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Steuerrecht
05.05.2017
Steuerrecht
FG Saarbrücken: Anspruch auf Besteuerung durch das örtlich zuständige Finanzamt § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG, § 27 S. 2 AO, § 26 S. 2 AO, § 367 Abs. 1 AO, § 41 Abs. 1 und 2 FGO

FG Saarbrücken, Urteil vom 15.2.2017 – 2 K 1149/14

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-1045-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Ein aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG abgeleiteter öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer besteht nur, wenn der Unternehmer glaubhaft machen kann, dass er ernsthaft beabsichtigt, zukünftig Umsätze i. S. des UStG auszuführen. Die drohende Verurteilung in einem schwebenden Prozess, eine berichtigte Rechnung akzeptieren zu müssen und ein sich daraus ergebender Vorsteuererstattungsanspruch begründen keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer.

Aus § 27 Satz 2 AO folgt ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Tätigwerden des örtlich zuständigen FA für alle künftig zu erlassenden Verwaltungsakte. Wird von Anfang an ein örtlich unzuständiges FA tätig, scheidet eine Anwendung von § 26 Satz 2 AO aus.

Für die Geltendmachung des Anspruchs auf Besteuerung durch das örtlich zuständige FA für alle künftig zu erlassenden Verwaltungsakte ist die allgemeine Feststellungsklage die zulässige Klageart.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft („Société Anonyme“) luxemburgischen Rechts. Sie wurde am 17. September 1999 gegründet. Ihr statuarischer Sitz ist in X (zuvor Y) in Luxemburg. Zweck der Gesellschaft ist der An- und Verkauf sowie die Vermietung von Kränen und Baumaschinen aller Art. Seit Dezember 2008 ist die E Sarl, ebenfalls eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, zu 100 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Am Stammkapital der E Sarl ist wiederum S mit Wohnsitz in B zu 100% beteiligt.

Die Klägerin war in Deutschland steuerlich zunächst nicht erfasst. Die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt A führte eine Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 2006 bis 2010 durch und kam zu dem Ergebnis, dass sich die Geschäftsleitung der Klägerin im Inland (67278 Bockenheim) befunden habe. Am 17. April 2012 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf umsatzsteuerliche Erfassung als ausländische Unternehmerin. Den Antrag lehnte der Beklagte am 13. September 2012 mit dem Hinweis auf die Feststellungen der Steuerfahndung A ab, wonach sich die Geschäftsleitung der Klägerin in B befunden habe. Der Beklagte verwies die Klägerin daher auf eine umsatzsteuerliche Erfassung beim auch für die Ertragssteuern zuständigen Lagefinanzamt, (damals) dem Finanzamt B. Die Klägerin, die im Juni 2012 ihren Sitz von X nach Y verlegt hatte, nunmehr eine Bankverbindung in Luxemburg angab, ihren in Deutschland wohnhaften Geschäftsführer abberufen und die in Luxemburg und Frankreich wohnhafte R zur neuen Geschäftsführerin bestellt hatte, stellte am 4. Dezember 2012 beim Beklagten erneut den Antrag auf Erteilung einer Steuernummer. Diesen wies der Beklagte am 11. Dezember 2012 unter Hinweis auf die zwischenzeitlich beim Finanzamt B erfolgte (umsatzsteuerliche) Erfassung ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 18. Dezember 2012 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. April 2014 als unzulässig.

Das Finanzamt B hatte zwischenzeitlich unter dem 20. März 2013 Bescheide über Umsatzsteuer für 2006 bis 2010 erlassen. Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden ist. Für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 reichte sie weder Steuererklärungen noch Voranmeldungen ein, und es erfolgten auch keine Festsetzungen. Für das Jahr 2013 erfolgte lediglich eine Voranmeldung für Januar mit einem Vorsteuerüberhang von 622.629,50 EUR. Für das Jahr 2014 wurde lediglich für Juni 2014 eine Umsatzsteueranmeldung eingereicht. Jahreserklärungen liegen nicht vor.

Die Klägerin hat am 30. April 2014 Klage erhoben.

Aufgrund eines Organisationsaktes sind die Finanzämter B und C zum 1. Juli 2015 zum Finanzamt C fusioniert. Der Klägerin wurde daraufhin durch das Finanzamt C eine neue Steuernummer erteilt. Nach dem Ergehen von Schätzbescheiden zu den Umsatzsteuervoranmeldungszeiträumen Januar bis Mai 2015 teilte die Klägerin dem Finanzamt C mit, dass sie im Jahr 2015 keine inländischen Umsätze mehr ausgeführt habe. Das Finanzamt C löschte die Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zum 1. Mai 2016.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2014 den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Steuernummer zu erteilen,

hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte die örtlich zuständige Behörde für die Umsatzbesteuerung der Klägerin und verpflichtet ist, den Besteuerungsfall für die Umsatzsteuer nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens vom Finanzamt C zu übernehmen.

Sie ist der Ansicht, für die Klage auf Erteilung einer Steuernummer bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da es ihr nicht darum gehe, eine konkrete Besteuerung durch das Finanzamt C abzuwenden, sondern in Deutschland Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen bzw. Vorsteuererstattungen zu erhalten. Das Rechtschutzbedürfnis sei auch nicht nachträglich entfallen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie keine Umsätze mehr tätige, sei in Luxemburg ein Klageverfahren anhängig, in dem ein Hersteller, die Firma M, die Berichtigung von Rechnungen begehre. Sollte der Hersteller hiermit durchdringen, wäre die Klägerin gezwungen – unter Verwendung der ihr durch den Beklagten vergebenen Steuernummer – Vorsteueranmeldungen in Deutschland vorzunehmen, und die Firma M benötige die Steuernummer des zuständigen Finanzamts zur ordnungsgemäßen buchhalterischen Behandlung der Geschäftsvorfälle. Zudem bestehe die Unternehmereigenschaft so lange, bis die Firma gesellschaftsrechtlich abgewickelt sei.

Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer durch den Beklagten ergebe sich daraus, dass sie, die Klägerin, in Luxemburg und nicht im Inland ansässig sei. Unter der bei den Finanzämtern B bzw. C erfassten Adresse in B unterhalte sie weder einen Sitz, noch einen Zweigniederlassung oder eine sonstige Betriebsstätte. Zudem sei sie weder eine Basis- noch Domizilgesellschaft, denn sie sei wirtschaftlich aktiv und schon aufgrund ihres statuarischen Sitzes ein ausländisches Unternehmen. Die geschäftliche Oberleitung der Klägerin befinde sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in Luxemburg, da dort die Geschäftsunterlagen aufbewahrt, die Bücher geführt, die Jahresabschlüsse erstellt, Vertragswerke und Geschäftsabschlüsse getätigt sowie die laufenden Geschäfte geführt würden. Es könne nicht von einer faktischen Geschäftsführertätigkeit des S ausgegangen werden. Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer habe sowohl im Jahr 2012 bestanden und bestehe auch heute noch.

Der Beklagte, der zunächst beantragt hat, die Klage als unzulässig abzuweisen, beantragt nunmehr,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Er räumt ein, dass der Beklagte gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 15 UStZustV) für die Besteuerung der Klägerin örtlich zuständige Finanzbehörde sei. Dennoch stehe der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung der Steuernummer zu. Da die Finanzämter B bzw. C aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung zum Ort der Geschäftsleitung irrtümlich von einer anderen Rechtslage ausgegangen seien, sei dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Steuernummer für die Vergangenheit bereits Genüge getan. Zwar seien im Fall eines Zuständigkeitswechsels nach § 26 Satz 2 AO auch unerledigte Veranlagungen und gemäß § 367 Abs. 1 Satz 2 AO auch anhängige außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren von dem neu zuständigen Finanzamt zu übernehmen, es bestehe allerdings die Möglichkeit der Fortführung eines Verwaltungsverfahrens nach § 26 Satz 2 AO. Im Falle des Tätigwerdens einer (von Anfang an) unzuständigen Behörde würde sich die Zuständigkeit der bisherigen Behörde für das Einspruchsverfahren jedenfalls aus § 367 Abs. 1 Satz 1 AO ergeben.

Für zukünftige Veranlagungen könne ein aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG abgeleiteter öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer nicht „mehr“ bestehen, da die Klägerin seit 2015 keine Umsätze mehr ausführen würde.

Das Gericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2016 stattgegeben. Der Beklagte hat am 28. Oktober 2016 die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt und am 15. Dezember 2016 auf eine entsprechende Anfrage des Finanzamts C sein Einverständnis bezüglich der Fortführung der Einspruchsverfahren nach § 26 Satz 2 AO erklärt. Am 16. Dezember 2016 erklärte sich zudem das Finanzamt C mit einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 Satz 1 AO dergestalt einverstanden, dass die Zuständigkeit für die Umsatzbesteuerung der Klägerin beim Finanzamt C liegen soll. Der Beklagte forderte die Klägerin nach § 27 Satz 2 AO auf, der Zuständigkeitsvereinbarung bis zum 10. Februar 2017 zuzustimmen. Dem hat die Klägerin widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage auf Erteilung einer Steuernummer ist zulässig, aber unbegründet, die hilfsweise erhobene Feststellungsklage zulässig und begründet.

1.1. Die Klage auf Erteilung einer Steuernummer ist zulässig. Die Klägerin ist insbesondere klagebefugt nach § 40 Abs. 2 FGO. Ungeachtet dessen, dass der Klägerin vom Finanzamt B bzw. C bereits eine Steuernummer erteilt wurde, kann sie durch die ablehnende Entscheidung des Beklagten in ihren Rechten verletzt sein. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin nicht nur ein Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer durch ein beliebiges, sondern durch das für sie zuständige Finanzamt zusteht.

Der Klägerin fehlt nicht das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Klage. Ein solches Rechtsschutzinteresse fehlt nur dann, wenn sich das Klageziel der Klägerin offensichtlich einfacherer erreichen ließe oder mit der Klage rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt würden (Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, Vor § 33 Rn. 19). Die Klägerin hätte ihr Begehren nicht durch Anfechtung der vom Finanzamt B erlassenen Steuerbescheide erreichen können. Mit dem Begehren auf Erteilung einer Steuernummer macht die Klägerin zugleich geltend, dass der Beklagte generell für seinen Besteuerungsfall zuständig ist. Ein solches Begehren geht über die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes hinaus. Es erscheint auch nicht rechtsmissbräuchlich, einen solchen Anspruch zu verfolgen, da der Gesetzgeber ausdrückliche Regelungen über die örtliche Zuständigkeit getroffen hat (§§ 17 ff. AO), deren Beachtung daher grundsätzlich auch einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein müssen.

1.2. Die Klage auf Erteilung einer Steuernummer ist jedoch unbegründet. Ungeachtet dessen, dass der Beklagte eingeräumt hat, dass er örtlich zuständige Behörde für die Umsatzbesteuerung der Klägerin ist, besteht nur insoweit ein öffentlich-rechtlicher Anspruch als ein Unternehmer im Hinblick auf § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG eine Steuernummer zur Ausstellung von Rechnungen benötigt (BFH vom 26. Februar 2008  II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004). Denn aufgrund der Regelung in § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG hat die Ablehnung der Erteilung einer Steuernummer an einen Steuerpflichtigen, der zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtende Umsätze ausführen will, die Wirkung eines Tätigkeitsverbots und greift somit unmittelbar in den Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein.

Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer ist daher davon abhängig, ob die Klägerin die Steuernummer noch zur Ausführung von Umsätzen, für die sie Rechnungen i.S.d. § 14 Abs. 4 UStG ausstellen muss, benötigt. Der Vortrag der Klägerin, dass sie gegebenenfalls beabsichtige, in der Zukunft wieder Umsätze zu tätigen, ist hypothetisch und nach den gegenwärtigen Verhältnissen durch nichts substantiiert. Dass der Anspruch in der Vergangenheit bestanden hat, ändert nichts daran, da die Klägerin insoweit nicht an ihrer Berufsausübung gehindert war, als sie Rechnungen unter der Steuernummer der Finanzämter B und C ausstellen konnte. Etwas anderes ergibt sich weder daraus, dass die Klägerin in Luxemburg einen Prozess führt, noch daraus, dass die Klägerin noch nicht gesellschaftsrechtlich abgewickelt ist.

Nach dem Vorbringen der Klägerin zu dem Prozess in Luxemburg benötigt sie die Rechnungen, um im Falle einer Rechnungsberichtigung Vorsteuer geltend machen zu können. Ungeachtet dessen, dass ein Anspruch auf Vorsteuererstattung nicht davon abhängig ist, ob ein Unternehmer im Inland umsatzsteuerlich registriert ist (vgl. § 59 Satz 1 UStDV), ist nach der vom Finanzamt C erstellten Aufstellung bereits im Januar 2013 eine Vorsteuerberichtigung wegen berichtigter Einkaufsrechnungen der Firma M erfolgt. Zwar schließt dies nicht aus, dass gegebenenfalls erneut eine Rechnungsberichtigung vorzunehmen wäre oder noch andere Rechnungen in Streit sind, jedoch begründet dies keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer, denn auch insoweit handelt es sich um einen hypothetischen Sachverhalt und der Beklagte hat zugesagt, im Falle solcher Rechnungsberichtigungen für künftige Veranlagungszeiträume eine Steuernummer zu erteilen. Soweit die Klägerin geltend macht, sie benötige die Steuernummer, um der Firma M die richtige Steuernummer für deren Buchhaltung mitzuteilen ist nicht nachvollziehbar, inwieweit dies die Klägerin in ihrer Berufsfreiheit betrifft, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Firma M durch die Aufzeichnung der der Klägerin vom Finanzamt C erteilten Steuernummer irgendwelche Nachteile entstehen könnten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist diese auch nicht allein deshalb weiterhin Unternehmerin und hat Anspruch auf eine umsatzsteuerliche Erfassung, weil sie gesellschaftsrechtlich noch nicht abgewickelt ist. Wer Unternehmer ist bestimmt sich nicht nach formalen Kriterien, sondern nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG. Unternehmer ist danach, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, d.h. eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, auch wenn die Absicht Gewinn zu erzielen fehlt. Vorliegend wurde nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass dies Absicht weiterhin besteht.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer ergibt sich nach Ansicht des Senats auch nicht aus §§ 7 und 8 BuchO i.V.m. Art. 3 Abs. 3 GG. Zwar ist nach § 7 Abs. 1 BuchO für jeden Bearbeitungsfall ein Steuerkonto einzurichten und nach § 8 Abs. 1 BuchO erhält auch jeder Fall, für den ein Steuerkonto einzurichten ist, eine Steuernummer. Bei der BuchO handelt es sich jedoch um eine Verwaltungsanweisung zur behördeninternen Organisation, die nach Ansicht des Senats keine Außenwirkung entfaltet. Eine Außenwirkung ergibt sich auch nicht i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Es kann letztlich dahinstehen, ob § 8 Abs. 1 BuchO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG einen solchen Anspruch überhaupt gewährt (vgl. FG Münster vom 27. März 2007 1 K 3554/06 S, juris), denn die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine entsprechende Selbstbindung der Verwaltung ergeben könnte. Solche Tatsachen sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.

2. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

2.1. Die Klage ist statthaft, denn die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte und nicht das Finanzamt C für seinen Besteuerungsfall örtlich zuständig ist und seinen Besteuerungsfall zu übernehmen hat. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsverhältnisses i.S.d. § 41 Abs. 1 AO (vgl. FG Baden-Württemberg vom 29. Mai 1980 II 93/74, EFG 1980, 514; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 FGO, Rn. 4).

Der Klage fehlt nicht das besondere Feststellungsinteresse (§ 41 Abs. 1 FGO). Ungeachtet der Vorschrift des § 127 AO, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit verletzt wurden, folgt aus § 27 Satz 1 AO, dass ein Steuerpflichtiger gegen seinen Willen nicht die Besteuerung durch ein unzuständiges Finanzamt dulden muss. Nach dem Willen des Gesetzgebers wurde das Zustimmungserfordernis in § 27 AO ausdrücklich deshalb aufgenommen, weil die Zuständigkeit des Finanzgerichts an die entscheidende Finanzbehörde anknüpft (§ 63 Abs. 1 FGO) und der Steuerpflichtige damit in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betroffen sein könnte (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 27 AO Rn. 11).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte zwischenzeitlich eingeräumt hat, örtlich zuständige Finanzbehörde zu sein. Denn ungeachtet dessen hat der Beklagte keine Maßnahmen dazu ergriffen, dass eine Aktenabgabe bezüglich der anhängigen Verfahren erfolgt.

Die Klage ist auch nicht subsidiär gegenüber einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (§ 41 Abs. 2 FGO), denn wegen § 127 AO ist die Anfechtung eines Verwaltungsakte (nur) mit der Begründung der Verletzung der Vorschriften über die örtlichen Zuständigkeit nicht Erfolg versprechend und dem Klageziel der Klägerin wäre nicht genüge getan (vgl. Tz. 1.1).

2.2. Die Klage ist auch begründet.

2.2.1. Wie zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig ist, war bzw. ist der Beklagte die örtlich zuständige Finanzbehörde für die Umsatzbesteuerung der Klägerin. Dies folgt bereits aus § 21 Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 15 UStZuStV, denn unstreitig befand sich der statuarische Sitz der Klägerin in Luxemburg.  Hiernach tritt die sog. Zentralzuständigkeit nach der UStZustV bereits dann ein, wenn der Unternehmer „Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung“ außerhalb des Geltungsbereichs der AO hat. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die sog. Zentralzuständigkeit damit bereits dann gegeben, wenn eines der genannten Kriterien außerhalb des Geltungsbereichs der AO liegt (vgl. auch BT-Drucks. 14/7341 zu Nr. 5 zu Art. 8). Es konnte sich auch keine Mehrfachzuständigkeit i.S.d. § 25 AO dadurch ergeben, dass die Klägerin ihr Unternehmen gegebenenfalls nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO im Bezirk einer inländischer Finanzbehörde betrieben hat. Denn eine Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO geht einer solchen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO vor (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 21 AO Rn 12; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 21 AO, Rn. 29; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 21 AO Rn 13; AEAO zu § 21 S. 2). Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin ihr Unternehmen im Geltungsbereich der AO ganz oder vorwiegend betrieben oder ob sich der Ort der Geschäftsleitung oder geschäftlichen Oberleitung im Inland befunden hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 27 Abs. 1 AO, da die Klägerin der zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt C getroffenen Zuständigkeitsvereinbarung widersprochen hat. Diese ist daher unwirksam.

2.2.2. Eine entsprechende Feststellung verstößt nicht gegen § 125 Abs. 3 Nr. 1 oder § 127 AO. Denn aus § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO folgt, dass bereits erlassene Bescheide wegen der örtlichen Unzuständigkeit der Finanzämter B bzw. C nicht nichtig sind. Sie sind auch nicht neu zu erlassen, sofern sie nicht aus sonstigen materiell-rechtlichen Gründen rechtswidrig sind (§ 127 AO). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte einer anderen Landesfinanzverwaltung angehört als die Finanzämter B bzw. C. Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer gibt es keine an den Ländergrenzen endende verbandsmäßige Zuständigkeit (vgl. BFH vom 16. März 2005 VIII B 87/03, BFH/NV 2005, 1579).

2.2.3. Die Zuständigkeit des Beklagten gilt für alle noch anhängigen Besteuerungsverfahren zur Umsatzsteuer, insbesondere für die für 2006 bis 2010 anhängigen Einspruchsverfahren. Der Beklagte tritt - vergleichbar einem Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO - in die laufenden Verfahren bezüglich der Umsatzsteuer, mit Ausnahme bereits anhängiger Gerichtsverfahren (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO und Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015 § 63 Rn. 20), ein. Es kann dabei dahinstehen, ob eine Fortführung der anhängigen (Einspruchs-) Verfahren durch das Finanzamt C nach § 26 Satz 2 AO zweckdienlich ist. § 26 Satz 2 AO kommt hier nicht zur Anwendung, da weder das Finanzamt C noch das zuvor tätige Finanzamt B für die Besteuerung der Klägerin jemals zuständig waren. § 26 Satz 2 AO setzt aber einen Übergang der Zuständigkeit voraus.

Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet aus, denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Sinn und Zweck des § 26 Satz 2 AO ist es zwar, aus Zweckmäßigkeitsgründen bisher begonnene Verfahren zu Ende zu führen, dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn eine Behörde tätig geworden ist, die örtlich unzuständig war. Aus § 27 Satz 1 AO folgt, dass ein Steuerpflichtiger das Tätigwerden einer örtlich unzuständigen Behörde nicht dulden muss, denn eine örtlich unzuständige Finanzbehörde kann nur mit seiner Zustimmung tätig werden. Abweichend hiervon lässt § 26 Satz 2 AO aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten unter Wahrung der Interessen der Beteiligten eine Ausnahme zu. Daraus, dass bei der Fortführung eines Verwaltungsverfahren nach § 26 Satz 2 AO auch die Interessen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sind, folgt bereits, dass es sich um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift handelt. Zudem besteht für die Vorschrift gerade auch deshalb ein Bedürfnis, weil eine Finanzbehörde auf einen Wechsel der die Zuständigkeit begründenden Gegebenheiten keinen Einfluss hat und ein sofortiger Wechsel, wie er in § 26 Satz 1 AO vorgesehen ist, erhebliche Auswirkungen auf die Verfahrensökonomie haben kann. Die Interessenlage ist jedoch eine andere, wenn eine von Anfang an unzuständige Behörde weiterhin tätig werden soll und der Steuerpflichtigen dem von Anfang an widerspricht. Hierdurch würde sich der Verstoß gegen die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit und gegen den in § 27 Satz 1 AO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken gerade perpetuieren.

2.2.4. Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts C auch nicht aus § 367 Abs. 1 AO herleiten. Zwar ist nach den obigen Ausführungen (vgl. Tz. 2.2.3) auch § 367 Abs. 1 Satz 2 AO nicht anwendbar, daraus folgt aber nicht, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 367 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt. Die Regelung des § 367 Abs. 1 Satz 1 AO stellt klar, dass die Ausgangsbehörde entscheidet und der Einspruch keinen Devolutiveffekt hat. Die Regelung betrifft daher die sachliche Zuständigkeit und lässt die Regelungen zur örtliche Zuständigkeit der §§ 17 ff. AO unberührt (vgl. § 365 Abs. 1 AO sowie Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 367 AO Rn. 25).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob ein Anspruch auf Veranlagung durch das zuständige Finanzamt besteht und gerichtlich geltend gemacht werden kann.

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