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Steuerrecht
20.06.2024
Steuerrecht
EuGH: Dienstleistungen der Herstellung von Sitzverkleidungen für Kraftfahrzeuge, die von einer Gesellschaft für Rechnung einer anderen Gesellschaft erbracht werden

EuGH, Urteil vom 13.6.2024 – C-533/22, SC Adient Ltd & Co. KG gegen Agenţia Naţională de Administrare Fiscală, Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Ploieşti – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Argeş

ECLI:EU:C:2024:501

Volltext BB-Online BBL2024-1493-1

 

Tenor

1. Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie (EU) 2018/1695 des Rates vom 6. November 2018 geänderten Fassung und Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes dieser Dienstleistungen nicht davon auszugehen ist, dass es in diesem letztgenannten Mitgliedstaat allein deshalb über eine feste Niederlassung verfügt, weil die beiden Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören oder zwischen ihnen ein Dienstleistungsvertrag besteht.

2. Art. 44 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2018/1695 geänderten Fassung und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sind dahin auszulegen, dass weder der Umstand, dass ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Verarbeitungsdienstleistungen empfängt, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat über eine Struktur verfügt, die an der Lieferung der Fertigprodukte aus diesen Verarbeitungsdienstleistungen beteiligt ist, noch die Tatsache, dass diese Lieferungen überwiegend außerhalb des letztgenannten Mitgliedstaats durchgeführt werden und diejenigen, die dort durchgeführt werden, der Mehrwertsteuer unterliegen, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungen für die Feststellung relevant sind, dass dieses Unternehmen in diesem letztgenannten Mitgliedstaat eine feste Niederlassung hat.

3. Die Art. 44 und 192a der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2018/1695 geänderten Fassung sowie die Art. 11 und 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sind dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, keine feste Niederlassung in diesem letztgenannten Mitgliedstaat hat, wenn sich die personelle und technische Ausstattung, über die es in diesem Mitgliedstaat verfügt, nicht von derjenigen unterscheidet, mit der die Dienstleistungen an das erstgenannte Unternehmen erbracht werden, oder wenn diese personelle und technische Ausstattung nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sicherstellt.

 

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 44 und 192a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2018/1695 des Rates vom 6. November 2018 (ABl. 2018, L 282, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Art. 10, 11 und 53 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2011, L 77, S. 1).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Adient Ltd & Co. KG (im Folgenden: Adient Deutschland) auf der einen und der Agenția Națională de Administrare Fiscală und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Ploiești – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Argeş (Nationale Steuerverwaltungsagentur – Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Ploiești – Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Argeș, Rumänien) (im Folgenden: Steuerverwaltung) auf der anderen Seite wegen eines Antrags auf Aufhebung eines Bescheids, mit dem Adient Deutschland von Amts wegen in Rumänien mit der Begründung steuerrechtlich registriert wurde, dass diese Gesellschaft über eine feste Niederlassung in diesem Land verfüge.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Mehrwertsteuerrichtlinie

3          Art. 44 in Titel V („Ort des steuerbaren Umsatzes“) Kapitel 3 („Ort der Dienstleistung“) Abschnitt 2 („Allgemeine Bestimmungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.“

 

4          Titel XI („Pflichten der Steuerpflichtigen und bestimmter nichtsteuerpflichtiger Personen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält ein Kapitel 1, das Zahlungspflichten gewidmet ist. Abschnitt 1 („Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus“) dieses Kapitels umfasst die Art. 192a bis 205 der Richtlinie.

 

5          Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke der Anwendung dieses Abschnitts gilt ein Steuerpflichtiger, der im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem die Steuer geschuldet wird, über eine feste Niederlassung verfügt, als nicht in diesem Mitgliedstaat ansässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) [E]r liefert steuerpflichtig Gegenstände oder erbringt steuerpflichtig eine Dienstleistung im Gebiet dieses Mitgliedstaats;

b) eine Niederlassung des Lieferers oder Dienstleistungserbringers im Gebiet dieses Mitgliedstaats ist nicht an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt.“

 

6          Art. 193 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt, außer in den Fällen, in denen die Steuer gemäß den Artikeln 194 bis 199b sowie 202 von einer anderen Person geschuldet wird.“

 

7          Art. 194 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet wie folgt:

„(1) Wird die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen bzw. die steuerpflichtige Dienstleistung von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Person, für die die Lieferung bzw. Dienstleistung bestimmt ist, die Steuer schuldet.

(2) Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen für die Anwendung des Absatzes 1 fest.“

 

Durchführungsverordnung Nr. 282/2011

8          Im 14. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 heißt es:

„Um die einheitliche Anwendung der Regeln für die Bestimmung des Ortes der steuerbaren Umsätze sicherzustellen, sollten der Begriff des Ortes, an dem ein Steuerpflichtiger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, und der Begriff der festen Niederlassung, des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes klargestellt werden. Die Zugrundelegung möglichst klarer und objektiver Kriterien sollte die praktische Anwendung dieser Begriffe erleichtern, wobei der Rechtsprechung des Gerichtshofs [der Europäischen Union] Rechnung getragen werden sollte.“

 

9          Art. 10 Abs. 1 dieser Durchführungsverordnung bestimmt:

„Für die Anwendung der Artikel 44 und 45 der [Mehrwertsteuerrichtlinie] gilt als Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.“

 

10        Art. 11 Abs. 1 und 2 dieser Durchführungsverordnung sieht vor:

„(1) Für die Anwendung des Artikels 44 der [Mehrwertsteuerrichtlinie] gilt als ,feste Niederlassung‘ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

(2) Für die Anwendung der folgenden Artikel gilt als ,feste Niederlassung‘ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen:

d) Artikel 192a der [Mehrwertsteuerrichtlinie].“

 

11        Art. 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 bestimmt:

„(1) Für die Durchführung des Artikels 192a der [Mehrwertsteuerrichtlinie] wird eine feste Niederlassung eines Steuerpflichtigen nur dann berücksichtigt, wenn diese feste Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen, an der sie beteiligt ist, auszuführen.

(2) Verfügt ein Steuerpflichtiger über eine feste Niederlassung in dem Gebiet des Mitgliedstaats, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, gilt diese feste Niederlassung als nicht an der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 192a Buchstabe b der [Mehrwertsteuerrichtlinie] beteiligt, es sei denn, der Steuerpflichtige nutzt die technische und personelle Ausstattung dieser Niederlassung für Umsätze, die mit der Ausführung der steuerbaren Lieferung dieser Gegenstände oder der steuerbaren Erbringung dieser Dienstleistungen vor oder während der Ausführung in diesem Mitgliedstaat notwendig verbunden sind.

Wird die Ausstattung der festen Niederlassung nur für unterstützende verwaltungstechnische Aufgaben wie z. B. Buchhaltung, Rechnungsstellung und Einziehung von Forderungen genutzt, so gilt dies nicht als Nutzung bei der Ausführung der Lieferung oder der Dienstleistung.

Wird eine Rechnung jedoch unter der durch den Mitgliedstaat der festen Niederlassung vergebenen Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer ausgestellt, so gilt diese feste Niederlassung bis zum Beweis des Gegenteils als an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt.“

 

Rumänisches Recht

12        Art. 266 Abs. 2 Buchst. b der Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 8. September 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 688 vom 10. September 2015, im Folgenden: Steuergesetzbuch) bestimmt:

„Im Sinne dieses Titels

b) gilt ein Steuerpflichtiger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb Rumäniens hat, als in Rumänien ansässig, wenn er eine feste Niederlassung in Rumänien hat, d. h. in Rumänien über eine ausreichende technische und personelle Ausstattung verfügt, um regelmäßig steuerbare Lieferungen von Gegenständen vorzunehmen und/oder Dienstleistungen zu erbringen.“

 

13        Art. 278 Abs. 2 des Steuergesetzbuchs bestimmt:

„Als Ort der einem Steuerpflichtigen als solchem geleisteten Dienstleistungen gilt der Ort, an dem der Steuerpflichtige, dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht werden, den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung des Steuerpflichtigen, dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht werden. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14        Adient Deutschland und die SC Adient Automotive România SRL (im Folgenden: Adient Rumänien) gehören beide zur Adient-Unternehmensgruppe, die auf die Herstellung und den Vertrieb von Sitzen und anderen Komponenten für Kraftfahrzeuge spezialisiert ist.

 

15        Am 1. Juni 2016 schloss Adient Deutschland mit Adient Rumänien einen Dienstleistungsvertrag, der sowohl Verarbeitungsdienstleistungen für Polsterkomponenten dieser Sitze als auch Hilfsdienstleistungen umfasste. Die Verarbeitungsdienstleistungen bestehen für Adient Rumänien darin, die von Adient Deutschland für die Herstellung von Autositzbezügen bereitgestellten Rohstoffe zuzuschneiden und zu nähen. Die von Adient Rumänien erbrachten Hilfsdienstleistungen bestehen u. a. in der Entgegennahme, Lagerung, Kontrolle und Verwaltung der Rohstoffe und in der Lagerung der Fertigprodukte. Adient Deutschland bleibt während des gesamten Herstellungsprozesses Eigentümerin der Rohstoffe, Halbfertigprodukte und Fertigprodukte.

 

16        Adient Deutschland verfügt über eine Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer in Rumänien, die sie sowohl für ihre Erwerbe von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat als auch für die Lieferung der von Adient Rumänien hergestellten Produkte an ihre Kunden verwendet. Für die von Adient Rumänien an sie erbrachten Dienstleistungen verwendete sie ihre deutsche Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer.

 

17        Adient Rumänien war der Ansicht, dass die Dienstleistungen, die sie aufgrund des mit Adient Deutschland geschlossenen Vertrags erbringe, an dem Ort erbracht worden seien, an dem diese Gesellschaft, die Empfängerin dieser Leistungen, ansässig sei, und stellte Rechnungen ohne Mehrwertsteuer aus, da diese Leistungen ihrer Ansicht nach in Deutschland zu besteuern waren.

 

18        Im Anschluss an eine Steuerprüfung für den Zeitraum vom 18. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2018 war die Steuerverwaltung jedoch der Auffassung, dass die Empfängerin der von Adient Rumänien erbrachten Dienstleistungen eine in Rumänien gelegene feste Niederlassung von Adient Deutschland sei, die aus zwei der Zweigniederlassungen von Adient Rumänien, nämlich den Zweigniederlassungen in Pitești und Ploiești (Rumänien), bestehe. Sie schloss daraus, dass Adient Rumänien verpflichtet sei, Mehrwertsteuer auf diese Leistungen zu erheben, und erließ gegen diese Gesellschaft einen Steuerbescheid, der von dieser in einem anderen als dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verfahren angefochten wurde.

 

19        Außerdem war die Steuerverwaltung der Ansicht, Adient Deutschland könne, da sie über eine feste Niederlassung in Rumänien verfüge, nicht über die ihr von den deutschen Behörden zugeteilte Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer identifiziert werden und sei verpflichtet, sich als in Rumänien ansässiger Steuerpflichtiger zu registrieren. Mit Bescheid vom 4. Juni 2020 ordnete sie daher die Registrierung dieser Gesellschaft von Amts wegen an.

 

20        Gegen diesen Bescheid legte Adient Deutschland Einspruch ein, der mit Bescheid vom 28. August 2020 zurückgewiesen wurde.

 

21        Gegen die Bescheide vom 4. Juni und vom 28. August 2020 erhob Adient Deutschland eine Aufhebungsklage beim Tribunalul Argeș (Regionalgericht Argeș, Rumänien), dem vorlegenden Gericht.

 

22        Dieses führt aus, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge davon ab, ob Adient Deutschland über die Zweigniederlassungen von Adient Rumänien in Pitești und Ploiești über die personelle und technische Ausstattung verfüge, um regelmäßig steuerbare Umsätze im Hoheitsgebiet Rumäniens zu bewirken.

 

23        In Bezug auf die personelle Ausstattung von Adient Deutschland hat es – angesichts folgender Erwägungen – Zweifel am Standpunkt der Steuerverwaltung, dass dies der Fall ist.

 

24        Zum einen berücksichtige die Steuerverwaltung, dass Adient Deutschland nach dem zwischen ihr und Adient Rumänien geschlossenen Dienstleistungsvertrag das Recht habe, die Rechnungsunterlagen, Register, Berichte und alle sonstigen Dokumente, die im Besitz von Adient Rumänien seien, zu prüfen, und von Adient Rumänien verlangen könne, dass diese sich an Programmen oder Initiativen zur Kostensenkung beteilige.

 

25        Zum anderen berücksichtige die Steuerverwaltung, dass die Arbeitnehmer von Adient Rumänien an der Lieferung von Gegenständen durch Adient Deutschland beteiligt seien, da sie die von den Kunden dieser Gesellschaft aufgegebenen Bestellungen entgegennähmen, den Rohstoff- und Materialbedarf berechneten, die Lagerung und den Transport der Rohstoffe und Fertigprodukte sowie die Lieferung Letzterer sicherstellten, wobei sie für die Qualitätskontrolle zuständig seien, dass sie sich an der Organisation und Durchführung der jährlichen Inventur der Gegenstände dieser Gesellschaft beteiligten und die Kommunikation mit deren Kunden und Lieferanten gewährleisteten und damit diese Gesellschaft gegenüber Dritten verträten.

 

26        Im Übrigen bezweifelt das vorlegende Gericht, dass die Steuerverwaltung bei der Feststellung, dass technische Mittel vorhanden seien, berücksichtigt habe, dass die Arbeitnehmer von Adient Rumänien unter Verwendung der EDV- und Buchhaltungssysteme von Adient Deutschland tätig seien, die im Übrigen über ein Lager in der Zweigniederlassung von Pitești verfüge, das mit den erforderlichen Geräten und Materialien ausgestattet sei.

 

27        Unter diesen Umständen hat das Tribunalul Argeş (Regionalgericht Argeș) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 10 und 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass sie einer Praxis der nationalen Steuerverwaltung entgegenstehen, wonach eine eigenständige gebietsansässige juristische Person allein deshalb als feste Niederlassung einer gebietsfremden Einheit eingestuft wird, weil beide Unternehmen zur selben Unternehmensgruppe gehören?

2.         Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 10 und 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass sie einer Praxis der nationalen Steuerverwaltung entgegenstehen, wonach das Vorliegen einer festen Niederlassung einer gebietsfremden Einheit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausschließlich in Bezug auf die Dienstleistungen festgestellt wird, die die gebietsansässige juristische Person für die gebietsfremde Einheit erbringt?

3.         Sind Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 10 und 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen, dass sie nationalen steuerrechtlichen Vorschriften und einer Praxis der nationalen Steuerverwaltung entgegenstehen, wonach das Vorliegen einer festen Niederlassung einer gebietsfremden Einheit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Berücksichtigung dessen festgestellt wird, dass die betreffende feste Niederlassung nur Gegenstände liefert und keine Dienstleistungen erbringt?

4.         Sind Art. 192a Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie Art. 11 und Art. 53 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 in dem Fall, dass eine gebietsfremde Person im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bei einer gebietsansässigen juristischen Person über eine personelle und technische Ausstattung verfügt, mit der sie die Erbringung notwendiger Dienstleistungen zur Verarbeitung der Gegenstände gewährleistet, die von der gebietsfremden Einrichtung zu liefern sind, dahin auszulegen, dass es sich bei den betreffenden, mittels der technischen und personellen Ausstattung der gebietsfremden juristischen Person erbrachten Verarbeitungsdienstleistungen handelt um (i) Dienstleistungen, die die gebietsfremde juristische Person von der gebietsansässigen Person mittels dieser personellen und technischen Ausstattung erhält, oder gegebenenfalls um (ii) Dienstleistungen, die die gebietsfremde juristische Person selbst mittels dieser personellen und technischen Ausstattung erbringt?

5.         Wie ist der Ort der Dienstleistung im Hinblick auf Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 10 und 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 nach Maßgabe der Antwort auf Frage 4 zu bestimmen?

6.         Sind in Anbetracht von Art. 53 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 Tätigkeiten, die mit den Dienstleistungen der Verarbeitung der Gegenstände zusammenhängen, wie die Entgegennahme, die Inventarisierung, die Erteilung von Aufträgen an Lieferanten, die Bereitstellung von Lagerraum, die Verwaltung der Bestände im EDV-System, die Bearbeitung von Kundenaufträgen, die Angabe der Adresse auf Transportpapieren und Rechnungen, die Unterstützung von Qualitätsaudits usw. bei der Feststellung des Vorliegens einer festen Niederlassung außer Acht zu lassen, da es sich bei diesen Tätigkeiten um verwaltungstechnische Unterstützungstätigkeiten handelt, die für die Verarbeitung der Gegenstände zwingend erforderlich sind?

7.         Ist es in Anbetracht der Grundsätze über den Ort der Besteuerung am Ort des Verbrauchs bzw. der Bestimmung für die Feststellung des Ortes der Verarbeitungsdienstleistungen von Bedeutung, dass die aus der Verarbeitung hervorgegangenen Gegenstände vom Dienstleistungsempfänger überwiegend außerhalb Rumäniens verkauft werden (dort ihren Bestimmungsort haben) und dass die in Rumänien verkauften Gegenstände der Mehrwertsteuer unterliegen, mithin das Ergebnis der Verarbeitungsdienstleistungen nicht in Rumänien „verbraucht“ wird oder, wenn es in Rumänien „verbraucht“ wird, der Mehrwertsteuer unterliegt?

8.         Liegt, wenn die technische und personelle Ausstattung der festen Niederlassung, die die Dienstleistungen empfängt, praktisch dieselbe ist wie die des Dienstleistungserbringers, mit der die Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, noch eine Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie vor?

 

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

28        Nach Ansicht der rumänischen Regierung ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.

 

29        Erstens beruhten die Fragen 1 bis 6 auf falschen Annahmen. Entgegen der Formulierung der ersten beiden Fragen, habe sich die Steuerverwaltung nicht allein auf die bloße Zugehörigkeit von Adient Deutschland und Adient Rumänien zu derselben Unternehmensgruppe oder auf die Erbringung von Verarbeitungsdienstleistungen durch Adient Rumänien an Adient Deutschland gestützt, um daraus auf das Vorliegen einer festen Niederlassung der Adient Deutschland in Rumänien zu schließen, sondern eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände vorgenommen. Was die Fragen 3 bis 6 anbelangt, so beruhten diese auf der falschen Prämisse, dass sich die Steuerverwaltung auf die personelle und technische Ausstattung gestützt habe, die für die Erbringung der Verarbeitungsdienstleistungen oder für die Ausführung von unterstützenden Verwaltungstätigkeiten für diese Dienstleistungen verwendet werde, obwohl die personelle und technische Ausstattung, über die Adient Deutschland in Rumänien verfüge, um vom Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aus Lieferungen von Gegenständen vorzunehmen, berücksichtigt worden sei.

 

30        Zweitens macht die rumänische Regierung in Bezug auf die siebte Vorlagefrage geltend, dass das vorlegende Gericht nicht angegeben habe, warum es Fragen hinsichtlich der Auswirkung des Ortes habe, an dem die Produkte aus Verarbeitungsdienstleistungen verkauft würden.

 

31        Drittens sei die achte Vorlagefrage unzulässig, da aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgehe, dass sich die technische und personelle Ausstattung der festen Niederlassung von Adient Deutschland in Rumänien von derjenigen unterscheide, die von Adient Rumänien für die Erbringung einer Dienstleistung verwendet werde.

 

32        In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass eines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung betreffen. Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen nationaler Gerichte. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung dieses Rechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Fragen erforderlich sind (Urteile vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 24 und 25, sowie vom 18. Januar 2024, Comune di Copertino, C‑218/22, EU:C:2024:51, Rn. 19 und 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

33        In einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, fällt zudem jede Beurteilung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts (Urteil vom 9. Februar 2023, Finanzamt X [Leistungen des Inhabers eines Stalls], C‑713/21, EU:C:2023:80, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

34        Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass aus der Darstellung des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits im Vorabentscheidungsersuchen deutlich wird, dass die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits davon abhängt, dass das Gericht eine Reihe von Erläuterungen zu den Kriterien erhält, die es erlauben, eine Einrichtung als feste Niederlassung einzustufen. Das vorlegende Gericht bezieht sich nämlich in diesem Ersuchen auf das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, wonach die Steuerverwaltung das Vorliegen einer festen Niederlassung unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit der beiden betroffenen Gesellschaften zu derselben Unternehmensgruppe und des Dienstleistungsvertrags zwischen diesen beiden Gesellschaften angenommen habe. Außerdem weist es darauf hin, dass die Steuerverwaltung auch die personelle und technische Ausstattung berücksichtigt habe, die in Rumänien bei der Lieferung der nachgelagerten Waren durch diese feste Niederlassung eingesetzt worden sei.

 

35        Zudem enthalten die dem Gerichtshof vorliegenden Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde oder das Problem hypothetischer Natur wäre.

 

36        Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn der vom vorlegenden Gericht geschilderte Sachverhalt in einer Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin des Ausgangsverfahrens bestehen würde, dieser Umstand allein, selbst wenn er zuträfe, nicht belegt, dass das vorlegende Gericht mit diesem Vorgehen gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, gemäß Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in der Vorlageentscheidung die tatsächlichen Umstände darzustellen, auf denen die Fragen beruhen, oder die Gründe darzustellen, aus denen es Zweifel bezüglich der Auslegung der in den Vorlagefragen genannten Vorschriften des Unionsrechts hat oder aus denen es eine Antwort des Gerichtshofs für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits für erforderlich hält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2021, Wilo Salmson France, C‑80/20, EU:C:2021:870, Rn. 51).

 

37        Somit ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 

Zu den Vorlagefragen

Zu den ersten beiden Fragen

38        Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes dieser Dienstleistungen davon auszugehen ist, dass es in diesem letztgenannten Mitgliedstaat allein deshalb über eine feste Niederlassung verfügt, weil die beiden Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören und zwischen ihnen ein Dienstleistungsvertrag besteht.

 

39        Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der zweckdienlichste und damit der vorrangige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung aus steuerlicher Sicht der Ort ist, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, da er als objektives, einfaches und praktisches Kriterium große Rechtssicherheit bietet. Demgegenüber ist die Anknüpfung an die feste Niederlassung des Steuerpflichtigen nachrangig und eine Ausnahme zur allgemeinen Regel, die nur dann zum Tragen kommt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 2014, Welmory, C‑605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 53 bis 56, vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 29, und vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 29).

 

40        Daher ist diese nachrangige Anknüpfung nur dann zu berücksichtigen, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 1985, Berkholz, 168/84, EU:C:1985:299, Rn. 17, vom 7. Mai 1998, Lease Plan, C‑390/96, EU:C:1998:206, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

41        Bereits aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 ergibt sich, dass als „feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit gilt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

 

42        Es kann nur dann festgestellt werden, dass ein Steuerpflichtiger in dem Mitgliedstaat, in dem ihm die betreffenden Dienstleistungen erbracht werden, eine feste Niederlassung hat, wenn er dort über eine hinreichend beständige Struktur verfügt, die es ihm ermöglicht, die betreffenden Dienstleistungen dort zu empfangen und für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden (Urteil vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 31).

 

43        Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, hängt eine Einstufung als feste Niederlassung von den in der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 und insbesondere in deren Art. 11 genannten materiellen Voraussetzungen ab, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität zu prüfen sind, so dass diese Einstufung nicht allein von der Rechtsform der betreffenden Einrichtung abhängen darf (Urteil vom 7. Mai 2020, Dong Yang Electronics, C‑547/18, EU:C:2020:350, Rn. 31 und 32).

 

44        Folglich ist es zwar möglich, dass es sich bei einer Tochtergesellschaft, die Dienstleistungserbringer und in einem Mitgliedstaat ansässig ist, um die feste Niederlassung ihrer Muttergesellschaft handelt, für die diese Dienstleistungen bestimmt sind und die in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ansässig ist, doch kann diese Einstufung nicht aus dem bloßen Umstand hergeleitet werden, dass diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft besitzt (Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

45        Aus den gleichen Gründen kann der Umstand, dass zwei rechtlich voneinander unabhängige Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe angehören, das Vorliegen einer festen Niederlassung der Gesellschaft, die die von der anderen Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen empfängt, für sich allein auch nicht begründen.

 

46        Das Vorliegen einer solchen Niederlassung kann auch nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass diese beiden Gesellschaften rechtlich durch einen Vertrag miteinander verbunden sind, der die Bedingungen festlegt, unter denen die Dienstleistungen von der einen Gesellschaft ausschließlich zugunsten der anderen erbracht werden.

 

47        Wie der Gerichtshof nämlich wiederholt entschieden hat, ist bei einer juristischen Person, auch wenn sie nur einen einzigen Kunden hätte, davon auszugehen, dass sie die ihr zur Verfügung stehende personelle und technische Ausstattung für ihren eigenen Bedarf einsetzt. Nur dann, wenn nachgewiesen werden sollte, dass eine Gesellschaft, die Dienstleistungen empfängt, aufgrund der geltenden vertraglichen Bestimmungen über die technische und personelle Ausstattung ihres Dienstleistungserbringers verfügte, als ob es ihre eigene wäre, könnte daher davon ausgegangen werden, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist, über eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur verfügt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist (Urteile vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 48, und vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 37).

 

48        Wie die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge jedoch ausgeführt hat, handelt der Dienstleistungserbringer grundsätzlich in seinem Namen und in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse als selbständiger Vertragspartner und nicht als unselbständiger Teil der anderen Vertragspartei.

 

49        Daher hat die Tatsache, dass zwischen den Parteien ein exklusiver Dienstleistungsvertrag besteht, für sich genommen nicht zur Folge, dass die Ausstattung des Dienstleistungserbringers zur Ausstattung seines Kunden wird, sofern nicht nachgewiesen wird, dass dieser Dienstleistungserbringer gemäß diesem Vertrag nicht für seine eigene Ausstattung verantwortlich bleibt und seine Leistungen nicht auf eigene Gefahr erbringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 39).

 

50        Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob sich u. a. aus den Bestimmungen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags ergibt, dass die personelle und technische Ausstattung der Zweigniederlassungen von Adient Rumänien in Pitești und Ploiești auf hinreichend beständige Art und Weise Adient Deutschland zur Verfügung gestellt wurde, damit diese dort die von Adient Rumänien erbrachten Verarbeitungsdienstleistungen empfangen und für ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit verwenden kann. Im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit haben nämlich allein die nationalen Gerichte alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen dazu vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2011, Bog u. a., C‑497/09, C‑499/09, C‑501/09 und C‑502/09, EU:C:2011:135, Rn. 55, sowie vom 20. April 2023, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej, C‑282/22, EU:C:2023:312, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

51        Der Gerichtshof kann diesen Gerichten jedoch alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die für die Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können (Urteile vom 17. Dezember 2020, Franck, C‑801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 4. März 2021, Frenetikexito, C‑581/19, EU:C:2021:167, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

52        Da aus der Vorlageentscheidung insoweit hervorzugehen scheint, dass alle Gesellschaften der Adient-Unternehmensgruppe über dasselbe EDV- und Buchhaltungssystem verfügen, bedeutet der Umstand, dass die Arbeitnehmer der Zweigniederlassungen von Adient Rumänien in Pitești und Ploiești auf elektronischem Wege Zugang zum Buchhaltungssystem von Adient Deutschland haben, um u. a. die von Adient Deutschland gelieferten Rohstoffe und die Fertigprodukte unmittelbar zu registrieren, dennoch nicht, dass Adient Deutschland in Rumänien über die Infrastruktur verfügen würde, die geeignet wäre, die eigenständige Bewirkung ihrer eigenen Umsätze nach Abschluss des Herstellungsprozesses dieser Produkte zu ermöglichen. Das Vorliegen solch einer Infrastruktur lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass Adient Deutschland Lagerräume für die Fertigprodukte und die Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden, die Adient Deutschland ihrem Dienstleistungserbringer zur Verfügung stellt, wobei sie sich das Eigentum daran vorbehält.

 

53        Was den Umstand anbelangt, dass die Arbeitnehmer an den Zweigniederlassungen von Adient Rumänien in Pitești und Ploiești Aufgaben wahrnehmen, die über die Aufgaben hinausgehen, die ihnen in der Regel im Rahmen der von Adient Rumänien erbrachten Dienstleistungen übertragen werden und durch die sie unmittelbar an der Lieferung von Fertigprodukten an die Kunden von Adient Deutschland beteiligt sind, ist es Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob, wie Adient Deutschland vor diesem vorgetragen hat, die von ihnen durchgeführten Tätigkeiten sich auf Aufgaben beschränken, die unmittelbar mit der Durchführung der Verarbeitungsdienstleistung zusammenhängen oder rein administrativer Natur sind und ob diese Arbeitnehmer – obwohl vertraglich mit Adient Rumänien verbunden – im Hinblick auf die Bedingungen ihrer Beschäftigung und Vergütung in Wirklichkeit der hierarchischen Struktur dieser Gesellschaft entzogen und bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben Adient Deutschland zur Verfügung stehen und ihrer Aufsicht unterliegen.

 

54        Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes dieser Dienstleistungen nicht davon auszugehen ist, dass es in diesem letztgenannten Mitgliedstaat allein deshalb über eine feste Niederlassung verfügt, weil die beiden Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören oder zwischen ihnen ein Dienstleistungsvertrag besteht.

 

Zur dritten und zur siebten Frage

55        Mit seiner dritten und seiner siebten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Verarbeitungsdienstleistungen empfängt, für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungen davon ausgegangen werden kann, dass es in diesem letztgenannten Mitgliedstaat über eine feste Niederlassung verfügt, wenn es zum einen dort über eine Struktur verfügt, die an der Lieferung der Fertigprodukte aus diesen Verarbeitungsdienstleistungen beteiligt ist, und zum anderen diese Lieferungen überwiegend außerhalb des letztgenannten Mitgliedstaats durchgeführt werden und diejenigen, die dort durchgeführt werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.

 

56        Erstens ist, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, für die Prüfung der Frage, ob eine feste Niederlassung im Sinne von Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorliegt, auf den steuerpflichtigen Empfänger der in Rede stehenden Dienstleistung abzustellen (Urteile vom 16. Oktober 2014, Welmory, C‑605/12, EU:C:2014:2298, Rn. 57, und vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 30), während für die Anwendung der übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie, die sich auf den Begriff der festen Niederlassung beziehen, auf den steuerpflichtigen Dienstleistungserbringer abzustellen ist.

 

57        Diese Unterscheidung ist schon dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 zu entnehmen.

 

58        Aus Art. 11 Abs. 1 dieser Durchführungsverordnung ergibt sich nämlich, dass für die Anwendung von Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der den Ort der Dienstleistung betrifft, als feste Niederlassung jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 10 dieser Verordnung gilt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

 

59        Dagegen gilt nach Art. 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung für die Anwendung u. a. von Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie, der die Bestimmung des Steuerschuldners betrifft, als feste Niederlassung jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen.

 

60        Auch wenn alle festen Niederlassungen das gemeinsame Merkmal aufweisen, dass sie aus einer Struktur bestehen, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit und eine Eignung zur eigenständigen Ausübung ihrer Tätigkeiten aufweist, ist somit danach zu unterscheiden, ob die dieser Struktur übertragenen Aufgaben darin bestehen, Dienstleistungen zu empfangen oder zu erbringen, und in Bezug auf die Frage, ob im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung eine feste Niederlassung besteht, auf den Empfang von Dienstleistungen abzustellen.

 

61        Zweitens ist in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens zunächst zwischen den von Adient Rumänien an Adient Deutschland erbrachten Dienstleistungen und den Verkäufen und Lieferungen der aus diesen Dienstleistungen herrührenden Gegenstände, die Adient Deutschland von Rumänien aus durchführt, zu unterscheiden, da diese Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen unterschiedliche Umsätze darstellen, die unterschiedlichen Mehrwertsteuerregelungen unterliegen. Daher ist zur Bestimmung des Ortes, an dem Adient Deutschland diese Leistungen empfängt, der Ort zu ermitteln, an dem sich die von ihr zu diesem Zweck verwendete personelle und technische Ausstattung befindet, und nicht der Ort, an dem sich die von ihr für ihre Liefertätigkeit der Fertigprodukte verwendete Ausstattung befindet (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

62        Daher ist der Umstand – seinen Nachweis unterstellt –, dass Adient Deutschland innerhalb einer Struktur in Rumänien über eine Ausstattung verfügt, mit der sie aus von Adient Rumänien für sie erbrachten Dienstleistungen herrührende Gegenstände liefert, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungen nicht relevant, um das Vorliegen einer festen Niederlassung zu begründen. Erst recht ist hierfür der Umstand nicht von Bedeutung, dass diese Lieferungen von Gegenständen überwiegend außerhalb Rumäniens durchgeführt werden oder dass die Lieferungen, die in Rumänien durchgeführt werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.

 

63        Da das vorlegende Gericht zur Begründung dieser Fragen bezüglich der Berücksichtigung der von Adient Deutschland durchgeführten Lieferung von Gegenständen ausführt, dass sich sowohl Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 als auch Art. 266 Abs. 2 Buchst. b des Steuergesetzbuchs unterschiedslos auf die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen bezögen, erweist es sich sodann als erforderlich, Klarstellungen zur Tragweite dieser unionsrechtlichen Bestimmungen und des Verweises auf den Begriff der „Lieferung von Gegenständen“ vorzunehmen.

 

64        Erstens ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen nicht die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung betreffen, sondern die Bestimmung des Schuldners der Steuer, die in einem Mitgliedstaat auf die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen geschuldet wird, die in diesem Mitgliedstaat zu versteuern sind und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt werden.

 

65        Es ist jedoch festzustellen, dass weder aus der Vorlageentscheidung noch aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorgeht, dass der Ausgangsrechtsstreit die Mehrwertsteuerregelung betrifft, die auf die von Adient Deutschland in Rumänien durchgeführten Lieferungen von Gegenständen anwendbar ist.

 

66        Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, auf die sich das vorlegende Gericht zur Begründung dieser Fragen bezieht, sind daher in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die ausschließlich die Bestimmung des Ortes der von Adient Rumänien an Adient Deutschland erbrachten Dienstleistungen betrifft, nicht anwendbar.

 

67        Zweitens ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie tatsächlich ergibt, dass die Beteiligung der festen Niederlassung an der Lieferung von Gegenständen ebenso berücksichtigt wird wie ihre Beteiligung an der Erbringung von Dienstleistungen, um zu bestimmen, wer – der Steuerpflichtige oder seine feste Niederlassung – die Mehrwertsteuer für diese Umsätze schuldet.

 

68        Nach diesem Artikel gilt ein Steuerpflichtiger, der in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Steuer geschuldet wird, über eine feste Niederlassung verfügt, als nicht in diesem Mitgliedstaat ansässig, wenn er in dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eine steuerbare Lieferung von Gegenständen bewirkt oder eine steuerbare Dienstleistung erbringt und seine Niederlassung dort nicht an der Lieferung dieser Gegenstände oder der Erbringung dieser Dienstleistungen beteiligt ist.

 

69        Im Übrigen stellt Art. 53 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 klar, dass die feste Niederlassung eines Steuerpflichtigen nur dann berücksichtigt wird, wenn diese feste Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen, an der sie beteiligt ist, auszuführen. Nach Art. 53 Abs. 2 dieser Durchführungsverordnung muss diese Ausstattung von dem Steuerpflichtigen für Umsätze genutzt werden, die mit der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen notwendig verbunden sind und vor oder während dieser Lieferung oder Dienstleistung bewirkt werden.

 

70        Aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der Steuerpflichtige im Hinblick auf die Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners nur dann als im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem er eine Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung einer Dienstleistung ausführt, ansässig gilt, wenn er in diesem Mitgliedstaat durch das ständige Zusammenwirken der personellen und technischen Ausstattung über eine Struktur verfügt, die einen Mindestbestand aufweist und die vor oder während der Bewirkung der betreffenden steuerbaren Umsätze an diesen beteiligt ist.

 

71        Wie jedoch in Rn. 59 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht aus Art. 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 auch hervor, dass für die Anwendung von Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie diejenige feste Niederlassung zu berücksichtigen ist, die die Dienstleistungen erbringt, und nicht diejenige, die die ihr erbrachten Dienstleistungen verwendet. Die feste Niederlassung, die an einer Lieferung von Gegenständen oder einer Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 53 Abs. 1 dieser Durchführungsverordnung beteiligt ist, kann daher nur eine feste Niederlassung sein, die Dienstleistungen erbringt.

 

72        Folglich kann, wenn der Steuerpflichtige, der eine Lieferung von Gegenständen in einem Mitgliedstaat ausführt, in diesem Mitgliedstaat nur über eine feste Niederlassung verfügt, die Dienstleistungen empfängt, der Umstand, dass diese Niederlassung an der Lieferung von Gegenständen durch diesen Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat beteiligt ist, keine Auswirkungen auf die Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners für diese Umsätze haben.

 

73        Selbst wenn man im vorliegenden Fall davon ausgeht, dass Adient Deutschland über eine feste Niederlassung verfügt, die Empfängerin der von Adient Rumänien erbrachten Dienstleistungen ist, und dass diese Niederlassung an den Lieferungen von Gegenständen beteiligt ist, die Adient Deutschland in Rumänien ausführt, könnte Adient Deutschland trotzdem nicht gemäß Art. 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie als in Rumänien ansässig angesehen werden.

 

74        Nach alledem ist auf die dritte und die siebte Frage zu antworten, dass Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass weder der Umstand, dass ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Verarbeitungsdienstleistungen empfängt, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat über eine Struktur verfügt, die an der Lieferung der Fertigprodukte aus diesen Verarbeitungsdienstleistungen beteiligt ist, noch die Tatsache, dass diese Lieferungen überwiegend außerhalb des letztgenannten Mitgliedstaats durchgeführt werden und diejenigen, die dort durchgeführt werden, der Mehrwertsteuer unterliegen, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungen für die Feststellung relevant sind, dass dieses Unternehmen in diesem letztgenannten Mitgliedstaat eine feste Niederlassung hat.

 

Zur vierten bis sechsten und zur achten Frage

75        Mit seinen Fragen 4 bis 6 und 8 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 44 und 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 11 und 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass, wenn ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat, von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, die technische und personelle Ausstattung, mit der dieses zweitgenannte Unternehmen die Dienstleistungen erbringt, oder die Ausstattung, die für die mit diesen Dienstleistungen verbundenen Verwaltungstätigkeiten eingesetzt wird, berücksichtigt werden kann, um das Vorliegen der festen Niederlassung des erstgenannten Unternehmens in diesem letztgenannten Mitgliedstaat zu begründen.

 

76        Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, dass die Steuerverwaltung im Ausgangsverfahren zur Begründung des Vorliegens einer festen Niederlassung von Adient Deutschland in Rumänien die von Adient Rumänien zur Erbringung ihrer Verarbeitungsdienstleistungen verwendete personelle und technische Ausstattung berücksichtigt hätte. Das vorlegende Gericht führt zur Stützung seiner vierten und seiner fünften Frage im Übrigen aus, die Steuerverwaltung habe festgestellt, dass die mit der Erbringung der Verarbeitungsdienstleistungen verbundene personelle und technische Ausstattung Adient Rumänien und nicht Adient Deutschland gehört habe, die die mit der Lieferung der nachgelagerten Waren verbundene personelle und technische Ausstattung eingesetzt habe. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Würdigung des Sachverhalts zuständig ist, die insoweit erforderlichen Prüfungen vorzunehmen.

 

77        Vorbehaltlich dieser Prüfungen ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass ein und dieselbe Ausstattung nicht gleichzeitig von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen zur Erbringung und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen zum Empfang derselben Dienstleistungen in einer mutmaßlich festen Niederlassung in dem erstgenannten Mitgliedstaat verwendet werden kann (Urteile vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 54, und vom 29. Juni 2023, Cabot Plastics Belgium, C‑232/22, EU:C:2023:530, Rn. 41).

 

78        Das Vorliegen einer festen Niederlassung des Dienstleistungsempfängers setzt daher voraus, dass es möglich ist, die personelle und technische Ausstattung zu identifizieren, die sich von derjenigen unterscheidet, die das dienstleistende Unternehmen für die Erbringung seiner eigenen Dienstleistungen einsetzt, und die dem Empfänger dieser Dienstleistungen zur Verfügung gestellt wird, um deren Empfang und Verwendung entsprechend seinem eigenen Bedarf sicherzustellen. Fehlt es an einer solchen Feststellung, verfügt ein solcher Dienstleistungsempfänger nicht über eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat des dienstleistenden Unternehmens und kann daher nicht als in diesem Mitgliedstaat ansässig angesehen werden.

 

79        Angenommen, die feste Niederlassung könnte zugleich Erbringer und Empfänger derselben Dienstleistungen sein, würden in diesem Fall, wie die Generalanwältin in Nr. 35 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, Leistender und Leistungsempfänger identisch sein, so dass es grundsätzlich bereits an einem steuerbaren Umsatz fehlt.

 

80        Zur Frage, ob mit Verarbeitungsdienstleistungen zusammenhängende Leistungen berücksichtigt werden können, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten, die für die Durchführung der Unternehmenstätigkeit erforderlich sind, nicht die Begründung einer festen Niederlassung zulassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2007, Planzer Luxembourg, C‑73/06, EU:C:2007:397, Rn. 56). Im vorliegenden Fall ergibt sich vorbehaltlich der Beurteilung aller relevanten Umstände, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben, wie sie im Vorabentscheidungsersuchen dargelegt worden sind, dass es sich bei Tätigkeiten wie der Entgegennahme, Verwaltung oder Prüfung der Rohstoffe und Fertigprodukte, der Unterstützung von Qualitätsaudits oder der Erteilung des Versandauftrags für die Fertigprodukte um Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten zu der von Adient Rumänien vorgenommen Verarbeitungstätigkeit handelt.

 

81        Nach alledem ist auf die Fragen 4 bis 6 und 8 zu antworten, dass die Art. 44 und 192a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Art. 11 und 53 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 dahin auszulegen sind, dass ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, keine feste Niederlassung in diesem letztgenannten Mitgliedstaat hat, wenn sich die personelle und technische Ausstattung, über die es in diesem Mitgliedstaat verfügt, nicht von derjenigen unterscheidet, mit der die Dienstleistungen an das erstgenannte Unternehmen erbracht werden, oder wenn diese personelle und technische Ausstattung nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sicherstellt.

 

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