FG Düsseldorf: Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens wird durch Übersendung einer einfachen E-Mail nicht gewahrt
FG Düsseldorf, Urteil vom 8.6.2021 – 10 K 3452/18 E, U
ECLI:DE:FGD:2021:0608.10K3452.18E.U.00
Volltext BB-Online BBL2021-1877-4
Leitsätze der Redaktion
1. Wird ein Schriftsatz per Telefax übermittelt, und soll damit eine Ausschlussfrist für das Vorbringen gewahrt werden, muss die übermittelte Kopie des Schriftsatzes mit Ablauf des letzten Tages der Frist vollständig und mit Unterschrift aufgezeichnet bei Gericht eingehen.
2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass bestimmende Schriftsätze und Rechtsmittel wegen der erforderlichen Schriftform grundsätzlich eigenhändig – d. h. handschriftlich – von der postulationsfähigen Person unterschrieben sein müssen, eine bloß maschinenschriftliche Unterschrift genügt dem Schriftformerfordernis nicht.
3. Wird der bestimmende Schriftsatz als elektronisches Dokument übermittelt, muss er den Voraussetzungen des § 52a Abs. 3 FGO entsprechen, d. h. entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg i. S. d. § 52a Abs. 4 FGO eingereicht worden sein.
Sachverhalt
Zu entscheiden ist primär, ob die Klage zulässig ist.
Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kläger erzielt u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb …. ESt-Erklärungen für die Streitjahre 2011 bis 2013 sowie Gewinnermittlungen für die gewerblichen Einkünfte des Klägers wurden bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht. Eingereicht wurden lediglich Erklärungen zur Umsatzsteuer (USt) und zur Gewerbesteuer.
Mit Bescheid vom 17.11.2015 wurde eine Außenprüfung betreffend ESt, USt und Gewerbesteuer 2011 bis 2013 bei dem Kläger angeordnet, welche mit Bericht vom 20.12.2016 abgeschlossen wurde. Aufgrund der Nichtvorlage der ESt-Erklärungen, der Gewinnermittlungen und der vollständigen Buchführung nahm der Prüfer Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 20.12.2016 Bezug genommen.
Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung ergingen am 23.02.2017 bzw. 24.02.2017 Änderungsbescheide zur ESt und USt 2011 bis 2013. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 01.08.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kläger haben sodann Klage erhoben, die sie trotz Aufforderung des Gerichts nicht begründeten.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 26.08.2019 forderte die Berichterstatterin den Prozessbevollmächtigten der Kläger unter Setzung einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO auf, bis zum 07.10.2019 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Als Reaktion hierauf sandte der Prozessbevollmächtigte am 07.10.2019 um 23:27 Uhr eine E-Mail an das Gericht. Um 23:47 Uhr ging zudem ein Ausdruck dieser E-Mail per Fax ein, welcher keine handschriftliche Unterschrift des Prozessbevollmächtigten enthielt.
Am Montag, dem 07.06.2021 (Vortag der mündlichen Verhandlung), ging um 15:19 Uhr per E-Mail und um 15:58 Uhr per Fax ein Terminverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein. Dieser teilte mit, dass er gerade erfahren habe, dass eine Mieterin, in deren Wohnung er sich in der letzten Woche zweimal aufgehalten habe, am vergangenen Freitag positiv auf Corona getestet worden sei. Der Antrag wurde durch den Vorsitzenden abgelehnt unter Hinweis darauf, dass die Verhinderungsgründe weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht worden seien. Als Reaktion hierauf ergänzte der Prozessbevollmächtigte seinen Vortrag (Eingang am 08.06.2021 per E-Mail um 7:36 Uhr und per Fax um 7:53 Uhr). Zugleich legte er gegen die Ablehnung des Terminverlegungsantrags Beschwerde ein. Unterlagen zur Glaubhaftmachung des Verhinderungsgrunds übersandte er nicht.
Der Senat hat die Sache am 08.06.2021 in Anwesenheit beider Kläger, jedoch ohne Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten verhandelt.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom 23.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 01.08.2017 entsprechend der noch nicht eingereichten Einkommensteuererklärungen zu ändern.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 23.02.2017 und die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 vom 14.02.2017, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2017, dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2011 auf ./. 5.944,89 Euro, die Umsatzsteuer 2012 auf ./. 7.117,39 Euro und die Umsatzsteuer 2013 auf 15.507,51 Euro festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Steuerakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Der Senat war berechtigt, in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu verhandeln und zu entscheiden (§ 91 Abs. 2 FGO). Eine Verpflichtung, den Termin abzuladen, bestand nicht.
Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht „aus erheblichen Gründen“ auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO). Wird ein Antrag auf Terminverlegung „in letzter Minute“ gestellt, muss der Beteiligte von sich aus den Verlegungsgrund glaubhaft machen (BFH, Beschluss vom 05.05.2020 – III B 158/19, BFH/NV 2020, 905 m.w.N.).
Im Streitfall wurde der Prozessbevollmächtigte der Kläger unmittelbar nach Eingang des ersten Terminverlegungsantrags durch den Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass die vorgebrachten Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht worden seien. Trotzdem lagen auch dem zweiten Terminverlegungsantrag keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung bei. Insoweit ist zu beachten, dass die Glaubhaftmachung notfalls – d.h. wenn außer der eigenen Erklärung keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen - auch durch eine eidesstattliche Versicherung erfolgen kann (BFH, Beschluss vom 12.11.2009 – IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671). Selbst wenn es – was nicht vorgetragen wurde – aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen sein sollte, eine Bestätigung der Mieterin über deren Positivtestung und die vorhergehenden Kontakte zum Prozessbevollmächtigten zu beschaffen, hätte der Prozessbevollmächtigte die Richtigkeit seines Vortrags deshalb zumindest eidesstattlich versichern können und müssen. Dies hat er jedoch nicht getan.
Es bestand auch keine Verpflichtung des Gerichts, den sachkundigen Prozessbevollmächtigten auf die Möglichkeit einer eidesstattlichen Versicherung hinzuweisen. Vielmehr hätte es vor dem Hintergrund, dass der Terminverlegungsantrag erst am Nachmittag des Vortags und damit „in letzter Minute“ gestellt worden ist, nicht einmal des Hinweises auf die fehlende Glaubhaftmachung bedurft. Der Prozessbevollmächtigte hätte den Terminverlegungsantrag vielmehr schon von sich aus substantiiert begründen und die darin aufgestellten tatsächlichen Behauptungen glaubhaft machen müssen (vgl. BFH, Beschluss vom 12.11.2009 – IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671).
Die gegen die Ablehnung der Terminverlegung gerichtete Beschwerde stand einer Verhandlung und Entscheidung der Klage ebenfalls nicht entgegen. Denn prozessleitende Verfügungen – zu denen auch die Entscheidung über eine Terminverlegung gehört – können gem. § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
II. Die Klage ist unzulässig.
Es fehlt im Streitfall an einer Sachentscheidungsvoraussetzung, weil der Gegenstand des Klagebegehrens nicht innerhalb der nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist bezeichnet wurde. Zwar ist vor Ablauf der Ausschlussfrist ein Schriftsatz bei Gericht eingegangen, der zumindest in Bezug auf die USt erkennen lässt, in welcher Hinsicht eine Änderung der angefochtenen USt-Bescheide begehrt wird. Jedoch wurde die Ausschlussfrist durch diesen Schriftsatz nicht gewahrt, da er die an bestimmende Schriftsätze zu stellenden Formvorschriften nicht erfüllt.
Bestimmende Schriftsätze sind alle Schriftsätze, durch die – im Unterschied zu bloß vorbereitenden Schriftsätzen, die ein Vorbringen nur ankündigen – eine für das Verfahren wesentliche Prozesshandlung bereits vollzogen wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 30.4.1979, GmS-OGB 1/78, NJW 1980, 172 zu § 64 FGO; H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 09.06.2021), Rn. 30). Hierzu gehören insbesondere die das Verfahren einleitenden bzw. beendenden Schriftsätze (z.B. Klageerhebung, Klagerücknahme) sowie alle Schriftsätze mit sonstigen Prozesserklärungen (z.B. Verzicht auf mündliche Verhandlung). Auch bei einem Schriftsatz, mit dem das Klagebegehren nach Setzung einer Ausschlussfrist i.S.d. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erstmals bezeichnet wird, handelt es sich um einen bestimmenden Schriftsatz (vgl. BFH, Urteil vom 14.12.1994 – XI R 13/94, BFH/NV 1995, 699). Denn durch die Bezeichnung des Klagebegehrens wird verhindert, dass die Klage mit Ablauf der Ausschlussfrist unzulässig wird.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass bestimmende Schriftsätze und Rechtsmittel wegen der erforderlichen Schriftform (vgl. z.B. § 64 Abs. 1 FGO für die finanzgerichtliche Klage) grundsätzlich eigenhändig – d.h. handschriftlich - von der postulationsfähigen Person unterschrieben sein müssen (vgl. BFH, Beschluss vom 19.05.2000 – VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358 m.w.N.; BFH, Urteil vom 23.04.1991 – VII R 63/90, BFH/NV 1992, 180); eine bloß maschinenschriftliche Unterschrift genügt dem Schriftformerfordernis nicht. Dies gilt auch, wenn der Schriftsatz per Telefax übersendet wird (BFH, Urteil vom 22.06.2010 – VIII R 38/08, BStBl II 2010, 1017). Wird ein Schriftsatz, mit dem einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO genügt werden soll, im Telefaxverfahren übersendet, ist die Ausschlussfrist deshalb nur gewahrt, wenn die übermittelte Kopie des Schriftsatzes mit Ablauf des letzten Tages der Frist vollständig und mit Unterschrift aufgezeichnet worden ist (vgl. BFH, Urteil vom 14.12.1994 – XI R 13/94, BFH/NV 1995, 699). Denn erst die eigenhändige Unterschrift macht den prozessbestimmenden Schriftsatz zur wirksamen Prozesshandlung (BFH, Beschluss vom 10.07.2002 - VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597). Wird der bestimmende Schriftsatz als elektronisches Dokument übermittelt, muss er den Voraussetzungen des § 52a Abs. 3 FGO entsprechen, d.h. entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 FGO eingereicht worden sein.
Die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am letzten Tag der Ausschlussfrist übermittelten Schriftsätze erfüllten diese Anforderungen nicht. Bei dem um 23:47 Uhr per Fax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz handelte es sich um einen Ausdruck der schon um 23:27 Uhr übersandten E-Mail. Da die E-Mail nur eine maschinenschriftliche Unterschrift enthielt, hätte der Ausdruck vor dem Faxen handschriftlich unterschrieben werden können und müssen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte – anders als z.B. auf dem am 08.06.2021 um 7:53 Uhr per Fax bei Gericht eingegangenen Ausdruck der E-Mail von 7:32 Uhr – jedoch nicht getan. Auch genügte nicht bereits die E-Mail als solche, um die Ausschlussfrist zu wahren. Denn der elektronisch übermittelte Schriftsatz war weder mit einer elektronischen Signatur versehen noch erfolgte die Übertragung auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 FGO.
Darüber hinaus ist die Klage, soweit sie sich gegen die Einkommensteuer 2011 bis 2013 richtet, auch deshalb unzulässig, weil die am letzten Tag der Ausschlussfrist eingegangenen Schriftsätze keine Angaben zum Klagebegehren enthalten. Die Ausführungen zur ESt 2011 bis 2013 beschränkten sich auf die Darlegung der Gründe, warum es bislang nicht möglich gewesen sei, die Steuererklärungen fertigzustellen und einzureichen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.