkäufer nach § 3 Abs. 1 UStG reicht jedoch nicht aus. Denn zum einen erübrigt sich bei unentgeltlichen Lieferungen an den Wiederverkäufer die von § 25a UStG und Art. 26a Teil B Abs. 1 der Richtlinie vorgesehene "Differenzbesteuerung", die die Ermittlung einer Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis voraussetzt (vgl. § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG und Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG). Gegen die Auffassung, tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung sei nur das Vorliegen einer Lieferung im Sinne der "Verschaffung der Verfügungsmacht" an einem Gegenstand, während die Frage, ob überhaupt und ggf. in welcher Höhe die Lieferung mit einer Gegenleistung im Zusammenhang stehe, nur bei der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sei, spricht zum anderen auch der Wortlaut des Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach ergibt sich die "Besteuerungsgrundlage bei der Lieferung ... aus der Differenz ... [als] ... Unterschied zwischen dem ... Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands". Danach muss für die Lieferung an den Wiederverkäufer ein "Einkaufspreis" vorliegen, der sowohl in der deutschen als auch in anderen Sprachfassungen (z.B. englisch: "purchase price", französisch: "prix d'achat") ein entgeltliches Rechtsgeschäft voraussetzt. Der Senat schließt sich daher nicht der in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung an, wonach die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG auch bei unentgeltlichen Lieferungen gegeben sind und die Differenzbesteuerung dann mit einer Bemessungsgrundlage von 0 DM anzuwenden sein soll (Widmann, in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 25a Rz 80 f.; Mößlang, in Sölch/Ringleb, UStG, § 25a Rz 9; Radeisen, in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 25a Rz 54, und Bülow, in Vogel/Schwarz, UStG, § 25a Rz 25).

3. Es kommt daher für die Beurteilung im Streitfall darauf an, ob die Verschaffung der Verfügungsmacht durch die Gesellschafter auf die Klägerin, eine umsatzsteuerrechtlich gegenüber den Gesellschaftern eigenständige GbR, entgeltlich erfolgte, nicht aber auf die vom FG erörterte Frage, ob § 25a UStG entgegen Abschn. 276a Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) auf die Einlage aus dem Privatvermögen des Wiederverkäufers in sein Unternehmen anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710). Abschn. 276a Abs. 4 Satz 2 UStR betrifft nur die hier nicht gegebene Fallkonstellation, dass ein Wiederverkäufer Gegenstände aus seinem Privatvermögen in das Unternehmen eingelegt hat. Demgegenüber liegt im Streitfall keine Einlage aus dem Privatvermögen des Wiederverkäufers, hier der Klägerin, einer GbR, vor, sondern eine Einlage der Gesellschafter der Klägerin.

Ebenso unerheblich für die Beurteilung im Streitfall ist, ob die Differenzbesteuerung auf einen Wiederverkäufer anzuwenden ist, der nach Art. 26a Teil A Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG die dort bezeichneten Gegenstände "zur Deckung seines unternehmerischen Bedarfs verwendet". Denn auch bei Wiederverkäufern, die Gegenstände zur Deckung ihres unternehmerischen Bedarfs verwenden, kann die Differenzbesteuerung nur bei Vorliegen einer entgeltlichen Lieferung an den Wiederverkäufer angewendet werden, wie sich aus Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ("Einkaufspreis") ergibt.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt-- keine Feststellungen zur Entgeltlichkeit der Einlage getroffen (vgl. hierzu Wäger, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 69 ff., 72 f.). Diese sind nachzuholen. Eine entgeltliche Leistung des Gesellschafters an seine Gesellschaft kann auch vorliegen, wenn für Gesellschaftereinlagen Gutschriften auf dem jeweiligen Gesellschafterkapitalkonto erfolgen (BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562) und sich hieraus Zahlungsansprüche für den Gesellschafter ergeben oder sich seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gesellschaft vermindern. Dabei wird auch festzustellen sein, ob eine Einlage der Gegenstände durch die Gesellschafter unter Buchung auf das für den jeweiligen Gesellschafter geführte Kapitalkonto erfolgte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass umsatzsteuerrechtlich auch Sacheinlagen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entgeltlicher Charakter zukommt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 13. November 2003 V R 79/01, BFHE 204, 332, BStBl II 2004, 375).

Läge danach durch Gewährung von Gesellschaftsrechten oder Gutschriften auf einem Kapitalkonto ein entgeltlicher Erwerb der Klägerin vor und hat die Klägerin beim Empfang der Einlage weiter auch mit der erforderlichen Wiederverkaufsabsicht gehandelt (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 8. Dezember 2005 C-280/04, Jyske Finans, Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131 Rdnrn. 32 und 42), käme es im Übrigen nicht auf die früheren Erwerbskosten der Gesellschafter, sondern auf den nach Tauschgrundsätzen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFH/NV 2008, 1413, BStBl II 2008, 909) für den Zeitpunkt der Einlage zu ermittelnden Wert der gewährten Gesellschaftsrechte oder die Höhe der Gutschrift auf dem Kapitalkonto an.

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