FG Nürnberg: Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag
FG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2020 – 3 K1098/19
Volltext BB-Online BBL2020-2197-4
Leitsätze der Redaktion
1. Die Erhebung des Solidaritätszuschlages für Veranlagungszeiträume ab 2020 ist nicht verfassungswidrig und das entsprechende Gesetz war auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
2. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der damit verbundenen Neuregelung des Länderfinanzausgleichs hat der Solidaritätszuschlag nicht „automatisch“ seine Rechtfertigung verloren, da lediglich eine politische Verbindung, nicht aber rechtliche Verbindung zwischen dem Solidaritätszuschlag und dem Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten der Wiedervereinigung besteht.
3. Der Solidaritätszuschlag ist als Ergänzungsabgabe im Wesentlichen anhand des Mehrbedarfs durch die „jüngsten Veränderungen in der Weltlage“ begründet worden. Erst durch das zweite SolZG 1995 wurde die Begründung der Einführung erweitert: „Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlägt deshalb mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen (z.B. sog. Kaskadeneffekt bei mehrstufigem Unternehmensaufbau) werden vermieden.“
4. Bei der Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe darf der Gesetzgeber die Erhebung nach der Leistungsfähigkeit ausrichten, wie in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 2 SolZG geschehen, insoweit liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Art. 3 Abs.1 GG vor.
5. Auch in der Tatsache, dass körperschaftsteuerliche Subjekte den Solidaritätszuschlag weiter zu zahlen haben liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, da Körperschaftssteuersubjekte und Einkommensteuersubjekte ohnehin nicht gleichbehandelt werden.
Sachverhalt
Streitig ist, ob das Finanzamt den Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag ab 01.01.2020 auf 0 € wegen dessen Verfassungswidrigkeit zu Recht abgelehnt hat.
Die Kläger sind verheiratet und werden beim beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig.
Mit Bescheid vom 18.02.2019 setzte das Finanzamt unter anderem die Vorauszahlungen für den Solidaritätszuschlag ab 2020 und weitere Jahre in Höhe von vierteljährlich 453 € (zu entrichten jeweils am 10.03.; 10.06.; 10.09.; 10.12. des Jahres) fest. Die Festsetzung ging auf den Antrag und die Schilderung der Verhältnisse der Kläger vom 01.02.2019 zurück.
Mit Schreiben vom 09.05.2019 beantragten die Kläger die Herabsetzung der Vorauszahlungen des Solidaritätszuschlags ab VZ 2020 auf 0 € mit dem Hinweis darauf, dass die „Aufbauhilfen“ für die neuen Bundesländer in 2019 auslaufen würden. Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) Ergänzungsabgaben nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürften, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine immerwährende Erhebung. Auch die Haushaltssituation gebiete keine weitergehende Erhebung. Da der Solidaritätszuschlag nur dem Bundeshaushalt zufließe, sei das vom Grundgesetz vorgesehene Finanzierungssystem empfindlich gestört.
Diesen Antrag lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 28.05.2019 ab. Es führte aus, dass auf die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags, der nach § 1 Abs. 1 Solidaritätszuschlaggesetz (SolZG 1995) in der Fassung vom 19.07.2016 auch über den 01.01.2020 hinaus zusätzlich zur Einkommensteuer zu erheben sei, die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsprechend anwendbar (§ 1 Abs. 2 SolZG 1995) seien. Nach § 37 Abs. 1 EStG, § 1 Abs. 4 HS 1 SolZG 1995 seien die Vorauszahlungen für den Solidaritätszuschlag gleichzeitig mit den Einkommensteuervorauszahlungen zu ent-richten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag lägen vor. Die Festsetzung sei zutreffend dem Grunde und der Höhe nach vorgenommen worden.
Gegen die Ablehnung des Antrags legten die Kläger unter Wiederholung der bisherigen Begründung erfolglos Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2019 begründete das Finanzamt seine Zurückweisung damit, dass es an die Steuergesetze gebunden und zu deren Vollzug angehalten sei. Das Finanzamt könne grundsätzlich davon ausgehen, dass die zur Anwendung stehenden Steuergesetze verfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprächen.
Die Festsetzung der Vorauszahlungen entspreche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach der gültigen gesetzlichen Regelung.
Hiergegen haben die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 21.08.2019 Klage erhoben und beantragen unter Aufhebung des Bescheids vom 28.05.2019 über die Ablehnung des Antrags auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26.07.2019 den geänderten Vorauszahlungsbescheid über die Festsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag vom 08.11.2019 dahin zu ändern, dass die Vorauszahlungen für den Solidaritätszuschlag ab dem 01.01.2020 mit 0 festgesetzt werden.
Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beantragt.
Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Beteiligten ausschließlich um die Rechtsfrage der Verfassungswidrigkeit der Erhebung des Solidaritätszuschlages ab dem 01.01.2020 stritten. Ohne die Klage wären die Kläger aufgrund der gegenwärtigen formellen Rechtslage gezwungen, ab 2020 Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag als Annex zu ihrem Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid zu leisten.
Am 14.11.2019 habe der Deutsche Bundestag dem Gesetzentwurf zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 zugestimmt. Damit werde der Solidaritätszuschlag 1995 in der gegenwärtigen Form auch für das Jahr 2020 ungeschmälert erhoben werden, obwohl der Solidarpakt II im Jahre 2019 auslaufe. Eine Rückführung sei erst ab dem Jahre 2021 vorgesehen; Hinweise auf eine Abschaffung zu irgendeinem zukünftigen Zeitpunkt oder in Zusammenhang mit einem Ereignis bzw. eine Überprüfungsklausel enthalte der Gesetzestext nicht. Damit gelte das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 unbefristet weiter; der Solidaritätszuschlag werde dem Grunde nach unbefristet weiter erhoben.
Die Kläger wären auch bei einer Absenkung des Solidaritätszuschlags ab 2021 noch mit Solidaritätszuschlag belastet.
Nach Auffassung der Kläger könne die Erhebung des rechtmäßig eingeführten Solidaritätszuschlags 1995 ab 2020 nicht mehr auf eine verfassungsrechtliche Grundlage gestützt werden. Insoweit werde auch auf das einschlägige Gutachten von Prof. Dr. Dres. h. c. Hans Jürgen Papier sowie die Begründung des Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.08.2013 (7 K 143/08) verwiesen; die Klägerseite mache sich die Argumente zu eigen.
Der Solidaritätszuschlag sei eine Bundessteuer, die auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 105 Abs. 2 Grundgesetz (GG) beruhe. Danach habe der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zustehe. Ob dies der Fall sei, richte sich nach Art. 106 Abs. 1 und 3 GG. Bei der Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 105 Abs. 2 GG habe sich der Bundesgesetzgeber an die in Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe zu halten. Für den Solidaritätszuschlag komme allein der Steuertypus „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer“ im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG in Betracht, deren Aufkommen dem Bund zustehe. Ein über den Katalog des Art. 106 GG hinausgehendes, allgemeines Steuererfindungsrecht lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Bürger dürften darauf vertrauen, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen besteuert zu werden (Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.04.2017; 2 BvL 6/11).
Unter Ausführungen zu den historischen Vorgängern des Solidaritätszuschlags 1995 (Entwurf einer Ergänzungsabgabe 1954, BT-Drs. 11/484; Erhebung einer Ergänzungsabgabe lt. Ergänzungsabgabengesetz vom 21.12.1967, BGBl I 1967, 1254, die 1975 bzw. 1977 unter Anhebung der Tarife bei Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer entfiel; Erhebung eines Stabilitätszuschlags lt. Steueränderungsgesetz 1973 vom 26.06.1973, BGBl I 1973, an dessen Aufkommen die Länder und Gemeinden beteiligt waren; Initiative zur Einführung einer Ergänzungsabgabe zur Stimulierung der Wirtschaft in 1981; erstmalige Erhebung eines Solidaritätszuschlags lt. Solidaritätszuschlaggesetz vom 24.06.1991, BGBl I 1991, 1318) verweisen die Kläger darauf, dass die Einführung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftssteuer den finanziellen Herausforderungen zur Herstellung der Einheit Deutschlands begründet worden sei.
Zitat aus der amtlichen Begründung:
„Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlägt deshalb mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit.“
Die Einführung einer Ergänzungsabgabe bedürfe somit einer finanzverfassungsrechtlichen Sonderlage - konkret für den Solidaritätszuschlag den Aufbau Ost.
Die Kläger verweisen darauf, dass ebenfalls im Jahr 1995 der Solidarpakt I (Einigung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern, der den ostdeutschen Bundesländern für den Abbau teilungsbedingter Sonderlasten besondere Finanzmittel im Rahmen des Länderfinanzausgleichs durch besondere Bundergänzungszuweisungen zukommen lässt) zurückgehend auf die Einigung zwischen Bund und Ländern vom 13.03.1993 geschlossen worden sei.
Inhalt der Einigung:
- „Letztmalige Aufstockung des Fond Deutsche Einheit auf 160,7 Mrd. DM. Zahlungen aus diesem Fonds entfallen ab 1995.
- Die neuen Bundesländer werden in den Länderfinanzausgleich einbezogen.
- Der Anteil der Bundesländer an der Umsatzsteuer wird von 37% auf 44% angehoben.
- Die Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen werden eingeführt. Damit wird sichergestellt, dass durch den Länderfinanzausgleich die finanzielle Leistungskraft eines Bundeslandes auf 99,5% des Bundesdurchschnitts angehoben wird.
- Die fünf neuen Bundesländer und Berlin erhalten für zehn Jahre zusammen Transferzahlungen des Bundes in Höhe von jährlich 20,6 Mrd. DM.
- Die finanziellen Lasten der alten Bundesländer müssen zu ca. 40% die Kommunen mittragen, indem die Gewerbesteuerumlage angehoben und zugleich der kommunale Finanzausgleich abgesenkt wird.
- Einrichtung des Erblastentilgungsfond. Dieser führt die Schulden der Treuhandanstalt und des Kreditabwicklungsfonds sowie Teile der alten Schulden der kommunalen Wohnungswirtschaft zusammen. Der Anfangsschuldenstand beträgt 336 Mrd. DM. Dieser wird allein durch den Bund verzinst und getilgt.“
Bereits vor Auslaufen des Solidarpakts I in 2004 sei absehbar gewesen, dass ein vergleichbarer Stand von alten und neuen Bundesländern bis zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar sei und aus diesem Grund der Solidarpakt II als Fortsetzung in 2001 vereinbart worden. Die dort vorgesehene Förderung mit einem Gesamtvolumen von 156,5 Milliarden werde bis einschließlich 2019 sichergestellt. Das Gesamtvolumen werde in unterteilt in:
- Korb I, der die gesetzlich fixierten Bundesergänzungszuweisungen umfasse mit insgesamt 105,3 Mrd. €, die im Rahmen des Länderfinanzausgleichs gewährt würden. Sie dienten der Schließung der Infrastrukturlücke und dem Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft, würden aber als ungebundene Zuweisungen gewährt.
- Korb II, der sonstige Zuwendungen des Bundes umfasse, von denen die neuen mehr als die alten Länder erhielten. Dies sollen bis 2019 insgesamt 51,1 Mrd. € sein. Über die Frage, welche Maßnahmen des Bundes Bestandteil des Korb II sein sollten, hätten sich Bund und Länder 2006 geeinigt. Die Umsetzung erfolge durch erhöhte Mittelansätze im jeweiligen Haushaltsgesetz und unterliege damit der Budgethoheit des Parlaments.
Hiervon hätten die neuen Bundesländer bis 2019 folgende Bundeszuweisungen erhalten:
im Jahr 2005 10.532.613.000 Euro,
im Jahr 2006 10.481.484.000 Euro,
im Jahr 2007 10.379.225.000 Euro,
im Jahr 2008 10.225.838.000 Euro,
im Jahr 2009 9.510.029.000 Euro,
im Jahr 2010 8.743.091.000 Euro,
im Jahr 2011 8.027.283.000 Euro,
im Jahr 2012 7.260.345.000 Euro,
im Jahr 2013 6.544.536.000 Euro,
im Jahr 2014 5.777.598.000 Euro,
im Jahr 2015 5.061.790.000 Euro,
im Jahr 2016 4.294.852.000 Euro,
im Jahr 2017 3.579.043.000 Euro,
im Jahr 2018 2.812.105.000 Euro,
im Jahr 2019 2.096.297.000 Euro.
Ab 2020 sei der neue Länderfinanzausgleich geschaffen worden, der keine ostdeutschen Besonderheiten vorsehe. Die Zweizügkeit von Länderfinanzausgleich und Solidarpaket sei aufgehoben worden und zu einem System verschmolzen; in Zukunft spiele lediglich die Finanzkraft des einzelnen Bundeslandes bei der Verteilung der Mittel eine Rolle. Damit sähen die Kläger die finanzwirtschaftliche Sonderlage, die für jeden Erhebungszeitraum der Ergänzungsabgabe fortbestehen müsse, ab dem Veranlagungszeitraum 2020 nicht mehr gegeben und demzufolge die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht mehr von dem Begriff der Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG gedeckt.
Der Begriff der Ergänzungsabgabe sei zwar gesetzlich nicht definiert, nach Auffassung der Kläger spreche jedoch die historische Interpretation des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG für die Annahme, dass die ursprünglich gegebene verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Erhebung des Solidaritätszuschlags 1995 spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpakts II entfallen sei. So heiße es in der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Finanzverfassungsgesetzes, mit dem die Vorgängervorschrift des heutigen Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, nämlich Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F., eingeführt worden sei, ausdrücklich, dass die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer dazu bestimmt sei, “anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken“. In der amtlichen Begründung zum parallel eingebrachten Entwurf des Ergänzungsabgabengesetzes sei ebenfalls davon die Rede, dem Bundesgesetzgeber solle ermöglicht werden, ohne eine Änderung der Steuersätze “Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt“ zu decken, die auf anderem Wege, insbesondere durch Senkung von Ausgaben nicht ausgeglichen werden könnten. Auf diese Weise werde die Abgabe, deren Erhebung “keineswegs für die Dauer, sondern lediglich für Ausnahmelagen bestimmt ist“ wesentlich zur inneren Festigung der bundesstaatlichen Finanzstruktur beitragen. Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes nehme ausdrücklich auf diese BT-Drucksache Bezug, so dass die Aussagekraft dieses Teils der amtlichen Begründung eines Gesetzesentwurfs zum Ergänzungsabgabengesetz nicht dadurch in Frage gestellt werden könne, dass dieser Entwurf des einfachen Gesetzes von den gesetzgebenden Körperschaften letztlich nicht verabschiedet worden sei.
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe bislang den Begriff der Ergänzungsabgabe ebenfalls nicht abschließend definiert und sich zu deren Zulässigkeitsvoraussetzungen geäußert, sondern im Beschluss des Ersten Senats vom 09.02.1972 (BVerfGE 32, 333) lediglich einzelne Aussagen zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Einführung und Erhebung gemacht. Zur Frage, ob und wann eine zunächst verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer unzulässig werde oder werden könne, habe sich das Bundesverfassungsgericht bislang nicht geäußert.
Nachfolgende Verfassungsbeschwerden seien vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen bzw. Richtervorlagen zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nach 100 Abs. 1 GG für unzulässig erklärt worden (Hinweis auf Beschluss des Zweiten Senats vom 08.09.2010 hinsichtlich der Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.09.2009). Das auf erneute Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts (Beschluss vom 21.08.2013, DStRE 2014, 534) in Gang gesetzt konkrete Normenkontrollverfahren sei noch anhängig.
Mit der nunmehr durch Auslaufen des Solidarpaktes 2019 und Einführung des neuen Länderfinanzausgleichs in 2020 neu eingetretenen verfassungsrechtlichen Situation habe sich das Bundesverfassungsgericht überhaupt noch nicht befasst.
Für die Auffassung der Kläger, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs verfassungsrechtlich nicht mehr gedeckt sei, spreche dabei nicht nur die historische Interpretation, sondern vor allem auch die systematisch-teleologische Situation.
Nach den Vorschriften des Grundgesetzes bestehe unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich kein Unterschied zwischen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer andererseits. In beiden Fällen besitze der Bund das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung.
Ein Unterschied bestehe allerdings in der Frage der Zustimmungspflichtigkeit des entsprechenden Bundesgesetzes. Nach Art. 105 Abs. 3 GG bedürften Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbände) ganz oder zum Teil zufließe, wie die Einkommensteuer und die Körperschaftssteuer, der Zustimmung des Bundesrates; ein Gesetz für eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer hingegen nicht.
Ein noch bedeutenderer Unterschied zwischen den beiden Steuerarten bestehe im Hinblick auf die Ertragshoheit. Nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG handele es sich bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer um sogenannte Gemeinschaftsteuern, an deren Aufkommen der Bund und die Länder beteiligt seien (Art. 106 Abs. 3 S. 1 und 2 GG). Das Aufkommen aus der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer stehe hingegen allein dem Bund zu (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG).
Aus Gründen einer systematisch-teleologischen Verfassungsauslegung könne daher nicht angenommen werden, dass jede staatliche Besteuerung des Einkommens außerhalb des eigentlichen Einkommensteuerrechts, die sich in dem Zweck der Mehrung des Steueraufkommens des Bundes und der Deckung seines allgemeinen Finanzbedarfs erschöpfe oder im Ergebnis auf eine Tarifänderung bei der Einkommensteuer hinauslaufe, eine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG darstelle.
Der Bundesgesetzgeber erlange sonst nämlich die Möglichkeit, außerhalb der Aufkommensverteilung nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 und 2 GG zwischen dem Bund und den Ländern und ohne Zustimmung des Bundesrates (siehe Art. 105 S. 3 GG) ein beachtliches Aufkommen aus der Einkommensbesteuerung nach eigener politischer Opportunität zu generieren. Dies wäre mit der Ordnungs-, Schutz- und Begrenzungsfunktion der grundgesetzlichen Finanzverfassung unvereinbar. Diese schließe es aus, unter Berufung auf Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dauerhaft eine zweite, exklusiv nur dem Bund zustehende Säule der Einkommensbesteuerung zu etablieren. Die Schutz- und Begrenzungsfunktion der grundgesetzlichen Finanzverfassung bestehe auch und vor allem zugunsten der Bürger, die darauf vertrauen dürften, “nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen besteuert zu werden“ (Hinweis auf BVerfGE 145, 171).
Die Erhebung einer Ergänzungsabgabe im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG müsse mithin durch besondere Grunde legitimiert sein, die über die allgemeinen Erhebungsgründe und Erhebungszwecke der Einkommen- und Körperschaftteuer hinausgingen und eine Abweichung von den verfassungsrechtlichen Verteilungsregeln bei den Gemeinschaftssteuern rechtfertigten. Die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und zur Körperschaftsteuer müsse also als ein subsidiäres Finanzierungsinstrument angesehen werden; ihr komme von Verfassungs wegen ein Ausnahmecharakter zu. Ein sie legitimierender Ausnahmegrund könne nur in einem zusätzlichen und außerordentlichen Mittelbedarf speziell des Bundes bestehen, andernfalls könne der Bund, das grundgesetzliche Verteilungssystem bei den Ertragsteuern und den bundesstaatlichen Finanzausgleich schlicht unterlaufen. Das Bestehen solch eines Finanzbedarfs müsse zwar nicht von vornherein zeitlich begrenzt sein, sei aber als Ausnahmesituation tendenziell nur als vorübergehende historische Epoche zu qualifizieren. Dass Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 09.02.1972 zwar entschieden, dass eine ausdrücklich und ex-ante erfolgende Befristung verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Damit sei aber keineswegs entschieden, dass eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG gänzlich voraussetzungslos und auf Dauer die finanzverfassungsrechtliche Ordnung und die in ihr angelegte Verteilung der Steueraufkommen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden unterlaufen dürfte. Ein voraussichtlich dauerhafter Finanzbedarf des Bundes müsse entweder über eine entsprechende Anpassung der Regelsteuern oder über eine Neuverteilung des Umsatzsteueraufkommens nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 3 S. 3 ff. GG abgedeckt werden.
Der Bund dürfe nicht voraussetzungslos und auf Dauer sowie grenzenlos das im Grundgesetz festgelegte Beteiligungsverhältnis bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu seinen Gunsten verändern und dabei auch noch die Zustimmungsrechte des Bundesrates unterlaufen. Die Steuer nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dürfe immer nur einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz der Einkommen- und Körperschaftsteuer ausmachen; sie dürfe diese allgemeinen Besteuerungen des Einkommens jedoch nicht verdrängen, unterlaufen oder mit ihnen konkurrieren.
Die Einführung und Erhebung des Solidaritätszuschlags im Nachgang der deutschen Wiedervereinigung habe zwar ihre Rechtfertigung in einem wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf gefunden. Mit Ende des Solidarpakts II sei jedoch eine „finanzverfassungs-rechtliche Normallage“ eingetreten, die es ausschließe, allein unter Hinweis auf den ursprünglichen Erhebungszweck nach wie vor einen wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes speziell für den Aufbau Ost zu konstatieren. Dies werde durch den Gesetzgeber selbst gerade auch dadurch festgestellt, dass er auf einen Solidarpakt III ausdrücklich verzichtet habe.
Sollte sich nach Auslaufen des Solidarpakts II und in der künftigen „finanzverfassungs-rechtlichen Normallage“ ergeben, dass das grundgesetzliche Regelungssystem von Steuererhebung und Steueraufkommensverteilung zu einer Unterdeckung speziell beim Bund führe, dann müssten die Regelmechanismen der grundgesetzlichen Finanzverfassung eingesetzt werden.
Entfalle der konkrete zusätzliche Finanzbedarf des Bundes, der die Einführung der Ergänzungsabgabe bislang gerechtfertigt habe, evidentermaßen, was mit dem Auslaufen des Solidarpakts II zu belegen sei, könne eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ihrer weiteren Erhebung nicht mit einem allgemein erhöhten Finanzbedarf des Bundes, einer allgemeinen Deckungslücke beim Bund oder der Beibehaltung der Ertragsteuerbelastung einer bestimmten sozio-ökonomischen Gruppe begründet werden.
Auch wenn man dem Gesetzgeber unzweifelhaft einen gewissen Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zur Rechtfertigung der Ergänzungsabgabe zubilligen müsse, so dürfte dieser Spielraum überschritten sein, wenn der Wegfall des besonderen Erhebungszwecks offenkundig und durch ein objektiv bestehendes und feststellbares Ereignis durch den Gesetzgeber selbst, hier also das Auslaufen des Solidarpakts II, belegbar sei.
Es gelte zwar bei der Steuererhebung das sogenannte Non-Affektationsprinzip (§ 7 Haushaltsgesetz) mit der Folge, dass eine Zweckbindung bestimmter Steueraufkommen nicht zulässig sei und somit auch das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag nicht einer Zweckbindung für die besonderen Belastungen aus dem Solidarpakt I und II unterlegen habe. Dieser haushaltsrechtliche Grundsatz der Gesamtdeckung öffentlicher Steuereinnahmen könne aber nicht bedeuten, dass der Bund mit der Kompetenznorm des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zugleich das Recht erhielte, gewissermaßen dauerhaft und voraussetzungslos das finanzverfassungsrechtliche System der Ertragsverteilung zu seinen Gunsten zu verändern, beziehungsweise zu unterlaufen. Das aber wäre der Fall, wenn Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG so interpretiert werden dürfte, dass der Bund unter Hinweis auf einen nicht näher spezifizierten Finanzbedarf eine zusätzliche, wenn auch “kleinere“ Einkommen- und Körperschaftsteuer etablieren dürfte, deren Aufkommen ihm entgegen Art. 106 Abs. 3 S. 1 und 2 GG allein zustehe und bei deren Einführung und Änderung er von den Mitwirkungsrechten des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG befreit wäre.
Folgte man der Gegenauffassung, wäre eine weitere Erhebung des Solidaritätszuschlages schon dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn der Bund irgendeinen entsprechenden Mittel und Ausgabenbedarf geltend mache oder Finanzierungsanteile bestimmter sozio-ökonomischer Gruppen an der Ertragsteuer festschreiben wollte. Es wäre dann auch nicht einmal erforderlich, dass es sich um den gleichen Bedarf, das heißt den gleichen Erhebungszweck handele, der der Einführung zugrunde gelegen habe. Ließe man es ausreichen, dass auch ein anderer Bedarf des Bundes die Ergänzungsabgabe als sinnvoll erscheinen lasse, würde die Kompetenznorm des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ihren Ausnahmecharakter verlieren.
Es bestehe dann die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass sich eine voraussetzungslose und im Wesentlichen auf Dauer angelegte Handhabung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu einem juristischen Hebel entwickele, der das grundgesetzliche System der bundesstaatlichen Aufgaben- und Ausgabenverteilung, also den Grundsatz der Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeit (Art. 104a Abs. 1 GG), faktisch verändere oder unterlaufe, und zwar zu Lasten der Bundesländer, die auf diese Weise Stück für Stück ihre vom Grundgesetz vorausgesetzte Eigenstaatlichkeit verlieren würden.
Zum Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (sog. Abschmelzungsmodell), dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Entwurf vorlag, dem der Deutsche Bundestag am 14.11.2019 zustimmte und das inzwischen in Kraft getreten ist, vertreten die Kläger die Auffassung, dass mit Auslaufen des Solidarpakts II als objektiv feststellbarem Zeitpunkt auch ein auch ein bloßes „Abschmelzen“ der Ergänzungsabgabe (ohnehin erst ab 2021) nicht mehr ausreichend sei, um den evidenten Legitimationsverlust verfassungs-rechtlich noch hinzunehmen. Der schlichte Hinweis, dass der Bund das Geld aus dem Aufkommen des Solidaritätszuschlags nach wie vor - wenn auch nicht mehr in der bisherigen Höhe - benötige, reiche als Beleg für einen solchen spezifischen Legitimationsgrund nicht.
Gleiches gelte für die Regelung, den Finanzierungsanteil einer bestimmten sozio-ökonomischen Gruppe im Wege der Abschmelzung des Solidaritätszuschlags auf Dauer solange festzuschreiben, solange die gesetzgeberische Mehrheit für die Integration des Rest-Solidaritätszuschlages in die Einkommensteuer noch nicht vorhanden sei, und beziehe sich auf die Äußerungen des Bundesfinanzministers im Handelsblatt vom 18.08.2019 bzw. in der TAZ vom 18.08.2019. Dort werde dieser mit der Aussage zitiert: „Steuersenkung für Millionäre“ steht „nicht auf der Tagesordnung“. „Wenn es um die komplette Abschaffung des Soli geht, lasse ich gern mit mir reden, solange wir im Gegenzug die Einkommenssteuer für die Topverdiener entsprechend erhöhen. Darum wird es bei der nächsten Bundestagswahl bestimmt gehen.“
Mit der fortbestehenden Belastung höherer Einkommen durch die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer werde vielmehr besonders deutlich, dass es dem Bundesgesetzgeber gar nicht mehr um die Erfüllung oder Teilerfüllung des ursprünglich legitimierenden Erhebungszwecks, sondern um eine sozialpolitische Korrektur des gegenwärtigen allgemeinen Einkommensteuertarifs und seiner bisherigen Lastenverteilung gehe. Es läge im Grunde ein verfassungswidriger, intransparenter Formenmissbrauch vor, weil eine solche Korrektur der allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Belastungen bei Wahrung der finanzverfassungsrechtlichen Formenklarheit und Formenstrenge über eine Änderung des Einkommensteuerrechts zu erfolgen hätte und nicht über das Ausnahmeinstitut der Ergänzungsabgabe, bei welcher der ursprüngliche ausgleichsbedürftige Mittelbedarf speziell des Bundes längst entfallen sei. Letztlich führe der Bundesgesetzgeber eine spezifische “Tarifänderung“ bei der Einkommensteuer zulasten “besserverdienender“ Personengruppen ein. Aufgrund eines solchen Formenmissbrauchs durch Ausweichen auf das Institut der Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG werde den Ländern ihr Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer als Gemeinschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 und 2 GG insoweit vorenthalten. Dieser Formenmissbrauch umgehe darüber hinaus auch die Beteiligungsrechte des Bundesrates gemäß Art. 105 Abs. 3 GG.
Die Blickrichtung auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 sei also nicht die Sicherstellung der Einnahmesituation des Bundes für spezifische Aufgaben des Aufbaus Ost, sondern die Gesamtertragssteuerbelastung einer sozio-ökonomischen Gruppe. Aus diesem Grunde könne aus Sicht des Bundesfinanzministers der Solidaritätszuschlag irgendwann auch abgeschafft werden, wenn er auf den Einkommensteuertarif umgelegt würde. Die Folge, dass damit die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag 1995 schlagartig um 57,50% sänken (Anteile an der Einkommensteuer: Bund 42,5%, Länder 42,5%, Gemeinden 15%) zeige, dass nicht der spezifische Einnahmenbedarf des Bundes die Weiterführung des Solidaritätszuschlags rechtfertigen solle, sondern die Sicherstellung der für richtig gehaltenen Ertragssteuerbelastung einer bestimmten Gruppe von Steuerpflichtigen. Wenn dies der Gesetzgeber wolle, müsse er u.a. auch aus dem verfassungsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebot die dafür vorgesehene Form wählen. Die Normen für den “Ausnahmezustand“ dürften nicht die Rechtsgrundlage für den “Normalzustand“ bilden. Mit dem Ende des Solidarpakts II und der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleiches habe der Gesetzgeber eine Grundentscheidung getroffen, an der er sich - auch nach dem Grundsatz “venire contra factum proprium“ - für damit zusammenhängende Folgen festhalten lassen müsse. Eine Umwidmung des Solidaritätszuschlags habe der Gesetzgeber für die Zeit ab 2020 ebenfalls nicht vorgenommen.
Vor diesem Hintergrund habe die Erhebung des Solidaritätszuschlages ab dem Jahre 2020 keine verfassungsrechtliche Grundlage.
Das Finanzamt erklärt sich damit einverstanden, dass ab dem 01.01.2021 die vierteljährlichen Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer auf 19 € reduziert werden.
Das Finanzamt beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass der Vorauszahlungsbescheid entsprechend der geltenden gesetzlichen Regelungen zutreffend ergangen sei und dass das zur Anwendung gekommene SolZG 1995 über den 31.12.2019 hinaus Anwendung finde. Die zeitliche Anwendung des SolZG 1995 sei nicht eingeschränkt. Dieses Vorgehen habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 09.02.1972 in Bezug auf die insoweit vergleichbaren Regelungen des Ergänzungsabgabengesetzes vom 21.12.1967 nicht beanstandet (BVerfG-Beschluss vom 09.02.1972 - 1 BvL 16/69 -, BVerfGE 32, 333-344, BStBl II S. 408-411, Rn. 32; bestätigend BVerfG-Beschluss vom 08.09.2010 - 2 BvL 3/1, NJW 2011, 441).
Es sei von der Verfassung her nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen. Der Begriff Ergänzungsabgabe besage lediglich, dass diese Abgabe die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, also auf Dauer angelegte Steuern, ergänze, d. h. in einer gewissen Akzessorietät zu ihnen stehen solle. Gegen eine Befristung spreche insbesondere die Funktion, die die Ergänzungsabgabe im gesamten Steuersystem erfüllen solle. Bei der Schaffung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass ein zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes gedeckt, eine Erhöhung der Verbrauchsteuern aber vermieden werden sollte. Da die Einführung oder Erhöhung indirekter Steuern erfahrungsgemäß für längere Dauer erfolge, weise diese gedankliche Verknüpfung darauf hin, dass auch die Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden dürfe, und insbesondere darauf, dass eine Befristung der Ergänzungsabgabe sich nicht von vornherein aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe in Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. ergebe.
Nach Auffassung des Finanzamts verstoße weder der Bescheid an sich, also die Erhebung des Zuschlags; noch das SolZG gegen das Grundgesetz. Ein solcher Verstoß sei bereits dem Grunde nach zu verneinen. Der BFH habe die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit der Erhebung des Solidaritätszuschlags in der Entscheidung vom 21.07.2011 - II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685, sowie vom 21.07.2011 - II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl. II 2012, 43, und zuletzt in seinem Beschluss vom 14.11.2018 - II R 64/15, BStBl II 2019, 289, bestätigt.
Eine Ausnahme hiervon könnte nur dann angenommen werden, wenn zwischenzeitlich die Voraussetzungen für die Erhebung des Solidaritätszuschlags evident entfallen wären und sich daraus ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags ergeben hätte (BVerfG, Beschluss vom 09.02.1972 - 1 BvL 16/69 -, BVerfGE 32, 333-344, BStBl II 1972, 408-411, Rn. 32). Wann ein solcher Zwang anzunehmen sei, habe das BVerfG zwar offengelassen. Hierauf komme es gleichwohl nicht an, weil vorliegend die Voraussetzungen entgegen der klägerischen Auffassung bereits nicht entfallen seien. Ein Entfall der Voraussetzungen wäre grundsätzlich nur hinsichtlich eines fehlenden langfristigen Mehrbedarfs des Bundes ab 2020 denkbar. Eine Aushöhlung der gemeinschaftlichen Steuern von Bund und Land und somit ein Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG liege nicht vor. Dem Bund stehe gemäß Art. 105 Abs. 2 GG die Zuständigkeit für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, welche der Solidaritätszuschlag darstelle, zu. Diese Zuständigkeit nutze der Bund jedoch entgegen der klägerischen Auffassung nicht aus, um die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern auszuhöhlen. Damit die vom Kläger vorgetragene Aushöhlung dieser Steuern vorläge, wäre eine schwerwiegende Belastung der Steuerzahler durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsausgabe notwendig. Dass der Solidaritätszuschlag mit seinen heutigen Prozentsätzen jedoch keine schwerwiegende Belastung darstelle, sei bereits im Urteil des BFH vom 21.07.2011 - II R 52/10 festgehalten worden. Maßgeblich für die Beurteilung des BFH sei gewesen, dass der Solidaritätszuschlag an die Einkommen- oder Körperschaftsteuer geknüpft sei und somit gleichmäßig mit diesem Steueraufkommen wachse, sodass die dort gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt werden könnten. An diesem Umstand habe sich bis heute nichts geändert.
Sofern die Kläger anführten, dass es dem Bund für die Erhebung des Solidaritätszuschlags nach Ablauf des Solidaritätspakts II an einem „Sonderbedarf“ fehle, sei entgegenzuhalten, dass ein „Sonderbedarf“ vom BFH (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 50/09) nicht gefordert werde. Vielmehr erwarte dieser einen längerfristigen Mehrbedarf des Bundes, der durch die Ergänzungsabgabe gedeckt werden solle (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 50/09). Dies sei eine allgemeiner gehaltene Formulierung als es ein „Sonderbedarf“ implizieren würde. Diese Wortwahl würde nämlich nahelegen, dass der Bedarf für ein gesondertes Unterfangen benötigt werden müsste, welches der BFH in dieser Entscheidung aber ablehne. Nach Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 21.07.2011 könne eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend gewesen seien, grundlegend änderten, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht sei und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden solle. Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe werde in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststehe.
Der Solidaritätszuschlag sei eine Zuschlagsteuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung stehe (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 52/10). Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben, insbesondere welche Reformmaßnahmen in Angriff genommen würden und wie sie finanziert werden sollen, gehöre zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entziehe (BVerfG-Beschluss vom 09.02.1972 - 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II S. 408, NJW 1972, 757). Insofern sei der Bund bei der Festlegung eines Mehrbedarfs nicht an eine Aufgabe gebunden, sondern könne die Grundlage für den Mehrbedarf innerhalb gewisser Grenzen austauschen, ohne eine neue gesetzliche Grundlage einführen zu müssen. Es müssten weitergehende, außerordentliche und legitimierende Gründe für einen Mehr- bzw. Sonderbedarf bestehen, der sich nicht anders decken lassen dürfe. Zulässig sei ein Austausch dann, wenn nicht der Kerngehalt des Solidaritätszuschlags ausgetauscht werde. Grundsätzlicher Zweck des Solidaritätszuschlags sei das solidarische Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit (BT-Drs. 12/4401, S. 51). Hierbei sei jedoch zu beachten, dass der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt worden sei, sondern vielmehr auch der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben dienen solle (BT-Drs. 12/4401, S. 1 ff). So habe der Solidaritätszuschlag zudem die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Blick (BT-Drs. 12/4401, S. 1).
Somit solle und dürfe zwar nicht jederlei Aufgabe durch den Solidaritätszuschlag finanziert werden, es müsse jedoch nicht eine präzise Auflistung der mit dem Solidaritätszuschlag verfolgten Ziele vorgelegt werden, um diesen weiter zu begründen. Ein Mehrbedarf des Bundes zur Abdeckung der entstandenen Ausgaben sei noch immer gegeben. Infolge des Auslaufens des Solidarpakts II werde ab dem Jahr 2020 das bundesstaatliche Finanzausgleichssystem neu geregelt. Ziel sei es u.a. sicherzustellen, dass die unterschiedlichen Finanzkraftverhältnisse in den Ländern einander angenähert werden. Dabei solle die Eigenstaatlichkeit der Länder einerseits und ihre Einbindung in die bundesstaatliche Solidargemeinschaft andererseits berücksichtigt werden. Von dem bundesstaatlichen Finanzausgleichssystem profitierten alle Länder.
Der Umstand, dass der Solidaritätszuschlag 1995 in seiner jetzigen Form auch noch nach einem Zeitraum von 25 Jahren und nach dem Auslaufen des Solidarpakts II erhoben werde und werden solle, ziehe keine Grundrechtsverletzung nach sich. Einerseits sei - wie oben mehrfach ausgeführt - die Vereinbarkeit der zeitlichen „Unbegrenztheit“ des Solidaritätszuschlags 1995 mit dem Grundgesetz höchstrichterlich mehrfach bejaht worden. Andererseits könnten Steuerpflichtige nicht allein durch den Umstand, dass der Solidarpakt II auslaufe, darauf vertrauen, dass der Solidaritätszuschlag 1995 als belastende steuerliche Regelungen ebenfalls aufgehoben werde. Daher könnten sie keine verfassungsrechtlich schutzwürdige Vertrauensposition erlangt haben, die nun enttäuscht bzw. verletzt werde (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 52/10).
Die Erhebung des Solidaritätszuschlags stelle auch keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Die Steuerbelastung falle zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum sei jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichten (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 52/10).
Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verstoße ab dem Veranlagungszeitraum 2020 auch nicht gegen allgemeine Grundsätze der Verhältnismäßigkeit. Eine Steuer sei mit dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn die Beeinträchtigung durch die Steuerlast geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sei (BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, seien, gemessen an diesem Zweck, grundsätzlich immer geeignet und erforderlich (BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag sei, gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs sowie zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen, geeignet und erforderlich, (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 52/10).
Diesem Grundsatz könne der Kläger nicht entgegenhalten, dass die dem Solidaritätszuschlag zugrundeliegenden Finanzierungsziele - in der Form des Solidarpakts II - ausgelaufen seien, da nicht die Erfüllung bestimmter Aufgaben, sondern das allgemeine Ziel von Belang sei.
Zusammenfassend sei somit festzuhalten, dass die Kläger bei anhaltender Rechtslage nicht in ihren Rechten verletzt seien.
Das Finanzamt hat am 08.11.2019 einen weiteren Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag erlassen, in dem die Vorauszahlungen über den Solidaritätszuschlag ab 2020 und weitere Jahre auf 340 € zahlbar jeweils am 10.03., 10.06., 10.09. und 10.12. des Jahres festgesetzt wurden. In den Erläuterungen des Bescheides ist dazu ausgeführt, dass die Festsetzung/Anpassung der Vorauszahlungen aufgrund der Angaben „des steuerlichen Vertreters“ im Schreiben vom 19.10.2019 erfolgt sei.
Ergänzend hat das Finanzamt dem Gericht Probeberechnungen mit Datum 30.07.2020 zur Belastung der Kläger mit Vorauszahlungen ab 2021 nach neuer Rechtslage zur Verfügung gestellt, auf die im Einzelnen verwiesen wird.
Aus dem von den Klägern vorgelegten Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.08.2013 (7 K 143/08) ist ersichtlich, dass das Finanzgericht neben den bereits vom Klägervertreter vorgetragenen Verfassungsverstößen auch die Regelung der Bemessungsgrundlage gemäß § 3 Abs. 3 SolZG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig ansieht. Die von den Klägern vorgelegten Gutachten gehen hinsichtlich der (damals geplanten) Gesetzänderung ab 2021 zum Abschmelzungsmodell nicht davon aus, dass (zwingend) ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die vom Finanzamt vorgelegten Akten (Einkommensteuerakte, Rechtsbehelfsakte) und die Sitzungsniederschrift vom 29.07.2020 verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2021 den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen des Solidaritätszuschlaggesetzes anzupassen waren (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)). Im Übrigen verletzt der geänderte Bescheid für die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag vom 08.11.2019 die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Der geänderte Bescheid über die Festsetzungen von Vorauszahlungen für den Solidaritätszuschlag ab 01.01.2020 vom 08.11.2019 ist nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.
a) Nach § 68 FGO wird ein neuer Verwaltungsakt, der den angefochtenen Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ändert oder ersetzt, „automatisch“ Gegenstand des Klageverfahrens. § 68 FGO dient der Verfahrensbeschleunigung und führt in seinem Anwendungsbereich dazu, dass der neue Verwaltungsakt ohne neues Vorverfahren und Prozesserklärung des Klägers zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits wird. Der neue VA soll dem Kläger, dessen Begehren noch nicht in vollem Umfang abgeholfen wurde, keinen zusätzlichen Aufwand bereiten (vgl. Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 68 Rn. 2). Originärer Anwendungsbereich sind dabei Anfechtungsklagen, aber auch bei Verpflichtungsklagen ist § 68 uneingeschränkt anwendbar, z.B. wenn nach der Ablehnung einer Bescheidänderung ein Änderungsbescheid ergeht, der der Klage nicht abhilft (vgl. Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 68 Rn. 10, 15 mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung).
b) Im Streitfall handelt es sich um eine „Abänderungsklage“ als Unterfall der Anfechtungsklage.
In Fällen, in den der Steuerpflichtige die Änderung eines Geldbescheides nach den Korrekturvorschriften (z.B. auch § 164 Abs. 2 Abgabenordnung, AO) begehrt und die Finanzbehörde diesen Antrag ablehnt, richtet sich die Qualifizierung der Klage nach h. M., der sich der Senat anschließt, danach, ob die Ablehnung aus formellen (verfahrensrechtlichen) Gründen oder aufgrund einer Sachprüfung ergeht (vgl. Gräber /Teller, FGO 9. Aufl. 2019, § 40 Rn. 15 ff. m. w. N.). Erfolgt die Ablehnung der Änderung aus formellen Gründen, z.B. weil die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift nicht erfüllt sind, wird Rechtsschutz durch die Verpflichtungsklage gewährt. Beruht die Ablehnung auf materiellen Gründen auf Grundlage einer Sachprüfung, ist die Anfechtungsklage gegeben.
c) Nach § 1 Abs. 2 SolZG sind auf die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags die Vorschriften des EStG bzw. KStG entsprechend anzuwenden (ebenso § 51a Abs. 1 EStG zur Festsetzung und Erhebung von Zuschlagssteuern). Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 SolZG sind die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag gleichzeitig mit den festgesetzten Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zu entrichten. Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag sind ebenso wie die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer Steuern im Sinne des § 3 Abs. 1 AO (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 39. Auflage 2020, § 37 Abs. 3 Rn. 12; Tipke/Kruse, AO/FGO, Drüen zu § 3 AO Tz. 64). Der Vorauszahlungsbescheid ist ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO), der solange wirksam bleibt, bis er aufgehoben wird oder durch den Jahressteuerbescheid ersetzt wird (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 39. Auflage 2020, § 37 Abs. 3 Rn. 12 f.).
Im Streitfall stand der formell bestandskräftige Bescheid über die Festsetzung von Vorauszahlungen vom 18.02.2019 entsprechend unter Vorbehalt der Nachprüfung und die Kläger haben mit Schreiben vom 09.05.2019 eine Änderung bzw. Herabsetzung auf „0“ nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO beantragt (vgl. auch Schmidt/Loschelder, EStG 39. Auflage 2020, § 37 Abs. 3 Rn. 17). Diesen Antrag hat das Finanzamt mit Bescheid vom 28.05.2019 abgelehnt, weil es die Auffassung vertritt, dass die Festsetzung der Vorauszahlungen im Bescheid vom 18.02.2019 nach Maßgabe des SolZG dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig erfolgte. Die Ablehnung des Antrags erfolgt demnach aufgrund einer materiellen Prüfung; somit liegt eine Anfechtungsklage (Unterfallart Abänderungsklage) vor. Da dieser Bescheid durch den nachfolgend ergangenen Bescheid über die Festsetzungen von Vorauszahlungen auch für den Solidaritätszuschlag vom 08.11.2019 geändert bzw. ersetzt wurde, ist der Tatbestand des § 68 FGO erfüllt.
Im Streitfall handelt es sich beim Ablehnungsbescheid vom 28.05.2019 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26.07.2019 um denselben Streitgegenstand wie beim Vorauszahlungsbescheid vom 08.11.2019 (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 68 FGO Tz. 10a).
2. Das Verfahren war nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG nach §§ 74, 113 FGO auszusetzen.
Nach § 1 Abs. 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag erhoben. Im Streitfall waren nach §§ 1 Abs. 4, 1 Abs. 2 SolZG i.V.m. § 37 Abs. 1 EStG Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag nach geltender Rechtslage grundsätzlich festzusetzen (bzw. sind zu entrichten, § 1 Abs. 4 Satz 2 SolZG). Die Höhe richtet sich nach § 3 SolZG. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Streitig ist letztlich nur die Anwendung der Normen des Solidaritätszuschlaggesetzes für die Veranlagungszeiträume ab 2020.
Der Senat hat keine Kompetenz, Gesetze zu verwerfen. Er ist grundsätzlich verpflichtet, geltendes Recht (hier § 1 Abs. 1 und 4, § 3 SolZG) anzuwenden (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine Norm beansprucht, selbst wenn ihre Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen wird, Gültigkeit, solange das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 06.04.1988 1 BvR 146/88, juris; Beschluss des BFH vom 15.06.2016 II B 91/15, BStBl II 2016, 846).
Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht allerdings das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) genügt ein Vorlagebeschluss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen. Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Beschluss vom 15.02.2016 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557).
Vor diesem Hintergrund wäre die Klage nur dann nicht (teilweise) abzuweisen gewesen, wenn der erkennende Senat eine der dargelegten (restriktiven) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der § 1 Abs. 1, 4, § 3 SolZG entwickeln und darlegen könnte. Ein schlichtes Für-verfassungswidrig-halten unterhalb der strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wäre ebenso unzureichend wie bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. In diesen Fällen hat das Gericht das Gesetz anzuwenden, ohne dass es hierfür erforderlich ist, dass es den Vorschriften über die Vorlage eines Gesetzes an das Bundesverfassungsgericht entsprechend positiv von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überzeugt ist.
Die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Soldaritätszuschlaggesetzes für Veranlagungszeiträume ab 2020 hat der Senat im Streitfall nicht gewinnen können.
3. Der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG findet nach Auffassung des Senats nach derzeitigem Stand auch für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage. Es handelt sich um eine echte Steuer im Sinne des § 3 AO, für die der Bund die Ertragshoheit und alleinige Gesetzgebungskompetenz hat (Art. 105 Abs. 2 GG).
a) Zutreffend weist die Klägerseite zwar darauf hin, dass der Gesetzgeber kein über den Katalog der Steuertypen hinausgehendes „Steuererfindungsrecht“ hat (Beschluss des BVerfG vom 13.04.2017 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171). Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen, ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; Merkmale, die sich als bloße Einzelfallerscheinungen darstellen, sind bei der Typusbildung auszuscheiden. Es ist zudem nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnenden Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Maßgeblich ist das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild. Bei den Einzelsteuerbegriffen der Art. 105 und Art. 106 GG kommt es für die Typusbildung auf die Sicht des traditionellen deutschen Steuerrechts an. Es sind diejenigen Merkmale zu ermitteln, die eine Steuer oder Steuerart nach dem herkömmlichen Verständnis typischerweise aufweist und - mit Blick auf die abgrenzende Funktion der Einzelsteuerbegriffe - zu ihrer Unterscheidung von anderen Steuern oder Steuerarten notwendig sind.
Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 20 GG vorgegebenen, weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu „erfinden“ (Beschluss des BVerfG vom 13.04.2017 2 BvL 6/13; a.a.O.).
b) Im Grundgesetz selbst ist der Begriff der „Ergänzungsabgabe“ nicht definiert. Eingefügt wurde der Begriff mit dem Finanzverfassungsgesetz 1955 (vom 23.12.1955, BGBl I 1955, 817). Zur Begründung der Ergänzungsabgabe wird lediglich ausgeführt (BT-Drs. 480/II, S. 72):
„Die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ist dazu bestimmt, anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes in begrenztem Rahmen eine elastische, der jeweiligen Konjunkturlage und dem jeweiligen Haushaltsbedarf an-gepasste Finanzpolitik zu ermöglichen und das Steuerverteilungssystem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern dadurch zu festigen, dass die Notwendigkeit einer Revision der Steuerbeteiligungsquoten (vgl. Nr. 115) auf solche Mehrbelastungen des Bundes beschränkt wird, die nicht aus dieser beweglichen Steuerreserve gedeckt werden können (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer - BT-Drucksache Nr. 484 -). Aus dieser Funktion der Ergänzungsabgabe ergibt sich die Notwendigkeit, das Aufkommen ausschließlich dem Bund zuzuweisen“.
Der Verweis auf die BT-Drucksache Nr. 484 führt zur zunächst parallel geplanten einfach-gesetzlichen Einführung einer konkreten Ergänzungsabgabe, die jedoch nicht umgesetzt wurde. Konsens konnte insoweit nur hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Zuschlagsrechts des Bundes zur Einkommen- und Körperschaftssteuer erzielt werden (vgl. BT-Drs. II/484, 1). Soweit die Klägerseite zur Bestimmung des Begriffsinhalts „Ergänzungsabgabe“ die weitere Begründung zur einfach-gesetzlichen Ergänzungsabgabe heranziehen will, ist dies aus Sicht des Senats nicht sachgerecht, da diese eben nicht eingeführt wurde. Die Erwägungen im Verfahren zur Ergänzungsabgabe stellen sich so gerade nicht als „Parlamentswille“ dar, der einem Gesetzesbeschluss zugrunde gelegt wurde. Es ist daher nach Auffassung des Senats methodisch unzulässig, ein beschlossenes verfassungsänderndes Gesetz mit den Materialien zu einem nicht beschlossenen einfachen Steuergesetz auszulegen (so auch Tappe, Schriftliche Stellungnahme zu PA 7 - 19/1179, 19/1083 - Öffentliches Fachgespräch am 27.06.2018 zu den Anträgen BT-Drs. 19/1038 und 19/1179 (Solidaritätszuschlag)). Der Begriff „Ausnahmelage“ z.B. entstammt jedoch der Begründung zum nicht in Kraft getretenen Gesetz zur Ergänzungsabgabe und ist daher nicht geeignet, den Begriff der „Ergänzungsabgabe“ inhaltlich oder bezogen auf eine Laufzeit näher zu bestimmen.
In der Begründung zum Finanzreformgesetz 1968/69 (BT-Drs. V/2861 Tz. 63) heißt es zur Ergänzungsabgabe:
„Das Finanzverfassungsgesetz hat ferner den Katalog der Bundessteuern in Art. 106 Abs. 1 GG um die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erweitert. Sie sollte die finanzpolitische Wertung haben, daß der Bund künftig - und zwar ohne daß er dazu der Zustimmung des Bundesrates bedarf - bei Zunahme seines Steuerbedarfs unter volks- und finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten zwischen einer Erhöhung der ihm zustehenden Verbrauchssteuern und der Erhebung einer Personalsteuer wählen konnte“
Insbesondere eine zeitliche Begrenzung lässt sich dieser Begründung ebenfalls nicht entnehmen.
c) Erstmals erfolgte die Einführung einer Ergänzungsabgabe durch das mit Zustimmung des Bundesrates beschlossene Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil - Zweites Steueränderungsgesetz 1967 - vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I 1967, 1254). Dieses Gesetz enthielt in Art. 1 das „Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz)“. Danach wurde zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer eine Ergänzungsabgabe von 3 vom Hundert dieser Steuern erhoben, bei der Einkommensteuer allerdings nur nach Überschreiten einer Freigrenze. Eine Befristung der Ergänzungsabgabe war im Gesetz nicht vorgesehen. Die Ergänzungsabgabe entfiel mit Ablauf des Jahres 1974 bei der Einkommensteuer, bzw. mit Ablauf des Jahres 1976 bei der Körperschaftsteuer.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass diese Ergänzungsabgabe verfassungsgemäß war (Beschluss vom 09.02.1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333) und im Zuge der ergangenen Entscheidung einige Grundsätze zur Verfassungsmäßigkeit einer Ergänzungsabgabe herausgearbeitet.
So sei der Gesetzgeber nicht berechtigt, unter der Bezeichnung „Ergänzungsabgabe“ eine Steuer einzuführen, die den Vorstellungen widersprechen, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Ausgabe verbunden habe. So sei eine Finanzordnung gefordert, die sicherstelle, dass der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der nationalen Leistungen sachgerecht beteiligt seien; Bund und Länder müssten im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben (vgl. Art. 104 a Abs. 1 GG) leisten könnten. Das finanzielle Ausgleichungssystem dürfe nicht zu Lasten der Länder geändert werden. So dürfe der Bund z.B. keine Ergänzungsabgabe einführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, insbesondere wegen ihrer Höhe, die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer oder die den Ländern zustehende Vermögensteuer aushöhlen würde (Beschluss des BVerfG vom 09.02.1072 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, Rn. 19).
Die Abgabe stelle eine Ergänzung der Einkommen- und Körperschaftsteuer dar; sie ähnele in der Struktur diesen Steuern und baue auf ihrer Systematik auf. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet seien, sei auch die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten.
Für nicht geboten hingegen hält das Bundesverfassungsgericht, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zeitlich zur befristen. So spreche gegen eine Befristung insbesondere die Funktion, die die Ergänzungsabgabe im gesamten Steuersystem habe. Bei der Schaffung der Vorgängervorschrift Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. sei man davon ausgegangen, dass ein zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes gedeckt, eine Erhöhung der Verbrauchsteuern aber vermieden werden solle. Da die Einführung oder Erhöhung indirekter Steuern erfahrungsgemäß für längere Dauer erfolge, weise dies darauf hin, dass auch eine Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden dürfe. Das Bundesverfassungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne. Wenn dieser Mehrbedarf auf dem naheliegenden Weg der Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer gedeckt würde, könne - wegen der Beteiligung der Länder - eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung eintreten, die vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich wäre, die Steuerpflichtigen unnötig belaste und auch konjunkturpolitisch in diesem Umfang unerwünscht sein könnte. Es führt hierzu weiter aus:
„Eine auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle abgestellte Befristung oder gar eine Befristung von zwei Jahren, wie sie dem Finanzgericht vorschwebt, wäre auch mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar. Sie entspräche einem statischen Haushaltsdenken, das von der Vorstellung eines im wesentlichen gleichbleibenden Blocks feststehender Ausgaben ausgeht, über welchen hinaus lediglich von Zeit zu Zeit gewisse „Bedarfsspitzen“ auftreten könnten. Mit dem raschen Wachstum der kollektiv zu befriedigenden Bedürfnisse und den sich daraus ergebenden Ansprüchen an die öffentlichen Haushalte stände eine solche Haushaltspolitik nicht in Einklang. Die Finanzplanung muß vielmehr den Zielen der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik fortlaufend angepaßt werden. Wie die Ausgaben, so werden auch die Einnahmen des Staates durch langfristige Zielvorstellungen bestimmt. Umfangreiche Projekte und Reformvorhaben wie z.B. der Aufbau der Bundeswehr und z. Zt. der Ausbau des Bildungswesens erstrecken sich über viele Jahre. Auch ihre Finanzierung muß daher für mehrere Haushaltsperioden geplant werden, wie es neuerdings in den für fünf Jahre aufgestellten und laufend fortgeschriebenen Finanzplänen geschieht.“ (Beschluss des BVerfG vom 09.02.1072 1 BvL 16/69, a.a.O. Rn. 32).
Nach Auffassung des Senats wird an diesen Ausführungen deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in Bezug auf eine Ergänzungsabgabe, insbesondere was die Laufzeit angeht, einen sehr weiten Gestaltungsspielraum einräumt.
Dieser erhebliche Gestaltungspielraum wird durch die nachfolgenden Ausführungen nochmals deutlich, in denen sich das Gericht auch für die Einbeziehung einer sich verändernden Bedarfslage ausspricht:
„Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so daß die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben, insbesondere welche Reformmaßnahmen in Angriff genommen werden, und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzieht. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe sich ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa, weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen.“ (Beschluss des BVerfG vom 09.02.1972 1 BvL 16/69, a.a.O., Rn. 32).
Entsprechend dieser Ausführungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.02.1972 bezogen auf die seit 1967 aufgestellten und fortgeschriebenen Finanzpläne des Bundes eine solche Situation nicht für gegeben erachtet.
Zuzugeben ist der Klägerseite und der dort vertretenen Auffassung, dass sich das Bundesverfassungsgericht bislang nicht damit auseinanderzusetzen hatte, ob, wann bzw. aus welchen Gründen sich ein verfassungsmäßiger Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergibt. So wurde z.B. die Verfassungsbeschwerde zur Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1991 nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des BVerfG vom 19.11.1999 2 BVR 1167/96, HFR 2000, 2, 134). Dies gilt ebenfalls für Verfassungsbeschwerden zum SolZG 1995 (Beschlüsse des BVerfG vom 11.02.2008 2 BvR 1708/06, DStZ 2008, 229; vom 19.10.2011 2 BvR 2121/11, juris; vom 10.06.2013 2 BvR 1942/11, juris); auch die Richtervorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.11.2009 7 K 143/08 hielt das Bundesverfassungsgericht für unzulässig (Beschluss vom 08.09.2010 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Hervorzuheben ist hierbei aus Sicht des Senats, dass die Vorlage insbesondere daran scheiterte, dass das Finanzgericht bei seiner Rechtsansicht, eine Finanzlücke dürfe allein durch auf Dauer angelegte Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe geschlossen werden, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (im Beschluss vom 09.02.1972) zu den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz unberücksichtigt gelassen habe. Dort sei auch bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf allein des Bundes ergeben könne, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder aus nicht erforderlich sei. Der Senat versteht dies so, dass das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf den Finanzbedarf im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung hinsichtlich der Dauer der Erhebung einer Ergänzungsabgabe eher einen weiten gesetzlichen Spielraum sieht. Dies insbesondere in Hinblick auf die Alternative der Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
d) In Übereinstimmung mit den Klägern und wohl auch dem Bundesfinanzhof (Urteile vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685 - Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2005; II R 52/10, BStBl II 2012, 43 - Solidaritätszuschlag zur Körperschaftssteuer 2007 sowie vom 14.11.2018 II R 63/15, BFH/NV 2020, 259 und II R 64/15, BStBl II 2019, 289 - jeweils Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer 2011) hält der Senat die Erhebung und Ausgestaltung des Solidaritätszuschlags jedenfalls bis 2019 nicht verfassungswidrig.
Unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 09.02.1972 (1 BvL 16/69, a.a.O.) hält der Senat jedoch auch die Erhebung noch im Jahr 2020 und nach dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags für Zeiträume ab 2021 nach derzeitigem Stand nicht für verfassungswidrig.
(1) So teilt der Senat ausdrücklich nicht die These, dass „automatisch“ mit Auslaufen des Solidarpakts II (und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs) auch der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung verliert. Hier mag zwar eine gewisse politische Verbindung bestehen, eine rechtliche Verbindung dahingehend, dass alleine der Solidarpakt II einen Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten der Wiedervereinigung zu begründen vermag, sieht der Senat nicht.
Die begriffliche Nähe (Solidarpakt/Solidaritätszuschlag) ist in den Augen des Senats kein taugliches Indiz, da die Ergänzungsabgabe, die mit Wirkung vom 01.07.1991 bis 30.06.1992 als „Solidaritätszuschlag“ eingeführt wurde, im Wesentlichen anhand des Mehrbedarfs durch die „jüngsten Veränderungen in der Weltlage“ (gemeint der Golfkrieg, Entwicklungen in Süd- und Osteuropa und in den neuen Bundesländern; vgl. Entwurf BT-Drs. 12/20) begründet wurde. Erst das zweite SolZG 1995 begründete die Einführung wie folgt (BT12/4401, S. 51):
„Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlägt deshalb mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen (z.B. sog. Kaskadeneffekt bei mehrstufigem Unternehmensaufbau) werden vermieden.“
Die Einführung des Solidaritätszuschlags war dabei im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG; Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte) nur ein Teil des Maßnahmenbündels. Den Solidarpakt II, der erst in 2001 auf den Weg gebracht und ab 2005 den Solidarpakt I ablöste und somit erst Jahre nach Einführung des Solidaritätszuschlags 1995 zum Maßstab für die Laufzeit des Solidaritätszuschlags zu machen, liegt daher in den Augen des Senats eher fern (so auch Tappe, Schriftliche Stellungnahme zu PA 7 - 19/1179, 19/1083 - Öffentliches Fachgespräch am 27.06.2018 zu den Anträgen BT-Drs. 19/1038 und 19/1179 (Solidaritätszuschlag)).
In diesem Punkt sind sowohl das vom Kläger vorgelegte Rechtswissenschaftliche Gutachten von Papier zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020 vom März 2019 als auch die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags vom August 2019 (WD 4 - 300 -099/19) in ihren Ausführungen eher „dünn“. Papier führt unter Hinweis auf Hanno Kube (Verfassungsrechtliche Problematik der fortgesetzten Erhebung des Solidaritätszuschlags, DStR 2017, 1792) aus:
„Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 inhaltlich noch nicht befasst hat, so kann doch unzweifelhaft davon ausgegangen werden, dass die Einführung und Erhebung des Solidaritätszuschlags im Nachgang zur deutschen Wiedervereinigung ihre Rechtfertigung in einem wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes fand. In diesem Zusammenhang wird zu Recht auf den Solidarpakt I, in dessen Rahmen zwischen den Jahren 1995 bis 2004 etwa 95 Milliarden Euro in den „Aufbau Ost“ flossen, sowie auf den Solidarpakt II von 2005 bis Ende 2019 verwiesen, der ein Volumen von weiteren rund 150 Milliarden Euro umfasst. Da aber der Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft, kann die finanzpolitische und finanzverfassungsrechtliche Sonderlage einer besonderen Aufbauhilfe zugunsten der Neuen Länder als beendet erachtet werden. Insofern tritt mit dem Ende des Solidarpaktes II eine „finanzverfassungsrechtliche Normallage“ ein, die es fraglich erscheinen lässt, allein unter Hinweis auf den ursprünglichen Erhebungszweck oder unter Hinweis auf einen neuen beziehungsweise mehrere neue Erhebungszwecke nach wie vor einen wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes zu konstatieren.“
Kube kommt aber in seiner Analyse eben gerade nicht zu dem Ergebnis, dass der Solidaritätszuschlag „schlagartig“ abgeschafft werden müsse, sondern hält eine Abschmelzung des Solidaritätszuschlags (ab 2020) im Grundsatz für verfassungsrechtlich tragbar.
Im Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes wird zunächst unter Würdigung der Literaturmeinungen festgestellt:
„Eine Verbindung des ursprünglichen Erhebungszwecks des Solidaritätszuschlags und dem Solidarpakt I bzw. II lässt sich damit nicht abstreiten. Fraglich ist allein deren rechtliche Auswirkung. Eine rechtstechnische Verknüpfung, die das Schicksal des Solidaritätszuschlags an das Auslaufen des Solidarpaktes knüpft, gibt es sicherlich nicht. Da es aber laut Verfassungsgesetzgeber „anderweitig nicht auszugleichende[r] Bedarfsspitzen“ für die Einführung einer Ergänzungsabgabe bedarf und die Wiedervereinigung als Hauptzweck dem Solidaritätszuschlag noch immer zugrunde liegt, kann das Auslaufen des Solidarpakts II auch nicht als rechtlich unbedeutend für den Solidaritätszuschlag erachtet werden. Die Frage ist, ob der Wegfall zur Verfassungswidrigkeit führt.“
Eine rechtliche Verbindung wird dann in Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des Bundfinanzhofs vom 21.11.2011 (II R 50/09, a.a.O.; inzwischen erneut bestätigt durch Urteile des BFH vom 14.11.2018 II R 63/15, a.a.O. und II R 64/15, a. a. O - jeweils zum Veranlagungszeitraum 2011) gesehen, in dem es heißt:
„Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht - gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck - nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die „neuen“ Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.“
(Urteil vom 21.11.2011 II R 50/09, a.a.O.)
Weder die Ausführungen von Papier noch die Schlussfolgerung des Wissenschaftlichen Dienstes aus dem BFH-Urteil vermögen den Senat (ausreichend) davon zu überzeugen, dass mit Auslaufen des Solidarpakts II per se die Rechtfertigung für die Erhebung des Solidaritätszuschlags entfallen ist und damit ein verfassungswidriger Zustand ab 2020 eingetreten ist. Der Solidarpakt II war - insoweit kann der Argumentation aus Sicht des Senats gefolgt werden - sicherlich geeignet, einen längerfristigen Mehrbedarf des Bundes zu begründen (nach BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 50/09, a.a.O.; erforderlich für die Ergänzungsabgabe). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Mehrbedarf des Bundes auch nach Neuregelung des Länderfinanzausgleichs nicht ausreichend begründet wurde und begründbar ist. Nach Auffassung des Senats lässt sich dies auch nicht den Urteilen des BFH vom 21.11.2011 (II R 50/09, a.a.O. und II R 52/10, a.a.O.) entnehmen. Dort legt der BFH nur deutlich nahe, dass mit sinkendem Finanzbedarf in Verbindung mit der bereits in der Gesetzesbegründung enthaltenden Ankündigung, den Solidaritätszuschlag „mittelfristig“ zu überprüfen, mit Auslaufen des Solidarpakts eine solche Überprüfung hinsichtlich des Finanzbedarfs des Bundes vorzunehmen ist. Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof in den genannten Entscheidungen auch - aus Sicht des Senats zutreffend - darauf hingewiesen, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe auch dann zulässig ist, wenn der Finanzbedarf für bestimmte Aufgaben nicht ausschließlich beim Bund, sondern zusätzlich bei den Ländern entsteht.
(2) Die erforderliche Prüfung hat der Gesetzgeber Ende des Jahres 2019 vorgenommen und zur Begründung der fortgesetzten Erhebung des Solidaritätszuschlags aber auch zu aus seiner Sicht gebotenen Abschmelzung ausgeführt (BT-Drs. 19/14103):
„…Als Ergänzungsabgabe hat der Solidaritätszuschlag den Zweck, einen aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren. Er kann solange fortgeführt werden, wie ein solcher Mehrbedarf besteht. Der Bund hat weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer (bisheriger Korb II des Solidarpakts II).
Die Mittel, die bisher zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendet worden sind, übersteigen das durch den Solidaritätszuschlag erzielte Aufkommen. Das Aufkommen des Solidaritätszuschlags 1995 bis 2016 betrug etwa 275 Mrd. Euro. Hingegen beliefen sich allein die Ausgaben des Bundes aus dem Solidarpakt I und II bis 2016, dem Bundesanteil für den „Fonds Deutsche Einheit“ und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt auf insgesamt 383 Mrd. Euro. Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird.
Trotz dieser fortbestehenden Lasten wird der Zuschlag und die mit ihm verbundene zusätzliche Belastung der Steuerpflichtigen nunmehr in einem ersten Schritt zu Gunsten niedrigerer und mittlerer Einkommen zurückgeführt. Durch den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags durch eine erhebliche Anhebung der Freigrenze beim Solidaritätszuschlag in einem ersten Entlastungsschritt wird der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen.“
„Hierbei sind sozialstaatliche Erwägungen maßgebend, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen, als niedrigere Einkommen. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertigt es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen (BVerfGE 32, 333 [339]).
Eine „Milderungszone“ im Anschluss an die Freigrenze vermeidet einen Belastungssprung und stellt einen kontinuierlichen Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sicher.
Im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags wird ab 2021 der Zuschlag in einem ersten Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen zurückgeführt.
Dies stellt zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen haben eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d.h. sie sind typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben.
Demgegenüber erhöhen Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.“
Nach Auffassung des Senats ist diese Begründung des Gesetzgebers - insbesondere, weil es sich hier nur um eine Prognose handeln kann - unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausreichend, um die Erhebung des Solidaritätszuschlags über das Jahr 2019 hinaus weiterhin zu rechtfertigen. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (so auch Urteile des BFH vom 21.07.2011 II R 52/10, a.a.O.; II R 50/09, a.a.O.). Der Senat sieht auch keine Veranlassung vor dem Hintergrund politisch motivierter Äußerungen daran zu zweifeln, dass die Begründung des Gesetzgebers die willensbildenden Faktoren wiedergibt. Für die Frage, was den aufgeführten „aufgabenbezogenen Mehrbedarf“ bildet und wann ein solcher anzunehmen ist, bestehen ohnehin weite Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume des Gesetzgebers. Keinesfalls ist es so, dass Steuern und damit auch der Solidaritätszuschlag einem bestimmten Zweck dienen wie andere Abgaben (vgl. Tappe, Schriftliche Stellungnahme zu PA 7 - 19/1179, 19/1083 - Öffentliches Fachgespräch am 27.06.2018 zu den Anträgen BT-Drs. 19/1038 und 19/1179 (Solidaritätszuschlag)). Zu Recht weist der Klägervertreter insoweit auf das Non-Affektationsprinzip hin. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 09.02.1972, BStBl II 1972, 408). Der Gesetzgeber hat mit seiner Begründung deutlich gemacht, dass die Voraussetzung für die Ergänzungsabgabe „Solidaritätszuschlag“ eben nicht „evident“ entfallen sind. Genau dies wäre jedoch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.1972 Voraussetzung für einen verfassungsrechtlichen Zwang zur Aufhebung einer Ergänzungsabgabe. Der Gesetzgeber hat vielmehr festgestellt, dass der Bedarf des Bundes sinkt und weiter prognostiziert, dass dieser weiter sinken wird. Hierauf hat der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise reagiert. Die spätere gänzliche Abschaffung wurde in Aussicht gestellt, so dass deutlich gemacht wird, dass es sich nicht um eine „dauerhafte“ Finanzierungslücke handelt.
Übersehen werden darf dabei auch nicht, dass nach der Begründung ein „überschießender“ Bedarf des Bundes finanziert werden soll. Würde man - so wie die Kläger es für verfassungsrechtlich geboten halten - den Solidaritätszuschlag in den Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuertarif einarbeiten, müsste diese Erhöhung - vergröbert ausgedrückt - doppelt so hoch ausfallen, wie jetzt der Solidaritätszuschlag, da bei Erhöhung der Gemeinschaftssteuern (§ 106 Abs. 3 GG) die Länder proportional ihren Anteil erhalten. Dem gegenüber ist somit die Erhebung des Solidaritätszuschlags das „mildere“ Mittel. Weitere Alternative zur Deckung des Bedarfs des Bundes wäre die Erhöhung von Verbrauchssteuern, die ihm alleine zustehen. Braucht der Bund also Einnahmen und will nicht den Verbrauch belasten, sondern das Einkommen, ist die Ergänzungsabgabe das „richtige“ Mittel (so zutreffend: Tappe, Schriftliche Stellungnahme zu PA 7 - 19/1179, 19/1083 - Öffentliches Fachgespräch am 27.06.2018 zu den Anträgen BT-Drs. 19/1038 und 19/1179 (Solidaritätszuschlag)).
(3) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 09.02.1972 (1 BvL 16/59, a.a.O.) und dem folgend der Bundfinanzhof (Urteile vom 21.07.2011 II R 50/09, a.a.O.; II R 52/10, a.a.O. sowie vom 14.11.2018 II R 63/15, a.a.O. und II R 64/15, a.a.O.) auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der „Umwidmung“ hinweist: „Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre.“
Weder Papier noch die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes haben sich mit dieser Möglichkeit (näher) befasst. In der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes (Stand August 2019) wird unter Hinweis auf Hoch (Verfassungsrechtliche Fragen des Solidaritätszuschlags: Abschaffen, abschmelzen, oder beibehalten? Zugleich eine Analyse des rechtspolitischen Meinungsstandes, DStR 2018, 2410) festgehalten, dass eine solche (andere) Bedarfsspitze in der derzeitigen und konjunkturellen Lage unter Berücksichtigung des hohen Steueraufkommens nicht genannt und nicht ersichtlich sei. Somit vermöge die - technische - Möglichkeit die dort aufgeführten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht auszuräumen.
Für den Senat sieht die Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Vorauszahlungsbescheid zum Solidaritätszuschlag für VZ ab 2020 anders aus. Abgesehen davon, dass der Senat die verfassungsrechtlichen “Bedenken“ nicht teilt, hat die Bundesrepublik und die ganze Welt seit Anfang des Jahres 2020 mit einer Pandemie ungeahnten Ausmaßes zu kämpfen. Die wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Herausforderungen sind nicht absehbar. Die Steuereinnahmen sind gesunken (vgl. www.bundesfinanzministerium.de; Monatsberichte; Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten und Gebietskörperschaften, Berichtszeitraum 1. Halbjahr 2020), neue Ausgaben für Bund (und Länder) sind entstanden (Stichwort „Corona-Schutzschild“, www.bundesfinanzministerium.de). Vor diesem Hintergrund steht nach Auffassung des Senats die verfassungsrechtlich noch mögliche und realistische „Option“ zur Umwidmung einer Ergänzungsabgabe für noch laufende bzw. noch in der Zukunft liegende Veranlagungszeiträume ebenfalls der nötigen Überzeugungsbildung von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags ab 2020 entgegen.
Hierbei ist auch darauf hinzuweisen, dass die von den Klägern angeführten Gutachten die besondere Situation eines Vorauszahlungsbescheides nicht diskutieren.
e) Inzwischen ist das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (Bundesgesetzblatt 2019, Teil I, Nr. 46, 2115) in Kraft. Verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf diese Neuregelung bestehen beim Senat nicht.
(1) Das Gesetz sieht in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 2 SolZG vor, dass der Zuschlag bei einkommensteuerpflichtigen Personen erst ab einer Freigrenze von 16.956 € (bei Einzelveranlagung; vorher 972 €) bzw. 33.912 € (bei Zusammenveranlagung, vorher 1.944 €) erhoben wird. Die „Milderungszone“ (§ 4 Satz 2 SolZG) im Anschluss an die Freigrenze vermeidet einen Belastungssprung, indem beim Überschreiten der Freigrenze die Durchschnittsbelastung durch den Solidaritätszuschlag allmählich an die Normalbelastung (5,5%, § 4 Satz 1 SolZG) herangeführt wird. Die Begrenzung der zusätzlichen Grenzbelastung in der Milderungszone auf 11,9% (vorher 20%) führt zu deren Streckung. Ein kontinuierlicher Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag bleibt sichergestellt. Ausweislich der oben zitierten Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass ca. 90% der Zahler des Solidaritätszuschlags zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer vom Solidaritätszuschlag vollständig entlastet werden. Ein weiterer Teil dieser Zahler - wie die Kläger - wird teilweise entlastet. Körperschaften bleiben von der Entlastung ausgenommen.
(2) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.1972 (1 BvL 16/69, a. a.O.) ist bei Steuern, die, wie die Einkommensteuer, an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und sogar geboten. Deshalb kann der Gesetzgeber auch bei der Ergänzungsabgabe, die im Ergebnis eine Verschärfung der Einkommensteuer darstellt, solchen Erwägungen Rechnung tragen. Genau dies hat der Gesetzgeber ausweislich der bereits zitierten Gesetzesbegründung mit der Abschmelzung beabsichtigt und umgesetzt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Zu diesem Ergebnis kommt im Übrigen auch die von den Klägern vorgelegte Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes: „Aus einer sozial gestaffelten Erhebung einer Ergänzungsabgabe ergibt sich keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betroffene natürliche Personen…“ (Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, Ziffer 4.2.1.)
Der Senat sieht zudem keine Verletzung des Gleichheitssatzes darin, dass die Körperschaften nicht in die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags ab 2021 einbezogen sind. Bezogen auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt keine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung (von wesentlich Gleichem) vor. Körperschaftssteuersubjekte und Einkommensteuersubjekte werden ohnehin nicht gleichbehandelt: die Steuersätze und die Tarifstruktur sind unterschiedlich, sozialstaatliche Erwägungen spielen bei der Körperschaftssteuer keine Rolle (vgl. hierzu ausführlich Tappe, Schriftliche Stellungnahme zu PA 7 - 19/1179, 19/1083 - Öffentliches Fachgespräch am 27.06.2018 zu den Anträgen BT-Drs. 19/1038 und 19/1179 (Solidaritätszuschlag) mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Die Kläger als natürliche Personen wären zudem im Vergleich zu den Subjekten der KSt nicht benachteiligt, sondern begünstigt. Die begünstigte Gruppe kann keinen Verfassungsverstoß rügen.
f) Zusammenfassend konnte der Senat nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags entsprechend dem SolZG 1995 über den Veranlagungszeitraum 2020 und in der formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Fassung des Gesetzes zur Rückführung des SolZG 1995 vom 10.12.2019 nach derzeitigem Stand verfassungswidrig ist.
Es handelt sich beim Solidaritätszuschlag nach wie vor um den Typus Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG; der Gesetzgeber geht prinzipiell von einem vorübergehenden Zweck aus, der jedenfalls in diesen Jahren noch nicht erreicht ist. Insofern liegt kein Formenmissbrauch vor und das grundgesetzliche System von Aufgaben- und Ausgabenverteilung wird nicht unterlaufen. In Anbetracht der Höhe (5,5%; ab 2021 verbunden mit erhöhten Freibeträgen für einkommensteuerpflichtige Subjekte) werden die den Bund und den Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt (vgl. Urteile des BFH vom 21.07.2011 II R 50/09, a.a.O.; II R 52/10, a.a.O.) und die Eigenstaatlichkeit der Bundesländer nicht gefährdet. Der Solidaritätszuschlag als verfassungsmäßig vorgesehene Ergänzungsabgabe verletzt weder in der bis 2020 noch in der ab 2021 gültigen Fassung das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG (vgl. Urteile des BFH vom 21.07.2011 II R 50/09, a.a.O.; II R 52/10, a.a.O.) und verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Urteile des BFH vom 21.07.2011 II R 50/09, a.a.O.; II R 52/10, a.a.O.; Ausführungen in den Urteilsgründen Ziffer 3. e) (1)).
Da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Normen des SolZG überzeugt ist, war keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen, sondern unter Anwendung der einschlägigen Normen über das Klagebegehren zu entscheiden.
4. Nach § 1 Abs. 1 SolZG 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag erhoben. Im Streitfall waren nach §§ 1 Abs. 4, 1 Abs. 2 SolZG i.V.m. § 37 Abs. 1 EStG Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag nach geltender Rechtslage grundsätzlich festzusetzen (bzw. sind zu entrichten, § 1 Abs. 4 Satz 2 SolZG). Die Höhe richtet sich nach § 3 SolZG.
Prüfungsmaßstab ist dabei in der Regel die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO 9. Aufl. 2019, § 100 Rn. 10).
Im Streitfall erfolgte die Festsetzung der Vorauszahlungen mit geändertem Bescheid vom 08.11.2019, d. h. die Festsetzung der Vorauszahlungen auch für weitere Jahre ab 2021 erfolgte anhand der Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats sind im Hinblick auf die Auswirkungen für die Vorauszahlungen 2021 die gesetzlich vorgesehenen Entlastungen der Gesetzesänderung zu beachten und die Vorauszahlungen entsprechend herabzusetzen. Die Anpassung erfolgt anhand der vom Finanzamt diesbezüglich vorgelegten Probeberechnung und im Einvernehmen mit der Finanzbehörde auf 19 € vierteljährlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Über den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären ergeht ein gesonderter Beschluss.
6. Die Revision war nach Auffassung des Senats wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen. Die Frage, ob die fortgesetzte Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020 verfassungsrechtlich zulässig ist, berührt das Interesse einer Vielzahl von Steuerpflichtigen. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt noch nicht vor.