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Steuerrecht
06.11.2008
Steuerrecht
: Darlehensverlust - Krise - nachträgliche Anschaffungskosten - Sanierungsprivileg - Eigenkapitalersatzrecht

BFH, Urteil vom 19.8.2008 - IX R 63/05

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 17.10.2005 - 11 K 2558/04 E (EFG 2006, 110)

LEITSATZ

Das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG schließt den Ansatz von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG nicht aus.

EStG § 17 Abs. 2; GmbHG § 32a Abs. 3 Satz 3

SACHVERHALT

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gesellschafter der Firma G-GmbH (GmbH). Seine Aufnahme in die Gesellschaft wurde in der Gesellschafterversammlung vom 3. März 2000, an der er teilnahm, vereinbart. Zugleich verpflichtete sich der Kläger, der GmbH im Hinblick auf deren schlechte Liquiditätslage kurzfristig ein Darlehen in Höhe von 150 000 DM zu gewähren, das er am 20. März 2000 zusammen mit dem Anteil am Stammkapital auf ein Konto der GmbH überwies. Am 1. April 2000 schloss er mit der GmbH einen Darlehensvertrag über dieses Darlehen (Rückzahlung am 1. Januar 2002, Zinssatz 12,5 %). Die GmbH erhöhte am 16. Mai 2000 ihr Stammkapital von 25 000 € auf 82 000 €. Der Kläger wurde zur Übernahme einer Stammeinlage im Nennbetrag von 10 250 € zugelassen.

Der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der GmbH zum 31. Dezember 1999 weist eine angespannte Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der GmbH aus. Die für das Geschäftsjahr 1999 erstellte Gewinn- und Verlustrechnung ergibt einen Fehlbetrag von 204 140,38 DM.

Im Jahr 2000 geriet die GmbH weiter in die Krise. Aus der Bilanz auf den 31. Dezember 2000 ergibt sich bei einem gezeichneten Kapital von 160 378 DM und einer Kapitalrücklage von 110 539,78 DM ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 579 253,99 DM. Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern sind in Höhe von 817 199,87 DM bilanziert.

Angesichts der hohen Verluste der Vorjahre wurde zunächst durch weitere Darlehen der Gesellschafter versucht, den entstandenen Liquiditätsengpass zu überwinden. Im Zuge dessen erklärte sich der Kläger in der Gesellschafterversammlung am 29. Mai 2001 bereit, ein zinsloses Kurzfristdarlehen über 10 000 DM zu gewähren. Am 11. September 2001 schlossen die GmbH und der Kläger eine Rangrücktrittsvereinbarung hinsichtlich des Darlehens von 150 000 DM, wonach der Kläger zur Vermeidung eines Insolvenzantrags mit seinem Darlehensanspruch und den Zinsen im Rang hinter die Forderungen der Gläubiger zurücktrat.

Letztlich konnte die Insolvenz der Gesellschaft aber nur durch Übernahme der Gesellschaft durch Herrn W vermieden werden. Um diese zu ermöglichen, gaben die Altgesellschafter eine Verzichtserklärung auf die erbrachten Gesellschafterdarlehen ab, wodurch sich außerordentliche Erträge von 1 074 744,86 DM ergaben, nachdem zwischenzeitlich noch weitere Gesellschafterdarlehen gewährt worden waren (Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung für 2001: 398 200 DM). Am 11. November 2001 wurde in diesem Zusammenhang zwischen dem Kläger und der GmbH die Verzichtsvereinbarung hinsichtlich des Darlehens von 150 000 DM geschlossen. In dieser Vereinbarung ist unter anderem festgelegt, dass die Gesellschafter in unterschiedlicher Höhe Gesellschafterdarlehen gewährt haben, auf die vereinbarte Zinsen nicht gezahlt worden seien, da sich die Gesellschaft in einer wirtschaftlichen Krise befinde und genötigt sei, Insolvenzantrag zu stellen bzw. insolvenzvermeidende Maßnahmen zu treffen. Insoweit verzichteten alle Gesellschafter auf ihren Rückzahlungsanspruch und die Zinsen aus den Darlehen. Der Verzicht wurde vor dem Hintergrund erklärt, dass die Gesellschaft ohnehin nicht zur Rückzahlung der Darlehen in der Lage wäre.

Mit notariellem Vertrag vom 15. November 2001 veräußerte der Kläger seinen GmbH-Anteil an Herrn W zum Kaufpreis von 1 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 (Streitjahr) die vom Kläger an die GmbH gewährten Darlehen von insgesamt 160 000 DM im Hinblick auf § 32a Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 110 veröffentlichten Urteil der Klage stattgegeben: § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG ändere nichts am tatsächlichen Charakter der gewährten Darlehen als Eigenkapitalersatz.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses eine Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG) rügt, da sich das FG zu Unrecht von der gebotenen strikten Bindung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht löse.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Recht hat das FG angenommen, dass dem Kläger aus der Darlehensgewährung an die GmbH nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) in Höhe von 160 000 DM entstanden sind.

1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, m.w.N.).

Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385).

a) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Das ist bei einem Darlehen des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft der Fall, wenn und insoweit es Eigenkapital ersetzt (vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG), weil der Gesellschafter es in einem Zeitpunkt gewährt, in dem er als ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 4. März 2008 IX R 80/06, BStBl II 2008, 577, und IX R 78/06, BStBl II 2008, 575).

Finanzierungsmaßnahmen führen mithin zu nachträglichen Anschaffungskosten, wenn sie als Ersatz für Eigenkapital zu betrachten und deshalb wie dieses gebunden sind (funktionales Eigenkapital; vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320, m.w.N.).

b) Allerdings unterliegen nach dem sog. Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG Tilgungs- und Zinszahlungen auf Darlehen in solchen Fällen keiner Auszahlungssperre, die Forderungen sind nicht nachrangig. Gleichwohl schließt diese Freistellung der Darlehen eines Sanierungsgesellschafters von den Beschränkungen des § 32a GmbHG im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStG nicht deren Funktion als Eigenkapital aus. Denn Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung ist es, Anreize zu bieten, GmbH's Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen (vgl. BTDrucks 13/10038, S. 28; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., §§ 32a/b Rz 79; Scholz/Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 32a, 32b Rz 211). Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich benachteiligt würde (vgl. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 300).

2. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung. Der Ausfall der streitbefangenen Darlehen führt zu nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG wurden die streitigen Darlehen bei Kreditunwürdigkeit der GmbH und damit in der Krise gewährt. Das Darlehen über 150 000 DM wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufnahme des Klägers in die Gesellschaft gewährt, um --wie mit der Erhöhung des Stammkapitals-- der Überschuldung der Gesellschaft zu begegnen. Das Darlehen über 10 000 DM diente --zusammen mit anderen kurzfristig gegebenen Gesellschafterdarlehen-- der Vermeidung der Insolvenz.

Beide Darlehen wurden in einer Situation gegeben, in der die Konkursreife der Gesellschaft noch nicht eingetreten war, die Rückzahlung der Darlehen aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu den selben Bedingungen wie der Kläger nicht mehr eingegangen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 198, 390, BStBl II 1999, 724). Unerheblich ist, dass der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltig war. Denn die Höhe der Anschaffungskosten bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Darlehensgewährung in der Krise der GmbH (Nennbetrag; vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339).

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