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Steuerrecht
28.04.2011
Steuerrecht
BFH: Bemessung der Grunderwerbsteuer nach Grundbesitzwerten verfassungswidrig?

BFH, Entscheidung vom 2.3.2011 - II R 23/10

Leitsätze

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 11 GrEStG in der im Jahre 2001 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar ist, als er die Beteiligten an Erwerbsvorgängen i.S. des § 8 Abs. 2 GrEStG, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage nach § 138 Abs. 2 und 3 BewG in der im Jahre 2001 geltenden Fassung zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet.


Teil A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des FG und Vortrag der Beteiligten)

I. Sachverhalt

An der M-GmbH, zu deren Gesellschaftsvermögen zahlreiche unbebaute, bebaute sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnende Grundstücke gehörten, waren die A-GmbH mit 99,8 v. H. und die D-AG mit 0,2 v. H. beteiligt. Die M-GmbH war ferner mit einem Anteil von 94 v. H. und die A-GmbH mit einem Anteil von 6 v. H. an der B-GbR beteiligt. Zum Gesellschaftsvermögen der B-GbR gehörten unbebaute sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnende Grundstücke. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.4.2001 kaufte die Klägerin von der A-GmbH und der D-AG alle Anteile an der M-GmbH; ferner kaufte die Klägerin von der A-GmbH deren Anteil an der B-GbR. Der Kauf erfolgte gemäß Ziff. 2 des Vertrags mit Wirkung zu dem in Ziff. 4 des Vertrags näher bezeichneten „Closing Date" und stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Vereinbarung u. a. durch das Bundeskartellamt freigegeben wird und der vereinbarte Basiskaufpreis gezahlt bzw. sicher gestellt ist (Ziff. 4.5 des Vertrags). Diese aufschiebenden Bedingungen sind am 31.5.2001 eingetreten. Durch Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 31.5.2001 traten die A-GmbH und die D-AG die von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile an der M-GmbH an die O-GmbH - eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin - ab; ferner trat die A-GmbH ihren Anteil von 6 v. H. an der B-GbR an die O-GmbH ab.

Das FA sah nach vorangegangener Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom 1.1.2004) in dem Vertrag vom 26.4.2001 einen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang und setzte gegen die Klägerin durch zusammengefassten Bescheid vom 10.2.2005 Grunderwerbsteuer in Höhe von 512 554 Euro fest. Die Bemessungsgrundlage von 14 644.422 Euro ergab sich aus der Summe der Grundbesitzwerte für die Grundstücke der M-GmbH und der B-GbR. Das FA hatte diese Grundbesitzwerte gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung (GrEStG) i. V. m. § 138 Abs. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (BewG) gesondert auf den 31.5.2001 festgestellt; dabei betrug der gesondert festgestellte und in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogene Grundbesitzwert für zwei der M-GmbH gehörende Grundstücke 1 022 EUR bzw. 2.045 Euro. Der Einspruch blieb erfolglos.

II. Entscheidung des FG

Das FG wies die Klage ab und führte in seinem in EFG 2010, 1627 veröffentlichten Urteil aus, der Vertrag vom 26.4.2001 sei gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Aufgrund dieses Vertrags habe die Klägerin und nicht etwa die O-GmbH den Anspruch auf Übertragung der Anteile an der M-GmbH und B-GbR erworben. Bei Abschluss dieses Vertrags sei die Klägerin auch weder als Vertreterin der O-GmbH aufgetreten noch liege insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter vor.

III. Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, § 8 Abs. 2 und § 11 GrEStG seien wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Die auf der Grundlage der §§ 138 ff. BewG ermittelten Werte für bebaute und unbebaute Grundstücke seien zufällig und willkürlich.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 13.1.2006 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 10.2.2005 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat das BMF in dem Verfahren II R 64/08 durch Beschluss vom 27.5.2009 - II R 64/08 (BFHE 225, 508, BStBl. II 2009, 856) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Hierzu hat der Senat mitgeteilt, es gehe im dortigen Streitfall um die Frage, ob die in § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der Grundbesitzwerte i. S. des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist. Das Verfahren II R 64/08 hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG die auch im vorliegenden Streitfall aufgeworfene Vorlagefrage vorgelegt.

Das BMF ist dem Verfahren II R 64/08 durch Schreiben vom 11.9.2009 beigetreten. Es hat ausgeführt, die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG sei aufgrund der vom BVerfG in seinem Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 (BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192) ausgesprochenen Weitergeltungsanordnung für das bisherige Recht bis zum 31.12.2008, die sich auch auf die von § 8 Abs. 2 GrEStG in Bezug genommenen §§ 138 ff. BewG erstrecke, für den davor liegenden Besteuerungszeitpunkt nicht entscheidungserheblich. Die verfassungsrechtliche Beurteilung der §§ 138 ff. BewG durch den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 sei auf den Besteuerungsgegenstand des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 17.4.1974 (BGBl. I 1974, 933) i. d. F. vom 27.2.1997 (BGBl. I 1997, 378) - ErbStG - ausgerichtet gewesen und rechtfertige keine entsprechenden Folgerungen für die Grunderwerbsteuer. Für Letztere müsse die Bemessungsgrundlage nicht aus Verfassungsgründen an den gemeinen Wert des Grundstücks anknüpfen. Der Gesetzgeber sei vielmehr frei, als Vergleichsmaßstab einen der Privatautonomie unterliegenden Rechtsvorgang zugrunde zu legen. Maßgebliche Vergleichsgröße für die nach § 8 Abs. 2 GrEStG anzusetzende Regelbemessungsgrundlage sei daher der Wert der Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG. Dieser Wert könne den gemeinen Wert des Grundstücks sowohl unterschreiten als auch übersteigen. Der sich im Rahmen des § 8 Abs. 1 GrEStG ergebenden Streubreite des Werts der Gegenleistung entsprächen auch die sich nach § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG ergebenden Bewertungsergebnisse. Diese seien nicht willkürlich oder zufällig, sondern beruhten auf einer an sachlichen Gesichtspunkten orientierten, folgerichtigen Umsetzung der primären Belastungsentscheidung für die Bemessungsgrundlage „Wert der Gegenleistung" auch für Fälle, in denen eine Gegenleistung für den Grunderwerb nicht gesondert ausgewiesen sei. Eine Annäherung der grunderwerbsteuerrechtlichen Ersatz-Bemessungsgrundlage an den gemeinen Wert des Grundstücks sei von Verfassungs wegen auch nicht erforderlich.

Aus den Gründen

             

13        Teil B. Vorlageentscheidung

             

14        Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG sind gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG geboten, weil der Senat § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG für mit dem GG unvereinbar hält.

             

15        I. Rechtslage

             

16        1. Wert der Gegenleistung als grunderwerbsteuerrechtliche Regel-Bemessungsgrundlage

             

17        Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß der Grundregelung des § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Diese Vorschrift wird durch § 9 GrEStG und die dort gegebene Legaldefinition der Gegenleistung präzisiert. Für den praktisch wichtigsten Fall des Kaufs gilt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Die Gesamtregelung des § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG zielt darauf ab, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 405).

             

18        Für den gemäß § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG maßgebenden Wert der Gegenleistung ist der gemeine Wert des Grundstücks grundsätzlich ohne Bedeutung; das GrEStG stellt nicht auf das ab, was der Käufer erhält, sondern was für den Erwerb hinzugeben ist (Entscheidungen des BFH vom 10.6.1969 - II 172/64, BFHE 96, 429, BStBl. II 1969, 668; vom 16.3.1977 - II R 183/71, BFHE 122, 160, BStBl. II 1977, 648; vom 26.2.2003 - II B 54/02, BFHE 201, 326, BStBl. II 2003, 483, BB 2003, 1000 Ls; vom 2.6.2005 - II R 6/04, BFHE 210, 60, BStBl. II 2005, 651, BB 2005, 1894 Ls). Auch auf das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sowie auf die für die Bemessung der Gegenleistung maßgebenden Motive und Erwartungen der Parteien kommt es nicht an (BFH-Urteile vom 7.12.1994 - II R 9/92, BFHE 176, 456, BStBl. II 1995, 268, BB 1995, 814; vom 30.7.2008 - II R 40/06, BFH/NV 2008, 2060; Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 9 Rz. 210; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 8 Rz. 8 und § 9 Rz. 77). Im typischen Fall wird jedoch der Wert der Gegenleistung auch dem --zeitnahen-- gemeinen Wert entsprechen (BFH-Urteil vom 2.12.1971 - II 82/65, BFHE 105, 65, BStBl. II 1972, 473). Insoweit ermöglicht der für die Veräußerung hinzugebende Wert der Gegenleistung einen „punktgenauen" Vergleich zwischen dem tatsächlichen Verkaufspreis als vertretbarem Verkehrswert und dem Steuerwert des Grundstücks (vgl. auch BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.a). Der gemeine Wert eines Grundstücks ist überdies als Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusetzen, wenn - wie beim Grundstückstausch der Fall - die Gegenleistung in einem Grundstück besteht (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 18.12.1963 - II 87/60 U, BFHE 78, 256, BStBl. III 1964, 102; in BFHE 105, 65, BStBl. II 1972, 473).

             

19        Allerdings ist der Wert der Gegenleistung auch in den Ausnahmefällen als Bemessungsgrundlage anzusetzen, in denen er außergewöhnlich niedrig ist und hinter dem gemeinen Wert des Grundstücks zurückbleibt (z. B. BFH-Entscheidungen vom 6.12.1989 - II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl. II 1990, 186, BB 1990, 483; in BFHE 201, 326, BStBl. II 2003, 483). In diesen Ausnahmefällen kann nicht etwa auf die Bemessungsgrundlage aus § 8 Abs. 2 GrEStG zurückgegriffen werden; insbesondere § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GrEStG hat nicht den Charakter einer Mindestbemessungsgrundlage (BFH-Urteil vom 27.2.1952 - II 129/51 U, BFHE 56, 250, BStBl. III 1952, 98). Ebenso ist der Wert der Gegenleistung auch dann maßgebend, wenn dieser den gemeinen Wert des Grundstücks übersteigt (BFH-Urteil vom 9.11.1955 - II 255/55 U, BFHE 61, 469, BStBl. III 1955, 380). Weichen Leistungen und Gegenleistungen bei einem Grundstücksgeschäft objektiv (nicht unwesentlich) voneinander ab, kann unter weiteren Voraussetzungen neben der Grunderwerbsteuer - dieser unterliegt nur der Wert des entgeltlichen Teils - eine schenkungsteuerbare sog. gemischt-freigebige Zuwendung vorliegen (z. B. BFH-Urteile vom 30.3.1994 - II R 7/92, BFHE 174, 249, BStBl. II 1994, 580, BB 1994, 1553; vom 7.11.2007 - II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl. II 2008, 258, BB 2008, 1548 mit BB-Komm. Staats, BB 2008, 1550; vgl. auch Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 3 Rz. 22 und § 9 Rz 63).

             

20        2. Bedarfswert als ausnahmsweise Bemessungsgrundlage

             

21        In Ausnahme zu § 8 Abs. 1 GrEStG ist in den Fällen des § 8 Abs. 2 S. 1 GrEStG der Bedarfswert i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG anzusetzen. Diese Regelung ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG anzuwenden. Der im Bedarfsfall festzustellende Wert i. S. des § 138 Abs. 2 und 3 BewG ist jeweils unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum 1.1.1996 festzustellen (§ 138 Abs. 1 S. 2 BewG).

             

22        II. Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften

             

23        Die im Streitfall einschlägigen Vorschriften haben sich wie folgt entwickelt:

             

24        1. Steuersatz

             

25        Der Steuersatz der Grunderwerbsteuer von zuvor 7 v. H. wurde mit Inkrafttreten des GrEStG vom 17.12.1982 (BGBl. I 1982, 1777) am 1.1.1983 für sämtliche steuerbaren Rechtsvorgänge auf einheitlich 2 v. H. abgesenkt (§ 11 GrEStG) und durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (BGBl. I 1996, 2049) - JStG 1997 - auf den im Streitfall maßgebenden Steuersatz von 3,5 v. H. erhöht. An der Einheitlichkeit eines für sämtliche Erwerbsvorgänge geltenden Steuersatzes hat sich auch nach Inkrafttreten des durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl. I 2006, 2034) eingefügten Art. 105 Abs. 2a S. 2 GG nichts geändert.

             

26        2. Bemessungsgrundlage

             

27        a) Durch § 10 Abs. 1 GrEStG vom 29.3.1940 (RGBl I 1940, 585) - GrEStG 1940 - wurde erstmals angeordnet, dass die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist. Hierfür maßgebend war, dass die Berechnung der Steuer nach dem gemeinen Wert in der praktischen Durchführung zu großen Schwierigkeiten geführt hatte. „Die Feststellung des gemeinen Werts verursachte den Steuerbehörden erhebliche Mehrarbeit. Die Auffassung darüber, welcher Wertbetrag als gemeiner Wert zugrunde zu legen war, ging zwischen den Steuerbehörden und den Steuerschuldnern oft erheblich auseinander. Die Zahl der Rechtsmittel war infolgedessen recht hoch" (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 377, 404).

             

28        b) Bei seinem Inkrafttreten am 1.1.1983 hat das GrEStG die in § 10 GrEStG 1940 getroffene Regelung der Bemessungsgrundlage mit redaktionellen Änderungen übernommen und den Ansatz des Werts der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 i. V. m. § 9 GrEStG) als Regel-Bemessungsgrundlage bis heute unverändert beibehalten. Gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG in seiner am 1.1.1983 geltenden Fassung war die Steuer, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist, und ferner in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen. Als Wert des Grundstücks war gemäß § 10 GrEStG in seiner am 1.1.1983 geltenden Fassung der Einheitswert anzusetzen.

             

29        c) Durch spätere Gesetzesänderungen wurden sowohl der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 GrEStG erweitert als auch der insoweit bislang maßgebende Einheitswert durch eine Bedarfsbewertung ersetzt.

             

30        aa) Durch das JStG 1997 wurde § 8 Abs. 2 GrEStG dahingehend geändert, dass sich die Steuer anstelle des bis zum 31.12.1996 maßgeblichen Einheitswerts nunmehr nach dem Grundbesitzwert (§ 138 Abs. 2 oder 3 BewG) bemisst; gleichzeitig wurde der bis dahin geltende § 10 GrEStG durch das JStG 1997 aufgehoben (vgl. auch § 138 Abs. 1 S. 1 BewG). Damit wurde für die Fälle des § 8 Abs. 2 GrEStG erstmalig eine Bewertung anlässlich des einzelnen Steuerfalls (Bedarfsbewertung) eingeführt.

             

31        Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber für die Grundbesitzbewertung die Konsequenzen aus den beiden zur Erbschaft- und Schenkungsteuer bzw. zur Vermögensteuer ergangenen BVerfG-Beschlüssen vom 22.6.1995 - 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl. II 1995, 655, BB 1995, g) und 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl. II 1995, 671, BB 1995, g) gezogen. Dabei galten §§ 138 ff. BewG nach der Überschrift des Vierten Abschnitts des BewG („Vorschriften für die Bewertung des Grundbesitzes für die Erbschaftsteuer ab 1.1.1996 und für die Grunderwerbsteuer ab 1.1.1997") einheitlich sowohl für die Grunderwerbsteuer als auch für die Erbschaftsteuer.

             

32        bb) Aufgrund der Verweisung des § 8 Abs. 2 GrEStG auf § 138 Abs. 2 oder 3 BewG gelten differenzierte Bewertungsregelungen, wobei die Grundbesitzwerte je nach Art des Grundbesitzes auf unterschiedliche Art und Weise festgestellt werden.

             

33        (1) Für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 2 BewG sind die land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwerte gemäß § 138 Abs. 2 i. V. m. §§ 139 bis 144 BewG zu ermitteln. Gemäß § 140 Abs. 1 S. 1 BewG richten sich der Begriff der wirtschaftlichen Einheit und der Umfang des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach § 33 BewG. Für den Wohnteil (zum Begriff vgl. § 141 Abs. 4, § 34 Abs. 3 BewG), die Betriebswohnungen (§ 141 Abs. 3 BewG) und den Betriebsteil (§ 141 Abs. 2, § 34 Abs. 2 BewG) werden Einzelwerte ermittelt, die zusammen den land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwert bilden (§ 144 BewG).

             

34        Der Wert der Betriebswohnungen und des Wohnteils ist gemäß § 143 Abs. 1 BewG nach den Vorschriften zu ermitteln, die beim Grundvermögen für die Bewertung von Wohngrundstücken gelten (§§ 146 bis 150 BewG). Abweichend hiervon ist gemäß § 143 Abs. 2 BewG bei der Mindestbewertung nach § 146 Abs. 6 BewG höchstens das Fünffache der bebauten Fläche zugrunde zu legen. Nach § 143 Abs. 3 BewG ist ein Wertabschlag von 15 v. H. vorgesehen, wenn eine räumliche Verbindung der zu bewertenden Betriebswohnung und des Wohnteils mit der Hofstelle besteht. Der Wert des Betriebsteils wird gemäß § 142 Abs. 2 BewG im Wesentlichen in einem stark vereinfachten Ertragswertverfahren mit standardisierten Werten für die wichtigsten Nutzungen und Nutzungsteile ermittelt. Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann der Betriebswert, abweichend von dem standardisierten Ertragswertverfahren, in einem Einzelertragswertverfahren ermittelt werden (§ 142 Abs. 3 S. 1 BewG).

             

35        (2) Gemäß § 145 Abs. 3 S. 1 BewG beträgt der Steuerwert unbebauter Grundstücke 80 v. H. des von den örtlichen Gutachterausschüssen nach den Vorschriften BauGB ermittelten Bodenrichtwerts (§ 196 BauGB), wobei gemäß § 138 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 S. 2 BewG bis Ende 2006 die Wertverhältnisse zum 1.1.1996 maßgeblich waren. Der Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Lagewert, der sich für Gebiete mit im Wesentlichen gleicher Lage und gleichen Nutzungsverhältnissen ergibt (vgl. Kreutziger/Schaffner, BewG, 1. Aufl. 2002, § 145 Rz. 9). Der Steuerpflichtige hat nach der Öffnungsklausel des § 145 Abs. 3 S. 3 BewG die Möglichkeit nachzuweisen, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger als der nach § 145 Abs. 3 S. 1 BewG ermittelte Wert ist. Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts kommt es auch nach der bis zum Jahr 2006 geltenden Rechtslage nicht auf die Wertverhältnisse zum 1.1.1996, sondern zum Bewertungsstichtag an (BFH-Urteil vom 5.5.2010 - II R 25/09, BFHE 230, 72, BStBl. II 2011, 203).

             

36        (3) Der Grundbesitzwert bebauter Grundstücke, die die Voraussetzungen des § 147 BewG nicht erfüllen, berechnet sich gemäß § 146 Abs. 2 S. 1 BewG mit dem 12,5fachen Jahreswert der tatsächlichen Durchschnittsmiete (ohne Nebenkosten, Abs. 2 S. 3) oder - wenn eine solche nicht existiert - der üblichen Miete (§ 146 Abs. 3 BewG). Die altersbedingte Wertminderung des Gebäudes wird mit Abschlägen berücksichtigt (dazu § 146 Abs. 4 BewG); für Ein- und Zweifamilienhäuser gilt die Zuschlagsregelung des § 146 Abs. 5 BewG. Bei einem unter dem reinen Wert des Grund und Bodens (Steuerwert gemäß § 145 Abs. 3 BewG) liegenden Steuerwert für das bebaute Grundstück ist als Grundbesitzwert der Wert des Grund und Bodens als so genannter Mindestwert anzusetzen (§ 146 Abs. 6 BewG). Der Steuerpflichtige kann auf den Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer gemäß § 146 Abs. 7 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert als den Grundbesitzwert nachweisen.

             

37        Lässt sich für ein bebautes, nicht vermietetes Grundstück eine übliche Miete nicht ermitteln, sieht § 147 Abs. 1 S. 1 BewG in Abweichung vom Ertragswertverfahren das so genannte Steuerbilanzwertverfahren vor (zum Anwendungsbereich vgl. § 147 Abs. 1 S. 2 BewG). In diesen Sonderfällen errechnet sich der Grundbesitzwert aus der Summe des Werts des Grund und Bodens (§ 147 Abs. 2 S. 1 BewG) und des Werts des Gebäudes (dazu § 147 Abs. 2 S. 2 BewG). Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für das gesamte Objekt ist nicht vorgesehen; lediglich für den Grund und Boden kommt die Öffnungsklausel des § 145 Abs. 3 S. 3 BewG zum Tragen.

             

38        cc) Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 402) - StEntlG 1999/2000/2002 - wurde u. a. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG um die Anwendung auf Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG erweitert.

             

39        d) Schließlich sind, der im Streitfall maßgebenden Gesetzeslage nachfolgend, weitere Änderungen des § 8 Abs. 2 GrEStG und des BewG erfolgt.

             

40        aa) Durch das JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) ist § 138 Abs. 1 S. 1 BewG dahingehend geändert worden, dass die Grundbesitzwerte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt festgestellt werden. Für unbebaute Grundstücke ist durch Änderung des § 145 Abs. 3 BewG die vormalige Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum 1.1.1996 entfallen. Vielmehr ist ab 1.1.2007 nach § 145 Abs. 3 S. 3 BewG der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war.

             

41        bb) Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150) wurde der bisherige Verweis in § 8 Abs. 2 S. 1 GrEStG auf die Werte i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG durch den Verweis auf die Werte i.S. des § 138 Abs. 2 bis 4 BewG und der bisherige Verweis in § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG auf § 138 Abs. 1 S. 2 BewG durch den Verweis auf § 138 Abs. 1 S. 1 BewG ersetzt.

             

42        cc) Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) hat der Gesetzgeber im neu eingefügten Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG (§§ 157 ff. BewG i.d.F. des ErbStRG) die Bewertung von Grundbesitz für Zwecke der Erbschaftsteuer neu geregelt. Mit diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber die Forderung des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 nach einer durchgängigen Ausrichtung der Bewertung am gemeinen Wert für die Erbschaft- und Schenkungsteuer umgesetzt.

             

43        Mit dem Inkrafttreten der §§ 157 ff. BewG i. d. F. des ErbStRG wurde die Grundbesitzbewertung für die Erbschaftsteuer von den Bestimmungen im bisherigen Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG (§§ 138 ff. BewG), die hinsichtlich ihrer erbschaftsteuerlichen Anwendung der Beurteilung im BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 zugrunde lagen, abgekoppelt. Seit dem Inkrafttreten des ErbStRG gelten die §§ 138 ff. BewG nur noch für die Grunderwerbsteuer; dies ist mit dem Inkrafttreten des ErbStRG durch die entsprechende Änderung der Überschrift des Vierten Abschnitts des Zweiten Teils klargestellt worden.

             

44        III. Rechtsauffassung des beschließenden Senats zur Verfassungsmäßigkeit des § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 GrEStG und § 138 Abs. 2 und 3 BewG

             

45        1. Prüfungsmaßstab: Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

             

46        Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z. B. BVerfG-Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721, m. w. N., ständige Rechtsprechung).

             

47        Die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht wird durch zwei Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.I.2.a). Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.I.2.b). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, und vom 6.7.2010 - 2 BvL 13/09, BFH/NV 2010, 1767, BB-Entscheidungsreport Lühn, BB 2010, 2157, jeweils m. w. N.).

             

48        2. Verklammerung von Steuertarif und Steuerbemessungsgrundlage

             

49        Gemäß § 11 GrEStG gilt ein einheitlicher Steuersatz für sämtliche gemäß § 1 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge und beide Arten der in § 8 GrEStG normierten Bemessungsgrundlagen. Eine solche einheitliche Steuersatzregelung verlangt eine ausreichend folgerichtig und belastungsgleich ausgestaltete Bemessungsgrundlage. Denn die Belastungswirkung einer Steuer erschließt sich erst aus dem Zusammenwirken des Steuertarifs mit dem ausdifferenzierten Bewertungsrecht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter B.I.2.). Verstöße gegen den Gleichheitssatz, die in den Bewertungsvorschriften angelegt sind, entfalten ihre belastende Wirkung erst über die Tarifvorschrift.

             

50        Ausgehend von der in § 1 GrEStG getroffenen Belastungsentscheidung, grundsätzlich alle Rechtsträgerwechsel an Grundstücken der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen (vgl. BFH-Urteile vom 1.4.1981 II R 87/78, BFHE 133, 97, BStBl. II 1981, 488; vom 9.4.2008 - II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526), verlangt das Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg für alle nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu besteuernden Rechtsvorgänge ein gleichheitsgerechtes und folgerichtiges Bewertungssystem. Diesen Anforderungen genügen die gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG anzuwendenden Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG aus den nachfolgenden Gründen nicht.

             

51        3. Verstoß des § 8 Abs. 2 GrEStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

             

52        Der Senat ist von einem Verstoß des § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz überzeugt. Diese Ersatz-Bemessungsgrundlage führt für sämtliche dieser Vorschrift unterfallenden Rechtsvorgänge zu Besteuerungsergebnissen, die die vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung nicht im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen.

             

53        a) Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist der Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts, der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruht (BVerfG-Beschluss vom 8.1.1999 - 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152). Die Grunderwerbsteuer ist aufgrund der Anknüpfung der Besteuerung an einen Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern eine Verkehrsteuer, die in Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1526, m. w. N.). Zu ihrem Wesen gehört, dass sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpft (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7.5.1963 - 2 BvL 8/61, 2 BvL 10/61, BVerfGE 16, 64, 73, und in BStBl. II 1999, 152).

             

54        b) Der Senat bejaht zwar die Vereinbarkeit des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit, als nach dieser Vorschrift in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG anstelle der Regel-Bemessungsgrundlage des § 8 Abs. 1 GrEStG eine Ersatz-Bemessungsgrundlage anzuwenden ist (BFH-Urteile vom 1.2.1971 - II 25/65, BFHE 101, 438, BStBl. II 1971, 343; vom 2.4.2008 - II R 53/06, BFHE 220, 550, BStBl. II 2009, 544, BB 2008, 1772 mit BB-Komm. Köhler, BB 2008, 1774).

             

55        aa) Bei der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) betrifft eine etwaige Gegenleistung nur die zuletzt hinzu erworbenen Anteile, so dass eine auf das ganze Grundstück bezogene Gegenleistung weder ersichtlich ist noch den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspräche (BFH-Beschluss vom 18.11.2005 - II B 23/05, BFH/NV 2006, 612, m. w. N.). Eine Anknüpfung der Besteuerung an den Wert der Gegenleistung für den Erwerb der Gesellschaftsanteile wäre demgemäß nicht sachgerecht. Ebenso ist auch die Anwendung einer Ersatz-Bemessungsgrundlage in Fällen der Anteilsübertragung bzw. des Anteilsübergangs (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) schon aus praktischen Gründen des Gesetzesvollzugs gerechtfertigt. Zwar wird bei diesen Rechtsvorgängen regelmäßig eine Gegenleistung für die Übertragung der Anteile vorliegen. Die regelmäßig am Reinvermögen der Gesellschaft ausgerichtete und im Übrigen durch wirtschaftliche Erwartungen bestimmte Preisbemessung ist jedoch als Besteuerungsgrundlage der Grunderwerbsteuer offensichtlich ungeeignet (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 405; Hofmann, a. a. O., § 8 Rz. 47).

             

56        bb) Für die vorstehenden Besteuerungsfälle hält es der Senat aufgrund der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen generalisierenden Sicht des Gesetzgebers für unschädlich, dass § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG auch dann anzuwenden ist, wenn - wie im Streitfall - der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG durch die Begründung eines Anspruchs auf Übertragung des einzigen Geschäftsanteils einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) bewirkt wird.

             

57        cc) Die Anwendung des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG ist aus Gründen der Steuervereinfachung ebenfalls sachlich gerechtfertigt. Nach der durch das JStG 1997 eingefügten Regelung des vormaligen § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG sollte sich die Bemessungsgrundlage in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG aus dem Teil der Gegenleistung ergeben, der auf Grundstücke im Vermögen der Personengesellschaft entfällt. Die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage bereitete in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten (zu Einzelheiten vgl. Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl., § 9 Rz. 478 ff.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 9 Rz. 155 ff.). Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG mit Wirkung vom 1.4.1999 (vgl. § 23 Abs. 6 S. 1 GrEStG) aufgehoben und die Bemessungsgrundlage für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Regelung des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG unterstellt hat. Aufgrund dieser Neuregelung hat sich der Aufwand der Finanzverwaltung für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erheblich verringert (vgl. auch Begründung zum StEntlG 1999/2000/2002, BTDrucks 14/23, 204).

             

58        c) Die gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG anzuwendenden Bewertungsregelungen verstoßen aber gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Diese Vorschriften bewirken nicht etwa nur Ungleichbehandlungen, die lediglich in einzelnen Regelungen der §§ 138 ff. BewG angelegt sind. Vielmehr geht der Senat auch für die Grunderwerbsteuer davon aus, dass --wie in dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.g festgestellt-- die Bewertungsvorschriften für das Grundvermögen (§ 138 Abs. 3 i. V. m. §§ 139, 145 bis 150 BewG) in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des Gleichheitssatzes genügen und damit auf der Bewertungsebene verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse erzeugen. Entsprechende Folgerungen sind auch für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. § 138 Abs. 2, §§ 139 bis 144 BewG zu ziehen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.4.).

             

59        Für die Grunderwerbsteuer wird dieser Befund auch vom Schrifttum ganz überwiegend geteilt (Halaczinsky, UVR 2007, 87, 89; Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz mit Bewertungsgesetz und Grunderwerbsteuergesetz, § 8 GrEStG Rz. 11 ff.; Rutemöller, DStZ 2010, 637; Micker, DStZ 2009, 285, 290; Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 15 Rz. 40; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 8 Rz. 15a f.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 8 Rz. 78 ff.; a.A. Hofmann, a. a. O., § 8 Rz. 69).

             

60        aa) Das BVerfG hat die Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG in seinem Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 (unter C.II.2.) einer eingehenden verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen und festgestellt, dass §§ 138 ff. BewG in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des Gleichheitssatzes genügen und damit auf der Bewertungsebene verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse bewirken.

             

61        (1) Die Bewertung von bebauten Grundstücken sowohl im vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 146 Abs. 2 S. 1 BewG als auch durch die Sonderbewertung gemäß § 147 BewG ist zur Erfüllung der Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG strukturell ungeeignet (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.b bb und C.II.2.c). Das vereinfachte Ertragswertverfahren führt zu Einzelergebnissen, die in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 v. H. und über 100 v. H. des gemeinen Werts differieren. Aufgrund dieser weitreichenden und gravierenden Streubreite der Bewertungsergebnisse ist das BVerfG (Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.b cc (2)) zu folgender Feststellung gelangt:

             

62        „Eine relationsgerechte Abbildung der durch den Erwerb vermittelten Leistungsfähigkeit findet bei der vereinfachten Ertragsbewertung mithin nicht statt. Vielmehr haftet auch dieser Bewertung Zufälliges und Willkürliches an...".

             

63        Ebenso führt auch die Sonderbewertung nach § 147 BewG „zu bloßen, nicht durch Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigten Zufallswerten" (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.c).

             

64        (2) Nach Auffassung des BVerfG verstößt die Sonderbewertung nach § 147 BewG aufgrund der Übernahme der Steuerbilanzwerte für die aufstehenden Gebäude auf der Bewertungsebene gegen Art. 3 Abs. 1 GG und bewirkt verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse. Der Steuergesetzgeber hat damit von vornherein auf eine für eine gleichmäßige Lastenverteilung geeignete Wertfindung verzichtet; die Übernahme der Steuerbilanzwerte für die aufstehenden Gebäude führt zu bloßen, nicht durch Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigten Zufallswerten für die Gebäude.

             

65        (3) Ferner hat das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 (unter C.II.2.f) ausgeführt, die Bewertung der unbebauten Grundstücke entspreche aufgrund der durch § 138 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 S. 3 BewG a.F. angeordneten, bis Ende 2006 geltenden Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1996 nicht den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG.

             

66        (4) Schließlich verstößt auch die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gegen die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden Anforderungen und führt deshalb zu mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Besteuerungsergebnissen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.4.).

             

67        (5) Das BVerfG ist daher in seinem Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2.g abschließend zu folgendem Befund gelangt:

             

68        „Jedenfalls derzeit genügen die Bewertungsvorschriften für Grundvermögen damit in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des Gleichheitssatzes und bewirken deshalb bereits auf der Bewertungsebene verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse."

             

69        Im Übrigen wird ergänzend auf die eingehenden Ausführungen im BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter C.II.2. Bezug genommen.

             

70        bb) Diese verfassungsrechtliche Beurteilung der in §§ 138 ff. BewG geregelten Grundbesitzbewertung im BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 wird auch durch die Ausführungen gestützt, mit denen die Bundesregierung im Gesetzentwurf zum ErbStRG (BTDrucks 16/7918, 44) die Neuregelung der Bewertung des Grundbesitzes für erbschaftsteuerliche Zwecke (§§ 157 ff. BewG i. d. F. des ErbStRG) begründet hat:

             

71        „Die derzeitigen Bewertungsmethoden gewährleisten keine gleichheitsgerechte Annäherung an den gemeinen Wert. Die Bewertungen von bebauten Grundstücken erreichen beispielsweise nur etwa 60 bis 70 Prozent des gemeinen Werts, wobei die Einzelergebnisse in erheblicher Anzahl auch zwischen weniger als 20 und über 100 Prozent des gemeinen Werts differieren."

             

72        cc) Auf der Grundlage der vom BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 (unter C.II.2. und 4.) gerügten Gleichheitsverstöße gelangt der Senat - ausgehend von dem in § 11 GrEStG normierten einheitlichen Steuersatz - zu der Überzeugung, dass die gesetzliche Regelung der Ersatz-Bemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG verfassungswidrig ist. Auch die Höhe der Grunderwerbsteuer bestimmt sich nach den sich aus §§ 138 ff. BewG ergebenden Zufallswerten und erzeugt mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare ungleiche Belastungswirkungen.

             

73        d) Für das Grunderwerbsteuerrecht vermag der Senat keine Rechtfertigung für diese auf den Bewertungsregelungen der §§ 138 ff. BewG beruhenden ungleichen Besteuerungsergebnisse zu erkennen. Die Bewertung nach den §§ 138 ff. BewG verstößt gegen das Gebot einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden grunderwerbsteuerrechtlichen Binnengerechtigkeit.

             

74        aa) Die sich aus der Anwendung des § 11 i. V. m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG ergebenden gravierenden Bewertungs- und Belastungsunterschiede sind nicht hinnehmbar und keine Folge einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung oder Pauschalierung. Für die Grunderwerbsteuer kann insoweit nichts anderes gelten als für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, für die das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 ausdrücklich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der auf §§ 138 ff. BewG beruhenden Bewertungsergebnisse unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Typisierung und Pauschalierung verworfen hat. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, dass der Steuersatz der Grunderwerbsteuer (§ 11 GrEStG) erheblich geringer ist als die Steuersätze der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber durch die in § 8 Abs. 2 GrEStG in Bezug genommenen Bewertungsregelungen von vornherein auf eine für eine gleichmäßige Lastenverteilung geeignete Wertfindung verzichtet hat.

             

75        bb) Entgegen der Auffassung des BMF (ähnlich auch Hofmann, a. a. O., § 8 Rz. 69) lassen sich die durch Anwendung des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG bewirkten Gleichheitsverstöße auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, diese Bewertungsergebnisse beruhten „auf einer an sachlichen Gesichtspunkten orientierten, folgerichtigen Umsetzung der primären Belastungsentscheidung" für die Fälle, in denen sich die Bemessungsgrundlage nicht aufgrund einer privatautonomen Festlegung des Werts der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG) ergebe. In Bezug auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage bestehen zwischen der gesetzlichen Anknüpfung an einen privatautonom gefundenen Wert (der im Regelfall dem Verkehrswert entspricht) einerseits und einer gesetzlich angeordneten Ersatz-Bemessungsgrundlage andererseits grundlegende Unterschiede. Dabei kann offen bleiben, ob - wie das BMF meint - die Ergebnisse der Bewertung nach §§ 138 ff. BewG überhaupt die Streubreite der vertraglich vereinbarten Gegenleistungswerte i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG widerspiegeln.

             

76        Die Gegenleistung als Bemessungsgrundlage entspricht - wie oben unter Teil B.I.1. ausgeführt - regelmäßig dem gemeinen Wert des Grundstücks am maßgeblichen Stichtag (Steuerentstehungszeitpunkt); dies gilt jedenfalls für die zahlenmäßig weitaus bedeutsamste Fallgruppe, bei der die Vertragschließenden gegenläufige Interessen verfolgen. Hieran ändert nichts, dass die Wertfindung durch die am Erwerbsvorgang Beteiligten in Ausübung der ihnen durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Privatautonomie (dazu vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 7.2.1990 - 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, BB 1990, 440; vom 6.2.2001 -1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89) erfolgt. Denn der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen (BVerfG-Beschluss vom 27.7.2005 - 1 BvR 2501/04, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 596) und bietet insoweit eine „Richtigkeitsgewähr" der getroffenen Vereinbarung (dazu z.B. Erman/C. Armbrüster, BGB, 12. Aufl., Vorbemerkung Vor § 145 BGB Rz. 36 ff.). Die gleichmäßige Anwendung des sich daraus ergebenden Werts der Gegenleistung als Regel-Bemessungsgrundlage auf alle ihr unterfallenden Erwerbsvorgänge verwirklicht die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Belastungsgleichheit. Gravierende Unterschiede in der Bemessungsgrundlage ergeben sich daraus nicht (a.A. Hofmann, a. a. O., § 8 Rz. 69).

             

77        Diejenigen Fälle, in denen die Gegenleistung den gemeinen Wert deutlich verfehlt, unterliegen nach der Regelung in § 3 Nr. 2 GrEStG auch nur insoweit der Grunderwerbsteuer, als sie entgeltlicher Natur sind, im Übrigen, soweit Unentgeltlichkeit vorliegt, der Schenkungsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.5.1984 - 1 BvR 464/81 u. a., BVerfGE 67, 70, BStBl. II 1984, 608, BB 1984 Beil. 12 zu Heft 22, 1412; BFH-Urteil vom 13.9.2006 - II R 37/05, BFHE 215, 282, BStBl. II 2007, 59, BB 2006, 2801 Ls, m. w. N.). Der Ansatz einer unter dem gemeinen Wert liegenden Gegenleistung, die nur den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Teil des Rechtsgeschäfts erfasst, ist in diesen Fällen systemgerecht und vermag die zu willkürlichen Bewertungsergebnissen führende und keiner Systematik zugängliche Regelung in § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG nicht zu rechtfertigen.

             

78        Das gilt im Ergebnis auch für die vom BMF angesprochenen, zahlenmäßig unbedeutenden Fälle der Grundstücksübertragung durch einen Gesellschafter auf eine Kapitalgesellschaft gegen einen unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis, bei denen es in Ausnahmefällen an einem Interessengegensatz zwischen den Vertragsbeteiligten fehlen kann, z.B. weil der Grundstücksverkäufer der Alleingesellschafter ist oder an der Kapitalgesellschaft im Übrigen nur nahe Verwandte des Gesellschafters beteiligt sind. Denn der Gesetzgeber kann sich bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Ersatz-Bemessungsgrundlage nicht aus Gründen der Folgerichtigkeit auf Gestaltungsfreiheiten berufen, die den an einem Grundstücksgeschäft Beteiligten kraft ihrer Privatautonomie bei der Bemessung einer nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusetzenden Gegenleistung zustehen. Der Steuergesetzgeber ist kein Träger grundrechtlicher Freiheiten aus Art. 2 Abs. 1 GG, sondern vielmehr bei der Schaffung steuergesetzlicher Wertermittlungsregeln zur Beachtung der Bindungen aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet. Soweit daher die gesetzliche Ausgestaltung der Grundbesitzbewertung - wie bei § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG - strukturell in einer Vielzahl von Fällen zu einer zufälligen oder gar willkürlichen Wertbemessung führt, kann sie aufgrund des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand haben.

             

79        4. Verstoß gegen das Gebot gleichheitsgerechter Besteuerung im Verhältnis zu § 8 Abs. 1 GrEStG?

             

80        Der Senat kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen, ob ein Verstoß der Gesamtregelung des § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darüber hinaus auch deshalb vorliegt, weil diese Regelungen sachlich nicht gerechtfertigte Belastungsunterschiede im Verhältnis zu den § 8 Abs. 1 GrEStG unterfallenden Steuerfällen herbeiführen. Insbesondere bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Bemessungsgrundlage aus § 8 Abs. 2 GrEStG aus Verfassungsgründen zumindest annähernd am gemeinen Wert ausgerichtet sein muss und somit im Vergleich zur Besteuerung nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG) nicht zu allzu verschiedenen Ergebnissen führen darf (so Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., Vorbemerkungen Rz. 94; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 8 Rz. 15b; Pahlke in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 8 Rz. 79; Rutemöller, DStZ 2010, 637, 638 ff.; Micker, DStZ 2009, 285, 290; ähnlich wohl auch Hofmann, a. a. O., § 8 Rz. 66; vgl. auch bereits BFH-Urteile in BFHE 101, 438, BStBl. II 1971, 343, unter II.3.; vom 16.10.1985 II R 99/85, BFHE 145, 95, BStBl. II 1986, 148).

             

81        IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

             

82        Der Senat setzt das Verfahren aus und holt eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage ein, da es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Verfassungsmäßigkeit des § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 GrEStG und § 138 Abs. 2 und 3 BewG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG).

             

83        1. Keine verfassungskonforme Auslegung

             

84        Eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG ist nicht möglich. Diese Vorschriften sind ihrem Wortlaut nach, der auch ihrem Gesetzeszweck entspricht, eindeutig. Eine verfassungskonforme Auslegung ist unzulässig, wenn sie in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde oder der mögliche Wortsinn einer Vorschrift unmissverständlich ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 64, 93; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 11. Aufl., Art. 20 Rz. 34, m. w. N.). Die Rechtsprechung kann deshalb die Vorschriften nicht durch anderweitige Regelungen ersetzen.

85        2. Mögliche Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten

86        Die Klägerin kann als ausländische juristische Person durch die mögliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids auch in eigenen Rechten verletzt sein. Zwar stehen ausländischen juristischen Personen die Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht zu (BVerfG-Beschlüsse vom 1.3.1967 - 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207; vom 27.12.2007 - 1 BvR 853/06, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2008, 670). Ob sich die Klägerin für den von ihr gerügten Gleichheitsverstoß auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Vermeidung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern unter Berücksichtigung des Änderungsprotokolls vom 1.6.2006 (BGBl. II 2008, 766) - DBA-USA -, das gemäß Art. 24 Abs. 6 DBA-USA für Steuern jeder Art und Bezeichnung gilt, stützen kann oder ob sich eine entsprechende rechtliche Position aus Art. XI des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487) ergibt, kann vorliegend offen bleiben. Jedenfalls sieht der Gesetzgeber auf der Ebene des einfachen (Grunderwerbsteuer-)Rechts eine unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer juristischer Personen nicht vor. Demgemäß kann die Klägerin gegen den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid geltend machen, durch einen belastenden rechtswidrigen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz. 41).

             

87        3. Maßgeblichkeit des Verfassungsverstoßes für den Streitfall

             

88        a) Sind § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 GrEStG und §§ 138 ff. BewG verfassungsgemäß, so ist die Vorentscheidung zwar aufzuheben, weil das FG hinsichtlich der dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage die Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 1 GrEStG nicht beachtet hat. Die Grunderwerbsteuer wäre aber unter Abänderung des angefochtenen Bescheids vom 10.2.2005 lediglich geringfügig geringer auf 512 447 Euro festzusetzen (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO).

             

89        Aufgrund des Kaufvertrags vom 26.4.2001 war gegen die Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG Grunderwerbsteuer festzusetzen.

             

90        aa) Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist hinreichend bestimmt.

             

91        Schriftliche Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 S. 2 AO). Dies ist eine Ausprägung des in § 119 Abs. 1 AO allgemein niedergelegten Grundsatzes, dass Verwaltungsakte hinreichend bestimmt sein müssen (BFH-Urteil vom 13.12.2007 - II R 28/07, BFHE 220, 537, BStBl. II 2008, 487, m. w. N.).

             

92        In dem angefochtenen Steuerbescheid ist der besteuerte Lebenssachverhalt durch die Angaben zum notariellen Kaufvertrag vom 26.4.2001 ausreichend bezeichnet. Der Inhaltsbestimmtheit des Bescheids steht auch nicht entgegen, dass er - unter Verzicht auf eine Bezeichnung der einzelnen Grundstücke und der für sie jeweils gesondert festgestellten Grundbesitzwerte - die Steuer auf der Grundlage einer Addition der „Grundstückswerte laut Feststellungen der Betriebsprüfung im Bericht vom 1.12.2004" in einem Betrag festgesetzt hat. Ein solcher unaufgegliederter Grunderwerbsteuerbescheid über den Erwerb mehrerer Grundstücke ist hinreichend bestimmt, wenn die Grunderwerbsteuer für jedes Grundstück anhand des Bescheids und ggf. weiterer dem Steuerpflichtigen bekannter Unterlagen zweifelsfrei ermittelt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 220, 537, BStBl. II 2008, 487). Die insoweit notwendigen Angaben können sich auch aus Anlagen, Prüfungsberichten oder Unterlagen ergeben, die sich in den Händen des Steuerpflichtigen befinden (vgl. BFH-Urteil vom 15.3.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl. II 2007, 472, unter II.1.b aa zur hinreichenden Bestimmtheit eines Schenkungsteuerbescheids). Vorliegend lassen sich solche Angaben dem Betriebsprüfungsbericht vom 1.12.2004 entnehmen. Diesem Bericht waren, wie sich aus dessen Ziff. 2.1.3. ergibt, die Mitteilungen über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte sowie eine hierzu gefertigte Aufstellung beigefügt. Mit Rücksicht darauf war das FA nicht gehalten, die festgesetzte Grunderwerbsteuer im angefochtenen Bescheid nochmals näher aufzuschlüsseln.

             

93        bb) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG wird ein Rechtsgeschäft besteuert, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 v. H. der Anteile einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Das Gesetz fingiert dabei einen - zivilrechtlich nicht vorhandenen - grundstücksbezogenen Erwerbsvorgang und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 v. H. der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es geht dabei nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (BFH-Urteil vom 19.12.2007 - II R 65/06, BFHE 220, 542, BStBl. II 2008, 489).

             

94        cc) Der Kaufvertrag vom 26.4.2001 erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, weil der Klägerin aufgrund dieses Vertrags ein Anspruch auf Übertragung aller Anteile an der M-GmbH zustand, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehörten. Hinsichtlich des Erwerbs der Anteile an der M-GmbH liegen die Voraussetzungen des - der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorgehenden - § 1 Abs. 2a GrEStG nicht vor, weil § 1 Abs. 2a GrEStG ausschließlich den Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft betrifft. Aufgrund der in dem Kaufvertrag vereinbarten aufschiebenden Bedingungen ist mit deren Eintritt am 31.5.2001 die Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG entstanden (§ 38 AO i. V. m. § 14 Nr. 1 GrEStG).

             

95        dd) Ferner erfüllt der Kaufvertrag vom 26.4.2001 im Hinblick auf den durch ihn - mit Eintritt der hier vereinbarten aufschiebenden Bedingungen am 31.5.2001 - begründeten Anspruch auf Übertragung von unmittelbar bzw. mittelbar allen Anteilen an der B-GbR die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Die Klägerin hat aufgrund dieses Vertrags einen rechtswirksamen Anspruch auf (unmittelbare) Übertragung der bislang von der A-GmbH gehaltenen Beteiligung an der B-GbR in Höhe von 6 v. H. erlangt. In Höhe der von der M-GmbH an der B-GbR gehaltenen Beteiligung von 94 v. H. waren ferner bei Eintritt der im Vertrag vom 26.4.2001 vereinbarten aufschiebenden Bedingungen am 31.5.2001 die Voraussetzungen einer mittelbaren Anteilsvereinigung in der Person der Klägerin erfüllt, weil zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch der Klägerin auf Übertragung aller Anteile an der M-GmbH begründet worden war.

             

96        Die Voraussetzungen des der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorgehenden § 1 Abs. 2a GrEStG liegen bezüglich des Anteils an der B-GbR deshalb nicht vor, weil die Klägerin durch den Vertrag vom 26.4.2001 keine gesamthänderische Mitberechtigung erworben hat. Eine durch Anteilsübertragung bewirkte Änderung des Gesellschafterbestands i. S. des § 1 Abs. 2a GrEStG setzt die Übertragung der Mitgliedschaft an der Personengesellschaft durch Abtretung des Gesellschaftsanteils gemäß §§ 413, 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs voraus (vgl. Piehler/Schulte, MünchHdb.GesR I/1, 3. Aufl., § 73 Rz. 1, m. w. N.). Daran fehlt es vorliegend, weil sich der Vertrag vom 26.4.2001 nach dem klaren Vertragswortlaut in seiner Ziff. 2 auf den Kauf der fraglichen Geschäftsanteile beschränkte; deren Abtretung war ausdrücklich erst für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen und ist erst durch den Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 31.5.2001 erfolgt. Ob das FA im Hinblick auf diesen Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 31.5.2001 Grunderwerbsteuer festsetzen konnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

             

97        ee) Der Besteuerung der mit Rechtswirksamkeit des Vertrags vom 26.4.2001 verwirklichten grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgänge steht nicht entgegen, dass die von der Klägerin erworbenen Anteile an der M-GmbH und die Beteiligung der A-GmbH an der B-GbR gemäß Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 31.5.2001 auf die O-GmbH übertragen wurden. Das Grunderwerbsteuerrecht lässt eine Zusammenfassung mehrerer nacheinander verwirklichter Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang nicht zu (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.12.2010 - II R 45/08, BFH/NV 2011, 709, BB 2011, 739 mit BB-Komm. Behrens, BB 2011, 741).

             

98        ff) Die Steuerfestsetzung hatte für diese nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgänge unter Ansatz der Grundbesitzwerte (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG) auf den hier maßgebenden Besteuerungszeitpunkt des 31.5.2001 zu erfolgen.

             

99        gg) Das FG hat allerdings nicht berücksichtigt, dass in die dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage auch die Grundbesitzwerte für zwei Grundstücke der M-GmbH in Höhe von 2 000 DM und 4 000 DM (1 022 Euro bzw. 2 045 Euro) einbezogen worden sind. Wegen der Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG wären daher die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer unter Abänderung des Bescheids vom 10.2.2005 nach einer Bemessungsgrundlage von 14 641 355 Euro auf 512 447 Euro herabzusetzen.

             

100       b) Sind § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 GrEStG und §§ 138 ff. BewG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, muss der Senat zu einer anderen Entscheidung kommen.

             

101       aa) Die Klage müsste nach einer entsprechenden Entscheidung des BVerfG entweder in vollem Umfang Erfolg haben, weil beim Fehlen einer die Bemessungsgrundlage und/oder den Steuersatz festlegenden Regelung Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt werden kann, oder das Ausgangsverfahren müsste gemäß § 74 FGO ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber die Vorschriften über die Ersatz-Bemessungsgrundlage und/oder den Steuersatz rückwirkend geändert hat. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter B.I.1., m. w. N.). Dabei kann es für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage keine Rolle spielen, dass das BVerfG im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192, unter B.I.1.).

             

102       bb) Der Entscheidungserheblichkeit steht nicht entgegen, dass das BVerfG in seinem zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ergangenen Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet hat, eine Neuregelung bis spätestens zum 31.12.2008 zu treffen.

             

103       (1) Im Hinblick auf die Anwendung des § 11 GrEStG i. V. m. § 8 Abs. 2 GrEStG und §§ 138 ff. BewG kommt der genannten Entscheidung des BVerfG keine Bindungswirkung zu.

             

104       Eine solche Bindungswirkung ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 2 BVerfGG. Die einer Entscheidung des BVerfG nach dieser Vorschrift zukommende Gesetzeskraft erstreckt sich nur auf die Entscheidungsformel - Tenor - (BVerfG-Urteil vom 31.1.1989 - 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 264; BVerfG-Beschluss vom 30.5.1972 - 1 BvL 21/69 und 18/71, BVerfGE 33, 199, 203; BVerfG-Urteil vom 19.7.1966 - 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56, 86). Die in Gesetzeskraft erwachsene Entscheidungsformel des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 bezieht sich ausschließlich auf § 19 Abs. 1 ErbStG.

             

105       Auch aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ergibt sich eine solche Bindungswirkung nicht. Die nach dieser Vorschrift angeordnete Bindungswirkung sichert über die Rechtskraft hinaus die Befolgung der konkreten Entscheidung und ihre Beachtung durch die Hoheitsträger. Gegenstand der Bindung sind neben dem Tenor der Entscheidung auch die tragenden Entscheidungsgründe (BVerfG-Urteil in BVerfGE 20, 56, 87; BVerfG-Beschlüsse vom 20.1.1966 - 1 BvR 140/62, BVerfGE 19, 377, 391 ff.; vom 10.6.1975 - 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, 88, 93). Die Bindungswirkung kann sich aber nur auf den Streitgegenstand beziehen, über den das BVerfG entschieden hat (BVerfG-Beschluss vom 6.11.1968 - 1 BvR 727/65, BVerfGE 24, 289, 297). Streitgegenstand des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 war allein die Frage, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG auf alle Erwerbsvorgänge wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den unterschiedlichen Vermögensarten verfassungswidrig ist. Demgemäß hat das BVerfG, ausgehend von der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG, ausschließlich die erbschaftsteuerrechtliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage beim Grundvermögen nach Maßgabe des seinerzeit geltenden § 12 Abs. 3 ErbStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG als gleichheitswidrig verworfen. Die Verfassungsmäßigkeit der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist daher, auch wenn insoweit ebenfalls die Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG anzuwenden sind, nicht vom Streitgegenstand des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 erfasst. Demgemäß umfasst auch die in diesem BVerfG-Beschluss angeordnete Weitergeltung des bisherigen Rechts nicht die grunderwerbsteuerrechtliche Ersatz-Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG.

             

106       (2) Soweit der Senat nach Ergehen des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG jedenfalls für vor dem 1.1.2009 verwirklichte Erwerbsvorgänge ausgegangen war (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 1526, und vom 11.6.2008 - II R 58/06, BFHE 222, 87, BStBl. II 2008, 879), hält er daran nicht mehr fest. Denn dieser Rechtsprechung lag die Annahme zugrunde, dass der Gesetzgeber - auch wenn insoweit nicht durch den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192 gebunden - die vom BVerfG festgestellten Verfassungsverstöße bei der Grundbesitzbewertung nicht nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch für die Grunderwerbsteuer für nach dem 31.12.2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge beseitigen würde. Eine solche gesetzliche Neuregelung ist jedoch nicht erfolgt.

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