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Steuerrecht
26.02.2009
Steuerrecht
: Beseitigung der Ungewissheit in Liebhaberei-Fällen

BFH, Urteil vom 4.9.2008 - IV R 1/07

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein vom 29.9.2005 - 5 K 149/00 (EFG 2007, 977)

LEITSATZ

Die Ungewissheit i.S. von § 165 AO i.V.m. § 171 Abs. 8 AO, ob ein Steuerpflichtiger mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden ist oder ob Liebhaberei vorliegt, ist beseitigt, wenn die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das FA davon positive Kenntnis hat.

AO § 88, § 165, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 4, Abs. 8 Satz 1, § 173, § 181 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5; FGO § 96 Abs. 1 Satz 2

SACHVERHALT

I.

Streitig ist, ob eine zunächst bestehende Ungewissheit über die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erst im Zuge einer Betriebsprüfung oder schon mit dem Verkauf des landwirtschaftlichen Betriebes und der Erklärung des daraus resultierenden Veräußerungsgewinns beseitigt wurde, so dass die Festsetzungsfrist schon vor Beginn der Betriebsprüfung abgelaufen war.

Die Kläger erwarben als Gesellschafter einer inzwischen voll beendeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Kaufvertrag vom 25. April 1984 einen circa 20 ha großen Hof. Der Kaufpreis betrug 860 000 DM. Sie beglichen ihn z.T. durch die Übernahme von Tilgungsleistungen, die der Verkäufer für dinglich gesicherte Kredite schuldete; den Restkaufpreis zahlten sie am 30. Januar 1992. Die Übergabe und die Eigentumsumschreibung erfolgten am 5. Oktober 1992.

Bis dahin bewirtschaftete der Verkäufer den landwirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung weiter, während den Klägern das Nutzungsrecht an nicht ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Teilen des Hofes und das Recht auf bauliche Umgestaltung von Gebäuden (Ausbau als Wohnung) zustanden. Ab 5. Oktober 1992 übernahmen die Kläger die Bewirtschaftung des Hofes. Die erforderlichen Arbeiten ließen sie durch den Verkäufer bzw. fremde Dritte als Lohnunternehmer durchführen. Am 11. März 1993 verkauften sie den Hof für 800 000 DM. Die Übergabe wurde für den 21. Juli 1993 vereinbart.

Die Kläger erklärten ab dem Wirtschaftsjahr 1984/85 bis zum Verkauf Verluste aus Land- und Forstwirtschaft. Sie ermittelten einen Veräußerungsgewinn von 86 516 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte den Erklärungen und stellte für die Streitjahre (1984 bis 1991) sowie für die Jahre 1992 und 1993 antragsgemäß folgende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich fest:

Jahr

Gewinn/Verlust

Datum

1984

-35 000 DM

9. Mai 1990

1985

-82 345 DM

9. Mai 1990

1986

-78 022 DM

11. Juni 1990

1987

-57 530 DM

9. Mai 1990

1988

-53 802 DM

9. Mai 1990

1989

-53 724 DM

13. Februar 1992

1990

-53 356 DM

19. August 1992

1991

-91 851 DM

24. Februar 1994

1992

-117 387 DM

31. Januar 1995

1993

63 279 DM

14. März 1996

Summe

-559 738 DM

 

Sämtliche Feststellungsbescheide ergingen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) "vorläufig hinsichtlich der Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, da eine Zuordnung zu einkommensteuerlich relevanten Einkünften oder Liebhaberei bzw. Einkommensverwendung noch nicht möglich ist".

Am 13. September 1995 reichten die Kläger beim FA die Feststellungserklärung 1993 und den Jahresabschluss auf den 30. Juni 1993 ein. Darin erklärten sie einen aus dem Verkauf des Hofes resultierenden Veräußerungsgewinn von 86 516 DM.

Am 26. Oktober 1998 fand eine Betriebsprüfung bei den Klägern statt. Der Betriebsprüfer gewann die Überzeugung, dass die Kläger aufgrund der Struktur des Betriebes von Beginn an ohne Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden seien; die Verluste seien im Bereich der steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei angefallen. Das FA hob daraufhin am 7. Mai 1999 die Feststellungsbescheide 1984 bis 1993 ersatzlos auf.

Die gegen die Feststellungsbescheide 1984 bis 1991 gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Aufhebungsbescheid habe nicht mehr ergehen dürfen, weil die Feststellungsfrist vorher abgelaufen sei. Die Betriebsprüfung habe nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO zu einer Verlängerung der Feststellungsfrist führen können, weil sie erst nach deren Ablauf begonnen habe. Die durch die Vorläufigkeitsvermerke (§ 165 Abs. 1 Satz 1 AO) ausgelöste Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO sei mit dem 31. Dezember 1996 und damit bereits vor Erlass des Aufhebungsbescheides beendet gewesen. Denn die Mitteilung der Betriebsveräußerung im September 1995 habe die Ungewissheit über die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger beseitigt. Davon habe das FA gleichzeitig auch Kenntnis erlangt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 977 veröffentlicht.

Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der es im Wesentlichen geltend macht, die Ungewissheit über das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sei erst im Zuge der Betriebsprüfung beseitigt worden. Denn durch die Betriebsprüfung habe es (das FA) Kenntnis von den für das Vorliegen der Liebhaberei maßgeblichen inneren Tatsachen erlangt. Das FG habe außerdem gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen. Denn es habe auch über das Streitjahr 1989 entschieden, obwohl dieses Jahr in dem in der Klageschrift enthaltenen Antrag nicht genannt worden sei.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.

Sie machen im Wesentlichen geltend, maßgeblich für den Beginn der Jahresfrist in § 171 Abs. 8 Satz 1 AO sei, ob dem FA bekannt sei, dass es den Sachverhalt ermitteln könne. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Funktion des § 165 AO und werde durch den Anwendungserlass zur Abgabenordnung bestätigt (AEAO zu § 171 Nr. 5 Satz 4). Im Übrigen habe das FG festgestellt, dass dem FA alle wesentlichen Umstände schon vor dem 13. September 1995 bekannt gewesen seien. Daran sei der Bundesfinanzhof (BFH) gebunden. Das FG habe außerdem das Klagebegehren zutreffend dahin ausgelegt, dass sich die Klage auch auf das Streitjahr 1989 erstrecke. Denn die Kläger hätten in der Klageschrift sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in den rechtlichen Ausführungen das Jahr 1989 einbezogen. Die Formulierung des Klageantrags in der Klageschrift sei demgegenüber nicht entscheidend.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und waren aufzuheben. Die Feststellungsfrist war --wie das FG zutreffend entschieden hat-- abgelaufen (dazu unter 1.). Es kann offenbleiben, ob die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide ebenfalls abgelaufen war; denn die Aufhebungsbescheide enthielten den anderenfalls nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderlichen Hinweis nicht (dazu unter 2.). Gegenstand der Klage war --wie das FG ebenfalls zu Recht entschieden hat-- auch das Streitjahr 1989 (dazu unter 3.).

1. Die Feststellungsfrist für die Aufhebungsbescheide war schon vor Beginn der Betriebsprüfung abgelaufen.

a) Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen u.a. die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) sinngemäß. Die Festsetzungsfrist für die hier betroffene Einkommensteuer beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO). Wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, beginnt sie nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO --von näher bezeichneten Ausnahmen abgesehen-- mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird.

Vorliegend war die vierjährige Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO schon vor Erlass der angefochtenen Aufhebungsbescheide am 7. Mai 1999 abgelaufen. Denn die Gewinnfeststellungserklärungen waren für das letzte Streitjahr (1991) im Mai 1993 und für die übrigen Streitjahre bereits früher abgegeben worden. Die Fristen endeten daher für das Streitjahr 1991 mit Ablauf des Jahres 1997 und für die anderen Streitjahre entsprechend früher.

b) Dem Ablauf der Feststellungsfrist steht vorliegend nicht entgegen, dass die Feststellungsbescheide für die Streitjahre vorläufig nach § 165 AO ergangen waren.

aa) Wurde die Steuer vorläufig nach § 165 AO festgesetzt, so endet die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. Die Ungewissheit ist beseitigt, wenn das FA davon positive Kenntnis hat und die Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerfestsetzung feststellen kann (BFH-Urteile vom 26. August 1992 II R 107/90, BFHE 169, 9, BStBl II 1993, 5, unter II.1. a.E. der Gründe; vom 17. April 1996 II R 4/94, BFH/NV 1996, 929, unter II.1. der Gründe; BFH-Beschluss vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477; AEAO zu § 171 Nr. 5; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 171 AO Rz 95; Frotscher in Schwarz, AO, § 171 Rz 69). Nach diesem Zeitpunkt verbleibt der Finanzbehörde nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO ein Jahr, um die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

Diese Grundsätze gelten für vorläufige Gewinnfeststellungsbescheide sinngemäß.

(1) Für den Beginn der Jahresfrist des § 171 Abs. 8 Satz 1 AO kommt es danach auf die positive Kenntnis von der Beseitigung der Ungewissheit an. Ein bloßes "Kennenmüssen" von Tatsachen, die das FA bei pflichtgemäßer Ermittlung erfahren hätte, steht der Kenntnis nicht gleich (BFH-Urteile in BFHE 169, 9, BStBl II 1993, 5; vom 25. Juli 2000 IX R 93/97, BFHE 192, 241, BStBl II 2001, 9). Zwar gilt für § 173 AO der Grundsatz, dass nachträglich bekannt gewordene Tatsachen nach Treu und Glauben dann nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, wenn die Behörde diese bei gehöriger Erfüllung ihrer Ermittlungspflicht schon vor der Steuerfestsetzung oder Feststellung der Besteuerungsgrundlagen hätte feststellen können. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht auf § 171 Abs. 8 AO übertragen werden. Denn die Besonderheit der vorläufigen Steuerfestsetzung oder Feststellung nach § 165 Abs. 1 AO liegt gerade darin, dass dem Steuerpflichtigen die für das FA bestehende Ungewissheit bekannt ist, so dass eine zu seinen Gunsten Vertrauensschutz erzeugende Situation nicht entstehen kann (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2005 II R 9/01, BFH/NV 2006, 478, unter II.2.a der Gründe).

(2) Aus § 165 AO ergibt sich, welche Ungewissheit beseitigt sein muss, um den Beginn der Jahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO auszulösen. Beruht nämlich die Ablaufhemmung auf der für die vorläufige Festsetzung oder Feststellung nach § 165 AO maßgeblichen Ungewissheit, kann für deren Beseitigung nichts anderes gelten. Die Jahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO beginnt daher, wenn die Ungewissheit beseitigt ist, die zu der vorläufigen Festsetzung oder Feststellung geführt hat.

bb) Eine Steuer kann nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt oder eine Besteuerungsgrundlage vorläufig festgestellt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Die Ungewissheit muss sich auf Tatsachen beziehen; eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht (BFH-Beschluss vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702, m.w.N.).

Da die aus § 88 AO folgende amtliche Ermittlungspflicht unbeschadet des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, kommt eine vorläufige Steuerfestsetzung oder Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 165 AO somit nur in Betracht, wenn trotz angemessener Bemühungen des FA, den Sachverhalt aufzuklären, eine Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht bleibt, die entweder zur Zeit nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten beseitigt werden kann (BFH-Urteil vom 26. September 1990 II R 99/88, BFHE 161, 489, BStBl II 1990, 1043, unter II.1. der Gründe, m.w.N.).

cc) Die Ungewissheit, ob ein Steuerpflichtiger mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden ist oder ob Liebhaberei vorliegt, ist danach beseitigt, wenn die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das FA davon positive Kenntnis hat.

(1) Bei der Ungewissheit in der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung nicht um eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts; es geht vielmehr um eine "innere" Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale (Hilfstatsachen) beurteilt werden kann (BFH-Beschluss vom 3. Mai 2000 IV B 59/99, BFH/NV 2000, 1075; BFH-Urteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278, unter 2. der Gründe; kritisch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 34; Heuermann in HHSp, § 165 AO Rz 11). Derartige Hilfstatsachen können (auch) nach dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung oder der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen entstehen und für diesen Zeitpunkt zu einer veränderten Würdigung in Bezug auf die innere Tatsache der Einkünfteerzielungsabsicht führen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192, unter 1. der Gründe).

(2) Die Rechtsprechung hat jedoch aus der Abhängigkeit der Beurteilung des Gewinnstrebens als innere Tatsache von den maßgeblichen äußerlichen Merkmalen gefolgert, dass eine Ungewissheit i.S. des § 165 AO hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht nur gegeben ist, wenn die maßgeblichen Hilfstatsachen nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden können (BFH-Urteil in BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278, unter 2. der Gründe). Die Ungewissheit besteht daher nicht (mehr), wenn die maßgeblichen (Hilfs-)Tatsachen entstanden sind und dies dem FA bekannt ist. Denn zum einen kommt es --wie dargelegt-- für die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht auf die Hilfstatsachen an. Zum anderen ist deren Würdigung Teil der steuerrechtlichen Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht; der Ablauf der Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist kann jedoch nicht von der steuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts durch das FA abhängig gemacht werden.

(3) Verkauft ein Unternehmer den Betrieb und hat das FA davon Kenntnis, ist danach die Ungewissheit über die Einkünfteerzielungsabsicht beseitigt. Denn aus dem Verkauf folgt zwangsläufig, dass der Steuerpflichtige mit dem Betrieb in Zukunft keine Einkünfte mehr erzielen will. Die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen müssen deshalb bis dahin entstanden sein; weitere Hilfstatsachen entstehen danach nicht mehr. Hat das FA Kenntnis von dem Verkauf erlangt, ist es daher in der Regel nicht (mehr) gehindert, die Tatbestandsmerkmale für die Steuerfestsetzung oder Feststellung der Besteuerungsgrundlagen festzustellen. Eine vorläufige Steuerfestsetzung oder Feststellung nach § 165 Abs. 1 AO kommt danach grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

dd) Die Jahresfrist des § 171 Abs. 8 Satz 1 AO begann im Streitfall somit, als das FA Kenntnis vom Verkauf des landwirtschaftlichen Betriebes erhielt, also im September 1995. Die nach § 165 AO vorläufige Gewinnfeststellung hat daher nicht zu einer Verlängerung der regulären Feststellungsfrist (siehe oben unter II.1.a) geführt.

Entgegen der Auffassung des FA setzt --wie dargelegt-- der Beginn der Jahresfrist nicht zugleich die positive Kenntnis des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Einkünfteerzielungsabsicht und aller dafür vom FA für maßgeblich erachteten Hilfstatsachen voraus. Diese musste das FA vielmehr nach Wegfall des Hindernisses feststellen und innerhalb der Jahresfrist die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Das ist vorliegend nicht geschehen; das FA hat die Betriebsprüfung erst im Jahr 1998 durchgeführt und die Feststellungsbescheide erst am 7. Mai 1999 aufgehoben.

ee) Auf die Frage, ob dem FA schon vor dem 13. September 1995 alle wesentlichen Umstände für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bekannt waren, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

c) An dem Ablauf der Feststellungsfrist änderte im Streitfall auch die Betriebsprüfung nichts. Wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist --oder der Feststellungsfrist-- mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird, läuft zwar die Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO nicht ab, bis die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Im Streitfall begann die Betriebsprüfung jedoch erst im Oktober 1998. Zu diesem Zeitpunkt war die Feststellungsfrist --wie dargelegt (siehe oben unter II.1.a und b)-- bereits abgelaufen.

2. Es bedurfte im Streitfall auch keiner Feststellung, ob bzw. inwieweit die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide --die Einkommensteuerbescheide der Kläger-- abgelaufen war.

a) Zwar kann eine gesonderte Feststellung nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, wobei § 171 Abs. 10 AO außer Betracht bleibt. Diese Regelung gilt auch für die Änderung und die Berichtigung von Feststellungsbescheiden (Senatsurteil vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381, unter II.c aa der Gründe). Für die Aufhebung von Feststellungsbescheiden kann daher nichts anderes gelten.

b) Das FA hat jedoch bei Erlass eines Feststellungsbescheides nach Ablauf der Feststellungsfrist darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO). Dieser Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird (BFH-Urteil vom 12. Juli 2005 II R 10/04, BFH/NV 2006, 228, unter II.b aa der Gründe, m.w.N.). Ein Feststellungsbescheid, der nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist und einen solchen Hinweis nicht enthält, ist rechtswidrig; das gilt auch dann, wenn die Verfahrenssituation des FA schwierig ist, weil gerade die Wahrung der Feststellungsfrist streitig ist (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485, BStBl II 1999, 4, unter 2.b der Gründe).

c) Vorliegend lässt sich den Feststellungen im angefochtenen Urteil zwar nicht entnehmen, ob die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide --die jeweiligen Einkommensteuerbescheide der Kläger-- im Zeitpunkt der Aufhebung der Feststellungsbescheide bereits abgelaufen war. Diese Frage kann jedoch offenbleiben. Denn weder die angefochtenen Aufhebungsbescheide noch die Einspruchsentscheidung enthalten den nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderlichen Hinweis.

3. Das FG hat nicht gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, indem es auch über den Aufhebungsbescheid für das Jahr 1989 entschieden hat.

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Beachtet das FG diese Vorschrift nicht, verstößt es gegen die Grundordnung des Verfahrens (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 3; Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 200, jeweils m.w.N.). Dabei ist --wie sich der Vorschrift entnehmen lässt-- zwischen Klagebegehren und Klageantrag zu unterscheiden. Das Gericht hat das wirkliche Klagebegehren an Hand des gesamten Parteivorbringens einschließlich des Klageantrags zu ermitteln (vgl. Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 181, m.w.N.). Es verstößt deshalb gegen § 96 Abs. 1 FGO, wenn es die wörtliche Fassung des Klageantrags als maßgeblich ansieht, obwohl diese dem erkennbaren Klageziel nicht entspricht (BFH-Beschluss vom 8. Juni 2006 IX B 30/06, BFH/NV 2006, 1689). Im Übrigen kommt es auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag an, und zwar auch dann, wenn er von einem zuvor schriftsätzlich formulierten Klageantrag abweicht (vgl. Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 182, m.w.N.).

b) Das FG hat danach zu Recht auch über das Streitjahr 1989 entschieden. Zwar trifft es zu, dass der dieses Streitjahr betreffende Bescheid in dem in der Klageschrift enthaltenen Antrag nicht ausdrücklich genannt wurde. Darauf kommt es jedoch --anders als das FA offenbar meint-- vorliegend nicht an. Denn die im selben Schriftsatz enthaltene Klagebegründung bezog sich ausdrücklich auch auf das Streitjahr 1989. Das FG konnte und musste daher das wahre Klagebegehren ermitteln. Das ist vorliegend geschehen.

Unerheblich ist dabei auch, ob das FG zunächst --offenbar vor einer näheren Prüfung-- von der wörtlichen Fassung des in der Klageschrift formulierten Antrags ausgegangen war. Ausweislich der Niederschrift haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung das Jahr 1989 in den Klageantrag mit einbezogen, ohne dass das FA dagegen Bedenken erhoben hat. Das FG hat daher zu Recht auch über dieses Streitjahr entschieden.

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