R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
07.03.2019
Steuerrecht
FG Köln: : Anwendung der §§ 13a, 13 b ErbStG auf die Gewährung eines Quotennießbrauchs an einem KG-Anteil zur Abwicklung von Vermächtnisansprüchen?

FG Köln, Urteil vom 28.6.2018 – 7 K 926/15

ECLI:DE:FGK:2018:0628.7K926.15.00

Volltext BB-Online BBL2019-598-9

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG.

Die Klägerin ist Vermächtnisnehmerin aus dem Nachlass ihres am ....05.2013 verstorbenen Vaters, Herrn A (Erblasser). Weitere Vermächtnisnehmerin ist dessen (zweite) Ehefrau A1. Alleinerbe ist der Bruder der Klägerin und Sohn des Erblassers, der Zeuge A2.

Mit am 08.06.2012 zwischen ihm und seiner Ehefrau geschlossenem Ehe- und Erbvertrag hatte der Erblasser zugunsten der Klägerin mehrere Vermächtnisse ausgesetzt. Hierzu gehörte der lebenslange unentgeltliche Nießbrauch an der Kommanditbeteiligung des Erblassers an der Firma A GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) sowie seiner Beteiligung an der Komplementär-GmbH, die an der KG nicht vermögensmäßig beteiligt war. Mitgliedschaftsrechte sollten mit dem Nießbrauch nicht verbunden sein, insbesondere kein Stimmrecht, sondern ausschließlich die Gewinnansprüche sowie der Anspruch auf etwaiges künftiges Auseinandersetzungsguthaben. Jedoch war der Erbe im Wege der Auflage verpflichtet, nicht an Gesellschafterbeschlüssen mitzuwirken, durch die über das betriebswirtschaftlich erforderliche Maß hinaus Reserven gebildet würden, und ohne Zustimmung des Nießbrauchers keine Verfügungen zu treffen, die Rechte des Nießbrauches beeinträchtigen würden.

In einem vorhergehenden Testament vom 20.07.2004, welches durch den Erbvertrag vom 08.06.2012 widerrufen wurde, hatte der Erblasser der Klägerin bereits einen Quotennießbrauch an seiner KG-Beteiligung von 2,97 % bezogen auf das gesamte Kapital vermacht. Dieses Vermächtnis war zivilrechtlich mit einem Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung etwaiger Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass des Erblassers verknüpft. Bei einer Vermächtnisänderung zuungunsten der Klägerin wäre dieser Verzicht hinfällig geworden.

Da sich die Beteiligungen des Erblassers bis zum Abschluss des Erbvertrages vom 08.06.2012 zwischenzeitlich von 10 % auf 1 % reduziert hatten, verpflichtete er seinen Erben in diesem Zusammenhang in dem Erbvertrag wie folgt:

 „Um eine Schlechterstellung meiner Tochter durch diese Veränderung zu vermeiden und die Bedingung, unter der sie ihren Pflichtteilsverzicht erklärt hat, nicht auszulösen, verpflichte ich meinen Erben, den meiner Tochter durch die Reduktion meiner beiden Beteiligungen entstandenen finanziellen Nachteil auszugleichen.“

Wegen der Einzelheiten wird auf den Ehe- und Erbvertrag vom 08.06.2012 (URNr. 1 für 2012) des Notars B, in C, insbesondere Abschnitt B.II.4. und 5. Bezug genommen.

Am 20.08.2013 schlossen der Erbe und die Klägerin einen Vertrag zur Erfüllung des Nießbrauchsvermächtnisses und des im Erbvertrag angeordneten Nachteilsausgleichs. Der Vertrag war überschrieben mit „Vereinbarung von Nießbrauchsrechten“ und nahm Bezug auf den Erbvertrag vom 08.06.2012 und den Pflichtteilsverzicht durch die Klägerin (UR-Nr. 2/2000 des Notars. B, in C, vom 28.09.2000). Es wurde vereinbart, dass abweichend von den Bestimmungen in dem Erbvertrag, die Klägerin jeweils einen Quotennießbrauch an den dem Erben bereits vor dem Erbfall gehörenden Gesellschaftsbeteiligungen zu Quoten von - bezogen auf das Kommandit- und Stammkapital - 2,97 % erhalten sollte und dass mit diesem Nießbrauch auch Stimmrechte begründet werden sollten. Hiermit sollten alle Ansprüche der Klägerin, insbesondere auch Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, befriedigt sein.

Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:

 „II.

Quotennießbrauchsrechte an

nicht nachlasszugehörigen Gesellschaftsbeteiligungen

1. Herr A2 und Frau A3 sind übereingekommen, zur Erfüllung der Frau A3 vom Erblasser zugewendeten Vermächtnisse Quotennießbrauchsrechte nicht an nachlasszugehörigen Gesellschaftsbeteiligungen zu bestellen, sondern an eigenen, Herrn A2 bereits vor dem Erbfall gehörenden Gesellschaftsbeteiligungen.

2. Herr A2 räumt daher der dies annehmenden Frau A3 an seinem nicht nachlasszugehörigen Geschäftsanteil in Höhe von nominal € 8.250 an der A Verwaltungsgesellschaft mbH (Geschäftsanteil Nr. 1) zur Erfüllung der erbvertraglichen Vermächtnisanordnung den lebenslänglichen unentgeltlichen Quotennießbrauch mit einer Quote von 2,97 % ein. Die Bestellung des Nießbrauchs erfolgt mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Mai 2013.

3. Herr A2 räumt der dies annehmenden Frau A3 ferner an seiner nicht nachlasszugehörigen Kommanditbeteiligung an der A GmbH & Co. KG in Höhe von € 250.532,60 zur Erfüllung der erbvertraglichen Vermächtnisanordnung den lebenslänglichen unentgeltlichen Quotennießbrauch mit einer Quote von 2,97 % ein. Die Bestellung dieses Nießbrauchs erfolgt ebenfalls mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Mai 2013. […]

6. Mit der rechtswirksamen Bestellung der vorbezeichneten Quotennießbrauchsrechte sind die Frau A3 vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse vollständig erfüllt.

III.

Rechtsverhältnis

zwischen Gesellschafter und Nießbraucherin

1. Allgemeines

Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Gesellschafter (Eigentümer) und der Nießbraucherin gelten vorrangig die folgenden Vereinbarungen, nachrangig die Bestimmungen des Erblassers in dem vorbezeichneten Erbvertrag vom 8. Juni 2012, URNr. 1/2012 des beurkundenden Notars, insbesondere in Abschnitt B.II.4.a., im Übrigen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften.

2. Mitgliedschaftsrechte in der KG

Abweichend von der Bestimmung des Erblassers stehen die mit der betreffenden Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte, insbesondere die Stimmrechte, nach Maßgabe der folgenden Vereinbarungen jeweils der Nießbraucherin - Frau A3 - zu: […]

IV.

Erledigungsklausel

Unter der Bedingung, dass die in dieser Urkunde eingeräumten Nießbrauchsrecht eingeräumt werden, erklärt sich Frau A3 wegen aller pflichtteilsrechtlichen Ansprüche (insbesondere Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche) nach Herrn A für befriedigt und verzichtet dem dies annehmenden Herrn A2 gegenüber auf jegliche derartigen Ansprüche.“

Für weitere Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 20.08.2013 (URNr. 3 für 2013) des Notars. B, in C, verwiesen.

Daneben wurde ein „Vermächtniserfüllungsvertrag“ zwischen der Klägerin, dem Erben und Frau A1 über weitere, hier nicht relevante Nachlassgegenstände geschlossen (URNr. 4 für 2013 des Notars. B, in C, vom 20.08.2013).

Die Klägerin wurde durch Bescheid vom 17.07.2014 unter Vorbehalt der Nachprüfung zur Erbschaftsteuer veranlagt.

Die dabei für die Ermittlung des Nachlasswertes erklärungsgemäß angesetzten erbschaftsteuerlichen Werte der 1%-Beteiligungen des Erblassers betragen 1.571.693 € für den Kommanditanteil und 372 € für den Anteil an der Komplementär GmbH.

Den darauf entfallenden Nießbrauch der Klägerin ermittelte der Beklagte wie folgt:

Wert des Anteils von 1 %

 

= Jahreswert

x Vervielfältiger

= Kapitalwert

1.571.693 €

x 1/18,6

= 84.499 €

x 16,076

= 1.358.405 €

372 €

x 1/18,6

= 20 €

x 16,076

= 321 €

       

= 1.358.726 €

Mit ihrem Einspruch vom 25.07.2014 gegen diesen Bescheid beantragte die Klägerin für den Nießbrauch an den Gesellschaftsbeteiligungen die Gewährung der Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG. Sie habe einen Pflichtteilsverzicht unter der Bedingung erklärt, dass ihr ein Nießbrauch von 2,97 % eingeräumt würde. In Erfüllung dieser Verpflichtung habe nun der Erbe zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen den entsprechenden Nießbrauch eingeräumt und zwar an bereits zuvor im Wege einer Schenkung erworbenen Anteilen. Insofern habe sie den ihr erbrechtlich zustehenden Nießbrauch erhalten. Ansonsten wären die vorangegangenen Schenkungen pflichtteilsrechtlich als benachteiligende Schenkungen zu würdigen gewesen. Die Einräumung des Nießbrauchs sei also aufgrund Vermächtnis und zur Abfindung des Pflichtteils erfolgt. Es habe eines Vermächtniserfüllungsvertrages bedurft, in dem der Erbe ihr das Vermächtnis habe zukommen lassen, da der Nießbrauch nicht als Erbe, sondern als Vermächtnis ausgesetzt war. Es stehe zweifelsfrei fest, dass sie den Nießbrauch durch Vermächtnis erworben habe und sie Mitunternehmerin geworden sei.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin ein Schreiben des Notars B vom 17.01.2015 mit auszugsweise folgendem Inhalt vor:

 „[…] Worauf ein Vermächtnis gerichtet ist, m.a.W. der Vermächtnisgegenstand, richtet sich ausschließlich nach dem Willen des Erblassers. Dieser nun hat seiner Tochter A3 einen Nießbrauch vermacht, also ein Recht, genauer gesagt eine Rechtsstellung, nicht eine Geldleistung […]. Angesichts des klaren Wortlauts der diesbezüglichen Bestimmungen des Erblassers ist die Annahme, der Erwerb sei ursprünglich auf eine Geldleistung gerichtet, abwegig. Schon aus diesem Grunde scheitert die Begünstigung nicht an R E § 13b Abs. 4 S. 2 ErbStR. […] Vorstehendes gilt gerade auch, soweit es sich um den „Ausgleich“ zwischen den Geschwistern A2 und A3 wegen der Reduktion der Gesellschaftsanteile des Erblassers geht. Es handelt sich bei diesem Ausgleich nicht um eine Leistung an Erfüllungsstatt. Es müssten nämlich dann Erbe und Vermächtnisnehmerin „eine andere als die geschuldete Leistung“ vereinbart haben, § 364 BGB. Das trifft aber nicht zu:

- Denn hinsichtlich des vermachten Nießbrauchs an den im Nachlass befindlichen Gesellschaftsanteilen erfolgte eine „normale“ Erfüllung durch die geschuldete Leistung (§ 362 Abs. 1 BGB). Geleistet wurde genau das, was der Erblasser als Gegenstand des Vermächtnisses bestimmt hatte.

- Hinsichtlich des Nießbrauchs an den nicht im Nachlass befindlichen Gesellschaftsanteilen gilt das gleiche. Denn auch insoweit leistete der durch das Vermächtnis Beschwerte - A2 - genau das, wozu der Erblasser ihn gegenüber der Bedachten - A3 - verpflichtet hatte, nämlich den „Ausgleich“. […] Der Rechtsnatur nach liegt hierin ein - weiteres - Vermächtnis. Vermächtnisgegenstand kann alles sein, was Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung sein kann. Hier hat der Erblasser die Regelung von Details den Beteiligten überlassen, was ohne weiteres zulässig ist.

- Beschwerter und Bedachte haben auch dieses Vermächtnis so erfüllt, wie es der Erblasser wollte. Eine Leistung an Erfüllungs statt liegt daher auch hier nicht vor.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in der Rechtsbehelfsakte des Beklagten befindliche Schriftstück Bezug genommen.

Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 17.03.2015 zurück. Zugleich änderte er die Erbschaftsteuerfestsetzung unter Aufrechterhaltung des Nachprüfungsvorbehaltes zuungunsten der Klägerin auf 741.551 €. Neben dem bislang mit 1.358.726 € angesetzten, an 1 % der Gesellschaftsanteile bestehenden Nießbrauch unterwarf er zusätzlich den Nachteilsausgleich von 1,97 % mit 2.676.690 € (1.358.726 € x 1,97) der Erbschaftsteuer. Eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG gewährte er hierfür nicht mit der Begründung, dass der Erblasser der Klägerin lediglich den Nießbrauch und den Nachteilsausgleich als Vermächtnis zugewandt habe und es sich bei diesen auf Geld gerichteten Ansprüchen nicht um begünstigtes Betriebsvermögen handele. Insbesondere habe die Klägerin einen Mitunternehmeranteil an der KG nicht durch den Erbfall, sondern allenfalls durch den Erfüllungsvertrag mit dem Erben vom 20.08.2013 erworben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in den Gerichtsakten (Bl. 9 ff.) befindliche Einspruchsentscheidung des Beklagten Bezug genommen.

Mit ihrer Klage vom 07.04.2015 verfolgt die Klägerin ihre Begehren auf Gewährung der Verschonung gem. § 13a Abs. 8, § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für die durch Vereinbarung vom 20.8.2013 erfolgte Bestellung der Nießbrauchsrechte an der KG-Beteiligung weiter.

Sie habe bis zu der Vereinbarung vom 20.08.2013 gegenüber ihrem Bruder, A2, keinerlei Erklärungen hinsichtlich der Annahme oder Ausschlagung der Vermächtnisse abgegeben.

Um eine Aufteilung der Nießbrauchsrechte auf die Beteiligungen des Vaters und des Zeugen A2 zu vermeiden, seien die Nießbrauchsrechte zu ihren Gunsten einheitlich an den A2 bereits vor dem Erbfall zustehenden Beteiligungen eingeräumt worden. Zudem habe ihr bewusst eine Mitunternehmerstellung an der KG eingeräumt werden sollen, um die Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG beanspruchen zu können. Ihr und ihrem Bruder sei bewusst gewesen, dass sie durch diese Vorgehensweise von den testamentarischen Verfügungen des Vaters abweichen und stattdessen eine andere Gestaltung unter Einbeziehung einer Ersatzleistung vereinbaren würden; dies sei auch gewollt gewesen. Die Formulierung in der Nießbrauchsvereinbarung, dass diese der Erfüllung von dem Vater angeordneten Vermächtnissen diene, hätten sie - die Klägerin - und ihr Bruder dahingehend verstanden, dass ihr aus den Vermächtnissen keine Ansprüche mehr hätten zustehen sollen.

Zivilrechtlich sei die Einräumung der Nießbrauchsrechte als Ausschlagung der durch den Vater angeordneten Vermächtnisse gegen Gewährung einer Abfindung i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 4 4. Var. ErbStG zu qualifizieren, die nicht fristgebunden und formfrei möglich sei. Dies habe zur Folge, dass die Nießbrauchsrechte als durch den Erblasser zugewendet gälten. Die Formulierung in der Vereinbarung vom 20.08.2013, dass diese der Erfüllung der Vermächtnisse des Vaters diene, spreche nicht gegen eine Auslegung als Ausschlagung der Vermächtnisse. Hierauf sei der wahre Wille der Beteiligten gerichtet gewesen, der auch in der formellen und materiellen Ausgestaltung der Vereinbarungen mit ihrem Bruder angelegt gewesen sei. Bestehe zwischen zwei Beteiligten ein übereinstimmender Wille, sei dieser allein rechtlich maßgeblich, auch wenn er in der Erklärung nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Die Vereinbarung vom 20.08.2013 sei mit „Vereinbarung von Nießbrauchsrechten“ überschrieben und nicht - wie die Vereinbarung hinsichtlich des weiteren Vermächtnisses - mit „Vermächtniserfüllungsvertrag“. Durch die Vereinbarung habe nicht die Vermächtnisanordnung des Vaters erfüllt werden, sondern eine davon abweichende, eigenständige Nießbrauchsbestellung erfolgen sollen. Die Klägerin verweist auf das Urteil des OLG Koblenz vom 05.06.2008 5 U 99/08, wonach der Wille zur Ausschlagung in dem Übertragungsvertrag angelegt sei, wenn sich dieser - wie vorliegend - inhaltlich deutlich von der Vermächtnisanordnung unterscheide: Während der Erblasser in dem Erbvertrag vom 08.06.2012 ein Nießbrauchsvermächtnis hinsichtlich seiner eigenen KG-Beteiligung i.H.v. 1 % angeordnet habe, das lediglich einen Gewinnanspruch sowie einen Anspruch auf ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben, jedoch keinerlei Mitgliedschaftsrechte gewährt habe, sei durch Vereinbarung vom 20.08.2013 tatsächlich ein Nießbrauchsrecht an der originären KG-Beteiligung des Erben i.H.v. 2,97 % bestellt worden. Diese räume zudem abweichend von der Vermächtnisanordnung weitergehende Mitgliedschaftsrechte ein. Somit handele es sich vorliegend um einen Fall der Ausschlagung eines Vermächtnisses gegen Abfindung, der dazu führe, dass das konkret übertragene Vermögen des A2 als durch den Erblasser zugewendet gelte.

Die Ausschlagung eines Vermächtnisses stelle auch einen Erwerbsvorgang dar, der von §§ 13a, 13b ErbStG erfasst werde. Mit Blick auf den Zweck der Verschonungsregelung in § 13a ErbStG dürfe nicht maßgeblich auf das Erwerbsverhältnis abgestellt werden, sondern es müsse entscheidend sein, ob es sich von Beginn an um begünstigungsfähiges Betriebsvermögen handele, das im Rahmen eines Vorganges nach § 3 ErbStG den Eigentümer wechsle.

Auch die Finanzverwaltung führe in R E 13b.1 Abs. 1 S. 4 Nr. 7 ErbStR 2011 als begünstigten Erwerb ausdrücklich auch den Erwerb infolge Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses auf. Soweit R E 13b.1 Abs. 4 ErbStR 2011 noch immer erwähne, dass der Erblasser von ihm selbst stammendes begünstigtes Vermögen dem Erwerber zugewiesen haben müsse, könne dies zumindest nicht für den Fall der Ausschlagung gegen Abfindung gelten, da es sich bei einer Abfindung niemals um unmittelbar durch den Erblasser zugewiesenes Vermögen handele. R E 13b.1 Abs. 4 ErbStR 2011 würde dann mit der Anerkennung der Ausschlagung gegen Abfindung als begünstigter Erwerbsvorgang in R E 13b.1 Abs. 1 S. 4 Nr. 7 ErbStR 2011 konfligieren.

Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Änderungsbescheid vom 28.1.2016 hat der Beklagte die Erbschaftsteuerfestsetzung auf 707.883 € herabgesetzt. Dem liegt der Feststellungsbescheid des Betriebsstättenfinanzamtes vom 23.11.2015 zugrunde, mit dem der Wert des auf den Erblasser entfallenden Anteils an dem Betriebsvermögen der KG auf 1.502.639 € festgestellt wurde.

Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 28.1.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass hin-sichtlich der durch notarielle Vereinbarung vom 20.08.2013 bestellten Nießbrauchsrechte an den Gesellschaftsbeteiligungen die Optionsverschonung gem. § 13a Abs. 8, § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gewährt wird,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Er hält an den Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung fest.

Zum einen sei ein Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG vorliegend nicht gegeben, zum anderen würde ein solcher auch nicht zu dem begehrten steuerlichen Ergebnis führen.

Bei dem Vertrag vom 20.08.2013 zwischen der Klägerin und ihrem Bruder handele es sich um eine Vermögensübertragung zur Abgeltung des Vermächtnisanspruches in Erfüllung bzw. an Erfüllungs statt. Diese könne schon ihrem Wortlaut nach nicht in eine Vermächtnisausschlagung gegen Abfindung umgedeutet werden. Dies ergäbe zivilrechtlich keinen Sinn und würde, ohne im Ergebnis etwas zu ändern, letztlich ein gegenüber dem einfachen Rechtsgeschäft der Vermächtniserfüllung kompliziertes, zwei Rechtsgeschäfte voraussetzendes Konstrukt darstellen. Dies stünde im Widerspruch zu den anerkannten Grundsätzen der Auslegung, wonach von mehreren möglichen Auslegungsalternativen der nächstliegenden und einfachsten, also derjenigen mit den wenigsten Variablen und Hypothesen der Vorzug zu geben sei. Dass der Klägerin durch die von den Verfügungen des Erblassers abweichende Vertragsgestaltung eine Mitunternehmerstellung habe eingeräumt werden sollen, um die Verschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG in Anspruch nehmen zu können, liege zwar auf der Hand. Für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften hätte der Klägerin die Mitunternehmerstellung jedoch bereits durch den Erblasser und nicht erst durch den Vertrag mit ihrem Bruder zugewiesen werden müssen. Das der Klägerin durch den Erblasser vermachte Recht an 1 % der Gesellschaftsanteile sei in den von A2 übertragenen Rechten enthalten. Hinzu kämen weitere Rechte, die weiteren Anteile von 1,97 % und die Stimmrechte; dies sei als der durch den Erblasser angeordnete Nachteilsausgleich anzusehen. Wo die zu der Annahme einer Vermächtnisausschlagung führende deutliche Vertragsabweichung liegen solle, erschließe sich nicht.

Aber selbst im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG käme es nicht zu einer Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG. Dessen Anwendung sei ausgeschlossen, wenn als Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses begünstigungsfähiges Vermögen übertragen werde. Zwar erwerbe der Verzichtende das als Abfindung übertragene Vermögen von Todes wegen. Jedoch habe nicht der Erblasser selbst willentlich dem Abfindungsanspruch das begünstigungsfähige Vermögen zugewiesen, sondern erst die Verzichts- und Abfindungsvereinbarung zwischen dem Berechtigten und dem Erben diesen Vermögenstransfer begründet. Dieser Erwerb sei von der Entlastung durch § 13a ErbStG ausgeschlossen, was auch nach Inkrafttreten des ErbStG 20099 unverändert gelte. Der von der Klägerin beschriebene Konflikt zwischen R E 13b.1 Abs. 1 Nr. 7 ErbStR und R E 13b.1 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2011 existiere nicht; in ihren diesbezüglichen Ausführungen lasse die Klägerin die Möglichkeit außer Betracht, dass der Verzicht auf ein Vermächtnis von begünstigtem Vermögen auch durch anderes begünstigungsfähiges Vermögen ausgeglichen werden könne.

Es komme letztlich nicht darauf an, ob die Übertragung des Erben an die Klägerin als Vermächtniserfüllung oder als Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gewährt worden sei. Denn Vermögen, das ein Vermächtnisnehmer nach Eintritt des Erbfalles von dem Erben als Ausgleich für die Ausschlagung seines Vermächtnisses erhalte, könne nur dann steuerfrei sein, wenn es sich um aus demselben Erbfall stammendes Vermögen handele. Vorliegend habe aber der Erbe seine Leistungen aus eigenem Vermögen erbracht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren A2 und F als Zeugen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2018 verwiesen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der angegriffene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

Der Beklagte hat die Gewährung der Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (im Folgenden: ErbStG) für das der Klägerin durch den Erblasser mit Erbvertrag vom 08.06.2012 zugewandte Nießbrauchsrecht sowie den Nachteilsausgleich zutreffend abgelehnt. Der Erwerb von Todes wegen durch die Klägerin erstreckt sich nicht auf derartiges begünstigtes Vermögen.

1.

Nach § 13a Abs. 1, 8 i.V.m. § 13b ErbStG bleibt der Erwerb des dort genannten Vermögens bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen, die vorliegend nicht im Streit stehen, für Zwecke der Erbschaftsteuer außer Ansatz.

Zu dem begünstigten Vermögen gehört gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG insbesondere das Betriebsvermögen bei dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG an einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft. Das übertragene Vermögen muss dem Bedachten die Stellung eines Mitunternehmers, also Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative, vermitteln (BFH, Urteil vom 06.05.2015 II R 34/13, BStBl II 2015, 821). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen. Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach den Regelungen des HGB oder der gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nach § 718 Abs. 1 BGB. Mitunternehmerrisiko erfordert gesellschaftsrechtliche oder eine wirtschaftlich vergleichbare Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens.

Danach gehört auch ein Nießbrauch an einem Anteil an einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, zu dem begünstigten Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, wenn der Nießbrauch aufgrund seiner Ausgestaltung die Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers in der Personengesellschaft begründet (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 01.09.2011 II R 67/09, BStBl II 2013, 210 unter II.1.b) ff)).

2.

Vorliegend hat die Klägerin von Todes wegen gem. § 3 ErbStG kein solches nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigtes Vermögen erworben.

Mit der am 20.08.2013 getroffenen notariellen „Vereinbarung von Nießbrauchsrechten“ wurden der Klägerin durch den Erben zwar Mitunternehmeranteile an der KG übertragen, jedoch nicht von Todes wegen i.S.v. § 3 ErbStG, insbesondere nicht zur Abfindung einer durch die Klägerin erklärten Ausschlagung der zu ihren Gunsten angeordneten Vermächtnisse.

Als Erwerbe von Todes wegen, die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegen, gelten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. ErbStG unter anderem die Erwerbe durch Vermächtnis nach § 2147 BGB.

Für den Fall, dass ein Vermächtnis ausgeschlagen wird, gilt ebenfalls als vom Erblasser zugewendet und damit als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG dasjenige, was als Abfindung für eine solche Ausschlagung eines Vermächtnisses gewährt wird.

a.

Die der Klägerin zunächst durch den Erblasser mittels Vermächtnis zugewiesenen Vermögensgegenstände sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. ErbStG Gegenstand der Erbschaftsbesteuerung. Hierbei handelt es sich nicht um nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begünstigtes Vermögen.

Der Klägerin wurden vorliegend aufgrund des Erbvertrages vom 08.06.2012 durch ihren Vater verschiedene Vermächtnisse zugesprochen, darunter - hier streitgegenständlich - der lebenslange unentgeltliche Nießbrauch an der zu diesem Zeitpunkt noch 1 %igen Kommanditbeteiligung des Erblassers an der KG sowie ein Ausgleich für den Nachteil, der der Klägerin durch die zwischenzeitliche Reduktion der KG-Beteiligung von 2,97 % auf nur noch 1 % entstanden war. Da ursprünglich, laut dem widerrufenen Testament des Erblassers, ein Quotennießbrauch an 2,97% des gesamten Kommanditkapitals bestehen sollte, der Klägerin jedoch nur der Nießbrauch an 1 % bezogen auf das gesamte Kapital verblieben ist, ergab sich ein auszugleichender finanzieller Nachteil i.H.d. 1,97-fachen des Wertes des verbliebenen Nießbrauchs.

Eine Mitunternehmerschaft ist mit dem durch den Erblasser zugewendeten Vermächtnis nicht verbunden, da die Klägerin hierdurch nicht die Befugnis erhalten sollte, Mitunternehmerinitiative zu entfalten.

Mit dem Nießbrauch an 1 % des Kommanditkapitals sollten nach dem Ehe- und Erbvertrag vom 08.06.2012 ausdrücklich gerade keine Mitgliedschaftsrechte begründet werden, insbesondere kein Stimmrecht, sondern ausschließlich eine Beteiligung an den Unternehmensergebnissen sowie an einem etwaigen künftigen Auseinandersetzungsguthaben.

Es kann dahinstehen, ob der Anspruch auf Nachteilsausgleich - dessen Wertermittlung zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach dem Willen des Erblassers auf Geld gerichtet sein sollte oder auf die Bestellung eines weiteren Nießbrauchs an nicht nachlasszugehörigen KG-Anteilen oder ob der Erblasser womöglich der Klägerin und ihrem Bruder durch Anordnung eines Wahl-, Gattungs- oder Zweckvermächtnisses die exakte Bestimmung des Vermächtnisgegenstandes überlassen wollte (vgl. §§ 2154 ff. BGB). Der Inhalt des Anspruchs auf Nachteilsausgleich wurde von dem Erblasser nicht vollständig ausdrücklich definiert, jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Nachteil ausgeglichen werden sollte, der in einer finanziellen, also geldlichen Einbuße durch die Beteiligungsreduktion auf 1 % bestand. Der Senat ist davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO), dass nach der Vorstellung des Erblassers ein gleichartiger Ausgleich gefunden werden sollte, der nicht mit einer Mitunternehmerstellung i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG für die Klägerin verknüpft sein sollte, sondern in Geld bestand. Zum einen ergibt sich dies unzweifelhaft aus den sowohl in dem ursprünglichen Vermächtnis vom 20.07.2004 als auch dem späteren Erbvertrag vom 08.06.2012 enthaltenen Regelungen, wonach die Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, insbesondere Stimmrechten, auf die Vermächtnisnehmerin ausdrücklich ausgeschlossen war. Auch der Zeuge A2 hat angegeben, dass die Übertragung von Stimmrechten wegen des Betriebsvermögensfreibetrages - und nicht etwa zur Erfüllung des Willens seines Vaters - erfolgte. Zum anderen wird die Annahme eines entsprechenden, auf Ausgleich in Geld gerichteten Erblasserwillens auch durch die Aussage des Zeugen F gestützt, wonach man in der Familie die Auffassung vertreten habe, dass derjenige, der die Geschäfte führt, dies unbeeinflusst von Einmischungen Dritter tun solle. Gegen ein solches Verständnis der Vermächtnisanordnung bezüglich des Nachteilsausgleichs sprechen auch nicht die Einlassungen beider Zeugen, dass die Überlegung, ob der Nachteilsausgleich in Geld erfolgen solle, sofort verworfen worden sei. Der Zeuge A2 hat ebenfalls angegeben, es sei klar gewesen, dass der Nachteilsausgleich auch in einem Geldanspruch in einer Größenordnung von 2 Millionen Euro hätte bestehen können, die Firma jedoch durch eine Scheidung bereits einmal fast ruiniert worden wäre; vor diesem Hintergrund sei jedoch nicht ausgeschlossen gewesen, dass die Klägerin Geld bekomme, wenn es dem Unternehmen gutgehe. Nach Angaben des Zeugen F hätte die Zahlung eines Geldbetrages zu Schwierigkeiten bei der Mittelbeschaffung durch den Zeugen A2 und die Anlage des Betrages durch die Klägerin geführt. In diesem Kontext sind die Einlassungen der Zeugen dahingehend zu verstehen, dass der Nachteilsausgleich nach dem Willen des Erblassers wohl eher nicht durch eine sofortige Einmalzahlung zu leisten war, sondern durch eine Beteiligung an dem mit einem KG-Anteil von 1,97 % verbundenen Unternehmensgewinn oder eine dieser wertmäßig entsprechenden regelmäßigen Geldzahlung.

Beide Vermächtnisgegenstände, der Quotennießbrauch an 1 % des dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zuzurechnenden KG-Anteils und der auf Geld, ggf. in Form einer weiteren Gewinnbeteiligung an der KG im Wege des Nießbrauchs, gerichtete Anspruch auf Nachteilsausgleich stellen kein begünstigtes Betriebsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG dar.

b.

Dass diese beiden vermächtnishalber entstandenen Ansprüche, Nießbrauch und Nachteilsausgleich, sodann nach dem Besteuerungszeitpunkt tatsächlich abweichend von der Verfügung des Erblassers erfüllt wurden und der Zeuge A2 als Erbe durch die notarielle Vereinbarung vom 20.08.2013 der Klägerin auch eine Mitunternehmerstellung zugewendet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, insbesondere nicht zu einer Auswechslung des erbschaftsteuerlichen Erwerbsgegenstandes mit steuerlicher Wirkung.

Denn aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sieht der Senat in der Einräumung des Quotennießbrauchs von 2,97 % - gemessen an dem gesamten Kommanditkapital - an der dem Zeugen bereits vor dem Erbfall gehörenden KG-Beteiligung einschließlich der damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte die Hingabe eines Mitunternehmeranteils an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) aufgrund des Vermächtnisses. Diese liegt vor, wenn der Gläubiger eines Anspruches - hier: die Klägerin - eine andere als die geschuldete Leistung annimmt und das Schuldverhältnis nach dem Willen der Beteiligten dadurch erlischt. Sie hat in Abgrenzung zu einer Abfindung für die - konkludente - Ausschlagung von Vermächtnissen i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, wie sie von der Klägerin behauptet wird, keine rückwirkende Veränderung des Besteuerungsgegenstandes zur Folge.

aa.

Eine Ausschlagung würde dazu führen, dass Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen nicht der Erwerb durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), sondern das durch Abfindung für die Ausschlagung Erworbene wäre (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) und die Erbschaftsteuer nicht bereits nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers, sondern erst nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. f ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausschlagung entstanden wäre.

Der Senat ist jedoch nach den Aussagen beider Zeugen und dem Inhalt der Akten davon überzeugt, dass die Klägerin vorliegend das in Rede stehende Vermächtnis nicht ausgeschlagen hat.

Eine Ausschlagung hätte bewirkt, dass der Anfall des Vermächtnisses rückwirkend als nicht erfolgt anzusehen wäre (§ 2180 Abs. 3 i.V.m. § 1953 Abs. 1 BGB).

Eine Form ist für die Annahme ebenso wie für die Ausschlagung eines Vermächtnisses nicht vorgeschrieben. Die Erklärung kann daher auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, sofern der objektive Erklärungswert dem Beschwerten erkennbar ist. Es bedarf allerdings in jedem Fall eines entsprechenden Erklärungsbewusstseins auf Seiten des Ausschlagenden. Kenntnis der Ausschlagungsmöglichkeit ist keine Voraussetzung der Annahme. Annahme des Vermächtnisses liegt in der Regel spätestens in der Entgegennahme der Vermächtnisleistung (vgl. Staudinger/ Otte BGB § 2180, Rn. 10).

Im Streitfall ist keine Ausschlagung erfolgt. Die Klägerin hat das ihr ausgesetzte Vermächtnis gerade nicht ausgeschlagen, sondern angenommen. Dies zeigt sich daran, dass der ihr zustehende Vermächtnisanspruch anerkannt und geltend gemacht und - wenn auch durch eine andere als die von dem Erblasser ins Auge gefasste Leistung an Erfüllungs Statt - getilgt wurde. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt der Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Zeugen A2 vom 20.08.2013, die zwar anders als der weitere Notarvertrag vom selben Tag nicht mit „Vermächtniserfüllungsvertrag“ bezeichnet ist, jedoch wiederholt ausdrücklich regelt, dass die dortigen Regelungen der Erfüllung der Vermächtnisse dienen. Das Bestehen und die Geltendmachung eines Vermächtnisanspruches setzten die Beteiligten in dieser Vereinbarung ganz offensichtlich voraus. Die Erfüllung des Vermächtnisanspruches und dessen Ausschlagung schließen sich aber gegenseitig aus (vgl. dazu auch BFH Urteil vom 25.10.1995 II R 5/92, BStBl II 1996, 94).

Der Vereinbarung kann auch nicht im Wege der Auslegung etwas anderes, nämlich ein auf Ausschlagung und Abfindung gerichteter Wille der Beteiligten entnommen werden. Nach § 133 BGB ist der wirkliche, möglicherweise ungenau oder sogar unzutreffend geäußerte Wille der eine Willenserklärung abgebenden Vertragsparteien als eine sog. „innere Tatsache“ zu ermitteln und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Soweit feststellbar, gilt daher ohne Rücksicht auf einen abweichenden Wortlaut das von den Vertragschließenden tatsächlich Gemeinte als Inhalt des Vertrags, mag auch ein Dritter die Erklärung „objektiv“ anders verstehen. Auch bei notariell zu beurkundenden Erklärungen i.S.v. § 311b BGB sind der Wille und die Vorstellung des Erklärenden maßgeblich und Umstände außerhalb der Urkunde bei der Auslegung mit zu berücksichtigen (vgl. Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 133 BGB, Rn. 18, 26 ff. m.w.N.). Nach der Auffassung des BGH besteht bei einer versehentlichen Falschbezeichnung in einem formbedürftigen Rechtsgeschäft das Erfordernis, dass das von den Parteien Vereinbarte einen - wenigstens andeutungsweisen - Niederschlag in der Urkunde gefunden haben muss, nicht (Urteil vom 18.01.2008 V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, m.w.N.). Hier reicht es aus, wenn das - von den Parteien in anderem Sinne verstandene - objektiv Erklärte, dem Formerfordernis genügt. Beurkundet ist dann das wirklich Gewollte, nur falsch Bezeichnete. Der Indizwert einer Selbstinterpretation der von Vertragsparteien abgegebenen Willenserklärungen bedarf allerdings der Objektivierung durch die Ermittlung aller relevanten Begleitumstände, die Gegenstand der richterlichen Beweiswürdigung nach § 155 FGO i.V.m. § 286 ZPO sind. Für die Ermittlung des wirklichen Willens können nachträgliche Äußerungen der Parteien Anhaltspunkte liefern und in dem Sinne berücksichtigt werden, als sie Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen (vgl. Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 133 BGB, Rn. 18 m.w.N.).

Auch anhand der Beweisaufnahme konnte der Senat feststellen, dass eine Ausschlagung der Vermächtnisse durch die Klägerin nicht gewollt und den Beteiligten die Möglichkeit dazu nicht - zumindest laienhaft - bewusst war. Aus den Aussagen beider Zeugen ergibt sich für das Gericht nachvollziehbar und glaubhaft, dass sich die Klägerin und ihr Bruder ebenso wie die an der Vertragsgestaltung Beteiligten, der Zeuge F sowie der Notar, keinerlei Gedanken über eine Nichtannahme der Vermächtnisse, eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen oder einen Verzicht auf Ansprüche gemacht haben. Sie konnten folglich auch keinen entsprechenden, hinter dem Wortlaut der Urkunden verborgenen auf Ausschlagung gerichteten Willen bilden. Für den Notar geht dies bereits deutlich aus dessen schriftlicher Einlassung vom 17.01.2015 hervor, in der dieser zu dem Ergebnis kommt, das Vermächtnis sei mit den von dem Erblasser bestimmten Vermögensgegenständen erfüllt worden, und in der nicht einmal sinngemäß von einer Ausschlagung der Vermächtnisse die Rede ist. Beide Zeugen haben eingeräumt, dass sie seinerzeit mit dem Begriff der Ausschlagung nicht vertraut gewesen seien und dieser Begriff zwischen den Vertragsbeteiligten nicht gefallen sei. Der Zeuge F habe nach eigenem Bekunden den Begriff „Ausschlagung“ auch eher im Zusammenhang mit einem Streit verstanden. Vielmehr habe man sich auf den Notar verlassen, und es sei eine „Neuregelung“ der Vermächtnisse in Form einer „Abfindung“ beabsichtigt gewesen. Dieses, da allen Beteiligten bewusst gewesen sei, dass die von dem Erblasser eigentlich gewollte Einräumung eines Quotennießbrauchs an 2,97 % der KG-Anteile nicht mehr umsetzbar war. Zudem sollte die Anwendung der Befreiungsvorschriften nach §§ 13a, 13b ErbStG erreicht werden.

Der Zeuge A2 hat schlüssig erläutert, dass man der Ordnung halber nur an seiner und nicht an der nachlasszugehörigen KG-Beteiligung den Nießbrauch zugunsten seiner Schwester bestellt habe und nur wegen der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen gem. §§ 13a, 13b ErbStG auch Stimmrechte übertragen habe. Weil - nach dem Verständnis des Senates - den Beteiligten damit bewusst war, dass sie mit ihrer Vereinbarung zwar nicht das Testament des Vaters vertraglich umsetzen, jedoch „die immer im Raum stehenden 2,97 % damit erfüllt waren“ und der ganze Vorgang damit abgeschlossen werden sollte, habe man die Vereinbarung als Abfindung verstanden. Auch die Schilderung des Zeugen A2, dass die Regelung dazu habe dienen sollen, die Klägerin fair zu behandeln, zumal eine Unternehmensbeteiligung lange geplant gewesen sei, spricht dafür, dass man die von dem Erblasser geschaffenen Ansprüche der Klägerin mit - soweit für die Anwendung der Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG notwendig - verändertem Inhalt bedienen wollte.

Eine konkludente Ausschlagung eines Vermächtnisses kann - in Abgrenzung zu einer Leistung an Erfüllungs Statt - entgegen der klägerischen Auffassung auch nicht stets dann angenommen werden, wenn der mit dem Vermächtnis Beschwerte zur Befriedigung des Bedachten Vermögen hingibt, das nicht dem Nachlass, sondern seinem eigenen Vermögen entstammt. Für eine derartige Einschränkung der Begriffe existiert keine Rechtsgrundlage. Ein entsprechender Automatismus in dem Sinne, dass bei jeder deutlichen inhaltlichen Abweichung einer Vereinbarung zwischen Erben und Vermächtnisnehmer von der Vermächtnisanordnung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ein Wille zur Ausschlagung des Vermächtnisses bestehe, lässt sich auch nicht dem Urteil der OLG Koblenz vom 05.06.2008 (5 U 99/08, juris) entnehmen. Auch die Hinnahme und Annahme einer anderen als die geschuldete Leistung kann gem. § 364 Abs. 1 BGB ein Schuldverhältnis - im Streitfall: Vermächtnisansprüche - zum Erlöschen bringen, und es ist nicht erkennbar, warum dies vorliegend nicht gelten oder bei Erwerben von Todes wegen automatisch zu einer Ausschlagung des durch einen Erblasser zugewendeten Anspruchs führen sollte.

bb.

Eine solche Hingabe an Erfüllungs statt wie im Streitfall führt nicht zu einer Auswechslung des Erwerbsgegenstandes und vorliegend dazu, dass der der Klägerin eingeräumte Mitunternehmeranteil zum Besteuerungsobjekt werden würde.

Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer sowie des Vermächtnisanspruches ist im Streitfall der Todeszeitpunkt des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; § 2047 BGB); allein dieser Zeitpunkt ist maßgebend für Bestand und Wert des Erwerbs. Gegenstand des Erwerbs ist beim Vermächtnis eine gegen den Beschwerten (Erben) gerichtete Forderung auf das vermachte Vermögen (vgl. §§ 1939, 2174 BGB). Vermächtnisgegenstand sind vorliegend der Quotennießbrauch an 1 % des dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zuzurechnenden KG-Anteils und der auf Geld, ggf. in Form einer weiteren Gewinnbeteiligung an der KG im Wege des Nießbrauchs, gerichtete Anspruch auf Nachteilsausgleich. Allein diese Ansprüche hat der Erblasser der Klägerin durch letztwillige Verfügung vermacht und allein diese unterliegen daher als nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigtes Vermögen der Erbschaftsteuer und nicht der durch den Vertrag vom 20.08.2013 an Erfüllung statt zugewendete Mitunternehmeranteil.

Ohne Einfluss auf die Bestimmung des bürgerlich-rechtlichen und erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbsgegenstands sowie dessen Bewertung ist es, durch welche Leistungen der mit dem Tode des Erblassers entstandene Vermächtnisanspruch erfüllt worden ist. Nimmt der Vermächtnisnehmer - wie im Streitfall - eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt an, so führt dies zu einem Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses (§ 364 Abs.1 BGB). Der ursprüngliche - im Zeitpunkt der Entstehung des Erbschaftsteueranspruchs gegebene und damit maßgebliche - Inhalt des durch das Vermächtnis begründeten Schuldverhältnisses wird jedoch davon nicht berührt. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer getroffene Erfüllungsabreden vermögen den einmal entstandenen Steueranspruch nicht aufzuheben oder zu modifizieren (vgl BFH, Urteil vom 25.10.1995 II R 5/92, BStBl II 1996, 97; zum Pflichtteilsanspruch, für den dasselbe gilt wie für den Vermächtnisanspruch: Urteil vom 07.10.1998 II R 52/96, BStBl II 1999, 23).

Auf die Frage, ob bei einem Erwerb von Todes wegen stets der Erblasser selbst von ihm stammendes begünstigtes Vermögen dem Erwerber zugewiesen haben muss, wie die Finanzverwaltung in R E 13b.1 Abs. 4 ErbStR 2011 fordert, und dies auch in Fällen der Abfindung von Ansprüchen durch den Erben gilt, kommt es danach vorliegend nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

III.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

stats