R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
27.03.2025
Steuerrecht
BFH: Anwendung der Bruttomethode im Fall der Ausschüttung einer EU-Kapitalgesellschaft an eine deutsche Organgesellschaft

BFH, Urteil vom 6.2.2025 – IV R 29/22

ECLI:DE:BFH:2025:U.060225.IVR29.22.0

Volltext:BB-ONLINE BBL2025-789-2

Amtlicher Leitsatz

Ausschüttungen, die eine deutsche Organgesellschaft von einer dänischen Tochter-Kapitalgesellschaft bezieht, sind in dem der deutschen Organträger-Personengesellschaft zuzurechnenden Einkommen in voller Höhe ‑‑ohne Anwendung des § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)‑‑ enthalten (§ 15 Satz 1 Nr. 2 KStG). Ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist damit nicht verbunden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Besteuerung von Ausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen Beteiligungsgesellschaft an eine deutsche Organgesellschaft bei der deutschen Organträger-Personengesellschaft gegen die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20) ‑‑Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)‑‑, neu gefasst durch Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Union 2011, Nr. L 345, 8) verstößt.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ehemaliger Gesellschafter der A GmbH & Co. KG (A KG), die die finanzgerichtliche Klage erhoben hatte und während des finanzgerichtlichen Verfahrens vollbeendet wurde. Bei dieser handelt es sich um die vormalige B GmbH & Co. KG Holding (B KG), die in 2014 ihre Firma geändert hatte.

Im Jahr 2009 (Streitjahr) waren an der B KG die C GmbH ohne kapitalmäßige Beteiligung als Komplementärin sowie der Kläger zu 96 % und die Beigeladene zu 4 % als Kommanditisten beteiligt. In 2014 schied die Beigeladene aus der B KG aus; ihre Anteile gingen im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den Kläger über. Die C GmbH änderte ihre Firma in 2015 in D GmbH.

Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 17.03.2020 übertrug der Kläger einen Teil seines Anteils an der A KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die E B.V. Nach der Anmeldung zum Handelsregister vom 03.04.2020 traten zu diesem Zeitpunkt der Kläger sowie die persönlich haftende Gesellschafterin D GmbH aus der Gesellschaft aus. Das Geschäft der A KG wurde ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven von der E B.V. übernommen. Am 19.05.2020 erfolgte die Löschung der A KG aus dem Handelsregister.

Die C GmbH war im Streitjahr zu 50 % an einer dänischen Gesellschaft, der F A/S, beteiligt.

Die B KG hielt im Streitjahr 100 % der Anteile an der C GmbH (Komplementärin); es lag somit eine sogenannte Einheits-GmbH & Co. KG vor.

Der Gesellschaftsvertrag der B KG vom 23.09.2002 enthielt zur Geschäftsführung und Vertretung folgende Regelungen:

"§ 8 Geschäftsführung, Vertretung

(1) Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der persönlich haftende Gesellschafter allein berechtigt.

(2) Der persönlich haftende Gesellschafter ist von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Er führt die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

(3) Werden die Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die persönlich haftender Gesellschafter dieser Gesellschaft ist, von der Gesellschaft selbst gehalten (sog. Einheitsgesellschaft), gilt für die Beschlußfassung, Geschäftsführung und Vertretung folgendes:

a) Hinsichtlich der Anteile an dem persönlich haftenden Gesellschafter, die im Eigentum der Gesellschaft stehen, sind statt des persönlich haftenden Gesellschafters die Kommanditisten geschäftsführungsbefugt. Der persönlich haftende Gesellschafter verpflichtet sich, insoweit von seiner Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft keinen Gebrauch zu machen.

b) Im Rahmen dieser Befugnis ist jeder Kommanditist allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.

c) Die Kommanditisten üben ihre Befugnis in der Weise aus, dass sie in einer Kommanditistenversammlung entsprechend den Regelungen dieses Gesellschaftsvertrages über Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterbeschlüsse einen Beschluß fassen und anschließend der von ihnen bestimmte Kommanditist die beschlossene Maßnahme namens der Gesellschaft unter Einhaltung der vorgeschriebenen Form ausführt."

Die B KG war im Streitjahr an einer Vielzahl von Gesellschaften beteiligt. Außerdem war sie durch die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Konzerngesellschaften gewerblich tätig.

Am 23.04.2009 schloss die B KG als Organträgerin mit der C GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (GAV), der am 19.05.2009 in das Handelsregister eingetragen wurde. Der GAV wurde durch Kündigung zum 31.12.2014 beendet. Der Vertrag hatte folgenden Wortlaut:

"I. Die GmbH unterstellt sich der Leitung durch die KG. Die KG ist berechtigt, der Geschäftsführung der GmbH allgemein oder auf Einzelfälle bezogene Weisung für die Leitung ihrer Gesellschaft zu erteilen.

II. Die GmbH verpflichtet sich, ihren ganzen Gewinn an die KG abzuführen. Abzuführen ist vorbehaltlich der Bildung oder Auflösung von Rücklagen nach Ziff. III der ohne die Gewinnabführung entstehende Vorjahresüberschuss, vermindert um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr.

III. Die GmbH kann mit Zustimmung der KG Beträge aus dem Jahresüberschuss insoweit in andere Gewinnrücklagen einstellen, wie dies handelsrechtlich zulässig und bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Während der Dauer dieses Vertrages gebildete freie Rücklagen (andere Gewinnrücklagen nach § 272 Abs. 3 HGB sowie Kapitalrücklagen auf Zuzahlungen der KG nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) sind auf Verlangen der KG aufzulösen und zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags zu verwenden oder als Gewinn abzuführen. Die Abführung von Erträgen aus der Auflösung von anderen vorvertraglichen Rücklagen ist ausgeschlossen.

IV. Die KG ist entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 des Aktiengesetzes verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag der GmbH auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den freien Rücklagen (anderen Gewinnrücklagen nach § 272 Abs. 3 HGB sowie Kapitalrücklagen aus Zuzahlungen der KG nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.

V. Der Vertrag bedarf der Zustimmung der Gesellschafterversammlung beider Gesellschaften. Er wird wirksam mit Eintragung in das Handelsregister der GmbH. Die Ergebnisabführung erfolgt mit Wirkung zum 1. Januar 2009. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit mindestens aber auf 5 Jahre geschlossen. Er kann nach Ablauf dieser Mindestdauer mit einer Frist von 3 Monaten auf das Ende des Geschäftsjahres der GmbH gekündigt werden. Eine vorherige Kündigung ist nur unter den Voraussetzungen des § 14 Nr. 4 Satz 2 Körperschaftssteuergesetz möglich. Wenn der Vertrag endet, hat die KG den Gläubigern der GmbH entsprechend § 303 AktG Sicherheit zu leisten."

Während der Laufzeit des GAV fand eine tatsächliche Verlustübernahme durch die B KG statt.

Eine unter anderem für das Streitjahr bei der B KG und bei der C GmbH durchgeführte steuerliche Außenprüfung kam zu dem Ergebnis, dass Dividenden der F A/S fälschlicherweise als steuerfreie Einkünfte behandelt worden seien. Für Beteiligungserträge, die eine Organgesellschaft erziele, gelte die sogenannte Bruttomethode, weswegen über die Freistellung erst auf der Ebene des Organträgers entschieden werde (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑ in der im Streitjahr geltenden Fassung). Die Beteiligungserträge, welche durch Ausschüttungen der F A/S erzielt wurden, seien aufgrund der bestehenden Organschaft bei der Organgesellschaft vollumfänglich festzustellen und dann auf Ebene der Organträgerin anzusetzen. Dort finde sodann das Teileinkünfteverfahren Anwendung. Nach den Feststellungen des Außenprüfers ergab sich für das Streitjahr ein der Organträgerin zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaft in Höhe von 896.843 €, welches bei den Kommanditisten der Organträgerin unter § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG) falle.

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) am 18.05.2018 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für die Organträgerin, welcher mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten erging. Darin wurden für die Organträgerin unter anderem laufende Gesamthandseinkünfte in Höhe von rund … € festgestellt. Ferner heißt es in dem Bescheid: "In den vorstehenden Einkünften sind nicht enthalten: Einkommen/Einkünfte der Organgesellschaft 896.834,00; davon entfallen auf Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen (100 %) 897.648,60."

Der dagegen gerichtete Einspruch der A KG blieb erfolglos.

Im nachfolgenden Klageverfahren machte der Kläger als prozessualer Rechtsnachfolger der vollbeendeten A KG geltend, dass die Besteuerung der Gewinnausschüttungen der F A/S nach der sogenannten Bruttomethode gegen Art. 4 Abs. 1 MTR verstoße. Er beantragte, den ‑‑aus nicht das Verfahren betreffenden Gründen am 28.05.2020 erneut geänderten‑‑ Gewinnfeststellungsbescheid für 2009 dahingehend zu ändern, dass das Einkommen aus der Organgesellschaft um 896.834 € herabgesetzt wird. Mit Urteil vom 22.09.2022 - 1 K 17/20 wies das Niedersächsische Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab.

Das FA habe zu Recht angenommen, dass bei der Feststellung des der Organträgerin zuzurechnenden Organeinkommens die an die Organgesellschaft ausgeschütteten Dividenden der F A/S nach nationalem Recht als steuerpflichtig zu behandeln seien. Dies ergebe sich aus der in § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG angeordneten Bruttomethode. Die Einbeziehung der Gewinnausschüttungen nach der Bruttomethode in das der Organträgerin zuzurechnende Einkommen verstoße auch nicht gegen Art. 4 Abs. 1 MTR. Die Richtlinie sehe eine Steuerbefreiung nur für Körperschaften als Empfänger von Bezügen vor. Bei natürlichen Personen, die ‑‑wie vorliegend‑‑ Organträger oder Mitunternehmer des Organträgers seien, lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung hingegen nicht vor. Es stelle daher keinen Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie dar, wenn das FA nach nationalem Recht ein der Organträgerin zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaft festgestellt und dabei die Dividenden der F A/S als steuerpflichtig behandelt habe.

Der Senat sehe von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ab. Es bestünden keinerlei Zweifel an der Vereinbarkeit der Bruttomethode mit dem Unionsrecht.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 22.09.2022 - 1 K 17/20 aufzuheben und den Bescheid für 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom (zuletzt) 28.05.2020 dahingehend zu ändern, dass das festgestellte Einkommen der Organgesellschaft um 897.648,40 € herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

20        II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gewinnausschüttung der F A/S auf der Ebene der B KG unter Berücksichtigung von § 3 Nr. 40, § 3c EStG festzustellen ist (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG).

21        Gegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens ist die Feststellung des Einkommens der Organgesellschaft ("Einkommen/Einkünfte der Organgesellschaft") sowie die Feststellung des Teilbetrags des Einkommens, der unter das Teileinkünfteverfahren beziehungsweise unter § 8b KStG fällt ("davon entfallen auf Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen (100 %)"; dazu 1.). Die Ausschüttung der F A/S ist in voller Höhe ‑‑ohne Anwendung des § 8b KStG‑‑ Teil des Einkommens der C GmbH, das der B KG zugerechnet wird und dort ‑‑im Hinblick auf die Beteiligung natürlicher Personen‑‑ dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG) unterliegt; ein Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie ist damit nicht verbunden (dazu 2.).

22        1. Gegenstand des Klage- und des Revisionsverfahrens ist die Feststellung des Einkommens der Organgesellschaft mit einem Betrag von 896.834 € sowie die damit in Zusammenhang stehende Feststellung der darin enthaltenen Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen (100 %), mit einem Betrag von 897.648,40 €. Hierbei handelt es sich um selbständige Feststellungen (zur Selbständigkeit einzelner Feststellungen vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23.03.2023 - IV R 8/20 (IV R 7/17), Rz 22).

23        a) Das FA hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Einkommen der Organgesellschaft (hier: C GmbH) in Höhe von 896.834 € nicht im laufenden Gesamthandsgewinn der B KG enthalten ist, sondern aufgrund der bestehenden Organschaft (als eigenständige Besteuerungsgrundlage im Sinne des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) selbständig festzustellen ist.

24        Die Feststellung ist unabhängig von der Veranlagung der Organgesellschaft zur Körperschaftsteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entfaltet der Körperschaftsteuerbescheid der Organgesellschaft ‑‑bis zur Neuregelung in § 14 Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG‑‑ keine verfahrensrechtliche Bindungswirkung für die Besteuerung des Organträgers (vgl. nur Urteile vom 28.01.2004 - I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539, unter II.3.a [Rz 15]; vom 06.03.2008 - IV R 74/05, BFHE 220, 304, BStBl II 2008, 663, unter II.b aa [Rz 15]; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 788). Bei einer Organträger-Personengesellschaft ist im Feststellungsverfahren das der Mitunternehmerschaft zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft gesondert vom eigenen Gewinn zu ermitteln und zu verteilen (BFH-Urteil vom 28.02.2013 - IV R 50/09, BFHE 240, 270, BStBl II 2013, 494, Rz 16).

25        b) § 14 Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG, wonach das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich ‑‑für die Besteuerung des Einkommens beider Gesellschaften bindend‑‑ festgestellt werden, gilt im Streitjahr noch nicht. Die Norm ist mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (UntSt/RKVereinfG) vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285) eingeführt worden und gilt erstmals für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2013 beginnen (§ 34 Abs. 9 Nr. 9 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG; dazu Graw in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 34 Rz 149). Im Streitfall gelangt sie damit nicht zur Anwendung.

26        c) In gleicher Weise stellen die (im Einkommen der Organgesellschaft enthaltenen) Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen, eine selbständige Feststellung dar. Diese Feststellung ist ebenfalls Gegenstand der gerichtlichen Prüfung (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142, Rz 23 und 25).

27        2. Aufgrund der bestehenden Organschaft (dazu a) ist die Ausschüttung der F A/S in voller Höhe ‑‑ohne Anwendung des § 8b KStG‑‑ Teil des Einkommens der C GmbH (Organgesellschaft); das Einkommen wird der B KG (Organträgerin) zugerechnet und unterliegt dort ‑‑im Hinblick auf die Beteiligung natürlicher Personen‑‑ § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG. Daher sind weder das festgestellte Einkommen der Organgesellschaft noch die Feststellung der darin enthaltenen Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen, zu beanstanden (dazu b). Aus der Mutter-Tochter-Richtlinie folgt nichts anderes (dazu c). Einer Vorlage an den EuGH bedarf es nicht (dazu d).

28        a) Das FG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass im Streitjahr eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der B KG und der C GmbH bestand. Dagegen gibt es nichts zu erinnern.

29        aa) Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, AG oder KGaA mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Organgesellschaft) durch einen GAV im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG), ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind (zur Anwendbarkeit dieser Gesetzesfassung im Streitjahr vgl. § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes ‑‑AIFM-StAnpG‑‑ vom 18.12.2013, BGBl I 2013, 4318; dazu Graw in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 34 Rz 148). Das Einkommen der Organgesellschaft ist dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der GAV wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG).

30        Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG gelten die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend, wenn eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen (zur Anwendbarkeit dieser Gesetzesfassung im Streitjahr vgl. wiederum § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i.d.F. des AIFM-StAnpG). Weitere Voraussetzung ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG, dass eine Gewinnabführung den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreitet (Nr. 1) und eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart wird (Nr. 2). Für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG gilt ‑‑auch soweit das Streitjahr betroffen ist (s. dazu nachfolgende Ausführungen)‑‑ § 34 Abs. 10b KStG i.d.F. des Art. 12 AIFM-StAnpG entsprechend fort (§ 17 Abs. 2 KStG).

31        Nach § 34 Abs. 10b Satz 1 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG ist § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. des Art. 2 UntSt/RKVereinfG erstmals auf GAV anzuwenden, die nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes abgeschlossen oder geändert werden. Enthält ein GAV, der vor diesem Zeitpunkt wirksam abgeschlossen wurde, keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl I 2002, 4144), der zuletzt durch Art. 4 des EU-Beitreibungsgesetzes vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) geändert worden ist, entsprechenden Verweis auf § 302 AktG, steht dies der Anwendung der §§ 14 bis 16 KStG für Veranlagungszeiträume, die vor dem 31.12.2014 enden, nicht entgegen, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. des Art. 2 UntSt/RKVereinfG bis zum Ablauf des 31.12.2014 wirksam vereinbart wird (§ 34 Abs. 10b Satz 2 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG). Für die Anwendung des § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG ist die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. des Art. 2 UntSt/RKVereinfG nicht erforderlich, wenn die steuerliche Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet wurde (§ 34 Abs. 10b Satz 3 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG; vgl. dazu Graw in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 34 Rz 156 ff.).

32        bb) Im Streitjahr bestand eine wirksame körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der B KG als Organträgerin und der C GmbH als Organgesellschaft. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere die Annahme des FG, dass es sich bei der originär gewerblich tätigen B KG als Personengesellschaft um eine taugliche Organträgerin im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG gehandelt hat.

33        cc) Gleichermaßen ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die C GmbH eine taugliche Organgesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG darstellt. Es handelt sich um eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU (Bundesrepublik Deutschland ‑‑Deutschland‑‑).

34        Dem steht auch nicht entgegen, dass die B KG als sogenannte Einheitsgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2017 - IV R 42/14, BFHE 259, 82, BStBl II 2017, 1126, Rz 22) zu qualifizieren ist. Das FG hat in diesem Zusammenhang maßgebend auf die fehlende vermögensmäßige Beteiligung der C GmbH an der Klägerin (und die damit einhergehende fehlende "Teilhabe" am abgeführten Gewinn) hingewiesen. Der erkennende Senat teilt die Erwägungen der Vorinstanz (ebenso Müller in Müller/Detmering/Saecker, Die Organschaft, 13. Aufl., Rz 449; Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rz 55; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 61; anderer Ansicht ‑‑allerdings nur für den (hier nicht einschlägigen) Fall wechselseitiger Beteiligungen‑‑ Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 168; Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock ‑‑D/P/M‑‑, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 76). Hinzu kommt, dass die C GmbH (Komplementär-GmbH) zumindest insoweit von der Geschäftsführung ausgeschlossen war, als sie nicht über ihre eigenen Belange (mit)entscheiden durfte (vgl. dazu auch Fatouros/Berka in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 23. Aufl., Rz 6.619). Auch darauf hat die Vorinstanz zu Recht hingewiesen. Die (anderslautende) Rechtsprechung des BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft (vgl. nur Urteil vom 14.12.1978 - V R 85/74, BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288 - allerdings war die GmbH & Co. KG dort nicht an der Komplementär-GmbH beteiligt; anders hingegen Amtliche Umsatzsteuer-Handausgabe 2008, Abschn. 21 Abs. 4 Satz 5) ist für den Streitfall nicht von Bedeutung.

35        dd) Zudem bestand eine finanzielle Eingliederung der C GmbH in die B KG im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Satz 3 KStG. Da dies zwischen den Beteiligten nicht streitig und von der Vorinstanz zutreffend beurteilt worden ist, sieht der erkennende Senat von einer weitergehenden Begründung ab.

36        ee) Des Weiteren sind das FG und die Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, dass der zwischen der B KG und der C GmbH abgeschlossene GAV den gesetzlichen Anforderungen des ‑‑im Streitfall weiterhin anwendbaren (vgl. § 34 Abs. 10b Satz 1 KStG)‑‑ § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15.10.2002 genügt. Dabei erweist sich die fehlende Bezugnahme der den Verlustausgleich betreffenden Regelung des GAV (unter IV.) auf § 302 Abs. 4 AktG als unschädlich, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG erfüllt sind. Im Rahmen der vor dem 01.01.2015 beendeten Organschaft zwischen der C GmbH und der B KG ist eine tatsächliche Verlustübernahme durch die B KG erfolgt. Angesichts der von § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG i.d.F. des UntSt/RKVereinfG ausgehenden umfassenden Heilungswirkung (vgl. BFH-Urteil vom 24.07.2013 - I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272, Rz 31; Graw, Die Unternehmensbesteuerung 2013, 373, 374) kann dahinstehen, ob einzelne Modalitäten der salvierten Verlustausgleichsregelung, etwa die Möglichkeit zum Ausgleich des Verlustes durch Entnahmen aus den Kapitalrücklagen, bei isolierter Betrachtung in Widerspruch zu § 302 AktG stehen (dazu Rickermann, Steuern und Bilanzen ‑‑StuB‑‑ 2023, 613, 614; Witt in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 7.183; vgl. allgemein zur Abführung rückgeführter Kapitalrücklagen BFH-Urteil vom 08.08.2001 - I R 25/00, BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923, sowie zur Verlustübernahme nach Auflösung der Kapitalrücklage FG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2018 - 6 K 2507/17 K). Da alle Beteiligten von einer wirksamen körperschaftsteuerlichen Organschaft ausgehen, verzichtet der erkennende Senat auch insoweit auf eine weitergehende Begründung.

37        b) Im Hinblick auf das bestehende Organschaftsverhältnis ist die Ausschüttung der F A/S in voller Höhe in dem der B KG zuzurechnenden Einkommen der C GmbH enthalten und dort unter Anwendung von § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG festzustellen.

38        aa) Die Ausschüttung der F A/S gehört zu den gewerblichen Einkünften der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen C GmbH (§ 8 Abs. 2, Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG).

39        bb) Wenngleich es sich bei der Beteiligungsgesellschaft F A/S um eine (ausländische) Kapitalgesellschaft handelt, gelangt das sogenannte (nationale) Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der C GmbH gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG nicht zur Anwendung (zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG auf Bezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften vgl. BFH-Beschluss vom 22.09.2016 - I R 29/15, Rz 8).

40        aaa) Nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG sind § 8b Abs. 1 bis 6 KStG sowie § 4 Abs. 6 und § 12 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden. Sind in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen Bezüge, Gewinne oder Gewinnminderungen im Sinne des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG oder mit solchen Beträgen zusammenhängende Ausgaben im Sinne des § 3c Abs. 2 EStG, ein Übernahmeverlust im Sinne des § 4 Abs. 6 UmwStG oder ein Gewinn oder Verlust im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG enthalten, sind § 8b KStG, § 4 Abs. 6 und § 12 Abs. 2 UmwStG sowie § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden; in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG sind neben § 8b KStG auch § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG entsprechend anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG).

41        Dementsprechend ist das Einkommen der C GmbH ohne Anwendung des § 8b Abs. 1 und 5 KStG zu ermitteln. Die von der F A/S bezogene Dividende geht ‑‑ungeachtet des Umstands, dass die F A/S nach dem Rechtstypenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG (AG) gleichsteht (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tabelle 1) und die von der F A/S bezogenen Kapitalerträge die sachlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG erfüllen (vgl. dazu Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 115)‑‑ in voller Höhe (ungekürzt) in das Einkommen der C GmbH als Organgesellschaft ein. Dieses Einkommen ist der B KG als Organträgerin zuzurechnen. Dort ist § 8b KStG beziehungsweise sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG ‑‑je nach beteiligtem Mitunternehmer‑‑ anzuwenden. Da an der B KG nur natürliche Personen (der Kläger und die Beigeladene) beteiligt waren, gelangt das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung, das heißt, die Dividende unterliegt zu 60 % der Besteuerung.

42        bbb) Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden, so dass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich "netto" festzustellen sind. Zulässig ist aber auch, die § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden laufenden Einkünfte oder Veräußerungsgewinne zusätzlich "brutto" festzustellen, soweit aus den weiteren Feststellungen für einen verständigen Empfänger erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte ein weiterer Rechenschritt erforderlich ist (BFH-Urteil vom 25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142).

43        In den Fällen der organschaftlichen Einkommenszurechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG an eine Organträger-Personengesellschaft gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Dividendenerträge der Organgesellschaft, die in voller Höhe in dem der Organträger-Personengesellschaft zugerechneten Einkommen enthalten sind, können "netto" oder "brutto" festgestellt werden. Im Streitfall hat das FA eine "Brutto-Feststellung" vorgenommen, indem es die "Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen (100 %)", in voller Höhe ‑‑ohne 40 %igen Abzug‑‑ festgestellt, aber deutlich gemacht hat, dass diese Einkünfte in den Folgebescheiden nur zu 60 % anzusetzen sind. Dies ist nicht zu beanstanden.

44        c) Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die in § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG geregelte Bruttomethode nicht gegen Art. 4 MTR.

45        aa) Im Streitfall gelangt die Richtlinie 90/435/EWG in der zuletzt geltenden Fassung zur Anwendung (vgl. Richtlinie 2011/96/EU, Anhang II, Teil A). Die Richtlinie 2011/96/EU ist erst am 18.01.2012 in Kraft getreten (Art. 10 der Richtlinie 2011/96/EU) und daher auf das Streitjahr noch nicht anwendbar (vgl. EuGH-Urteil Brussels Securities vom 19.12.2019 - C-389/18, EU:C:2019:1132, Rz 5).

46        bb) Gemäß Art. 1 Abs. 1 MTR wendet jeder Mitgliedstaat die Mutter-Tochter-Richtlinie unter anderem an auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen (1. Spiegelstrich). Dabei steht die Mutter-Tochter-Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegen (Art. 1 Abs. 2 MTR).

47        Fließen einer Muttergesellschaft oder ihrer Betriebstätte aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft Gewinne zu, die nicht anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, so besteuern der Staat der Muttergesellschaft und der Staat der Betriebstätte diese Gewinne entweder nicht (Art. 4 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR) oder lassen im Falle einer Besteuerung zu, dass die Muttergesellschaft und die Betriebstätte auf die geschuldete Steuer den Steuerteilbetrag, den die Tochtergesellschaft und jegliche Enkelgesellschaft für diesen Gewinn entrichtet, bis zur Höhe der entsprechenden Steuerschuld anrechnen können, vorausgesetzt, dass die Gesellschaft und die ihr nachgeordnete Gesellschaft auf jeder Stufe die Bedingungen gemäß Art. 2 und 3 MTR erfüllen (Art. 4 Abs. 1  2. Spiegelstrich MTR). Diese ‑‑unbedingte und hinreichend genaue‑‑ Regelung kann vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden (EuGH-Urteil Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 65).

48        cc) Vorliegend ist der (persönliche) Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nach Art. 1 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR eröffnet. Bei der C GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 2 Abs. 1 MTR; die unter Buchst. a bis c aufgeführten Voraussetzungen sind im Grundsatz erfüllt. Zugleich gilt sie aufgrund der Beteiligung an der F A/S von 50 % als Muttergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a MTR. Die F A/S qualifiziert (ebenfalls) als Gesellschaft eines (anderen) Mitgliedstaats sowie als Tochtergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b MTR. Auch die weiteren (sachlichen) Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 MTR sind erfüllt: Der C GmbH sind aufgrund ihrer Beteiligung an der dänischen Tochtergesellschaft Gewinne (Gewinnausschüttungen) zugeflossen, bei denen es sich nicht um Liquidationsgewinne handelt.

49        Daher sieht Art. 4 Abs. 1 MTR als Rechtsfolge die Freistellung der Gewinne oder die Steueranrechnung vor. Deutschland hat sich mit § 8b Abs. 1 KStG für die Freistellung entschieden (vgl. Kempf/Gelsdorf, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2011, 173, 179). Die Regelung über die pauschale Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben in § 8b Abs. 5 KStG entspricht dabei Art. 4 Abs. 2 Satz 2 MTR (vgl. Kofler in Schaumburg/Englisch/Dobratz, Europäisches Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 14.90; Rickermann, StuB 2023, 613, 616; Mögele/Steiner/Ullmann, IStR 2023, 377, 379).

50        dd) Den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie widerspricht es nicht, wenn § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG vorschreibt, dass die Regeln des § 8b KStG beziehungsweise des Teileinkünfteverfahrens erst auf der Ebene der Organträgerin zur Anwendung gelangen (gleicher Ansicht Dötsch/Pung in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 15 KStG Rz 20; Brandis/Heuermann/Rengers, § 8b KStG Rz 169; Schober in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., § 15 KStG Rz 31; Rickermann, StuB 2023, 613, 616; anderer Ansicht Kempf/Gelsdorf, IStR 2011, 173, 177 ff.; Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 15 Rz 134; Kofler in Schaumburg/Englisch/Dobratz, Europäisches Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 14.90). Zwar hat die Steuerbefreiung im Grundsatz bei der Muttergesellschaft (Organgesellschaft) als Empfängerin der Gewinnausschüttungen zu erfolgen. Wird deren Einkommen indes einem anderen Rechtsträger (Organträger) im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zugerechnet und von diesem (oder seinen Gesellschaftern) versteuert, ist es angesichts der Systematik der (deutschen) Organschaftsbesteuerung folgerichtig, die Befreiung der Dividendenerträge erst auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft zur Anwendung zu bringen. Hierin liegt ‑‑entgegen der Ansicht des Klägers‑‑ keine "Nichtanwendung" der Mutter-Tochter-Richtlinie.

51        aaa) Zwar handelt es sich bei der C GmbH als Organgesellschaft um eine (deutsche) Kapitalgesellschaft (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MTR i.V.m. dem Anhang, Buchst. f), die ohne Wahlmöglichkeit der Körperschaftsteuer als einer der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c (3. Spiegelstrich) MTR aufgeführten Steuern unterliegt, ohne davon befreit zu sein. Denn die Organgesellschaft ist trotz der Einkommenszurechnung an den Organträger selbständiges Steuerrechtssubjekt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie ist auch nicht von der Körperschaftsteuer befreit (vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2011, 173, 178; Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Kommentar, Art. 2 Rz 32). Ihr ‑‑selbständig zu ermittelndes‑‑ Einkommen wird jedoch nicht auf ihrer Ebene der Körperschaftsteuer unterworfen, sondern der (transparent besteuerten) Organträger-Personengesellschaft zugerechnet, um auf deren Ebene festgestellt zu werden; erst dort erfolgt die steuerliche Qualifikation der Beteiligungserträge, die dann auf der Ebene der beteiligten Gesellschafter (gemindert) der Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer unterworfen werden. Dementsprechend "unterliegen" die Dividendeneinkünfte bei der Muttergesellschaft nicht der Körperschaftsteuer (ebenso Rickermann, StuB 2023, 613, 616; anderer Ansicht Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Kommentar, Art. 2 Rz 32; Kofler in Schaumburg/Englisch/Dobratz, Europäisches Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 14.22, mit Hinweisen zur österreichischen Verwaltungspraxis).

52        Insofern ähnelt die Situation der Lage bei einer Muttergesellschaft, die der Körperschaftsteuer zum "Nullsatz" unterliegt, sofern sie ihre Gewinne vollständig an ihre Anteilseigner ausschüttet: Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt Art. 2 Buchst. c MTR nicht nur voraus, dass die Gesellschaft in den Anwendungsbereich der betreffenden Steuer fällt, sondern schließt die Fälle aus, in denen die Gesellschaft, obwohl sie der Steuer unterliegt, nicht tatsächlich deren Entrichtung schuldet (EuGH-Urteil Wereldhave Belgium u.a. vom 08.03.2017 - C-448/15, EU:C:2017:180, Rz 32).

53        In Übereinstimmung damit ist auch keine Doppelbesteuerung der Gewinnausschüttung auf der Ebene der Tochtergesellschaft und auf der Ebene der Muttergesellschaft (Organgesellschaft) zu besorgen. Vielmehr wird der betreffende Gewinn auf der Ebene der Tochtergesellschaft in voller Höhe mit (dänischer) Körperschaftsteuer belegt und auf der Ebene der Gesellschafter der mit der Muttergesellschaft organschaftlich verbundenen Personengesellschaft von der Körperschaftsteuer befreit (Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin; § 8b Abs. 1 KStG) beziehungsweise nur zu 60 % der Einkommensteuer unterworfen (natürliche Person als Mitunternehmerin; § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG). In der im Rahmen der ertragsteuerlichen Organschaft anzustellenden Gesamtschau kommt es damit nicht zu einer (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung (Rickermann, StuB 2023, 613, 617). Die Regelungssysteme der §§ 3 Nr. 40, 3c EStG, § 8b KStG sowie der Mutter-Tochter-Richtlinie verfolgen dasselbe Ziel. Auch die Mutter-Tochter-Richtlinie verbietet nicht, dass die Dividendenerträge bei einer natürlichen Person als "letzter Besteuerungsebene" (erneut) der Besteuerung unterworfen werden (Rickermann, StuB 2023, 613, 618). Vielmehr will sie allein vermeiden, dass die ausgeschütteten Gewinne ein erstes Mal bei der Tochter(kapital)gesellschaft und ein zweites Mal bei der Mutter(kapital)gesellschaft erfasst werden (EuGH-Urteile Brussels Securities vom 19.12.2019 - C-389/18, EU:C:2019:1132, Rz 36; Argenta Spaarbank vom 26.10.2017 - C-39/16, EU:C:2017:813, Rz 48; Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 29).

54        Damit unterscheidet sich der Streitfall auch von der Situation, die dem EuGH-Urteil AFEP u.a. vom 17.05.2017 - C-365/16, EU:C:2017:378 zugrunde liegt. Danach ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a MTR dahin auszulegen, dass er einer vom Mitgliedstaat einer Muttergesellschaft vorgesehenen steuerlichen Maßnahme entgegensteht, die die Erhebung einer Steuer anlässlich der Ausschüttung von Dividenden durch die Muttergesellschaft vorsieht, wobei die Bemessungsgrundlage der Steuer in den Beträgen der ausgeschütteten Dividenden einschließlich der von den gebietsfremden Tochtergesellschaften dieser Gesellschaft stammenden Dividenden besteht. Vorliegend kommt es jedoch nicht ‑‑auch nicht indirekt (vgl. dazu EuGH-Urteil Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 40)‑‑ zu einer Besteuerung der Muttergesellschaft (C GmbH) im Zuge der Weiterausschüttung der Dividenden, sondern zu einer Besteuerung der Gesellschafter der Organträgerin (B KG).

55        bbb) Darüber hinaus schreibt Art. 4 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR den Mitgliedstaaten, die sich für ein Befreiungssystem entschieden haben, gerade nicht vor, wie sie dieses System umzusetzen haben. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten im Hinblick auf Art. 249 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der Erfordernisse ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung frei darüber bestimmen, wie das in Art. 4 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR vorgeschriebene Ergebnis erreicht werden soll (vgl. EuGH-Beschluss KBC Bank und Beleggen, Risicokapitaal, Beheer vom 04.06.2009 - C-439/07 und C-499/07, EU:C:2009:339, Rz 50; EuGH-Urteil Allianz Benelux vom 20.10.2022 - C-295/21, EU:C:2022:812, Rz 37). Vor diesem Hintergrund ist Deutschland nicht gehindert, den Erfordernissen seines Organschaftsregimes bei der Implementierung eines Befreiungssystems nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie Rechnung zu tragen. Gäbe es in Deutschland ‑‑wie in Österreich‑‑ nur Organkreise mit Körperschaften als Organträger, wäre die Regelung des § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG entbehrlich (Dötsch in Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Norbert Herzig zum 65. Geburtstag, 243, 246; Dötsch/Pung in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 15 KStG Rz 20).

56        ee) Die dagegen gerichteten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG stellt insbesondere keine über die Kriterien der Mutter-Tochter-Richtlinie hinausgehenden ‑‑unzulässigen‑‑ Voraussetzungen für die Freistellung von Beteiligungserträgen auf (vgl. dazu EuGH-Urteil Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 33; EuGH-Beschluss KBC Bank und Beleggen, Risicokapitaal, Beheer vom 04.06.2009 - C-439/07 und C-499/07, EU:C:2009:339, Rz 36; Kofler in Schaumburg/Englisch/Dobratz, Europäisches Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 14.60). Vielmehr handelt es sich bei der Bruttomethode allein um eine Regelungstechnik zur Gewährleistung der (teilweisen) Steuerfreistellung von Dividendenerträgen im Organkreis. Der Gesetzgeber hat mit § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG keine (materielle) Regelung getroffen, welche die von der Mutter-Tochter-Richtlinie vorgegebene Freistellung oder Anrechnung vereitelt. Vielmehr bleibt es im Fall der (ausschließlichen) Beteiligung von Kapitalgesellschaften bei der Körperschaftsteuerfreistellung des Einkommens (auf der Ebene der Organträgerin). Verlassen die Dividenden hingegen die Körperschaftsteuersphäre, indem sie jedenfalls mittelbar den hinter der Organträger-Personengesellschaft stehenden natürlichen Personen zugerechnet werden, unterliegen sie ‑‑ohne dass die allein Kapitalgesellschaften begünstigende Mutter-Tochter-Richtlinie etwas anderes verlangen würde‑‑ dem Teileinkünfteverfahren. Das Schachtelprivileg der Mutter-Tochter-Richtlinie kann nicht mithilfe der Organschaft an natürliche Personen "durchgereicht" werden (vgl. zum Schachtelprivileg nach Doppelbesteuerungsabkommen und § 15 Satz 2 KStG Herlinghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 KStG Rz 94). Von einer "einseitig restriktiven Maßnahme" des Mitgliedstaats (EuGH-Urteil Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 36) kann nicht die Rede sein.

57        d) Der erkennende Senat ist ‑‑anders als der Kläger meint‑‑ nicht verpflichtet, die Rechtsfrage, ob § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG gegen Art. 4 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR verstößt, dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen.

58        aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein nationales letztinstanzliches Gericht wie der BFH seiner Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt (vgl. EuGH-Urteile Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 - C-561/19, EU:C:2021:799, Rz 26 ff.; Intermodal Transports vom 15.09.2005 - C-495/03, EU:C:2005:552, Rz 28; CILFIT vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 21; BFH-Urteil vom 06.06.2024 - IV R 15/21, BStBl II 2024, 759, Rz 54).

59        Keine Vorlagepflicht besteht hingegen, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war ("acte éclairé"; vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 20.06.2023 - VII K 1/22, Rz 20; vom 13.07.2016 - VIII K 1/16, BFHE 254, 481, BStBl II 2017, 198, Rz 35; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 267 AEUV Rz 33; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 267 AEUV Rz 59) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt ("acte clair"; vgl. hierzu Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 267 AEUV Rz 33, m.w.N.). Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union zu beurteilen (z.B. BFH-Urteile vom 20.06.2023 - VII K 1/22, Rz 20; vom 06.06.2024 - IV R 15/21, BStBl II 2024, 759, Rz 55).

60        bb) Art. 4 Abs. 1  1. Spiegelstrich MTR war ‑‑wie dargelegt‑‑ bereits Gegenstand der Auslegung durch den EuGH. Zudem ist in einer Fallkonstellation wie der des Streitfalls die Anwendung des Unionsrechts aus Sicht des erkennenden Senats derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel (vgl. zu diesem Maßstab auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55) kein Raum bleibt. Dies ergibt sich insbesondere aus der Zwecksetzung der unionsrechtlichen Bestimmung.

61        Die Mutter-Tochter-Richtlinie begünstigt Ausschüttungen zwischen Kapitalgesellschaften. Sie zielt darauf ab, (grenzüberschreitende) Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen (2. Erwägungsgrund zur Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22.12.2003 zur Änderung der Richtlinie 90/435/EWG über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABlEG 2003 Nr. L 7, 41; vgl. EuGH-Urteile Schneider Electric u.a. vom 12.05.2022 - C-556/20, EU:C:2022:378, Rz 43; Cobelfret vom 12.02.2009 - C-138/07, EU:C:2009:82, Rz 29; EuGH-Beschluss KBC Bank und Beleggen, Risicokapitaal, Beheer vom 04.06.2009 - C-439/07 und C-499/07, EU:C:2009:339, Rz 42; Mögele/Steiner/Ullmann, IStR 2023, 377). Die Gewinnausschüttungen sollen steuerlich neutral sein (EuGH-Urteile Schneider Electric u.a. vom 12.05.2022 - C-556/20, EU:C:2022:378, Rz 44; Brussels Securities vom 19.12.2019 - C-389/18, EU:C:2019:1132, Rz 35; Argenta Spaarbank vom 26.10.2017 - C-39/16, EU:C:2017:813, Rz 47; Wereldhave Belgium u.a. vom 08.03.2017 - C-448/15, EU:C:2017:180, Rz 25).

62        Der Zweck der Mutter-Tochter-Richtlinie liegt indes nicht darin, dass die hinter der (transparent besteuerten) Organträgerin der Muttergesellschaft stehenden natürlichen Personen die Ausschüttungen der Tochtergesellschaft ‑‑systemwidrig‑‑ steuerfrei vereinnahmen können. Genau dies würde passieren, wenn das Einkommen der Muttergesellschaft (Organgesellschaft), das diese nicht der Körperschaftsteuer zu unterwerfen hat, unter Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG ermittelt und der Organträgerin zugerechnet werden würde. Dies ginge offensichtlich über das zur Erreichung der bezweckten Steuerneutralität der Ausschüttung zwischen Tochter und Mutter (und der Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Fall der Weiterausschüttung durch die Mutter; vgl. EuGH-Urteil Schneider Electric u.a. vom 12.05.2022 - C-556/20, EU:C:2022:378, Rz 85) erforderliche Maß hinaus (vgl. EuGH-Urteil Argenta Spaarbank vom 26.10.2017 - C-39/16, EU:C:2017:813, Rz 55, wenngleich die Ausnahmeregel des Art. 4 Abs. 2 MTR betreffend).

63        In gleicher Weise bezweckt die Mutter-Tochter-Richtlinie, Zusammenschlüsse von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, die zur Schaffung von Unternehmensgruppen führen können, nicht durch besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten zu behindern (1. und 2. Erwägungsgrund zur Mutter-Tochter-Richtlinie). Im Streitfall haben sich die beteiligten Gesellschaften zusammengeschlossen und eine Unternehmensgruppe gebildet. Dabei haben sie sich durch Abschluss eines GAV bewusst für die Anwendung der Organschaftsregeln entschieden. In der bloßen Verlagerung des Befreiungsmechanismus für Gewinnausschüttungen von der Ebene der Muttergesellschaft (Organgesellschaft) auf die Ebene der Organträgerin vermag der Senat keine Behinderung aufgrund steuerlicher Vorschriften zu erkennen.

64        3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 139 Abs. 4 FGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten, da sie keine Sachanträge gestellt oder das Verfahren anderweitig wesentlich gefördert hat.

stats