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Steuerrecht
31.07.2014
Steuerrecht
Hessisches FG: Besteuerungsrecht für Abfindungszahlung an in die Schweiz verzogenen Arbeitnehmer

Hessisches FG, Urteil vom 8.10.2013 – 10 K 2176/11, Rev. eingelegt, Az. BFH I R 79/13

 

Leitsätze der Redaktion

1. Das Besteuerungsrecht für eine Abfindungszahlung, die von einem deutschen Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsplatzes und für die damit verbundenen, gegebenenfalls auch bereits entstandenen, finanziellen und beruflichen Nachteile gezahlt wurde, steht gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz der Schweiz zu, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und vor Auszahlung der Abfindung seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt hat.

2. Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für die Abfindungszahlung kann nicht aus der deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17.3.2010 (BMF, Schreiben vom 25.3.2010, BStBl. I 2010, 268) hergeleitet werden. Die Konsultationsvereinbarung bedeutet eine Abänderung des Doppelbesteuerungsabkommens, die ohne Umsetzung in positives und mit dem Abkommen gleichrangiges Recht (vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) nicht möglich ist. Sie ist daher für die Gerichte nicht bindend.

3. Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland folgt auch nicht aus § 24 Abs. 1 S. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft – Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung – KonsVerCHEV – vom 20.12.2010 (BGBl. I 2010, 2187). § 24 Abs. 1 S. 2 KonsVerCHEV verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes und ist unwirksam.

EStG §§ 19, 24 Nr. 1a/b; DBA-Schweiz Art. 15 Abs. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Erfassung einer Abfindungszahlung des ehemaligen Arbeitgebers an den Kläger im Streitjahr 2010.

Der Kläger, der seit von seiner Ehefrau getrennt lebte und am … geschieden wurde, war Arbeitnehmer der … in … . Mit Vertrag vom … beendeten der Kläger und sein damaliger Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum … . Der Kläger wurde unter Fortzahlung der Bezüge zum … unwiderruflich freigestellt. Der Kläger konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem beenden. Die regulären Bezüge wurden bis zum … fortgezahlt. Gleichzeitig erhielt der Kläger Boni für die Jahre 2009 und 2010. In Ziffer des Vertrages vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Kläger als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von … Euro erhalten sollte. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem … fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.

Eine angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt konnte nicht erreicht werden (Bescheid vom 2010). Ein dagegen gerichtetes (Sprung-)Klageverfahren erledigte sich durch Klagerücknahme, nachdem das beklagte FA der Sprungklage gegen die Ablehnung der Freistellung nicht zugestimmt hatte. Die Abfindung wurde im … 2010 gezahlt. Mit der Gehaltsabrechnung 2010 vom .2010 behielt der ehemalige Arbeitgeber … Euro Lohnsteuer und … Euro Solidaritätszuschlag ein und überwies dem Kläger den Differenzbetrag von … Euro.

Bereits zum hatte der Kläger seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt, dort eine Wohnung angemietet und eine nichtselbständige Arbeit bei der … GmbH aufgenommen. Der Kläger ist an dieser GmbH nicht beteiligt. Die Steuerverwaltung des Kantons … bestätigte dem Kläger, dass er in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig sei und – vorbehaltlich einschlägiger Doppelbesteuerungsabkommen – Abfindungszahlungen früherer Arbeitgeber in der Schweiz zu versteuern seien.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von … Euro als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971, (BGBl II 1972, 1022; BStBl I 1972, 519) – DBA-Schweiz – steuerfreien Arbeitslohn. Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag trug er in der Anlage N unter Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre ein. Der Beklagte wertete den Betrag von … Euro jedoch als Entschädigung/ Arbeitslohn für mehrere Jahre, der in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitslohn – nach § 34 Einkommensteuergesetz – EStG – ermäßigt – zu versteuern sei. Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG beim Progressionsvorbehalt berücksichtigt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid vom … legte der Kläger am … Einspruch ein; er sah weiterhin die Abfindung als nach dem DBA-Schweiz steuerfrei an. Am … erging ein aus anderen Gründen geänderter Einkommensteuerbescheid 2010, der den hier streitigen Punkt nicht betraf. Mit seiner Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte behandelte die Abfindung als nach §§ 19, 24 Nr. 1a/b EStG zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Abfindung sei eindeutig der konkreten Tätigkeit für die zuzuordnen und damit nicht gemäß Art. 15 DBA-Schweiz in der Schweiz zu versteuern. Die Entschädigung sei ausdrücklich für den Verlust des Arbeitsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und damit verbundener beruflicher und finanzieller Nachteile gezahlt worden. Außerdem sei mit der Konsultationsvereinbarungsverordnung vom 20.12.2010 die Verständigungsvereinbarung von 1992 mit der Schweiz umgesetzt worden. Damit seien andere Abfindungen als Abfindungen mit Versorgungscharakter durch den früheren Tätigkeitsstaat, hier also die Bundesrepublik Deutschland, zu versteuern. Nur wenn die Versteuerung in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht erfolge, könne die Schweiz den Betrag besteuern. Es komme auch keine Aufteilung des Betrages in Betracht, da der Kläger in diesem Zusammenhang nicht in der Schweiz tätig geworden sei.

Mit seiner dagegen gerichteten Klage begehrt der Kläger weiterhin, die Abfindung in der Bundesrepublik Deutschland als nach dem DBA-Schweiz steuerfreien Arbeitslohn zu behandeln. Die Abfindungszahlung unterliege nicht dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger sei bereits seit dem in der Schweiz ansässig. Seine Wohnung in Deutschland habe er am aufgegeben und zum vermietet. Im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung im 2010 sei er ausschließlich in der Schweiz ansässig gewesen. Der Kläger unterliege zwar gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4, insb. Nr. 4d, EStG mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der beschränkten Steuerpflicht. Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz unterlägen Abfindungen für die Beendigung eines früheren Arbeitsverhältnisses dem Besteuerungsrecht der Schweiz. Es läge kein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit vor. Die Abfindung sei für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden und nicht für eine konkret ausgeübte Tätigkeit, wie der Bundesfinanzhof – BFH – auch mehrfach ausgeführt habe. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einem Zusammenhang zwischen Zahlung und früherer Tätigkeit aus. Die Erhöhung der Abfindung bei vorzeitiger Kündigung lasse nicht darauf schließen, dass die Abfindung für eine konkrete Tätigkeit geleistet wurde. Dies verdeutliche vielmehr, dass die Gehaltsfortzahlung eher für die Nichtausübung der Tätigkeit geleistet wurde und kein konkreter Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit bestehe. Auch zu den Bonuszahlungen sei keine Beziehung herzustellen. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz sei ebenfalls nicht einschlägig. Der Kläger habe zum in der Schweiz eine nichtselbständige Arbeit bei einem Arbeitgeber aufgenommen, an dem er weder unmittelbar noch mittelbar wirtschaftlich wesentlich interessiert gewesen sei.

Die Konsultationsvereinbarungen mit der Schweiz vom 13.10.1992 und 25.03.2010 änderten an der rechtlichen Beurteilung nichts. Die Vereinbarung vom 13.10.1992 sei mit der BFH-Rechtsprechung nicht anzuwenden. Die Verständigungsvereinbarung vom 25.03.2010 laufe darauf hinaus, dass die Schweiz die Abfindungen wegen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in der Bundesrepublik Deutschland nur besteuern dürfe, wenn in der Bundesrepublik Deutschland keine Lohnsteuer einbehalten wurde. Damit verstoße diese Regelung gegen den eindeutigen Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz. Es handele sich insoweit auch nicht um eine zulässige einvernehmliche Auslegung des Abkommens, sondern im Ergebnis um eine den Steuerpflichtigen belastende, steuerverschärfende Änderung des Abkommens, die als bloße Verwaltungsvereinbarung keine Änderung des vorrangigen Gesetzes bewirken könne. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lasse zwar auch eine Vertragsauslegung (des Doppelbesteuerungsabkommens) durch die beteiligten Parteien zu, die im Ergebnis eine neue Praxis der Anwendung begründe und letztlich über den Vertragsinhalt hinausgehe. Ohne entsprechende Umsetzung durch nationale Gesetze sei der Vollzug dieser Vereinbarungen dann aber auf Tätigkeiten beschränkt, die nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. Das sei hier aber nicht gegeben. Das Abkommen stelle deshalb auch keine verfassungskonforme Auslegung des Doppelbesteuerungsabkommens dar, um so genannte weiße Einkünfte – doppelte Nichtbesteuerung – zu verhindern. Durch § 2 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) sei ebenfalls keine Grundlage für eine Bindungswirkung der Verständigungsvereinbarung geschaffen worden. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz sei eindeutig. Die Verständigungsvereinbarung führe jedoch unzulässigerweise zu der Erweiterung der Anwendung bzw. Änderung und sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Vielmehr gehe dies nur über eine ausdrückliche Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen, wie auch Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz ausdrücklich belege. Die Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 AO sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Im Übrigen werde § 2 Abs. 2 AO den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) nicht gerecht. § 2 Abs. 2 AO sei zu unbestimmt. Ohne die Konsultationsvereinbarung liege ohnehin kein Fall der doppelten Nichterfassung vor, da die Steuerverwaltung des Kantons … die grundsätzliche Besteuerung der Abfindung in der Schweiz bestätigt habe.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 13.09, 06.10 und 31.10.2011 (Bl. 1, 85, 95 Finanzgerichtsakten) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid für 2010 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag sowie Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG vom dahingehend abzuändern, dass die Besteuerungsgrundlagen zur Steuerfestsetzung 2010 um die bisher berücksichtigte Abfindungszahlung von … Euro als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemindert und die Abfindungszahlung von … Euro im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG (in der für das Jahr 2010 maßgeblichen Fassung) berücksichtigt wird,

hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall einer (teilweisen) Klagestattgabe, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält die Besteuerung der Abfindungszahlung für zutreffend. Es sei unstreitig, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zahlung seinen Wohnsitz in der Schweiz gehabt habe und die Besteuerung gemäß dem DBA-Schweiz zu erfolgen habe. Für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sei Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz maßgeblich. Es handele sich allerdings nicht um eine klassische Abfindungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern um eine darüber hinausgehende sonstige Vergütung. Die Zahlung erfolgte nicht nur für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch zum Ausgleich bereits entstandener und damit in Zukunft verbundener beruflicher und finanzieller Nachteile. Außerdem sollte sich die Zahlung noch um den Betrag des jeweiligen Grundgehaltes erhöhen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem durch den Kläger beendet würde. Aus diesen Regelungen folge, dass eine Konnexität bestehe und eine eindeutige Zuordnung der Zahlung zur konkreten Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Dienstverhältnisses bei der … möglich sei. Die Abfindungszahlung sollte nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes kompensieren.

Im Übrigen folge aus den Verständigungsvereinbarungen vom 13.10.1992 und 25.03.2010, die durch die Konsultationsvereinbarungsverordnung vom 20.12.2010 in innerstaatliches Recht transformiert wurden, dass das Besteuerungsrecht nicht bei der Schweiz liege. Für die Abfindung habe der ehemalige Arbeitgeber des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland Lohnsteuer einbehalten, so dass nach den Vereinbarungen das Besteuerungsrecht nicht an die Schweiz zurückfalle. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des BFH beträfen den Rechtszustand vor Einführung der Konsultationsvereinbarungsverordnung. Die Besteuerung habe in Deutschland als dem Tätigkeitsstaat zu erfolgen.

Eine Aufteilung der Abfindung scheide aus. Zwar habe der Kläger bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum … seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt, er sei dort aber nicht tätig geworden. Er habe sich nicht etwa in der Schweiz zur Verfügung gehalten im Sinne einer Abrufbereitschaft; der Kläger sei vielmehr unwiderruflich freigestellt gewesen. Die Wohnsitzverlagerung sei insoweit irrelevant. Es liege keine steuerlich relevante Ortsverlagerung vor.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom . (wohl . gemeint) 2011 (Bl. 89, 99 Finanzgerichtsakten) Bezug genommen.

Während des Klageverfahrens erging am ... ein nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2010, der die im Rechtsstreit befindliche Problematik nicht betrifft.

Die Beteiligten haben sich ausdrücklich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 31.10.2011 und 21.10.2011, Bl. 96, 100 Finanzgerichtsakten).

Dem Gericht lag bei seiner Entscheidung ein Band Einkommensteuerakten des Klägers das Jahr 2010 betreffend vor.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat die im September 2010 gezahlte Abfindung zu Unrecht als Arbeitslohn versteuert. Die Abfindung unterlag nicht mehr der deutschen Besteuerung, da der Kläger im Zeitpunkt der Zahlung seinen Wohnsitz bereits in der Schweiz hatte.

Nachdem der Kläger zum in die Schweiz verzogen war, war er in der Bundesrepublik Deutschland nur noch beschränkt einkommensteuerpflichtig. Gemäß § 2 Abs. 8 S. 3 EStG (in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung) sind allerdings die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in die Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (beim Kläger für den Zeitraum … bis … 2010) mit einzubeziehen.

Die im 2010 vom früheren inländischen Arbeitgeber des Klägers gezahlte Abfindung zählt zwar gem. §§ 49 Abs. 1 Nr. 4d, 1 Abs. 4 EStG zu den inländischen Einkünften bei beschränkt Steuerpflichtigen. Die Abfindung wurde als Entschädigung im Sinn des § 24 Nr. 1a EStG für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin, , gezahlt, von der der Kläger zuvor seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hatte.

Gleichwohl durfte die Abfindung nicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfasst werden. Das der Bundesrepublik Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht war durch Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz beschränkt, § 2 Abs. 1 AO. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 DBA-Schweiz steht der Schweiz ab dem 01.05.2010 als (neuem) Wohnsitzstaat des Klägers das Besteuerungsrecht für dessen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu, soweit nicht die Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland als anderen Vertragsstaat ausgeübt wird/wurde. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland besteht damit nur dann, wenn es sich bei den streitigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit um die Vergütung für eine im Inland konkret ausgeübte (auch frühere) Tätigkeit handelt.

Bei Abfindungen, die anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gezahlt werden, ist dieser erforderliche Bezug zu einer konkret im anderen Vertragsstaat ausgeübten Tätigkeit nicht gegeben. Die Abfindungen werden in diesen Fällen nicht für die (bisher ausgeübte) konkrete Tätigkeit gezahlt, sondern als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Nachteile. Der bestehende rechtliche Zusammenhang zwischen Abfindung und Arbeitsverhältnis, der BFH spricht hier von einem bloßen Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit, genügt nach dem Wortlaut des Doppelbesteuerungsabkommens („dafür“) nicht. Der Senat schließt sich insoweit der (ständigen) Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteile vom 02.09.2009 I R 111/08 und I R 90/08, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2010, 387 (zum DBA-Schweiz) und 394 (zum DBA-Belgien), ausdrücklich an. Auch die Finanzverwaltung stimmt dieser Auffassung grundsätzlich zu (Bundesministerium der Finanzen – BMF –, Schreiben vom 14.09.2006, BStBl I 2006, 532, 544 zu Rz. 121).

Soweit der Beklagte aus dem Wortlaut der Ziffer der Aufhebungsvereinbarung einen eindeutigen konkreten Bezug zur früheren Tätigkeit des Klägers herstellt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Abfindung wird für den Verlust des Arbeitsplatzes und für die damit verbundenen, gegebenenfalls auch bereits entstandenen, finanziellen und beruflichen Nachteile gezahlt. Eine nachträgliche Abgeltung der bisher geleisteten Tätigkeit, wie sie Art. 15 Abs. 1 S. 1 zweiter Halbs. DBA-Schweiz voraussetzen würde, ist darin nicht zu sehen. Die Zahlung erfolgte gerade nicht für ein (früheres) persönliches tatsächliches Tätigwerden des Klägers, auch nicht, soweit sie bereits entstandene Schäden im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen soll. Dementsprechend findet sich die Regelung über die Zahlung von Boni für die Jahre 2009 und 2010 auch getrennt in der Ziffer der Aufhebungsvereinbarung. Der ebenfalls in Ziffer … der Aufhebungsvereinbarung angesprochene Fall, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis einseitig noch früher beendet, ist hypothetischer Natur und wäre von der steuerlichen Beurteilung der eigentlichen Abfindung von Euro getrennt zu würdigen.

Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für die Abfindungszahlung ergibt sich auch nicht aus der deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17.03.2010 (BMF, Schreiben vom 25.03.2010, BStBl I 2010, 268). Diese Vereinbarung entspricht inhaltlich und nahezu wörtlich der bereits mit BMF-Schreiben vom 13.10.1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft - RIW - 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekannt gegebenen Konsultationsvereinbarung und wurde lediglich in einem zweiten Absatz um eine Rückfallklausel ergänzt für den Fall, dass im früheren Tätigkeitsstaat keine Versteuerung erfolgt.

Diese Ausnahmeregelung greift hier nicht, da in der Bundesrepublik Deutschland Lohnsteuer einbehalten wurde.

Gegenüber der Grundregelung der Konsultationsvereinbarung gelten aber die mit Urteil des BFH in BStBl II 2010, 387 (zum DBA-Schweiz, ebenso für das DBA-Belgien BFH in BStBl II 2010, 394) aufgezeigten Bedenken fort. Die Vereinbarung steht im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz und vermag die Gerichte nicht zu binden. Die Konsultationsvereinbarung bedeutet eine Abänderung des Doppelbesteuerungsabkommens, die ohne Umsetzung in positives und mit dem Abkommen gleichrangiges Recht (vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) nicht möglich ist. Der Senat nimmt insoweit auf die Entscheidung des BFH in BStBl II 2010, 387 ausdrücklich Bezug.

Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland lässt sich auch nicht aus § 24 Abs. 1 S. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft – Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung – KonsVerCHEV – vom 20.12.2010 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2010, 2187) herleiten. Diese Regelung ist nach Auffassung des Senates unwirksam. Sie verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes und bindet das Gericht nicht. Die Konsultationsvereinbarungsverordnung wurde auf der Grundlage des neuen § 2 Abs. 2 AO, eingefügt durch Jahressteuergesetz 2010 (BGBl I 2010, 1768), erlassen. § 24 KonsVerCHEV schreibt die Regelung der Konsultationsvereinbarung vom 17.03.2010 auf Verordnungsebene als Rechtsnorm fest. Gemäß § 25 KonsVerCHEV ist die Regelung auf alle offenen Fälle ab dem 01.01.2010 anzuwenden.

Die Rechtsprechung hat sich bisher – soweit ersichtlich – noch nicht mit der Problematik auseinandergesetzt, ob die Regelung des § 24 KonsVerCHEV geeignet ist, der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht in den fraglichen Fällen von Abfindungszahlungen zuzuweisen. Der BFH hat die Frage, ob eine auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 AO erlassene Konsultationsvereinbarungsverordnung den Inhalt eines gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in innerstaatliches Recht umgesetzten Doppelbesteuerungsabkommens abändern kann, bisher offen gelassen (vgl. BFH, Urteil vom 12.10.2011 I R 15/11, BStBl II 2012, 548 zu Rz. 18). Während die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 13.04.2010, BStBl I 2010, 353) und Teile der Literatur (vgl. Ismer, Internationales Steuerrecht – IStR – 2009, 366; wohl auch Heger, Steuer und Wirtschaft International Tax and Business Review 2011, 95, 97) diese Frage bejahen, sieht die (wohl) überwiegende Meinung § 2 Abs. 2 AO und die auf dieser Grundlage ergangenen Konsultationsvereinbarungsverordnungen kritisch. Zum Teil wird § 2 Abs. 2 AO bereits als nicht hinreichend bestimmt angesehen (Lehner, IStR 2011, 723; Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Auflage 2013, § 49 Rz. 72; siehe auch Hummel, IStR 2011, 397). Nach anderer Auffassung hat eine Konsultationsvereinbarungsverordnung auf alle Fälle den Vorrang des Gesetzes zu wahren. Wird eine Konsultationsvereinbarung durch Rechtsverordnung umgesetzt, so steht sie im Rang unter dem Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Steht die Verordnung inhaltlich im Widerspruch zum Wortlaut des Abkommens und damit zum Abkommen selbst, so ist die Vereinbarung unwirksam. Sie ist zu verwerfen und erzeugt keine Bindungswirkung für die Gerichte (Benecke/ Schnittger, IStR 2010, 432, 439; Micker, Internationale Wirtschafts-Briefe – IWB – 2011, 61, 67; Drüen, IWB 2011, 360 ff. und in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 2 AO Tz. 43 f.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 2 AO Rz. 333 f.; Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2013, Systematik Rz. 100; Bourseaux/Levedag in Schönfeld/Ditz, a. a. O., Art. 15 Rz. 49; Pohl, RIW 2012, 677, 680 f.; Lieber, juris-Praxisreport Steuerrecht 19/2012, Anm. 3 zu C). Der Senat erachtet diese Auffassung für überzeugend und schließt sich ihr an.

Für § 24 Abs. 1 S. 2 KonsVerCHEV folgt daraus, dass die Regelung nicht den Vorrang des Gesetzes wahrt und damit unwirksam ist. Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz ist im Wortlaut eindeutig und weist für den vorliegenden Fall der Schweiz das Besteuerungsrecht zu. Demgegenüber ordnet § 24 Abs. 1 S. 2 KonsVerCHEV das Gegenteil an. Die Norm hat denselben Wortlaut wie die Konsultationsvereinbarung, für die feststeht, dass sie nicht durch das DBA-Schweiz gedeckt ist (ebenso zu Art. 15 DBA-Schweiz Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland - Schweiz, Art. 15 Rz. 7; zu Art. 15 OECD-Musterabkommen Wassermeyer/ Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz. 79; allgemein Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Aufl. 2013, § 49 Rz. 72; Hummel, IStR 2011, 397, 403; offen Brandis in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 18 DBA-Schweiz Rz. 21).

Die unwirksame Norm bindet das Gericht nicht (Micker, IWB 2011, 61, 67; Drüen, IWB 2011, 360, 366 f.).

Das Besteuerungsrecht steht der Bundesrepublik Deutschland auch nicht aus anderen Gründen zu. Insbesondere Art. 4 Abs. 4 S. 1 DBA-Schweiz ist nicht einschlägig, da die Regelung des Art. 4 Abs. 4 S. 4 DBA-Schweiz unstreitig greift.

Die Abfindung ist damit aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer herauszunehmen, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig (Schriftsätze vom 20.08.2013 und 06.09.2013, Bl. 135, 138 Finanzgerichtsakten).

Das Gericht hat gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Berechnung der festzusetzenden Steuer hat das Gericht gem. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, die Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

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