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Steuerrecht
23.07.2010
Steuerrecht
: Aufwendungen für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sind Werbungskosten

BFH, Urteil vom 6.5.2010 - VI R 25/09

Leitsatz

Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog. Statusfeststellungsverfahren) sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und deshalb als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.


Sachverhalt

(1) I. Streitig ist, ob Aufwendungen des Kläger für betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

(2) Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der H-GmbH. Er schloss im Oktober 2004 mit einem Beratungsunternehmen eine Vereinbarung über eine betriebswirtschaftliche Beratung. Gegenstand dieser Beratung war die Erörterung, ob für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer Beiträge zu den Sozialversicherungen abgeführt werden müssen. Zudem schlossen der Kläger und die von ihm beauftragte Unternehmerberatung eine Honorarvereinbarung, wonach der Kläger ein Basishonorar in Höhe von 2 900 EUR zuzüglich Umsatzsteuer zahlen musste, wenn die Sozialversicherungspflicht des Klägers verneint wird. Zudem wurde für den Fall, dass Beiträge aus der Vergangenheit erstattet werden, ein Erstattungshonorar in Höhe von 12 % der bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingehenden Bruttoerstattungen zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Ende des Jahres 2004 teilte die angerufene Krankenkasse mit, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei. Daraufhin stellte die von dem Kläger beauftragte Unternehmerberatung dem Kläger das Basishonorar in Höhe von 3 364 EUR in Rechnung. Diesen Betrag überwies der Kläger noch im Dezember 2004. Im Laufe des Jahres 2005 erstattete die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz dem Kläger die entrichteten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 31 973,86 EUR und die Agentur für Arbeit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 9 158,82 EUR. Dem nachfolgend stellte die Unternehmerberatung ein Erstattungshonorar in Höhe von 8 901,52 EUR und in Höhe von 2 549,81 EUR in Rechnung. Die Rechnungen beglich der Kläger im Veranlagungszeitraum 2005.

(3) In seiner Einkommensteuererklärung für den streitigen Veranlagungszeitraum 2005 gab der Kläger die erstatteten Sozialversicherungsbeiträge an und legte die beiden Rechnungen über die Erstattungshonorare in Höhe von insgesamt 11 451,33 EUR vor. Das FA änderte daraufhin gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2002 und 2003 dergestalt, dass die erstatteten Versicherungsbeiträge nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zugelassen wurden. Im Einkommen­steuerbescheid 2005 vom 26.10.2006 wurden die Beraterkosten in Höhe von 11 451,33 EUR weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben berücksichtigt. Das FG wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 994 veröffentlichten Gründen ab.

(4) Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

(5) Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25.3.2009 - 2 K 1478/07 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheids vom 26.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.2.2007 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.451,33 EUR herabzusetzen, hilfsweise die Aufwendungen von den als negative Sonderausgaben berücksichtigten erstatteten Versicherungsbeiträgen abzusetzen.

(6) Das FA beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.


Aus den Gründen

(7) II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Beratungshonorare als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

(8) 1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).

(9) a) Sie liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht. Dabei muss die Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i. S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BFH-Urteile vom 1.2.2007 - VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl. II 2007, 459, BB 2007, 762 Ls; vom 11.1.2007 - VI R 52/03, BFHE 216, 320, BStBl. II 2007, 317, BB 2007, 488 Ls; vom 24.5.2007 - VI R 78/04, BFHE 218, 177, BStBl. II 2007, 721, BB 2007, 1606; vom 6.3.2008 - VI R 68/06, BFH/NV 2008, 1316, und vom 22.7.2008 - VI R 2/07, BFH/NV 2008, 1837). Die sogenannte Bedingungslehre begründet als logisch naturwissenschaftliches Prinzip allerdings noch keinen Zurechnungszusammenhang. Sie allein ist deshalb zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet (vgl. BFH-Beschluss vom 10.1.2008 - VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl. II 2008, 234). Ein lediglich abstrakter Kausalzusammenhang (Ursache-Folgeverhältnis im Sinne einer conditio sine qua non) rechtfertigt allein die einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre noch nicht. Denn nach dem Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Urteil vom 17.9.2009 - VI R 24/08, BFHE 226, 321, BStBl. II 2010, 198). Ob sich der streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei ohne Belang (BFH-Urteil in BFHE 216, 320, BStBl. II 2007, 317, BB 2007, 488 Ls).

(10) b) Auch Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart ist nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen, zu entscheiden. Mit der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit hängen die das Arbeitsverhältnis betreffenden bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zusammen (BFH-Urteil vom 6.12.1983 - VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl. II 1984, 314, BB 1984, 765).

(11) Aber auch die mit einer Beschäftigung (§ 7 SGB IV) einhergehenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weisen den erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus § 19 EStG auf. Denn die Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelmäßig Ausfluss eines Arbeitsverhältnisses (Beschluss des BAG vom 19.8.2008 - 5 AZB 75/08, USK 2008, 50). Deshalb zählen insbesondere Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog. Statusfeststellungsverfahren), das die Feststellung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung zum Gegenstand hat (Urteile des BSG vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17, und vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R, USK 2009, 72), zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

(12) 2. Die Entscheidung des FG, den streitbefangenen Honoraraufwand wegen des nur losen (mittelbaren) Zusammenhangs mit dem Einkünfteerzielungstatbestand nach § 19 EStG als steuerunerhebliche Aufwendungen der Lebensführung nicht zum Werbungskostenabzug zuzulassen, entspricht diesen Grundsätzen nicht. Sie verkennt den Veranlassungszusammenhang von honorierter Beratungsleistung und Arbeitsverhältnis. Die Vorinstanz hat insoweit bindend festgestellt, dass die Beratung auf die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers (vgl. § 7a SGB IV) zielte. Diese Frage beantwortet sich nach der Art der Beschäftigung (§ 7 SGB IV) und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Umstand, dass das Steuerrecht den gesetzlich verwendungsgebundenen Teil des Arbeitseinkommens, den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, als Vorsorgeaufwendungen durch einen beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG entlastet, lässt diesen Veranlassungszusammenhang entgegen der Auffassung des FG nicht entfallen. Insbesondere wird der Beratungsaufwand dadurch nicht zu einer Angelegenheit des Sonderausgabenabzugs. Ob der Steuerpflichtige sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, betrifft das Arbeitsverhältnis als solches und damit die Ebene der Einkommenserzielung, insbesondere die Höhe des vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Gehalts. Fragen der privaten Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen waren hingegen nicht Gegenstand der Beratungsleistung. Auch dieser Umstand zeigt, dass die streitigen Aufwendungen nicht als Kosten der Lebensführung einzuordnen sind, sondern in einem einkommensteuerlich erheblichen Bezug zum Arbeitsverhältnis stehen.

(13) Demnach hat die Vorinstanz den Werbungskostenabzug der geltend gemachten Beratungshonoraraufwendungen zu Unrecht versagt, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben ist.

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