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Steuerrecht
14.03.2014
Steuerrecht
FG Köln: Anwendung der Zinsschranke bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen

FG Köln, Urteil vom 19.12.2013 – 10 K 1916/12, Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 4/14)

LEITSATZ (DER REDAKTION)

Bei Ermittlung des für die Zinsschranke nach § 4h EStG maßgeblichen Gewinns der Mutterpersonengesellschaft bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen sind die Gewinnanteile der Tochterpersonengesellschaften aus dem Gewinn der Mutterpersonengesellschaft nicht herauszurechnen.

EStG § 4h

Sachverhalt


Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie der für die Zinsschranke nach § 4h EStG maßgebliche Gewinn der Oberpersonengesellschaft bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen zu ermitteln ist.


Die Klägerin ist in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Herstellung von sonstigen Nahrungsmitteln gewerblich tätig. Außerdem ist sie an verschiedenen Tochterpersonengesellschaften als Kommanditistin beteiligt.


Bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns für 2008 und 2010 kürzte die Klägerin entsprechend dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 (BStBl. I 2008, 718, Tz. 42) ihren Gewinn um die gesondert und einheitlich festgestellten Gewinnanteile aus Tochterpersonengesellschaften und ermittelte so nicht abzugsfähige Zinsaufwendungen für 2008 in Höhe von 2 346 991,00 Euro und für 2010 in Höhe von 676 368,14 Euro. Hierbei handelte es sich um „eigene" Zinsen der Klägerin, die nicht im Zusammenhang mit den Beteiligungen an nachgelagerten Personengesellschaften stehen. Solche Zinsen hat die Klägerin separat als Sonderbetriebsausgaben bei den einzelnen Gesellschaften erklärt.


Der Beklagte folgte den Berechnungen der Klägerin und erließ entsprechende Bescheide über gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte. Außerdem stellte er in vorgenannter Höhe Zinsvorträge fest. Den EBITDA-Vortrag zum 31.12.2010 stellte er mit 0,00 Euro fest. Wegen den Berechnungen wird auf die Bescheide vom 31.1.2012 sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 6.7.2012 Bezug genommen.


Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einsprüche ein.


Während des Einspruchsverfahrens wurde der Einkünftefeststellungsbescheid für 2010 mit Bescheid vom 7.3.2012 geändert.


Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 11.6.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:


Das steuerliche EBITDA sei betriebsbezogen zu ermitteln. Zinsaufwendungen, Zinserträge, Abschreibungen und Anteile am maßgeblichen Gewinn, die in das steuerliche EBITDA einer Mitunternehmerschaft einflößen, fänden beim Mitunternehmer nicht nochmals Berücksichtigung. Dies ergebe sich aus der Tz. 42 des BMF-Schreibens vom 4.7.2008.


Mit der Klage trägt die Klägerin vor:


Ausgangsgröße für die Ermittlung des verrechenbaren EBITDA sei der steuerpflichtige Gewinn der Personengesellschaft vor Anwendung von § 4h EStG. Damit stelle die Vorschrift unmissverständlich auf den Gesamtgewinn der Personengesellschaft gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG und darüber hinaus auf den allgemeinen Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG ab. Lediglich zur Vermeidung eines ermittlungstechnischen Zirkelschlusses werde der steuerpflichtige Gewinn um den durch die Vorschrift selbst zu ermittelnden Hinzurechnungsbetrag modifiziert. Steuerpflichtiger Gewinn sei bei der Mutterpersonengesellschaft einer mehrstöckigen Mitunternehmerschaft der Gesamtgewinn der Mutterpersonengesellschaft. Im steuerlichen Gesamtgewinn der Mutterpersonengesellschaft seien dabei auch die für die mit Mutterpersonengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt Ergebnisanteile aus Tochterpersonengesellschaften enthalten. Anhaltspunkte für eine von diesen allgemeinen Grundsätzen abweichende Beurteilung ergeben sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm nicht.


Die Klägerin beantragt, die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2008 und 2010 sowie die gesonderte Feststellung des Zinsvortrags nach § 4h auf den 31.12.2008 und den 31.12.2010 dergestalt zu ändern, dass die Gewinnanteile aus Tochterpersonengesellschaften bei der Ermittlung des verrechenbaren steuerlichen EBITDA der Klägerin berücksichtigt werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Aus den Gründen


Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.


Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägern deshalb in ihren Rechten, vergleiche § 100 Abs. 1 S. 1FGO.


Der Beklagte hat zu Unrecht bei der Ermittlung des maßgeblichen Gewinns für die Ermittlung der abzugsfähigen Zinsaufwendungen die Gewinnanteile der Tochterpersonengesellschaften aus dem Gewinn der Klägerin herausgerechnet.


Nach § 4h Abs.1 S. 1 EStG sind Zinsaufwendungen eines Betriebs bis zur Höhe des Zinsertrags unbeschränkt abziehbar. Darüber hinausgehende Zinsaufwendungen sind bis zur Höhe des so genannten verrechenbaren EBITDA abziehbar. Das verrechenbare EBITDA wird durch § 4h Abs. 1 S. 2 EStG definiert als 30 % des um die Zinsaufwendungen des laufenden Wirtschaftsjahres und bestimmte Absetzungen erhöhten sowie um die Zinserträge verminderten maßgeblichen Gewinns. Der maßgebliche Gewinn ist gemäß § 4h Abs. 3 S. 1 EStG der nach den Vorschriften des EStG vor Anwendung der Zinsschranke ermittelte steuerpflichtige Gewinn des Betriebs.


Mit dieser Definition des maßgeblichen Gewinns stellte das Gesetz unmissverständlich auf den allgemeinen Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG ab. Steuerpflichtiger Gewinn ist bei der Mutterpersonengesellschaft einer mehrstöckigen Mitunternehmerschaft der Gesamtgewinn der Mutterpersonengesellschaft. In diesem steuerlichen Gesamtgewinn sind dabei auch die für die Mutterpersonengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellten Ergebnisanteile aus Tochterpersonengesellschaften enthalten. Dies ergibt sich aus dem vom Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Transparenzprinzip bei Personengesellschaften (vgl. nur BFH, Urteil vom 11.12.2003 - IV R 42/02, BStBl. II 2004, 353, BB 2004, 699; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl. 2013, § 15 Rz. 620).


Es sind keine Gründe ersichtlich, von diesen allgemeinen Grundsätzen (Gewinnbegriff, Transparenzprinzip) im Bereich des § 4h EStG abzuweichen:


- Der Gesetzeswortsinn ist eindeutig.


- Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Beurteilung bei mehrstöckigen Personengesellschaften (vgl. Bundestags-Drucksache 16/4841, 47 ff.).


- Die Betriebsbezogenheit des § 4h EStG steht nicht entgegen. Eine Personengesellschaft hat nur einen Betrieb. Zu dem Betrieb einer Oberpersonengesellschaft gehört auch die Beteiligung der Oberpersonengesellschaft an der Unterpersonengesellschaft. Auch nach Einführung des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist Mitunternehmerin der Unterpersonengesellschaft die Oberpersonengesellschaft (BFH, Urteil vom 6.9.2000 - IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731, BB 2000, 2613; a. A. Schmidt/Wacker, a. a. O., Rz. 612).


- Die Lösung ist in sich schlüssig und führt nicht zu einer Bevorzugung von mehrstöckigen Personengesellschaften. Verluste von Tochterpersonengesellschaften mindern das EBITDA.


Die Neuberechnung der festzustellenden Beträge wird gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.


Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zu, wie im Rahmen der Zinsschranke der maßgebliche Gewinn bei mehrstöckigen Personengesellschaften zu ermitteln ist.

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