FG Rheinland-Pfalz: Anwendung des DBA-Frankreich bei einer Abfindung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.6.2012 - 3 K 1500/09
Sachverhalt
Strittig ist die Steuerpflicht einer Abfindung. Der Kläger ist verheiratet, wird aber im Streitjahr auf Antrag getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger war nach seiner Anstellung im Februar 2004 bei der Firma M GmbH & Co. KG -M- in P durch Anstellungsvertrag vom 30. Juni 2004 ab dem 1. Juli 2004 Geschäftsführer der Firma E S.A. -E- in F in Frankreich. E ist ein Unternehmen der M-Gruppe. Der Kläger blieb daneben weiterhin für M in zeitlich beschränktem Umfang tätig (Blatt 100ff der Prozessakte).
Mit Aufhebungsvereinbarung vom 18. Oktober 2006 beendeten E, M und der Kläger das bestehende Anstellungsverhältnis auf Veranlassung von E in beiderseitigem Einvernehmen mit Wirkung vom 7. Oktober 2006. In der Aufhebungsvereinbarung ist ergänzend ausgeführt, der Kläger sei in geringerem Umfang auch für M tätig gewesen und dies bewirke auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit M, ohne dass hierfür eine eigene Aufhebungsvereinbarung erforderlich würde. Die Parteien seien sich darüber einig, dass unterschiedliche Ansichten in der weiteren strategischen Ausrichtung des Unternehmens Anlass dafür gewesen seien, das Vertragsverhältnis zu beenden. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalte der Kläger eine Abfindung in Höhe von 125.000 € brutto, die in drei Raten ausgezahlt werde. Zusätzlich zu dieser Abfindungssumme dürfe der Kläger seinen Laptop zu einem Restbuchwert von 300 € sowie sein Handy im Vertragswert von 60 € behalten (Blatt 16 bis 18 der Einkommensteuerakte VZ 2006).
In seiner Einkommensteuererklärung 2006 vom 9. Januar 2008 erklärte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der Anlage N einen von M gezahlten Bruttoarbeitslohn in Höhe von 12.939 €. Zu der Anlage N teilte der Kläger mit, er habe von E ein Bruttogehalt von 111.287 € bezogen. Zudem habe er die ersten beiden Raten der Abfindung in Höhe von jeweils 45.000 € im Streitjahr vereinnahmt. Für die Abfindung werde von einer Steuerpflicht in Frankreich ausgegangen (Blatt 15 der Einkommensteuerakte VZ 2006).
In dem Einkommensteuerbescheid 2006 vom 28. April 2008 teilte der Beklagte die Auffassung des Klägers nicht und unterwarf den im Streitjahr erhaltenen Teil der Abfindung in Höhe von 90.360 € (2 Raten je 45.000 € Abfindungszahlung, 300 € für Laptop, 60 € für Handy) der inländischen Besteuerung und führte hierzu in der Anlage aus, die Abfindungszahlung aus Frankreich sei in Deutschland der Einkommensteuer zu unterwerfen. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des BFH stellten Abfindungszahlungen kein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit dar und würden auch nicht für eine konkrete Tätigkeit gezahlt. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 1. HS des OECD-Musterabkommens seien Abfindungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlass seines Ausscheidens aus seinem Arbeitsverhältnis gezahlt werden, im Ansässigkeitsstaat zu versteuern. Da keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des Art. 13 Abs. 1 DBA Frankreich vorlägen, sei diese Vorschrift hier nicht anzuwenden. Vielmehr komme Art. 18 DBA Frankreich zur Anwendung, der das Besteuerungsrecht für Einkünfte, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt seien, dem Wohnsitzstaat zuweise.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt vor, der Beklagte verkenne, dass der Wortlaut des einschlägigen Art. 13 DBA Frankreich von dem des Art. 15 OECD-Musterabkommen abweiche. Denn Art. 13 Abs. 1 DBA Frankreich sei offener formuliert und enthalte keine dem Art. 15 Abs. 1 Satz 2 des OECD-Musterabkommens vergleichbare Einschränkung, dass die Vergütung für - "dafür"- eine dort ausgeübte Arbeit bezogen sein müsse. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA Frankreich könnten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrührten, ausgeübt werde. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA Frankreich insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile. Die Regelung des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA Frankreich spreche von "herrühren" und sei damit zu verstehen wie die Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zu den anderen Bezügen im Sinne dieser Vorschrift gehörten auch Abfindungen, da sie ursächlich durch das frühere Arbeitsverhältnis veranlasst seien. Ein "Herrühren" setze eine bloße Veranlassung zwischen der Tätigkeit in Frankreich und der Abfindung voraus, jedoch keine Finalität, wie dies bei einer für eine Vergütung ausgeübten -künftigen- Tätigkeit der Fall sei. Dies unterscheide die Regelung im DBA Frankreich von den einschlägigen Regelungen anderer Doppelbesteuerungsabkommen. Sein ehemaliger Arbeitgeber habe die Abfindung ohne Quellensteuereinbehalt ausgezahlt, da er rechtsirrtümlich von der Anwendbarkeit von Befreiungsvorschriften ausgegangen sei. Wie sich nach zwischenzeitlicher Prüfung der französischen Rechtslage durch eine französische Steuerrechtskanzlei ergeben habe, sei die Abfindung in Frankreich steuerpflichtig (vgl. Schreiben der Judicia Conseils vom 30. Dezember 2009; Blatt 57, 58 der Prozessakte). Er sei daher seinen Verpflichtungen gegenüber den französischen Finanzbehörden nachgekommen und die Abfindung sei in Frankreich für das Streitjahr besteuert worden (Steuerbescheid der Direction Generale des Finances Publiques vom 16. Februar 2010; Blatt 72, 73 der Prozessakte). Frankreich habe daher von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch gemacht und er habe die Steuer entrichtet.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 28. April 2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 dahin zu ändern, dass die im Streitjahr erhaltene Abfindungszahlung in Höhe von 90.360 € nicht der Besteuerung in Deutschland unterworfen wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, nach der Rechtsprechung des BFH seien Abfindungszahlungen an einen aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer kein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen. Denn Abfindungen würden nicht für eine konkrete ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genüge nach dem Abkommenswortlaut nicht. Da auch die an den Kläger gezahlte Abfindung lediglich einen Anlasszusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit aufweise, aber nicht als konkrete Gegenleistung zu einer früheren Arbeitsleistung anzusehen sei, komme nur eine Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat Deutschland in Betracht. Denn auch im Streitfall fehlt es an einen Zusammenhang zwischen einer ausgeübten Arbeit und einer dafür gezahlten Vergütung, die Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen verlange. Auch wenn der Wortlaut von Art. 13 Absatz 1 Satz 1 DBA-Frankreich vom Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen abweiche und nicht darauf abstelle, dass die Vergütung "für" eine dort ausgeübte Tätigkeit bezogen werde, sondern das bloße "herrühren" genügen lasse, so folgten aus diesem Formulierungsunterschied keine abweichenden Beurteilungsmaßstäbe. Für die dem Kläger gezahlte Abfindung stehe nach Art. 18 DBA-Frankreich dem Ansässigkeitsstaat Deutschland das umfassende Besteuerungsrecht zu. Die Vorschrift entspreche inhaltlich bei ihrer Anwendung auf den Streitfall der Regelung in Art. 21 Abs. 1 OECD-Musterabkommen. Zu Art. 21 Abs. 1 OECD-Musterabkommen sei anerkannt, dass bei einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes die Abfindung in den Anwendungsbereich allein dieser Regelung über das Besteuerungsrecht falle. Eine "freiwillige" Besteuerung der Abfindung in Frankreich verhindere den Ansatz der Einkünfte in Deutschland nicht, da Deutschland hier das Besteuerungsrecht zustehe.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2010, der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Mai 2010 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Aus den Gründen
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90a FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.
I.
Nach Art. 13 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern -DBA-Frankreich- können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich der Vorschriften der nachstehenden Absätze nur in dem Vertragstaate besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Artikel 14 bezeichneten Personen gezahlt oder gewährt werden.
Die Vorschrift weicht vom Wortlaut nicht nur geringfügig von Art. 15 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen -OECD-Musterabkommen- ab, wonach vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Hierzu bestimmt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen, dass die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden können, wird die Arbeit dort ausgeübt. Die Regelung in Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich ist inhaltlich erheblich detaillierter und umfangreicher als Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen (Kramer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Rn. 1 zu Art. 13 DBA-Frankreich).
Nach der Rechtsprechung des BFH gilt bei den dem OECD-Musterabkommen entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen das für die Besteuerung von Arbeitslöhnen geltende abkommensrechtliche Arbeitsortprinzip nicht für Abfindungen, die anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juni 2008 - I B 152/07, BFH/NV 2008, 1688). Abfindungen, die einem Arbeitnehmer anlässlich seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis gewährt werden, gehören zu den Einkünften aus nichtelbständiger Arbeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen. Sie stehen jedoch häufig in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu einem Auslandseinsatz mehr, sondern sollen vor allem den Übergang in eine neue Berufsposition überbrücken. Sie sind deshalb weder Entgelt für die frühere Tätigkeit, noch Ruhegehalt im Sinne des Art. 18 OECD-Musterabkommen. Sie sind gem. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-Musterabkommen nur in dem Staat zu besteuern, in dem der abgefundene Arbeitnehmer ansässig ist (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Rn. 144 zu Art. 15 OECD-Musterabkommen).
Der BFH hat dies insbesondere für Art. 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen -DBA-Schweiz - entschieden (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1973 - I R 52/69, BStBl. II 1973, vom 24. Februar 1988 - I R 143/84, BStBl. II 1988, 819 und vom 2. September 2009 - I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044). Nach Art. 15 DBA-Schweiz können vorbehaltlich der Artikel 15a bis 19 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Diese Regelung entspricht nach dem Wortlaut Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen.
In gleicher Weise hat der BFH dies für Art. 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - DBA-Liberia- entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 - I R 83/95, BStBl. II 1997, 341). Diese Regelung entspricht nach seinem Wortlaut den Art. 15 DBA-Schweiz und Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen. Ebenso hat der BFH zu Art. 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern -DBA Belgien entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2009 - I R 90/08, BFH/NV 2009, 2041). Auch diese Regelung entspricht nach dem Wortlaut den Art. 15 DBA-Schweiz und Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen. Das Finanzgericht Rheinland Pfalz ist mit Urteil vom 18. März 1981 (1 K 259/80, in juris) der Rechtsprechung des BFH bezüglich des Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen -DBA Iran- gefolgt. Und auch diese Regelung entspricht nach dem Wortlaut den Art. 15 DBA-Schweiz und Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen.
II.
Diese Grundsätze können jedoch nicht ohne weiteres auf den Streitfall bezüglich der Anwendung des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich übertragen werden. Denn der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich weicht -entscheidungserheblich- von der Regelung des Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen ab.
Während Artikel 15 Absatz 1 OECD-Musterabkommen als seinen Regelungsgegenstand "Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen ... aus unselbständiger Arbeit" bezeichnet, ist in Art. 13 Absatz 1 DBA-Frankreich von "Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit" die Rede. Dieser Begriff ist in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich durch eine Aufzählung von Beispielen erläutert. In dieser Aufzählung werden auch Gehälter und Löhne genannt, darüber hinaus aber noch Besoldungen, Gratifikationen, sonstige Bezüge und alle ähnlichen Vorteile. Da alle diese Posten "insbesondere" als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten sollen, ist der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sehr weit gefasst, und zwar weiter als der Regelungsgegenstand des Art. 15 OECD-Musterabkommen. Tatsächlich betreffen Art. 15 OECD-Musterabkommen und Art. 13 DBA-Frankreich beide gleichermaßen alle denkbaren Vergütungen für nichtselbständige Arbeit. Auch die Vergütung für die Unterlassung von Wettbewerb im Anschluss an eine nichtselbstständige Arbeit gehört z. B. zu den Vergütungen für nichtselbständige Arbeit nach Art. 13 Absatz 1 DBA-Frankreich (vgl. Kramer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Rn. 9 zu Art. 13 DBA-Frankreich unter Bezug auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 22. September 1983 - III 412/81, EFG 1984, 183).
Im Unterschied zu Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen jedoch, der den Anknüpfungspunkt für die Besteuerung in dem Arbeitnehmer sieht, der die "Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen ... aus unselbständiger Arbeit ... bezieht", stellt die Regierung in Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich zusätzlich auf die "andere als in Art. 14 bezeichnete Person" ab, der "insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile... zahlt oder gewährt". Die Verknüpfung zwischen der unselbständigen Arbeit und den Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen wird in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen durch das Wort "dafür" hergestellt. Der BFH hat seine Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen darauf gestützt, dass es sich bei Abfindungen unbeschadet dessen, dass diese nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht Arbeitslohn sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S.d. Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen handelt. Denn Abfindungen werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut -"dafür"- nicht (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2009 - I R 90/08, a.a.O.). Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich weicht jedoch insoweit vom Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen ab, als hier von Einkünften gesprochen wird, die von der "persönlichen" Tätigkeit "herrühren". Der Kläger hat diesbezüglich zu Recht darauf hingewiesen, dass dies nach dem Wortlaut in kausalem Sinne zu verstehen ist, und nicht in finalen Sinne wie das Tatbestandsmerkmal "dafür" in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen. Die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH zu den dem Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen können angesichts dieser Unterschiede nicht auf das DBA-Frankreich übertragen werden. Vielmehr ist bei Beachtung dieser Unterschiede davon auszugehen, dass bei der Besteuerung nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich darauf abzustellen ist, dass die Abfindung von dem ehemaligen französischen Arbeitgeber des Klägers gezahlt wurde und insoweit aus dem Arbeitsverhältnis in Frankreich "herrührte". In der Aufhebungsvereinbarung vom 18. Oktober 2006 ist ausgeführt, das bestehende Anstellungsverhältnis mit E werde auf Veranlassung von E beendet und der Kläger erhalte die Abfindung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Die Aufhebungsvereinbarung bringt damit zum Ausdruck, dass die dem Kläger gewährte Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis "herrührt", weil sich E aufgrund des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses wegen dessen vorzeitiger Beendigung zur Zahlung der Abfindung veranlasst sieht.
Nach dem Abkommenswortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich, der abweichend von Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen das Tatbestandsmerkmal "herrühren" verwendet, ist hier ein Anlasszusammenhang zwischen der unselbständigen Arbeit und den hierfür gezahlten ähnlichen Vorteilen für das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats ausreichend. Dieses Besteuerungsrecht hat Frankreich auch ausgeübt. Ein Besteuerungsrecht steht Deutschland daher für die von E an den Kläger gezahlte Abfindung nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.