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Steuerrecht
14.11.2024
Steuerrecht
EuGH: Besteuerung von Dividenden – Gleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Gesellschaften (Niederländisches Vorabentscheidungsersuchen)

EuGH, Urteil vom 7.11.2023 – C-782/22; XX gegen Inspecteur van de Belastingdienst

ECLI:EU:C:2024:932

Volltext BB-Online BBL2024-2709-1

Tenor

Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach auf Dividenden, die eine gebietsansässige an eine gebietsfremde Gesellschaft ausschüttet, die zur Deckung künftiger Zahlungsverpflichtungen in Anteile der gebietsansässigen Gesellschaft investiert hat, eine Dividendensteuer in Höhe von 15 % des Bruttobetrags erhoben wird, während Dividendenausschüttungen an eine gebietsansässige Gesellschaft der an der Quelle erhobenen Dividendensteuer unterliegen, die vollständig auf die von dieser Gesellschaft geschuldete Körperschaftsteuer angerechnet werden und zu einer Erstattung führen kann, was zur Folge hat, dass für diese Dividenden keine steuerliche Belastung gegeben ist, weil bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die von dieser Gesellschaft zu entrichtenden Körperschaftsteuer durch die Erhöhung ihrer künftigen Zahlungsverpflichtungen verursachte Kosten berücksichtigt werden.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 AEUV.

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XX, einer Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, und dem Inspecteur van de Belastingdienst (Inspektor der Steuer- und Zollverwaltung, Niederlande) wegen der Erstattung der Dividendensteuer, die in den Niederlanden auf die an diese Gesellschaft in den Jahren 2003 bis 2010 (im Folgenden: im Ausgangsverfahren maßgeblicher Zeitraum) ausgeschütteten Dividenden erhoben wurde.

Niederländisches Recht

3          In Art. 3.8 der Wet inkomstenbelasting 2001 (Einkommensteuergesetz 2001) in ihrer für den fraglichen Zeitraum geltenden Fassung heißt es:

„Der Gewinn eines Unternehmens (Gewinn) ist der Betrag der Gesamtvorteile ungeachtet ihrer Bezeichnung und Form, die ein Unternehmen erlangt.“

4          Art. 3 Abs. 1 der Wet op de vennootschapsbelasting 1969 (Gesetz über die Körperschaftsteuer 1969) in ihrer für den fraglichen Zeitraum geltenden Fassung (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz 1969) in Verbindung mit Art. 17 dieses Gesetzes sieht vor, dass gebietsfremde Steuerpflichtige in den Niederlanden der Körperschaftsteuer nur unterliegen, soweit sie dort Einkünfte erzielen.

5          Gemäß Art. 7 Abs. 1 und 2 desselben Gesetzes wird diese Steuer für gebietsansässige Steuerpflichtige entsprechend der Bemessungsgrundlage erhoben, wie sie sich aus dem im Laufe eines Jahres erzielten steuerpflichtigen Gewinn vermindert um die abzugsfähigen Verluste ergibt.

6          Art. 8 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt, dass der Gewinn u. a. nach Art. 3.8 des Einkommensteuergesetzes 2001 in seiner während des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums geltenden Fassung bestimmt wird.

7          Art. 25 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1969 sieht vor, dass die Dividendensteuer als Vorauserhebung auf die Körperschaftsteuer anzusehen ist, es sei denn, dass die Dividendensteuer auf Erträge oder Gewinne erhoben wird, die nicht zum steuerpflichtigen Gewinn oder den niederländischen Einkünften des Jahres gehören.

8          Art. 1 Abs. 1 der Wet op de dividendbelasting 1965 (Gesetz über die Dividendensteuer 1965) in ihrer während des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums geltenden Fassung sieht vor, dass eine als „Dividendensteuer“ bezeichnete direkte Steuer von denjenigen erhoben wird, die unmittelbar oder aufgrund von Bescheinigungen Anspruch haben auf die Erträge aus Anteilen, Genussscheinen und Gewinnschuldverschreibungen an bzw. von in den Niederlanden ansässigen Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, offenen Kommanditgesellschaften und anderen Gesellschaften, deren Kapital ganz oder teilweise in Anteile aufgeteilt ist.

9          Nach Art. 2 dieses Gesetzes wird die Dividendensteuer auf Einkünfte aus Aktien oder Anteilen im Sinne von Art. 1 dieses Gesetzes erhoben.

10        Art. 3 Abs. 1 Buchst. a desselben Gesetzes bestimmt, dass zu den Einkünften die unmittelbaren oder mittelbaren Gewinnausschüttungen gehören, ungeachtet der Bezeichnung oder der Form und einschließlich des anlässlich des Kaufs von Aktien oder Anteilen ausgeschütteten Gewinns, mit Ausnahme vorübergehender Anlagen, der das für die betroffenen Aktien durchschnittlich eingezahlte Kapital übersteigt.

11        Art. 5 des Gesetzes über die Dividendensteuer 1965 in seiner während des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums geltenden Fassung sieht vor, dass die Dividendensteuer 15 % der Einkünfte beträgt.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12        XX ist im Vereinigten Königreich als Versicherungsgesellschaft eingetragen und schließt mit ihren Kunden, bei denen es sich im Wesentlichen um im Vereinigten Königreich ansässige institutionelle Altersversorgungseinrichtungen und Arbeitgeber handelt, als „anteilsgebundene Versicherungspolicen“ (Unit-Linked-Policen) eingestufte Verträge ab.

13        Gemäß diesen Verträgen legt XX die von ihren Kunden erhaltenen Prämien an, um eine Rendite zu erzielen, während das mit Pensionsvereinbarungen zwischen den Kunden und Dritten verbundene Versicherungsrisiko von den Kunden getragen wird. Die von den Kunden eingezahlten Beiträge werden einem oder mehreren anteilsgebundenen Wertpapierkörben zugeordnet und im Gegenzug werden den Kunden „Units“ zugeteilt. Sie erhalten also einen diesen Units entsprechenden Wert zugeteilt, der mit dem Wert multipliziert wird, den die Unit zu dem Zeitpunkt hat, zu dem sie einen Auszahlungsanspruch haben. Dieser Zeitpunkt entspricht im Allgemeinen dem, zu dem diese Kunden verpflichtet sind, Pensionsleistungen an ihre Versicherten zu zahlen. Mit Ausnahme der Bestimmung des Risikoprofils haben die Kunden von XX keinen Einfluss auf die Auswahl der Wertpapiere, in die sie investieren, und sie haben auch keine Rechte an den Wertpapieren, sondern verfügen lediglich über ein wirtschaftliches Interesse, das sich aus dem Wert der Wertpapiere, in die die Units investiert wurden, herleitet.

14        Die Vergütung von XX für die ihren Kunden angebotenen Anlagetätigkeiten entspricht einem Prozentsatz des Wertes des für diese Kunden verwalteten Vermögens und hängt teilweise von den mit diesen Investitionen erzielten Erträgen ab.

15        Während des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums umfassten die Wertpapierkörbe Anteile von in den Niederlanden ansässigen Gesellschaften. Auf die von diesen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden wurde in diesem Mitgliedstaat eine Dividendensteuer in Höhe von 15 % erhoben.

16        Im Vereinigten Königreich unterliegt XX der Körperschaftsteuer und kann die vom Königreich der Niederlande erhobene Dividendensteuer nicht darauf anrechnen.

17        Da sowohl der von XX gestellte Antrag auf Erstattung der von den Niederlanden während des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums erhobenen Dividendensteuer als auch der anschließend eingelegte Einspruch von der Finanzverwaltung zurückgewiesen wurde, erhob XX Klage bei der Rechtbank Zeeland-West-Brabant (Bezirksgericht Seeland-West-Brabant, Niederlande). Diese wurde mit Urteil vom 24. August 2020 abgewiesen.

18        XX legte gegen das Urteil beim Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Berufungsgericht ’s-Hertogenbosch, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein.

19        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass XX in Bezug auf die Dividenden, die sie in den Niederlanden erhalten habe, steuerlich anders behandelt werde als gebietsansässige Steuerpflichtige. Denn die XX zugeflossenen Dividenden würden mit 15 % des Bruttobetrags besteuert, während es bei einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen, der Dividenden in derselben Höhe erhalte und im Übrigen vergleichbare Tätigkeiten wie XX ausübe, tatsächlich nicht zu einer Besteuerung dieser Dividenden komme.

20        Obwohl auch die gebietsansässigen Steuerpflichtigen der Dividendensteuer unterlägen, handele es sich für diese nämlich gemäß Art. 25 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes von 1969 um eine Vorauserhebung auf die von ihnen zu entrichtende Körperschaftsteuer. Die von den gebietsansässigen Steuerpflichtigen erhobene Dividendensteuer könne von diesen somit vollständig auf die von ihnen zu entrichtende Körperschaftsteuer angerechnet werden und werde ihnen erstattet, soweit sie höher als diese Körperschaftsteuer sei.

21        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Körperschaftsteuer, wenn XX ihren Sitz in den Niederlanden hätte, nur auf die Einkünfte erhoben würde, die sie mit den für ihre Kunden erbrachten Dienstleistungen erzielt. Die Nettobasis der Körperschaftsteuer hinsichtlich der bezogenen Dividenden betrage null, weil bei der Bestimmung des Gewinns die Erhöhung von aufgrund der anteilsgebundenen Versicherungspolicen bestehenden Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden als Aufwendungen berücksichtigt würden.

22        Zwar wirke sich der Zufluss der Dividenden als solcher nicht auf die verschiedenen Bilanzposten von XX aus, weder bei den Aktiva noch bei den Passiva, doch bestehe gleichwohl ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anlagenrendite von XX und den Veränderungen ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Kunden. Da es sich bei den Dividenden um ausgeschüttete Gewinne handele, bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen diesen Dividenden, die Teil der von XX erwirtschafteten Anlagenrendite seien, und den Änderungen der Höhe ihrer Verpflichtungen gegenüber den Kunden. XX hätte im Hinblick auf diesen Zusammenhang keine Körperschaftsteuer auf diese Dividenden zu entrichten, wenn sie ihren Sitz in den Niederlanden hätte.

23        Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann eine solche Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden bei den in den Niederlanden ausgeschütteten Dividenden eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellen. Was den Bruttobetrag der Dividenden angehe, sei die Situation von XX vergleichbar mit der eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen, der dieselben Dividenden erhalte, da das Königreich der Niederlande diese Dividenden in beiden Fällen besteuere.

24        Da XX u. a. in Anteile in den Niederlanden investiere, um ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden im Rahmen anteilsgebundener Verträge zu decken, und da die mit Investitionen erzielte Rendite ungeachtet des an XX für die Erbringung ihrer Dienstleistungen entrichteten Entgelts und vernachlässigbaren Kosten zu einer entsprechenden Änderung des Wertes ihrer gegenüber den Kunden aufgrund dieser Verträge bestehenden Verpflichtungen führe, stelle sich allerdings die Frage, ob XX auch im Hinblick auf die mit dieser Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden einhergehenden Belastungen mit einem Gebietsansässigen, der Dividenden bezieht, vergleichbar sei.

25        Die Vereinbarkeit der steuerlichen Behandlung der an XX ausgeschütteten Dividenden mit dem Unionsrecht lässt sich nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht eindeutig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs herleiten.

26        Unter diesen Umständen hat der Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Berufungsgericht ’s-Hertogenbosch) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 63 Abs. 1 AEUV einer gesetzlichen Regelung wie der vorliegenden entgegen, wonach Dividendenausschüttungen von in den Niederlanden ansässigen (börsennotierten) Gesellschaften an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die zur Deckung künftiger Zahlungsverpflichtungen u. a. in Anteile dieser (börsennotierten) Gesellschaften investiert hat, einer Quellensteuer zu einem Satz vom 15 % auf den Bruttobetrag dieser Ausschüttungen unterliegen, während bei Dividendenausschüttungen an eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft unter im Übrigen gleichen Umständen keine steuerliche Belastung gegeben wäre, weil bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Gewinnsteuer, der letztere Gesellschaft unterliegen würde, die Aufwendungen berücksichtigt werden, die durch eine Zunahme der künftigen Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft verursacht werden, wobei diese Zunahme nahezu vollständig der (positiven) Veränderung des Wertes der Anlagen entspricht, auch wenn der Dividendenbezug als solcher nicht zu einer Veränderung des Wertes dieser Verpflichtungen führt?

Zur Vorlagefrage

27        Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach auf Dividenden, die eine gebietsansässige an eine gebietsfremde Gesellschaft ausschüttet, die zur Deckung künftiger Zahlungsverpflichtungen in Anteile der gebietsansässigen Gesellschaft investiert hat, eine Dividendensteuer in Höhe von 15 % des Bruttobetrags erhoben wird, während die Dividendenausschüttungen an eine gebietsansässige Gesellschaft der an der Quelle erhobenen Dividendensteuer unterliegen, die vollständig auf die von dieser Gesellschaft geschuldete Körperschaftsteuer angerechnet werden und zu einer Erstattung führen kann, was zur Folge hat, dass für diese Dividenden keine steuerliche Belastung gegeben ist, weil bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die von dieser Gesellschaft zu entrichtenden Körperschaftsteuer durch die Erhöhung ihrer künftigen Zahlungsverpflichtungen verursachte Kosten berücksichtigt werden.

Zum Vorliegen einer nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verbotenen Beschränkung

28        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder in diesem Mitgliedstaat Ansässige von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteile vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, EU:C:2019:960, Rn. 48, und vom 29. Juli 2024, Keva u. a., C-39/23, EU:C:2024:648, Rn. 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Insbesondere wenn ein Mitgliedstaat an gebietsfremde Gesellschaften gezahlte Dividenden ungünstiger behandelt als Dividenden, die an gebietsansässige Gesellschaften gezahlt werden, kann dies in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften von Investition im erstgenannten Mitgliedstaat abhalten und stellt damit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verboten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, EU:C:2019:960, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds], C-342/20, EU:C:2022:276, Rn. 50).

30        Eine solche ungünstigere Behandlung liegt vor, wenn an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden höher besteuert werden als an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden gleicher Art. Gleiches gilt für den Fall, dass an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden vollständig oder in wesentlichem Umfang von der Steuer befreit werden, während an eine gebietsfremde Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden einer endgültigen Quellensteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, EU:C:2019:960, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31        Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat auf von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden eine Dividendensteuer an der Quelle erhebt, dem betreffenden nationalen Gericht, das allein über den Sachverhalt, mit dem es befasst ist, entscheiden kann, bei der Beurteilung, ob eine Rechtsvorschrift dieses Mitgliedstaats mit Art. 63 Abs. 1 AEUV vereinbar ist, die Prüfung obliegt, ob die Einbehaltung einer Quellensteuer auf an eine gebietsfremde Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden dazu führt, dass diese Gesellschaft letztlich in diesem Mitgliedstaat eine höhere steuerliche Belastung trägt, als sie Gebietsansässigen bei den gleichen Dividenden auferlegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 48).

32        Einer solchen Prüfung bedarf es im Hinblick auf die vom gebietsfremden Steuerpflichtigen geschuldete Dividendensteuer einerseits und die vom gebietsansässigen Steuerpflichtigen geschuldete Dividenden- und Einkommen- oder Körperschaftsteuer, deren Bemessungsgrundlage die Einkünfte aus den Anteilen umfasst, aus denen die Dividenden fließen, andererseits (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 74).

33        Im vorliegenden Fall wird gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden niederländischen Regelung sowohl auf an eine gebietsfremde als auch auf an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden eine Dividendensteuer erhoben.

34        In Bezug auf eine gebietsfremde Gesellschaft, an die Dividenden ausgeschüttet werden, ist diese Besteuerung endgültig, so dass diese Dividenden einer Steuer von 15 % ihres Bruttobetrags unterliegen.

35        In Bezug auf eine gebietsansässige Gesellschaft, an die Dividenden ausgeschüttet werden, handelt es sich dagegen um eine Vorauserhebung auf die von ihr zu entrichtende Körperschaftsteuer, die vollständig auf diese Steuer angerechnet und erstattet werden kann, falls die Dividendensteuer höher als die von dieser Gesellschaft geschuldete Körperschaftsteuer sein sollte.

36        Folglich werden gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die an die gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden nicht tatsächlich besteuert, da bei der Bestimmung des für die Körperschaftsteuer zu versteuernden Gewinns die Erhöhung von aufgrund der anteilsgebundenen Versicherungspolicen bestehenden Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden als Aufwendungen berücksichtigt werden, was zur Folge hat, dass der als Grundlage für die Körperschaftsteuer herangezogene Nettobetrag in Bezug auf diese Dividenden bei null liegt.

37        Insoweit tritt die niederländische Regierung den Ausführungen des vorlegenden Gerichts entgegen, wonach für die an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden keine steuerliche Belastung gegeben sei, und macht geltend, dass die in der auf die Bruttodividenden erhobenen Steuer in Höhe von 15 % bestehende Belastung, der die an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden unterliegen, mit der Steuerlast verglichen werden müsse, die sich aus der von den gebietsansässigen Gesellschaften auf die an sie ausgeschütteten Dividenden zu entrichtenden Körperschaftsteuer ergebe, die während des fraglichen Zeitpunkts 20 bis 34 % der Nettodividenden betragen habe.

38        Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Bezug auf die Auslegung von nationalen Bestimmungen grundsätzlich gehalten ist, die sich aus der Vorlageentscheidung ergebenden rechtlichen Würdigungen zugrunde zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof nämlich nicht befugt, das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2023, Deutsche Wohnen, C-807/21, EU:C:2023:950, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39        Somit ist auf die vom vorlegenden Gericht dargelegte Prämisse abzustellen und davon auszugehen, dass selbst bei einer Besteuerung sowohl der an gebietsansässige als auch der an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden die Anwendung des von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden niederländischen Regelung vorgesehenen Mechanismus einer Anrechnung der Dividendensteuer auf die von der gebietsansässigen Gesellschaft zu entrichtenden Körperschaftsteuer sowie der Erstattung dieser Steuer, falls die geschuldete Körperschaftsteuer niedriger als die einbehaltende Dividendensteuer ist, in Verbindung mit den Berechnungsmodalitäten für die Besteuerungsgrundlage der gebietsansässigen Gesellschaft, die einen Abzug der Erhöhung von aufgrund der anteilsgebundenen Versicherungspolicen bestehenden Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden als Aufwendungen erlauben, dazu führt, dass die an die gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden steuerbefreit sind.

40        Daraus folgt, dass Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttet werden, weniger günstig behandelt werden als Dividenden, die an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden, da Erstere einer endgültigen Besteuerung von 15 % unterliegen, während Letztere im Ergebnis steuerbefreit sind.

41        Eine solche ungünstigere Behandlung der Dividenden durch einen Mitgliedstaat kann gebietsfremde Gesellschaften von Investitionen in diesem Mitgliedstaat abhalten und stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verboten ist.

42        Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

43        Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen. Diese Bestimmung kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem AEU-Vertrag vereinbar wäre (Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentsfonds], C-342/20, EU:C:2022:276, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44        Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen dürfen nämlich nach dessen Abs. 3 weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung darstellen. Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Ungleichbehandlungen nur zulässig sind, wenn sie Situationen betreffen, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder anderenfalls, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentsfonds], C-342/20, EU:C:2022:276, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zum Vorliegen objektiv vergleichbarer Situationen

45        Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zum einen die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit der fraglichen nationalen Regelung verfolgten Ziels sowie ihres Zwecks und ihres Inhalts zu prüfen und sind zum anderen für die Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund dieser Regelung einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, nur die von einer solchen Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2024, Keva u. a., C-39/23, EU:C:2024:648, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46        Insoweit möchte das vorlegende Gericht wissen, ob XX sich in einer Situation befindet, die im Hinblick auf die mit der Erhöhung von aufgrund der anteilsgebundenen Versicherungspolicen bestehenden Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden verbundenen Aufwendungen mit der Situation einer dividendenbeziehenden gebietsansässigen Gesellschaft vergleichbar ist, wobei diese Erhöhung eine Folge der Gewinnerzielung der Gesellschaften ist, in deren Anteile XX investiert hat.

47        Das vorlegende Gericht präzisiert aber nicht das Ziel, das die im Ausgangsverfahren in Rede stehende niederländische Regelung jeweils damit verfolgt, dass es einer gebietsansässigen Gesellschaft gestattet, die Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden, die mit ihr Verträge wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geschlossen haben, als Aufwendungen abzuziehen, und beschränkt sich auf den Hinweis, dass dieser Abzug im Rahmen des Abzugs von Aufwendungen erfolge.

48        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in Bezug auf Aufwendungen wie Betriebsausgaben, die unmittelbar mit einer Tätigkeit zusammenhängen, aus der die in einem Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, in einer vergleichbaren Lage (vgl. u. a. Urteile vom 24. Februar 2015, Grünewald, C-559/13, EU:C:2015:109, Rn. 29, vom 8. November 2012, Kommission/Finnland, C-342/10, EU:C:2012:688, Rn. 37, vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 57, sowie vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, EU:C:2019:960, Rn. 74).

49        Einen solchen unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, weisen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Aufwendungen auf, die durch diese Tätigkeit verursacht werden und somit für ihre Ausübung notwendig sind (Urteile vom 24. Februar 2015, Grünewald, C-559/13, EU:C:2015:109, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 13. Juli 2016, Brisal und KBC Finance Ireland, C-18/15, EU:C:2016:549, Rn. 46, sowie vom 6. Dezember 2018, Montag, C-480/17, EU:C:2018:987, Rn. 33).

50        Der Gerichtshof hat zu Einkünften in Form von Dividenden entschieden, dass ein solcher unmittelbarer Zusammenhang nur bei mit dem Bezug der Dividenden als solchem in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen bestehe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 58 und 59).

51        Ein solcher Zusammenhang besteht daher nicht, wenn der Abzug der im Kaufpreis der Anteile enthaltenen Dividende zur Ermittlung des wirklichen Kaufpreises dieser Anteile dient, und auch nicht in Bezug auf die Finanzierungskosten, da diese sich auf den Besitz der Anteile, aus denen diese Dividenden herrühren, als solchen beziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 60).

52        Zwar kann die Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden nicht im Sinne der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung mit dem Bezug der Dividenden als solchem in Zusammenhang gebracht werden.

53        Dies allein lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Situationen der gebietsansässigen und der gebietsfremden Dividendenempfänger im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende niederländische Regelung nicht vergleichbar seien.

54        In den Rn. 55 und 81 des Urteils vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia (C-641/17, EU:C:2019:960), das nach dem Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a. (C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608), ergangen ist, hat der Gerichtshof nämlich im Wesentlichen entschieden, dass ein gebietsfremder Pensionsfonds, der die bezogenen Dividenden freiwillig oder in Anwendung des in seinem Sitzstaat geltenden Rechts den Rückstellungen für die Altersversorgung zuweist, die er in der Zukunft wird leisten müssen, sich insoweit in einer Situation befindet, die der eines gebietsansässigen Pensionsfonds vergleichbar ist, für den im Hinblick auf eine nationale Regelung der Bezug von Dividenden für die Berechnung der Körperschaftsteuer eine sehr geringe und in bestimmten Fällen sogar keinerlei Erhöhung seines zu versteuernden Gewinns zur Folge hat. Gemäß Rn. 55 jenes Urteils hat dieser Dividendenbezug zur Folge, dass die versicherungstechnischen Rückstellungen proportional steigen und der steuerpflichtige Gewinn des betroffenen gebietsansässigen Pensionsfonds nur in dem Fall steigt, in dem die außerrechnungsmäßigen Kapitalanlagerenditen nicht den einzelnen Verträgen jenes Pensionsfonds gutgeschrieben werden.

55        In den Rn. 79 und 80 des Urteils vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia (C-641/17, EU:C:2019:960), hat der Gerichtshof zum einen festgestellt, dass in der diesem zugrunde liegenden Rechtssache ein Kausalzusammenhang zwischen dem Bezug von Dividenden, der Erhöhung der Deckungsrückstellung sowie anderer Passivposten und der Nichterhöhung der Besteuerungsgrundlage des gebietsansässigen Fonds besteht, und zum anderen, dass eine solche nationale Regelung, die eine vollständige oder nahezu vollständige Steuerbefreiung von an gebietsansässige Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden ermöglicht, somit die Akkumulierung von Kapital durch diese Pensionsfonds erleichtert, während alle Pensionsfonds grundsätzlich verpflichtet sind, die Versicherungsprämien auf dem Kapitalmarkt zu investieren, um Einkünfte in Form von Dividenden zu erzielen, die es ihnen ermöglichen, ihren künftigen Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen nachzukommen.

56        Der Gerichtshof vertrat also die Auffassung, dass die Verpflichtungen der Pensionsfonds betreffend die Investition von Versicherungsprämien und die Zuweisung der zugeflossenen Dividenden zu den Rückstellungen für die Altersversorgung die Vergleichbarkeit zwischen den gebietsansässigen und den gebietsfremden Pensionsfonds im Hinblick auf eine nationale Regelung zu begründen vermögen, die es durch die Berechnungsmodalitäten für die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ermöglicht, die einem gebietsansässigen Pensionsfonds zugeflossenen Dividenden vollständig oder nahezu vollständig von der Steuer zu befreien, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem Bezug der Dividende und den in diesen Verpflichtungen bestehenden und mit der Tätigkeit solcher Fonds einhergehenden Belastungen besteht.

57        Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass eine Gesellschaft wie XX zwar kein Pensionsfonds sei, dass ihre Tätigkeit sich aber gleichwohl dadurch auszeichne, dass sie u. a. in Anteile in den Niederlanden investiere, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden im Rahmen der anteilsgebundenen Verträge nachzukommen, und dass die von ihr erzielte Kapitalrendite zu einer entsprechenden Änderung des Wertes ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden führe.

58        Außerdem ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Kapitalrendite und ihren variierenden Verpflichtungen bestehe und dass gerade aufgrund dieses Zusammenhangs eine gebietsansässige Gesellschaft im Rahmen der Körperschaftsteuer auf diese Dividenden keine Steuern zu entrichten habe, da es sich bei den Dividenden um ausgeschüttete Gewinne handele und ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Dividenden und der Veränderung der Höhe von Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden bestehe.

59        Ergibt sich aber im Hinblick auf den spezifischen Zweck der Anlagetätigkeiten, dass die nationale Regelung einen solchen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den gebietsansässigen Gesellschaften zugeflossenen Dividenden und der Veränderung der Höhe von Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden anerkennt, was zu bestimmen Sache des vorlegenden Gerichts ist, so wäre festzustellen, dass eine gebietsfremde Gesellschaft sich in Bezug auf Dividenden aus einer niederländischen Quelle in einer Situation befindet, die mit der einer gebietsansässigen Gesellschaft objektiv vergleichbar ist, da eine solche gebietsfremde Gesellschaft derselben Tätigkeit nachgeht und die dieser zugeflossenen Dividenden zu einer Veränderung der Höhe von Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden führen.

60        Zudem erkennt die nationale Regelung zwar an, dass zwischen den gebietsansässigen Gesellschaften zugeflossenen Dividenden und der Veränderung des Betrags der gegenüber den Kunden dieser Gesellschaften bestehenden Verpflichtungen, der von der Besteuerungsgrundlage für die Körperschaftsteuer abgezogen werden kann, ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, doch hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob ein solcher Mechanismus eine einfache Steuerbefreiung der Dividenden zum Ziel hat, die an anteilsgebundene Verträge abschließende gebietsansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2012, Kommission/Finnland, C-342/10, EU:C:2012:688, Rn. 42).

61        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Situation der gebietsfremden Steuerpflichtigen sich derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen annähert, sobald ein Mitgliedstaat einseitig oder im Wege eines Abkommens nicht nur die gebietsansässigen, sondern auch die gebietsfremden Steuerpflichtigen hinsichtlich der Dividenden, die sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, der Einkommensteuer unterwirft (Urteile vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 67, und vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, EU:C:2019:960, Rn. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

62        Allein schon die Ausübung der Steuerhoheit durch diesen Mitgliedstaat birgt nämlich, unabhängig von einer Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat, die Gefahr einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in sich. In einem solchen Fall hat der Mitgliedstaat des Sitzes der ausschüttenden Gesellschaft, damit sich die gebietsfremden steuerpflichtigen Dividendenempfänger nicht einer – nach Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotenen – Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gegenübersehen, dafür zu sorgen, dass sie hinsichtlich des in seinem nationalen Recht vorgesehenen Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eine Behandlung erfahren, die derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen gleichwertig ist (Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a., C-10/14, C-14/14 und C-17/14, EU:C:2015:608, Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

63        Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass eine gebietsfremde Gesellschaft sich in einer Situation befindet, die objektiv der einer gebietsansässigen Gesellschaft vergleichbar ist, ist gemäß der in Rn. 44 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung gegebenenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

Zum Bestehen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

64        Vorab ist darauf hinzuweisen, dass solche Gründe weder im Vorabentscheidungsersuchen noch von der niederländischen Regierung geltend gemacht wurden. Unter diesen Umständen ist es gegebenenfalls Sache des vorlegenden Gerichts, eine etwaige Rechtfertigung im Hinblick auf die Ziele zu prüfen, die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung verfolgt.

65        Die deutsche Regierung vertritt in ihren schriftlichen Erklärungen die Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine etwaige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, sowohl die von den Vertragsstaaten vereinbarte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als auch die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren. Für eine sachdienliche Antwort, die es dem vorlegenden Gericht ermöglicht, den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden, ist zu prüfen, ob diese zwingenden Gründe des Allgemeininteresses eine solche Beschränkung rechtfertigen können.

66        Die deutsche Regierung macht zum einen geltend, dass die Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen betreffend die Erhöhung von Ausschüttungsverpflichtungen aus Verträgen über die Anlage von Versicherungsbeiträgen der Wahrung der von den Vertragsstaaten vereinbarten Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse diene, da davon auszugehen sei, dass XX steuerliche Aufwendungen in Zusammenhang mit der Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden aufgrund des Zusammenhangs mit der Tätigkeit der Anlage von Versicherungsbeiträgen für Altersversorgungseinrichtungen und den daraus erzielten Vergütungen in ihrem Ansässigkeitsstaat zum Abzug bringen dürfe. Ein zusätzlicher Abzug bei der Besteuerung der Dividendeneinkünfte in den Niederlanden würde daher eine Doppelbegünstigung bewirken, die der getroffenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse widerspräche.

67        Zum anderen bestehe eine Wechselwirkung zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung, die die Feststellung erlaube, dass die Rechtfertigung aufgrund der Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems des betroffenen Mitgliedstaats zu wahren, gegeben sei. Die steuerlichen Aufwendungen von XX, die sich gegebenenfalls aus der Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden ergäben, stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit den von ihr erzielten Vergütungen für die Anlage von Versicherungsbeiträgen, die in den Niederlanden keiner Besteuerung unterlägen. Der Ausschluss der Abzugsfähigkeit von etwaigen Aufwendungen für die Erhöhung von Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber Kunden bei der Besteuerung der XX zugeflossenen Dividendenausschüttungen folge damit einer spiegelbildlichen Logik und sei das Pendant zur Nichtbesteuerung der Vergütungen für die Anlage von Versicherungsbeiträgen.

68        Erstens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählt, die eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen können, wie etwa eine nationale Maßnahme, mit der Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (Urteil vom 16. Juni 2022, ACC Silicones, C-572/20, EU:C:2022:469, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69        Ein solches Ziel kann allerdings die Besteuerung von gebietsfremden Gesellschaften, die Dividenden beziehen, durch einen Mitgliedstaat, der sich dafür entschieden hat, gebietsansässige Gesellschaften im Hinblick auf diese Art von Einkünften nicht zu besteuern, nicht rechtfertigen (Urteil vom 16. Juni 2022, ACC Silicones, C-572/20, EU:C:2022:469, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70        Im vorliegenden Fall hat sich das Königreich der Niederlande zwar dafür entschieden, seine Steuerhoheit für sämtliche sowohl an gebietsansässige als auch an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden auszuüben, doch hat dieser Mitgliedstaat gemäß den dem Gerichtshof vorliegenden Akten auch beschlossen, die Belastung durch die Quellensteuer auf diese Dividenden vollständig zu neutralisieren, wenn sie an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden. Unter diesen Umständen kann die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten eine Besteuerung von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften hinsichtlich dieser Art von Einkünften nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2022, ACC Silicones, C-572/20, EU:C:2022:469, Rn. 55).

71        Zweitens ist, soweit die deutsche Regierung im Rahmen ihrer Ausführungen zur Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten in Wirklichkeit den Willen zum Ausdruck bringt, einen doppelten Abzug der Aufwendungen zu verhindern, darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat prüfen darf, ob die Aufwendungen für die Dividenden, deren Abzug auf diese Weise geltend gemacht wird, in einem anderen Mitgliedstaat nicht als Belastung anderer Einkünfte, etwa der Einkünfte, die mit der von den Kunden der Gesellschaft für die vorgenommenen Investitionen entrichteten Vergütung erzielt werden, angesehen werden können und als solche in diesem anderen Mitgliedstaat nicht von den Einkünften abgezogen werden.

72        Allerdings versetzt die deutsche Regierung, wenn sie sich darauf beschränkt, ohne nähere Ausführungen das Bestehen des Risikos zu behaupten, dass die auf die Dividenden erhobenen Belastungen ein zweites Mal im Sitzstaat der diese erhaltenden Gesellschaft abgezogen werden könnten, ohne darzulegen, aus welchen Gründen es die Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. 1977, L 336, S. 15) in der durch die Richtlinie 2004/106/EG des Rates vom 16. November 2004 (ABl. 2004, L 359, S. 30) geänderten Fassung, die während des fraglichen Zeitraums galt, nicht ermöglicht hätte, dieses Risiko abzuwenden, den Gerichtshof nicht in die Lage, die Tragweite dieses Vorbringens zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Februar 2015, Grünewald, C-559/13, EU:C:2015:109, Rn. 52, und vom 13. Juli 2016, Brisal und KBC Finance Ireland, C-18/15, EU:C:2016:549, Rn. 38).

73        Drittens ist in Bezug auf das Vorbringen zur Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems des Königreichs der Niederlande zu wahren, festzustellen, dass dabei darauf abgestellt wird, dass die Aufwendungen betreffend die Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit aufweisen, mit der die besteuerten Einkünfte in Form von Dividenden in diesem Mitgliedstaat erzielt wurden, sondern sich auf die Vergütung beziehen, die die Dividenden beziehende Gesellschaft von ihren Kunden für die Anlagen erhalten hat, die sie für sie getätigt hat. Bei einer gebietsfremden Gesellschaft wie XX unterliegt eine solche Vergütung in den Niederlanden nicht der Besteuerung.

74        Wie sich jedoch aus Rn. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, befindet sich eine gebietsfremde Gesellschaft in Bezug auf die Berücksichtigung der Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erhöhung der Ausschüttungsverpflichtungen gegenüber den Kunden nur in einer Situation, die der einer gebietsansässigen Gesellschaft vergleichbar ist, soweit das Steuersystem des Sitzstaats der diese Dividenden ausschüttenden Gesellschaft einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Dividenden und den Aufwendungen anerkennt. Das Königreich der Niederlande ist nämlich befugt, die sowohl an gebietsansässige als auch an gebietsfremde Gesellschaften aus niederländischer Quelle ausgeschütteten Dividenden zu besteuern.

75        Die Notwendigkeit, die von den Vertragsstaaten vereinbarte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zu wahren, eine doppelte Verlustberücksichtigung zu verhindern und die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, kann somit nicht angeführt werden, um die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu rechtfertigen.

76        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach auf Dividenden, die eine gebietsansässige an eine gebietsfremde Gesellschaft ausschüttet, die zur Deckung künftiger Zahlungsverpflichtungen in Anteile der gebietsansässigen Gesellschaft investiert hat, eine Dividendensteuer in Höhe von 15 % des Bruttobetrags erhoben wird, während Dividendenausschüttungen an eine gebietsansässige Gesellschaft der an der Quelle erhobenen Dividendensteuer unterliegen, die vollständig auf die von dieser Gesellschaft geschuldete Körperschaftsteuer angerechnet werden und zu einer Erstattung führen kann, was zur Folge hat, dass für diese Dividenden keine steuerliche Belastung gegeben ist, weil bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die von dieser Gesellschaft zu entrichtenden Körperschaftsteuer durch die Erhöhung ihrer künftigen Zahlungsverpflichtungen verursachte Kosten berücksichtigt werden.

Kosten

77        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

 

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