Hessisches FG: Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag (von ausländischer Bank bescheinigt) auf die Körperschaftsteuer
Hessisches FG, Urteil vom 16.5.2017 – 4 K 2554/13
(Leitsätze der Redaktion)
1. Neben inländischen Kreditinstituten ist auch die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstituts zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen berechtigt, sofern dem ausländischen Kreditinstitut die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften im Inland erteilt und Kapitalertrag für Rechnung des Schuldners der Kapitalerträge von der inländischen Zweigstelle erbracht worden ist.
2. Die Regelung der §§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, 45a Abs. 3 EStG, wonach zur Anrechnung eine von einem inländischen Kreditinstitut oder einem inländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgestellte Steuerbescheinigung vorliegen muss, verstößt nicht gegen die europarechtlich garantierten Grundfreiheiten oder Verfassungsrecht.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Anfechtung eines Abrechnungsbescheids darüber, ob Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer, die für über den Dividendenstichtag erworbene Aktien von einer ausländischen Bank bescheinigt worden sind, auf die Körperschaftsteuer 2008 anzurechnen sind.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in A, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung eigenen Vemögens ist.
Im Jahr 2008 erwarb die Klägerin Aktien folgender an der Börse notierter Unternehmen (Bl. 166, 176): B-AG, C-AG, D-AG, E-AG und F-AG. Die Aktien wurden jeweils, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausführte, unter Einschaltung einer Maklerfirma für die Klägerin im Xetra-Handel cum Dividende erworben und über die G-AG als sog. zentralen Kontrahenten (CCP) gecleart. Die Verkäufer der Aktien waren der Klägerin nicht bekannt. Der Verkauf durch die Klägerin erfolgte ebenfalls wieder über die Börse.
Die Aktien wurden im Rahmen einer Verwahrkette gehalten (Bl. 53, 61). Die Klägerin nahm dafür die H als depotführende Bank in Anspruch. Diese wiederum unterhielt ein Konto bei der J, die als depotführende Bank der H die Verwaltung der Börsengeschäfte übernahm. Die J unterhielt ein Konto bei der K-AG.
Bei der H und der J handelt es sich um ausländische Banken und bei der K-AG um die deutsche xxxbank (Bl. 53, 225). Im Streitjahr unterhielt weder die H noch die J eine deutsche Zweigniederlassung oder eine deutsche Betriebsstätte (Bl. 54).
Die Aktien wurden einen Tag vor dem Tag der Hauptversammlung oder in einem Fall am Tag der Hauptversammlung gekauft (Bl. 176). Die Klägerin erhielt Dividendenzahlungen unter Abzug der von den Emittenten einbehaltenen Kapitalertragsteuer und dem einbehaltenen Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer oder Dividendenersatzzahlungen (Bl. 53). Die Auszahlung der Nettodividende bzw. des Dividendenersatzanspruches erfolgte über K-AG an die J, die diese wiederum an die H weiterleitete, welche abschließend als depotführende Bank der Klägerin an diese auszahlte (Bl. 53).
Die H stellte der Klägerin am xxx 2009 Steuerbescheinigungen aus, in denen die Höhe der Bruttodividenden und die geltend gemachten Anrechnungsbeträge ausgewiesen wurden (Bl. 54, Bl. 79 ff. KSt-Akte). Im Einzelnen handelte es sich um folgende Aktien, Dividenden und Anrechnungsbeträge (Bl. 14, 53):
Aktiengesellschaft |
Bruttodividende |
Zahltag |
Kapitalertragsteuer |
Solidaritätszuschlag |
B- AG |
€ |
06.05. 2008 |
€ |
€ |
C- AG |
€ |
16.05. 2008 |
€ |
€ |
D- AG |
€ |
30.05. 2008 |
€ |
€ |
E- AG |
€ |
16.05. 2008 |
€ |
€ |
F- AG |
€ |
21.01. 2008 |
€ |
€ |
Summe |
€ |
|
€ |
€ |
Im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer wurden die begehrten Anrechnungen der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags zur Kapitalertragsteuer durch den Beklagten nicht gewährt. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Abrechnung zum Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 3. September 2010 legte der Beklagte als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids aus (Bl. 1 Sonderband Abrechnung). Die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer betreffend die B- AG wurde vorgenommen, weil die Klägerin insoweit eine durch die K-AG ausgestellte Steuerbescheinigung vom 1. Juli 2010 im Original mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 vorlegte (Bl. 4, 5 Sonderband Abrechnung). Den Abrechnungsbescheid erließ der Beklagte am 4. Juli 2013 (Bl. 54 Sonderband Abrechnung). Darin wurde die Anrechnung von Kapitalertragsteuer i.H.v. € zuzüglich Solidaritätszuschlag i.H.v. € betreffend C- AG, D- AG, E- AG und F- AG versagt. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die H als ausländische Bank nicht zur Ausstellung deutscher Steuerbescheinigungen berechtigt sei. Mit beim Beklagten am 11. Juli 2013 eingegangenen Schreiben legte die Klägerin Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 4. Juli 2013 ein (Bl. 57 Sonderband Abrechnung). Mit der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2013 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 86 Sonderband Abrechnung). Dagegen richtet sich die bei Gericht am 11. Dezember 2013 eingegangene Klage.
Im Verlauf des Verfahrens hat das Gericht ein Auskunftsersuchen an die K-AG gerichtet (Bl. 280). Darin ist im Wesentlichen danach gefragt worden, ob bereits Steuerbescheinigungen beantragt worden und wem gegenüber sie gegebenenfalls erteilt oder (aus welchen Gründen) versagt worden sind und warum für die B- AG eine Steuerbescheinigung ausgestellt worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das Auskunftsersuchen vom 21. September 2016 Bezug genommen (Bl. 280). Die K-AG hat das Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 29. November 2016 beantwortet. Die K-AG hat darin zum Ausdruck gebracht, dass sie nur dann Einzel-Steuerbescheinigungen ausstelle, wenn das vorhandene Bescheinigungskontingent pro Event (Dividendenzahlungen) für einen Kunden der K-AG ausreiche, d.h. ein positiver steuerlicher Bestand auf dem Kundendepot verbucht sei, und wenn sie die Nettodividende von der Zahlstelle des Emittenten erhalten und an ihren Kunden weitergeleitet habe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall für die Werte D- AG, C- AG und E- AG nicht erfüllt gewesen, während hinsichtlich der Aktien der B- AG die Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Hinsichtlich der Aktien der F- AG sei kein Antrag auf Erteilung einer Steuerbescheinigung gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Antwortschreiben der K-AG vom 29. November 2016 Bezug genommen.
Die Klägerin meint, dass die H als depotführende Bank der Klägerin zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen berechtigt sei. Dies ergebe sich aus der europarechtlich garantierten Kapitalverkehrsfreiheit. § 45a Abs. 3 EStG schränke die Kapitalverkehrsfreiheit ein, weil die Klägerin die Anrechnung von Kapitalertragsteuer verwehrt werde. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Aus materiell-rechtlicher Sicht stehe der Klägerin das Steuerguthaben zu. Das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien gehe nämlich bereits schon dann über, wenn die Klägerin als Erwerberin die tatsächliche Sachherrschaft über die Aktien in der Weise ausüben könne, dass sie den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Aktien wirtschaftlich ausschließen könne, was bei Wertpapiergeschäften bereits am Tag des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses gegeben sei, zumal zu diesem Zeitpunkt wohl ein Sperrvermerk im Depot des Veräußerers angebracht worden sein müsse (Bl. 345). Alle erworbenen Aktien seien nach den Börsenusancen mit T+2 gesettled gewesen (Bl. 166). Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Anleger ein Depot über eine inländische Bank halte oder über eine Depotbank, die im Gebiet eines Mitgliedstaats ihren Sitz habe. § 45a Abs. 3 EStG sei europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch jedenfalls für 2008 Steuerbescheinigungen einer europäischen Bank anerkannt werden müssten, zumal wenn diese die in der Verwahrkette eigentliche Verwahrstelle der Aktien sei. Zudem könne nur die H als depotführende Bank feststellen, welche Aktien mit welcher Stückzahl der Bankkunde in seinem Depot halte. Die K-AG könne hinsichtlich der Klägerin keine Feststellungen treffen, sondern lediglich hinsichtlich der J. Soweit das Kontingent der J aufgebraucht sei, heiße dies aber nicht, dass auch die Klägerin keinen Anspruch auf Anrechnung der Kapitalertragsteuer habe, weil auch ein anderer Kunde der J sein Kontingent erschöpft haben könnte. Es könne nicht zulasten der Klägerin gehen, dass die Klägerin trotz redlichen Bemühens keine Steuerbescheinigungen von der K-AG erhalten habe. Zudem werde für den umgekehrten Fall, dass ein Steuerpflichtiger den Nachweis über im Ausland erzielte Einkünfte sowie die Festsetzung und Zahlung von ausländischen Steuern durch Vorlage entsprechender Urkunden zu führen habe, eine vom ausländischen Kreditinstitut ausgestellte Einzelabrechnung als Nachweis anerkannt (Bl. 169). Zudem dürfe unterstellt werden, dass Banken im europäischen Rechtsraum vor Ausstellung einer Bescheinigung gewissenhaft beurteilen, ob sie eine Steuerbescheinigung ausstellen dürften oder nicht. Zudem ergebe sich aus dem Umstand, dass das Gericht die K-AG um Auskunft ersucht hat, dass auch das Gericht eine Anrechnung ohne Vorlage einer Steuerbescheinigung für möglich halte.
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2008 vom 4. Juli 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2013 dahingehend abzuändern, dass der für 2008 festgesetzten Körperschaftsteuer weitere Kapitalertragsteuer in Höhe von € und dem festgesetzten Solidaritätszuschlag weitere € an Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer angerechnet werden,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Anteilseigner zur Anrechnung die in § 45a Abs. 2 und 3 EStG bezeichnete Steuerbescheinigungen im Original vorzulegen habe. Die Versagung der Anrechnung der Steuerabzugsbeträge aufgrund der Nichtanerkennung der Steuerbescheinigungen der ausländischen H als ordnungsgemäße Steuerbescheinigungen im Sinne des § 45a Abs. 2 und 3 EStG stelle keinen Verstoß gegen geltendes Recht, insbesondere keinen Verstoß gegen Europarecht und die unmittelbar wirkende Kapitalverkehrsfreiheit dar, da auch bei der Verwahrung inländischer Aktien in einem ausländischen Wertpapierdepot die Möglichkeit bestehe, zur Anrechnung berechtigende Steuerbescheinigungen über die K-AG zu erlangen.
Dem Gericht haben die Körperschaftsteuerakte, das Bilanz-Heft, der Sonderband „Rechtsbehelfe“, der Sonderband „Betriebsprüfungsberichte“ sowie der Sonderband „Widerspruch gegen Abrechnung 2008“ vorgelegen. Der Inhalt dieser Akten ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der mit der Klage angefochtene Abrechnungsbescheid vom 4. Juli 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2013 ist rechtmäßig.
Zu Recht hat der Beklagte die Anrechnung weiterer Kapitalertragsteuer in Höhe von € auf die Körperschaftsteuer und die Anrechnung weiteren Solidaritätszuschlags zur Kapitalertragsteuer in Höhe von € auf den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer abgelehnt.
1. Die von der Klägerin begehrte Anrechnung der Kapitalertragsteuer kann nicht vorgenommen werden, weil keine von einem inländischen Kreditinstitut oder einem inländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgestellte Steuerbescheinigung vorliegt.
a) Die Anrechnung von Kapitalertragsteuer setzt in dem für das Streitjahr geltenden Fassung des § 36 Abs. 2 S. 2 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) voraus, dass eine Steuerbescheinigung vorgelegt wird. Es handelt sich insoweit um eine materiell-rechtliche Voraussetzung (BFH-Urteil vom 12.02.2008 VII R 33/08, BFH/NV 2008, 845 [BFH 12.02.2008 - VII R 33/06]; Gosch, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl., 2017, § 36 Rn. 11; Lindberg, in: Blümich, EStG/KStG, 135. Aufl., 2017, § 45a EStG Rn. 7; Ettlich, in: Blümich, EStG/KStG, 135. Aufl., 2017, § 36 EStG Rn. 153). Die durch Steuerabzug erhobene Körperschaftsteuer wird nämlich gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 EStG nicht angerechnet, wenn die in § 45a Abs. 2 oder 3 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. § 45a Abs. 2 EStG sieht in der im Streitjahr geltenden Fassung vor, dass die die Kapitalerträge auszahlende Stelle vorbehaltlich des § 45a Abs. 3 EStG auf Verlangen eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen hat, die die nach § 32d EStG erforderlichen Angaben enthält. Nach § 45a Abs. 3 EStG hat anstelle des Schuldners das inländische Kreditinstitut oder das inländische Finanzdienstleistungsinstitut die Bescheinigung zu erteilen, wenn Kapitalerträge für Rechnung des Schuldners durch ein inländisches Kreditinstitut oder ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut gezahlt werden. Dies gilt gemäß § 45a Abs. 3 S. 2 EStG entsprechend für Dividendenkompensationszahlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG. Neben inländischen Kreditinstituten ist auch die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstitutes zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen berechtigt, sofern dem ausländischen Kreditinstitut die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften im Inland erteilt und Kapitalertrag für Rechnung des Schuldners der Kapitalerträge von der inländischen Zweigstelle erbracht worden ist (Lindberg, in: Blümich, EStG/KStG, 135. Aufl., 2017, § 45a EStG Rn. 9).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet die von der Klägerin begehrte Anrechnung von Kapitalertragsteuer für die im Zusammenhang mit dem Dividendenstichtag erhaltenen Bezüge der erworbenen Aktien der D- AG, C- AG, E- AG und F- AG aus.
Die Klägerin hat keine Steuerbescheinigung eines inländischen Kreditinstituts oder inländischen Finanzdienstleistungsinstituts vorgelegt. Die K-AG als inländisches Institut verweigerte in drei Fällen die Ausstellung einer Steuerbescheinigung (D- AG, C- AG und E- AG). In einem weiteren Fall fehlte nach der glaubhaften Antwort der K-AG auf das Auskunftsersuchen der Antrag auf Erteilung einer Steuerbescheinigung (F- AG). Die von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheinigungen sind von der H ausgestellt, bei der es sich nach dem Vortrag der Klägerin um eine in L ansässige Bank handelt, die im Streitjahr auch keine Zweigniederlassung im Inland unterhalten hat. Die von der H ausgestellten Steuerbescheinigungen entsprechen auch nicht dem amtlichen Muster. So entspricht etwa die Bezugnahme auf § 20 EStG anstatt auf § 43 EStG nicht den amtlichen Vorgaben. Von dem Erfordernis der Vorlage einer Steuerbescheinigung zum Zwecke der Anrechnung kann auch nicht abgesehen werden. Dies ergibt sich - wie dargelegt - aus dem Charakter der Steuerbescheinigung als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer.
b) Die Regelung der §§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, 45a Abs. 3 EStG, wonach zur Anrechnung eine von einem inländischen Kreditinstitut oder einem inländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgestellte Steuerbescheinigung vorliegen muss, verstößt nicht gegen die europarechtlich garantierten Grundfreiheiten oder Verfassungsrecht.
aa) Es liegt kein Verstoß gegen die gemäß Art. 63 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierte Kapitalverkehrsfreiheit vor.
Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet die Beschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern. In den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fallen auch Geschäfte mit Wertpapieren (Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 63 Rn. 19). Die Kapitalverkehrsfreiheit darf weder durch steuerliche Diskriminierung beeinträchtigt noch durch steuerliche Hemmnisse beschränkt werden. Die versteckte (indirekte) steuerliche Diskriminierung wird dabei der offenen Diskriminierung gleichgestellt. Eine versteckte (indirekte) Diskriminierung liegt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten vor, wenn die zu beurteilende Regelung nicht ausdrücklich Ausländer betrifft, wenn sie aber durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale typischerweise Ausländer benachteiligt oder Inländer bevorzugt (Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 65 Rn. 6). Verboten sind danach Ungleichbehandlungen vergleichbarer Sachverhalte (Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 63 Rn. 6). Soweit Ungleichbehandlungen durch Maßnahmen eines Mitgliedstaates bestehen, können diese gemäß Art. 65 Abs. 1 a), b), Abs. 4 AEUV sowie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkennt in ständiger Rechtsprechung die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung als Rechtfertigungsgrund an (Urteil des EuGH vom 18. Dezember 2007 Rs. C-101/05, A, Slg. 2007, I-11531 Rn. 55; Urteile des EuGH 11. Juni 2009 verb. Rs. C-155/08 und C-157/08, X. und Passenheimvan Schoot, Slg. 2009, I-5093 Rn. 45; Urteil des BFH vom 10. April 2013 I R 45/11, BStBl II 2013, 771).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend keine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben.
Weil vorliegend jedenfalls der Rechtfertigungsgrund der Wirksamkeit der Steueraufsicht eingreift, kann der erkennende Senat offen lassen, ob eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegeben ist oder bereits eine Ungleichbehandlung zu verneinen ist.
aaa) Gegen eine Ungleichbehandlung spricht, dass die Klägerin die Möglichkeit hat, von einem inländischen Institut, nämlich der K-AG, ausgestellte Steuerbescheinigungen zu erhalten. Die vom Gericht angeforderte Auskunft der K-AG macht glaubhaft deutlich, dass die K-AG für Dividenden von über ausländische Banken gehaltene Beteiligungen unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbescheinigungen erteilt. Diese Voraussetzungen unterscheiden sich nicht von denen, die im reinen Inlandsfall gelten. Denn auch im reinen Inlandsfall dürfen Steuerbescheinigungen von inländischen Banken nur ausgestellt werden, soweit die Gesamtsumme der gezahlten Steuern nicht überschritten wird. Das wird nach den Ausführungen der K-AG in ihrer Auskunft durch den sogenannten „market claim-Prozess“ sichergestellt, wonach der verbuchte Bestand am Dividendenstichtag innerhalb des „market claim-Zyklus“ von derzeit 20 Geschäftstagen mit allen Käufen addiert und davon alle Verkäufe subtrahiert werden, so dass der verbleibende Saldo das Bescheinigungskontingent der K-AG darstellt. Wie sich aus der Antwort der K-AG auf das Auskunftsersuchen ergibt, scheiterte die Erteilung der Steuerbescheinigung daher nicht aufgrund der Inanspruchnahme eines ausländischen Instituts durch die Klägerin, sondern deshalb, weil nicht ausreichend Steuer abgeführt worden ist, um Steuerbescheinigungen zu erteilen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die K-AG der Klägerin hinsichtlich der Dividenden für die B AG eine Steuerbescheinigung erteilt hat, weil nach der Antwort auf das Auskunftsersuchen insoweit ein ausreichendes Bescheinigungskontingent vorhanden war.
bbb) Soweit bereits in dem Umstand, dass Steuerbescheinigungen nur von inländischen und nicht von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Instituten ausgestellt werden dürfen, eine Ungleichbehandlung des Bankkunden gesehen wird, ist diese jedenfalls gerechtfertigt. Gerechtfertigt ist damit auch, dass sich - wie der Auskunft der K-AG zu entnehmen ist - der durch die K-AG festgestellte negative Bestand auf das Depot der J in seiner Gesamtheit bezieht und nicht ausschließlich auf die Werte der Klägerin und es damit nach Auffassung der Klägerin möglich ist, dass ein anderer Kunde der J wegen sogenannter cum-/ex-Geschäfte den negativen Bestand verursacht hat.
Es kann nämlich nicht verlangt werden, dass ausländische Kreditinstitute die Befugnis erhalten, deutsche Steuerbescheinigungen auszustellen. Dass die Ausstellung von Steuerbescheinigungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten wie dem vorliegenden nicht von ausländischen Banken wie der H erteilt werden dürfen, sondern dafür nur die K-AG als inländische xxx bank in Betracht kommt, ergibt sich daraus, dass der nationale Gesetzgeber keine Rechtsmacht hat, ausländische Banken bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen zu verpflichten. Anderenfalls würde die Bundesrepublik Deutschland in unzulässiger Weise die Territorialitätshoheit anderer Mitgliedsstaaten verletzten. Ausländische Banken könnten vom inländischen Fiskus auch nicht in Haftung genommen werden. Denn nur wenn eine Verpflichtung zur Ausstellung einer zutreffenden Steuerbescheinigung besteht, die durch falsche Angaben verletzt wird, kommt eine Haftung in Betracht. Aus diesem Grund sind etwa auch inländische Niederlassungen ausländischer Banken zur Ausstellung befugt und verpflichtet. Denn sie sind insoweit der inländischen Gesetzgebung unterworfen und können für fehlerhafte Ausstellungen in Haftung genommen werden. Nur soweit die Banken dem inländischen Recht unterworfen sind, können sie verpflichtet und berechtigt werden und nur insoweit besteht die Möglichkeit, die Erfüllung der bestehenden Pflichten durch die Prüfungsdienste der Finanzverwaltung zu überprüfen.
Der Einschränkung, dass eine ausländische Bank keine deutsche Steuerbescheinigung erteilen darf, ist auch nicht unverhältnismäßig. Denn durch die Möglichkeit, dass jeder Anleger, der sich einer ausländischen Bank bedient, unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Anleger, der sich einer inländischen Bank bedient, von einer inländischen Bank oder von einer im Inland ansässigen Zweigniederlassung einer ausländischen Bank eine inländische Steuerbescheinigung erhalten kann, wird die Beschränkung auf ein notwendiges Maß reduziert. Es ist das mildeste Mittel, um die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung sicherzustellen.
bb) Es liegt aus denselben Gründen auch kein Verstoß gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV vor, soweit diese neben der hier schwerpunktmäßig einschlägigen Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV überhaupt anwendbar ist. Denn es ist der jeweils sachgerechteren Grundfreiheit der Vorrang einzuräumen (Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 63 Rn. 38). Das ist vorliegend die Kapitalverkehrsfreiheit.
cc) Es verstößt aus den dargelegten Gründen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein im Inland ansässiger Anleger eine Steuerbescheinigung nicht von der im europäischen Ausland ansässigen Bank, sondern nur über die - von der ausländischen Bank beauftragten - inländische xxxbank erhalten kann.
2. Soweit die Klägerin vortragen lässt, dass formale Abläufe wie der Einbehalt der Kapitalertragsteuer durch „Verwaltungshelfer“ sowie Probleme in diesen formalen Abläufen nicht zulasten der Klägerin gehen dürften, weil sie darauf keinen Einfluss habe, ist dem entgegenzuhalten, dass es in den Risikobereich der Klägerin fällt, ob sie eine Steuerbescheinigung vorlegen kann. Die Anrechnung der Kapitalertragsteuer setzt - wie gezeigt - voraus, dass eine Steuerbescheinigung eines inländischen Kreditinstituts oder inländischen Finanzdienstleistungsinstituts vorgelegt wird. Sie kann jedenfalls nicht durch Sachverhaltsermittlungen - etwa durch das Auskunftsersuchen gegenüber der K-AG oder durch die von der Klägerin beantragten Zeugenvernehmungen etwa von Mitarbeitern der K-AG - im Rahmen eines finanzgerichtlichen Prozesses ersetzt werden. Auch lässt sich aus dem Umstand, dass die K-AG durch das Gericht um Auskunft ersucht worden ist, nicht schlussfolgern, dass das Gericht davon ausgegangen ist, eine Anrechnung komme auch ohne Vorlage einer Steuerbescheinigung in Betracht, denn das Auskunftsersuchen diente der Feststellung, ob Steuerbescheinigungen erteilt worden sind. Sollte die Klägerin davon überzeugt sein, dass ihr die Steuerbescheinigung von der K-AG zu Unrecht vorenthalten wird oder dass ihr ersatzweise ein Schadensersatzanspruch gegen diese oder die beauftragten Banken (H und J) zusteht, steht insoweit der Zivilrechtsweg offen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich sind.