BFH: Behandlung von Pflegegeldern für die intensivpädagogische Betreuung von Jugendlichen in einer Einrichtung i. S. des § 34 SGB VIII
BFH, Urteil vom 30.11.2022 – VIII R 13/19
ECLI:DE:BFH:2022:U.301122.VIIIR13.19.0
Volltext BB-Online BBL2023-406-4
Amtlicher Leitsatz
Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung.
Sachverhalt
Streitig ist, ob Pflegegelder für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2014 und 2015 jeweils maßgeblichen Fassung (EStG) sind.
Die Klägerin ist staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. In den Streitjahren betreute sie besonders traumatisierte Jugendliche, die in Pflegefamilien, Heimen, Großeinrichtungen oder in geschlossenen Einrichtungen keine Aufnahme mehr finden konnten und diese Formen der Unterbringung, teilweise auch schon die geschlossene Psychiatrie, bereits durchlaufen hatten, jeweils im Rahmen einer intensivpädagogischen Betreuung i.S. des § 35 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die Jugendlichen besuchten keine Regelschulen, sondern wurden von der Klägerin unter Nutzung von Unterlagen einer Fernschule beschult. Die Klägerin firmierte nach außen als "…-Betreuungsstelle …" unter dem Namen "…".
Im Streitjahr 2014 betreute die Klägerin vier Jugendliche, im Streitjahr 2015 im Monat Mai fünf Jugendliche, im Rest des Jahres vier Jugendliche.
Zwischen der Klägerin und dem Jugendwerk … (Jugendwerk), das als Träger der freien Jugendhilfe an den … angebunden war, bestand ein Kooperationsvertrag. Dessen Gegenstand war die Durchführung von Hilfemaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe "gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a, 41 SGB VIII" durch die Klägerin als Betreuungsperson. Die Betreuungen waren auf der Grundlage vereinbarter Qualitätsstandards und eines Hilfeplans "in der Wohnung" der Klägerin durchzuführen. Der Klägerin oblagen u.a. die eigenverantwortliche Durchführung der Maßnahmen und die Gewährleistung eines gelingenden Alltags, die Mitwirkung bei der Erstellung eines Hilfeplans für die einzelnen Jugendlichen als Grundlage ihrer pädagogischen Aktivitäten vor Ort und die schriftliche Dokumentation des Erziehungsprozesses samt Berichterstattung darüber an das Jugendwerk.
Der Betreuung der einzelnen Jugendlichen lag zusätzlich jeweils ein Leistungs- und Honorarvertrag zwischen dem Jugendwerk und der Klägerin zugrunde. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Betreuung und Unterbringung zur Erziehung des Jugendlichen "gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a bzw. 41 SGB VIII" auf Grundlage der im Kooperationsvertrag vereinbarten Pflichten. Sie erhielt für jeden Jugendlichen ein Erziehungshonorar in Gestalt eines Tagessatzes (§ 5.1 i.V.m. Anlage 1 zum jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrag). Die Tagessätze lagen in den Streitjahren für die einzelnen Jugendlichen zwischen 100,77 € und 101,03 €. In einzelnen Honorarverträgen wurde für die Höhe des Erziehungshonorars auf die in den sog. Rahmenverträgen nach § 78f SGB VIII festgelegten Sätze für Regelleistungen und für konzeptionsbedingte Leistungen für Einrichtungen i.S. des § 78a Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII Bezug genommen. Ferner wurde der Klägerin ein Teil des Sachaufwands tageweise ersetzt. Dies betraf Aufwendungen für die Verköstigung, kosmetische und persönliche Bedürfnisse des jeweiligen Jugendlichen, den hauswirtschaftlichen Bedarf sowie einen Mietanteil. Der Sachkostenersatz war am Sozialhilfesatz orientiert und betrug in den Streitjahren zwischen 21,22 € und 21,48 € pro Tag für jeden Jugendlichen. Bei einer Abwesenheit des Jugendlichen von mehr als drei Tagen erhielt die Klägerin 75 % des Honorars und des Sachkostenersatzes (§ 5.3 des jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrags). Darüber hinaus wurden an die Klägerin die jeweils nach Alter gestaffelten Sätze für das dem Jugendlichen zustehende Taschen- und Kleidergeld ausgezahlt (§ 5.2 i.V.m. Anlage 2 zum Leistungs- und Honorarvertrag).
Die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen fand auf einem von der Klägerin im Jahr 2012 erworbenen Grundstück samt Gebäude (einem ehemaligen Gasthof) statt. Das Gebäude bestand in den Streitjahren aus drei abgeschlossenen Wohnungen (Nrn. 1 bis 3) im Ober- und im Dachgeschoss sowie im Erdgeschoss aus einem Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum, einem Freizeit- und Fitnessraum, einer Gemeinschaftsküche und Toiletten. In den Streitjahren bewohnte die Klägerin die Wohnung Nr. 1 (79,59 qm) in der Mitte des Gebäudes selbst, in der großen Wohnung Nr. 2 im Ober- und Dachgeschoss (150,89 qm) wohnten ihre beiden erwachsenen Söhne mit Freundinnen und in der Wohnung Nr. 3 (66,89 qm) die betreuten Jugendlichen. Die Jugendlichen verfügten in dieser Wohnung jeweils über Einzelzimmer, zudem hatte die Wohnung ein eigenes Bad. In den Streitjahren war ein Jugendlicher in dem zur Wohnung Nr. 2 gehörenden Dachgeschoss untergebracht, weil die Wohnung Nr. 3 nur drei Einzelzimmer hatte. Zur Wohnung der Klägerin (Nr. 1) hatten die Jugendlichen insoweit Zutritt, als die Klägerin dort für sie jederzeit ansprechbar war. In der Wohnung der Klägerin wurde jedoch nicht gemeinsam gekocht und gelebt. Die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten fand in der Gemeinschaftsküche und im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss (26 qm) statt, die Jugendlichen konnten zur Zubereitung kleinerer Mahlzeiten auch die Küche in ihrer Wohnung nutzen. Die gemeinsamen Aktivitäten wie der Schulunterricht und Freizeitaktivitäten fanden im Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum im Erdgeschoss (45 qm) statt. Zudem stand für den Sport ein Fitnessraum (21 qm) zur Verfügung.
In den Streitjahren beschäftigte die Klägerin insgesamt vier Personen. Hierzu gehörten einer ihrer Söhne und dessen Freundin, die bei der Klägerin zur Ausbildung als Erzieher beschäftigt waren. Zudem arbeiteten für die Klägerin noch ein angehender Erzieher, der sein Anerkennungsjahr absolvierte, und eine ausgebildete erzieherische Fachkraft im Rahmen einer Teilzeitstelle.
Die Klägerin erteilte dem Jugendwerk für jeden der Jugendlichen monatliche Rechnungen über die Erziehungshonorare und den Sachkostenersatz. Die Summe der für alle vier Jugendlichen zusammen gezahlten Erziehungshonorare (ohne den Sachkostenersatz) belief sich monatlich durchschnittlich auf 12.120 € (rund 404 € pro Tag für durchschnittlich 30 Tage im Monat). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde der Aufwand der Klägerin für Sachkosten und die Personalkosten (37.133,31 € für das Streitjahr 2014 und 34.344,41 € für das Streitjahr 2015) nicht in voller Höhe durch den Sachkostenersatz gedeckt.
Die gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Jahresgewinne der Klägerin betrugen im Streitjahr 2014 69.662 € und im Streitjahr 2015 (nach Abzug von Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 28.000 €) 42.456 €.
Die Klägerin behandelte die Vergütungen aus der erzieherischen Tätigkeit in ihren Gewinnermittlungen und Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre zunächst als steuerpflichtige Betriebseinnahmen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre (jeweils vom 30.08.2016). Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, die Einnahmen aus der erzieherischen Tätigkeit seien steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die anschließend erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Begründung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1969 mitgeteilt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe zu Unrecht verneint, dass die Voraussetzungen einer gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfreien Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Erziehung erfüllt seien. Die Klägerin habe die Jugendlichen im Rahmen einer Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII in ihren Haushalt aufgenommen und dort intensivpädagogisch betreut. Da sie weniger als sechs Jugendliche gleichzeitig betreut habe, sei ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflegegelder steuerfreie Beihilfen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.03.2019 - 11 K 3207/17 aufzuheben und unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 jeweils vom 30.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2017 die Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen
16 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
17 1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an die Klägerin gezahlten Pflegegelder in den Streitjahren keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.
18 a) Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Ersetzen die Pflegegeldzahlungen den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Pflegeeltern nicht und ist dies auch nicht beabsichtigt, sind sie als steuerfreie Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG anzusehen (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14.07.2020 - VIII R 27/18, BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 19; vom 05.11.2014 - VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; vom 28.06.1984 - IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Am Charakter einer Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 EStG fehlt es hingegen, wenn die Pflegegelder für Erziehungsleistungen gezahlt werden, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; vom 05.11.2014 - VIII R 27/11, BFH/NV 2015, 960, und VIII R 9/12, BFH/NV 2015, 967, jeweils m.w.N.; vom 17.05.1990 - IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).
19 b) Pflegegelder, die an die Betreiber von Einrichtungen und sonstiger Formen betreuten Wohnens i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen, weil typisierend davon auszugehen ist, dass sie die Sach-kosten in angemessenem Umfang ersetzen und die Erziehungsleistungen vergüten (s. BFH-Urteil vom 23.09.1998 - XI R 9/98, BFH/NV 1999, 600, unter II.1. [Rz 21], für Pflegesatzzahlungen an den Betreiber eines sog. Kleinstheims; zustimmend Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 31.08.2021, BStBl I 2021, 1802, unter C.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, nach denen Pflegeentgelte an Heimbetreiber leistungsgerecht sein müssen).
20 c) Eine steuerfreie Beihilfe kann hingegen vorliegen, wenn ein einzelner Jugendlicher in den Haushalt der Betreuungsperson zeitlich unbefristet aufgenommen und dort intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut wird. In diesem Fall entspricht das Pflegeverhältnis seinem Inhalt und der Durchführung nach ‑‑unabhängig von der sozialrechtlichen Qualifikation des Betreuungsverhältnisses als intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung i.S. des § 35 SGB VIII‑‑ der Betreuung des Jugendlichen im Rahmen einer nicht erwerbsmäßigen Vollzeitpflege i.S. des § 33 SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter D.; zum Beihilfecharakter der Pflegegelder, die im Rahmen einer Vollzeitpflege gezahlt werden, vgl. BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 19, m.w.N., und BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter A.). Werden mehrere Jugendliche zeitlich unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen und dort intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob die Anzahl der durch die Pflegeperson betreuten Kinder bzw. Jugendlichen oder andere Umstände für eine erwerbsmäßige Betreuung und den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder sprechen (BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter D.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i.V.m. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Die von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit einer Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII angewandte Vermutungsregel, dass eine erwerbsmäßige Betreuung nicht vorliegt, wenn nicht mehr als sechs Kinder gleichzeitig in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen und betreut werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; in BFH/NV 2015, 960; in BFH/NV 2015, 967; BFH-Beschluss vom 10.12.2019 - VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357, m.w.N.; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter A.), greift in den Fällen der intensivpädagogischen Betreuung mehrerer Jugendlicher, die unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen werden, daher nicht.
21 d) Nach diesen Vorgaben hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Pflegesatzzahlungen an die Klägerin keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind. Die Würdigung des FG, die Jugendlichen seien von der Klägerin im Rahmen einer Heimunterbringung oder anderen Form des sonstigen betreuten Wohnens gemäß § 34 i.V.m. § 35 SGB VIII erwerbsmäßig betreut worden, ist nicht zu beanstanden.
22 aa) Nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des FG wurden die Jugendlichen von der Klägerin jeweils intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut. Weiterer Ausführungen des Senats hierzu bedarf es daher nicht.
23 bb) Die Jugendlichen wurden in den Streitjahren von der Klägerin im Rahmen einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII betreut.
24 Zwar sind Privathaushalte der Erzieher, in denen dem Jugendlichen ein Zimmer überlassen wird, keine Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rz 57, 58). Der Senat hat aber im Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 in Rz 62 bereits angedeutet, dass in sog. Mischfällen trotz einer familienähnlichen Betreuung auch von der Betreuung der Kinder und Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII auszugehen sein kann. Ein solcher Mischfall liegt angesichts der räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen im Streitfall vor. Umstände, die für eine stationäre Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung (Kleinstheim) oder in einer Form des sonstigen betreuten Wohnens i.S. des § 34 SGB VIII sprechen (abgetrennte Wohnbereiche, Gemeinschafträume und der Einsatz von Personal), sind neben weiteren Umständen (der Zuweisung der Jugendlichen zur persönlichen Betreuung durch die Klägerin und ihrer Unterbringung bei der Klägerin) vorhanden, die für eine Betreuung der Jugendlichen wie in einer Vollzeitpflegestelle gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII sprechen. Die Würdigung, ob in solchen Mischfällen der Schwerpunkt im Bereich der Unterbringung nach § 34 SGB VIII liegt oder die Elemente einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII überwiegen, ist unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und obliegt daher dem FG als Tatsacheninstanz (vgl. zu den fließenden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der §§ 33, 34 SGB VIII und den Abgrenzungskriterien Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.10.2008 - 7 A 10444/08, Das Jugendamt ‑‑JAmt‑‑ 2009, 92; des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25.08.2020 - 7 K 2354/18, juris, Rz 32; des Schleswig-Holsteinischen FG vom 27.02.2019 - 2 K 8/19, EFG 2019, 766, Rz 51, 57, 58, sowie aus der Kommentarliteratur Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 33 Rz 17b; Jung/Kador, SGB VIII, § 33 Rz 45, § 34 Rz 8, 9; Wapler in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl., § 33 Rz 75, 76, und Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. vom 12.01.2021 - SN_2020_1321 Bn, JAmt 2021, 91, 92).
25 Dass das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen ist, es überwögen die Umstände, die für eine Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung der Klägerin i.S. des § 34 SGB VIII sprechen, ist nicht zu beanstanden. Die vom FG für seine Würdigung herangezogenen und gewichteten Umstände, die Jugendlichen und die Klägerin hätten innerhalb des Gebäudes in abgetrennten Wohnungen mit eigenen Bädern gewohnt, für die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten sowie die Freizeitaktivitäten seien die Gemeinschaftsküche und -räume im Erdgeschoss genutzt worden und die Jugendlichen seien maßgeblich durch das von der Klägerin angestellte Personal mitbetreut worden, tragen den Schluss des FG, dass der für die Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII erforderliche sachliche und institutionelle Rahmen gegeben war. Die weitere Würdigung des FG, trotz der persönlichen Zuweisung der Jugendlichen zur Betreuung durch die Klägerin, des unbestritten hohen persönlichen Engagements der Klägerin und ihrer täglichen Ansprechbarkeit für die Jugendlichen rund um die Uhr könne angesichts der räumlichen Gegebenheiten der Unterbringung und des Zusammenlebens sowie des Personaleinsatzes nicht mehr von der Aufnahme und Betreuung der Jugendlichen im Haushalt der Klägerin ausgegangen werden, ist möglich und nachvollziehbar. Zudem hat das FG plausibel darauf abgestellt, die Klägerin habe auch durch ihren Internetauftritt im Außenverhältnis den Eindruck vermittelt, als dauerhafte Einrichtung in Form einer Betreuungsstelle tätig zu sein.
26 cc) Schon die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung spricht nach der typisierenden Betrachtung der Rechtsprechung unabhängig von der Betreuungsintensität für den Entgeltcharakter der gezahlten Pflegegelder (s. unter II.1.b). Zudem sind aufgrund der Anzahl der betreuten Jugendlichen und der weiteren Rahmenbedingungen der Betreuung im Streitfall Umstände vorhanden, die selbst bei Annahme einer intensivpädagogischen Betreuung unter Aufnahme der Jugendlichen in den Haushalt der Klägerin auf eine erwerbsmäßige Betreuung schließen lassen (s. unter II.1.c). Das FG hat den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder darüber hinaus in nicht zu beanstandender Weise daraus abgeleitet, die Bezugnahme auf die Regelungen in "§§ 34, 35 SGB VIII" und auf die Regelung des § 78f SGB VIII in den zugrunde liegenden Betreuungsverträgen zeige, dass der Klägerin leistungsgerechte Pflegegelder nach den sog. landesrechtlichen Rahmenverträgen i.V.m. §§ 78f, 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gezahlt worden seien. Schließlich ist es auch überzeugend, dass das FG den Vergütungscharakter des Pflegegelds aus den in beiden Streitjahren (unter Außerachtlassung der Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag) erzielten Gewinnen in Höhe von jeweils rund 70.000 € ableitet. Da die Sach- und Personalkosten der Klägerin nicht durch den tageweisen Sachkostenersatz gedeckt wurden, musste die Klägerin diese Aufwendungen durch die für die Erziehung gezahlten Tagessätze mitfinanzieren. Dass sie in beiden Streitjahren gleichwohl die genannten Gewinne erzielt hat, spricht dafür, dass die für die Erziehungsleistungen gezahlten Tagessätze Vergütungscharakter hatten.
27 2. Über die Höhe der Gewinne der Klägerin, die bei Nichteingreifen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG in den Streitjahren anzusetzen und der Besteuerung zu unterwerfen sind, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
28 3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).