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Steuerrecht
18.09.2025
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: : Änderung, Datenübermittlung, Steuerbescheid, Änderungsbefugnis nach § 175b Abs. 1 AO bei zutreffender Berücksichtigung der ursprünglich übermittelten Daten

Niedersächsisches FG, Urteil vom 7.11.2024 – 2 K 78/24

ECLI:DE::2024:1107.2K78.24.00

Volltext:BB-ONLINE BBL2025-2197-4

Amtliche Leitsätze

1. Bei der Rechtsgrundlage und Rentenart in der Rentenbezugsmitteilung handelt es sich um Daten i.S.d. § 175b Abs. 1 AO.

2. § 175b Abs. 1 AO ist dahingehend auszulegen, dass eine Änderung eines materiell fehlerhaften Bescheides auch möglich ist, wenn die ursprünglich übermittelten Daten zutreffend in der Steuerfestsetzung berücksichtigt und nachträglich korrigierte Daten übermittelt worden sind.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 nach § 175b Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) geändert werden können.

Die Klägerin ist geschieden und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte Renteneinkünfte nach § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin erhielt in den Streitjahren folgende Renten (Beträge in Euro):

Renten

2017

2018

Leibrente von der A-Versorgung Niedersachsen

-

x,xx

private Rente von der Y Lebensversicherungs AG:

   

- Rentenbetrag

x,xx

 

- Nachzahlungsbetrag

x,xx

x,xx

Leibrente von der Z Lebensversicherungs AG

   

- Rentenbetrag

x,xx

x,xx

- Nachzahlungsbetrag

x,xx

 

Rentenbeginn xx.xx.2013

   

Die Leibrente der Z Lebensversicherungs AG (im Folgenden: Lebensversicherung) erklärte die Klägerin in ihren Einkommensteuererklärungen 2017 und 2018 als Leibrente aus inländischen privaten Rentenversicherungen mit zeitlich befristeter Laufzeit, die mit einem Ertragsanteil von 7 % der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

Bei der jeweiligen Veranlagung übernahm der Beklagte die Daten entsprechend den elektronischen Rentenbezugsmitteilungen der Lebensversicherung, die wie folgt lauteten:

Auszug aus den Rentenbezugsmitteilungen

2017 und 2018

Beschreibung

Leibrente (Rentenart 7)

Rechtsgrund (verkürzt)

Rechtsgrund = 03

Rechtsgrundlage

§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 5 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV

Der Beklagte erließ die Einkommensteuerbescheide für 2017 am xx.xx.2018 und am xx.xx.2019. Die Leibrente wurde dabei auf Basis der elektronisch übermittelten Rentenbezugsmitteilungen mit dem Ertragsanteil von 7 % (in Höhe von x,xx Euro in 2017 und x,xx Euro in 2018) besteuert.

Die Lebensversicherung übermittelte am xx.xx.2020 korrigierte elektronische Rentenbezugsmitteilungen für die Veranlagungszeiträume 2017 und 2018. Die Korrektur betraf nur die Rechtsgrundlage und Rentenart. Der Rentenbetrag blieb der Höhe nach unverändert. Es wurden folgende Daten übermittelt:

Auszug aus den korrigierten Rentenbezugsmitteilungen

2017 und 2018

Beschreibung

Leibrente (Rentenart 1-4)

Rechtsgrund (verkürzt)

Rechtsgrund = 01

Rechtsgrundlage

§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG

 

4 - Basisrentenvertrag

Daraufhin änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 nach § 175b AO dahingehend, dass nunmehr die Leibrente der Lebensversicherung jeweils mit einem Besteuerungsanteil von 66 % angesetzt wurde. Die Rente wurde in Höhe von x,xx Euro (in 2017) und in Höhe von x,xx Euro (in 2018) der Besteuerung unterworfen. Die Änderungsbescheide ergingen am xx.xx.2022 und wurden am xx.xx.2022 mittels Postzustellungsurkunde bekanntgegeben.

Hiergegen legte die Klägerin jeweils Einspruch ein. Auf Rückfrage des Beklagten bestätigte die Lebensversicherung im März 2023, dass die Daten für die Jahre 2017 und 2018 jeweils in der ersten maschinellen Datenübermittlung falsch waren. Die Rentenversicherung der Klägerin sei nach § 5a Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz als Basisrentenvertrag zertifiziert, der die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa EStG erfülle.

Mit Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2024 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Dies begründete er u.a. damit, dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide rechtmäßig seien. Die bestandskräftigen Bescheide hätten nach § 175b AO geändert werden dürfen.

Die Änderungsnorm des § 175b Abs. 1 AO greife auch in dem Fall ein, dass nach der Veranlagung - unter Berücksichtigung (fehlerbehafteter) elektronisch übermittelter Daten - korrigierte Daten übermittelt worden seien. Zwar umfasse der Wortlaut des § 175b Abs. 1 AO nicht den Fall, dass die mitteilungspflichtige Stelle später korrigierte Daten übermittele, aber dennoch sei eine Änderung unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes möglich. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) habe sich in seinem Urteil vom 13.10.2022 (2 K 123/22; nicht rechtskräftig, Revisionsverfahren beim BFH anhängig unter X R 25/22) dieser in der Literatur (überwiegend) vertretenen Auffassung angeschlossen. In diesem Fall fehle es an einer fehlerhaften (Nicht-) Auswertung der ursprünglich übermittelten Daten. Denn diese seien zutreffend übernommen worden. Dennoch werde zu Recht die Auffassung vertreten, dass eine Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids nach § 175b Abs. 1 AO mit Blick auf den Gesetzeszweck zulässig sei.

Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm, eine materiell richtige Steuerfestsetzung zu erreichen, und der Gesetzeshistorie werde die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass eine Änderung eines materiell fehlerhaften Bescheides nach § 175b Abs. 1 AO auch möglich sei, wenn korrigierte Daten übermittelt worden seien. Der Charakter der Änderungsnorm als Ergänzung zu § 175 AO lasse es für eine Änderung ausreichen, dass später korrigierte Daten übermittelt würden. Die hier streitige Situation sei mit der Konstellation vergleichbar, dass ein Grundlagenbescheid geändert werde, nachdem der Folgebescheid schon erlassen worden sei; es sei unstreitig, dass der Erlass eines geänderten Grundlagenbescheides zu einer Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 AO berechtige.

Da § 175b AO dogmatisch an die Vorschrift des § 175 AO angelehnt sei, weil der Gesetzgeber mit seiner Einführung bezweckt habe, den lediglich grundlagenähnlichen Charakter der von Dritten mitgeteilten elektronischen Daten auszugleichen, sei es gerechtfertigt, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Änderung des materiell fehlerhaften Bescheids auch möglich sei, wenn nach Erlass des Steuerbescheids korrigierte Daten von der mitteilungspflichtigen Stelle an das Finanzamt übermittelt worden seien.

Diese am Zweck der Norm orientierte Auslegung werde auch durch den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen bestätigt. Im Gesetzgebungsverfahren habe der Gesetzgeber die Vorschrift des § 175b AO um einen Abs. 4 ergänzt. Nach § 175b Abs. 4 AO dürfe eine Änderung nur durchgeführt werden, wenn nachträglich übermittelte Daten rechtserheblich seien. Diese Regelung mache nur Sinn, wenn nachträglich übermittelte Daten dem Grunde nach eine Änderung auslösen könnten. In diesem Zusammenhang habe der Gesetzgeber zur Begründung der Ergänzung des § 175b AO um den Abs. 4 ausdrücklich ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des § 175b Abs. 1 AO erfüllt sei, wenn "von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzverwaltung nach § 93c AO (erstmals oder korrigierte) übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden".

Die nachträglich übermittelten Daten seien rechtserheblich i.S.d. § 175b Abs. 4 AO. Der später mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.06.2017 an die Vorschrift angehängte vierte Absatz verfolge die Zielsetzung, eine Änderung auf Grundlage des § 175b AO nur dann zuzulassen, wenn die Behörde bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Daten schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre. Im Streitfall hätte der Beklagte die Rente bei der ursprünglichen Veranlagung mit 66 % besteuert.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe auch kein etwaiger Verstoß gegen die Ermittlungspflicht des Beklagten einer Änderung nach § 175b Abs. 1 AO entgegen. Der Gesetzgeber habe bewusst den Anwendungsbereich des § 175b AO nicht dahingehend eingeschränkt, ob dem Steuerpflichtigen ein Verstoß gegen seine Mitwirkungs- und Erklärungspflicht oder dem Finanzamt ein Verstoß gegen seine Ermittlungspflicht vorzuwerfen sei.

Mit ihrer am xx.xx.2024 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt u.a. vor, dass die Änderung nach § 175b Abs. 1 AO rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze.

Eine Durchbrechung der Bestandskraft der Besteuerung sei nicht möglich, insbesondere nicht aufgrund des § 175b AO. Die Daten seien im Streitfall weder nicht bzw. noch nicht richtig verarbeitet worden. Die Vorschrift enthalte explizit keine Regelung dahingehend, dass vermeintlich fehlerhafte Mitteilungen der Besteuerung zugrunde gelegt worden seien. Die Mitteilungen seien offensichtlich richtig verarbeitet worden. Die Vorschrift des § 175b AO enthalte keine Regelung für den Fall, dass Daten falsch übermittelt worden seien. Die Übermittlung korrigierter Datensätze des dazu verpflichteten Dritten seien mithin vom Wortlaut des § 175b Abs. 1 AO nicht umfasst.

Die Grenze einer jeden Auslegung von Gesetzestexten sei deren Wortlaut. Die Anwendung und Auslegung der Gesetze stehe mit dem Rechtsstaatprinzip (aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) im Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbare Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewege. Eine derartige Rechtsfortbildung dürfe aber nicht dazu führen, dass im Rahmen der über dem Wortlaut hinausgehenden Auslegung eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers gesetzt würden. Eine Interpretation, die sich über den klaren Wortlaut des Gesetzgebers hinwegsetze, greife unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein und sei damit verfassungswidrig.

Im Übrigen ersetze die schlichte Mitteilung einer Versicherung nicht die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die steuerliche Erfassung der Mitteilung und Bewertung obliege weiterhin dem beklagten Finanzamt.

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 vom xx.xx.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2024 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2024 Bezug.

Aus den Gründen

I.

Die Klage ist unbegründet.

Die Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 vom xx.xx.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2024 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Beklagte hat die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 zu Recht nach § 175b Abs. 1 AO geändert.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Der Absatz 1 gilt nach § 175b Abs. 4 AO nicht, wenn nachträglich übermittelte Daten im Sinne des § 93c Abs. 1 oder 3 AO nicht rechtserheblich sind.

1.

Bei der Rechtsgrundlage und Rentenart in der Rentenbezugsmitteilung handelt es sich um Daten i.S.d. § 175b Abs. 1 AO. Dass der Rentenbetrag der Höhe nach unverändert geblieben ist, ist unschädlich.

a.

§ 93c AO ist nach Art. 97 § 27 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur AO erstmals für die steuerlichen Daten des Streitjahres 2017 anwendbar. Wenn steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten (mitteilungspflichtige Stelle) an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind, muss der Datensatz - vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetzen - u.a. gemäß § 93c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AO den Familiennamen, den Vornamen, den Tag der Geburt, die Anschrift und die Identifikationsnummer des Steuerpflichtigen enthalten und gemäß § 93c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e AO den Zeitpunkt der Erstellung des Datensatzes oder eines anderen Ereignisses, anhand dessen die Daten in der zeitlichen Reihenfolge geordnet werden können, die Art der Mitteilung, den betroffenen Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt und die Angabe, ob es sich um eine erstmalige, korrigierte oder stornierende Mitteilung handelt.

Der in § 175b Abs. 1 AO verwendete Begriff der "Daten" ist dabei nicht auf den "Datensatz" beschränkt, dessen (Mindest-)Inhalt in § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO definiert wird (BFH-Urteil vom 08.09.2021, X R 5/21, BStBl. II 2022, 398). Vielmehr erfasst der Regelungsbereich des § 93c AO nach dem Wortlaut des Eingangssatzes seines Absatzes 1 alle steuerlichen Daten eines Steuerpflichtigen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einer mitteilungspflichtigen Stelle an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind (BFH-Urteil vom 08.09.2021, X R 5/21, BStBl. II 2022, 398). Hierzu gehören auch diejenigen Daten, deren Übermittlung an die Finanzbehörde erst in einem Einzelsteuergesetz ("auf Grund gesetzlicher Vorschriften") angeordnet wird (BFH-Urteil vom 08.09.2021, X R 5/21, BStBl. II 2022, 398). Auch die weiteren Absätze des § 93c AO erfassen erkennbar nicht lediglich die Mindestinhalte des "Datensatzes" nach § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO, sondern sämtliche übermittlungspflichtigen "Daten" i.S.d. Eingangssatzes des § 93c Abs. 1 AO i.V.m. den Einzelsteuergesetzen (BFH-Urteil vom 08.09.2021, X R 5/21, BStBl. II 2022, 398). Dies entspricht auch der in den Gesetzesmaterialien vertretenen Auffassung, wonach § 175b AO für alle Fälle gelten soll, in denen sich die Datenübermittlung nach § 93c Abs. 1 AO richtet (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 03.02.2016, BT-Drs. 18/7457, 88; BFH-Urteil vom 08.09.2021, X R 5/21, BStBl. II 2022, 398).

Gemäß § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die landwirtschaftliche Alterskasse, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die Pensionskassen, die Pensionsfonds, die Versicherungsunternehmen, die Unternehmen, die Verträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG anbieten, und die Anbieter im Sinne des § 80 EStG als mitteilungspflichtige Stellen der zentralen Stelle (§ 81 EStG) unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung nach Maßgabe des § 93c AO u.a. je gesondert den Betrag der Leibrenten und anderen Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb Satz 4 sowie Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG in Verbindung mit § 55 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung sowie im Sinne des § 22 Nr. 5 Satz 1 bis 3 EStG zu übermitteln.

b.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der korrigierten Mitteilung der Rechtgrundlage und Rentenart um Daten i.S.d. § 93c Abs. 1 AO i.V.m. § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach ist nicht nur der Betrag der Leibrente, sondern auch die Art der Leibrente und deren Rechtsgrundlage zu übermitteln.

2.

Die Änderungsvorschrift des § 175b Abs. 1 AO findet im Streitfall Anwendung. Die nach § 93c Abs. 1 AO i.V.m. § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG übermittelten korrigierten Daten zur Rechtsgrundlage und Rentenart der von der Klägerin in den Streitjahren bezogenen Leibrente wurden bei den Einkommensteuerfestsetzungen 2017 und 2018 der Klägerin nicht berücksichtigt. Denn materiell-rechtlich wurde die Leibrente aufgrund der ursprünglich unrichtig übermittelten Rechtsgrundlage und Rentenart nur mit dem Ertragsanteil in Höhe von 7 %, anstatt - entsprechend der korrigierten übermittelten Rechtsgrundlage und Rentenart - mit einem Anteil von 66 %, der Besteuerung unterworfen.

a.

Nicht berücksichtigt sind übermittelte Daten, wenn sie nicht ausgewertet oder verarbeitet wurden und damit nicht Eingang in die Steuerfestsetzung gefunden haben (BFH-Urteil vom 20.02.2024, IX R 20/23, BStBl. II 2024, 587 m.w.N.). Nicht zutreffend berücksichtigt sind die übermittelten Daten, wenn die Auswertung oder Verarbeitung fehlerhaft erfolgte. Ein danach relevanter Fehler liegt jedoch nur vor, soweit die Verwendung der übermittelten Daten zu einer materiell unrichtigen Steuerfestsetzung geführt hat. Wirkt sich die unzutreffende Berücksichtigung steuerlich nicht aus, fehlt es an der Rechtserheblichkeit des Fehlers und einer Korrekturmöglichkeit (BFH-Urteil vom 20.02.2024, IX R 20/23, BStBl. II 2024, 587 m.w.N.).

Unerheblich ist, worauf die unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten durch die Finanzbehörde zurückzuführen ist. Es kommt weder auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen, einen Schreib- oder Rechenfehler des Steuerpflichtigen noch auf ein mechanisches Versehen der Finanzbehörde nach § 129 AO oder einen Fehler der Finanzbehörde bei der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung an (BTDrucks 18/7457, 88; BFH-Urteil vom 20.02.2024, IX R 20/23, BStBl. II 2024, 587 m.w.N.).

§ 175b AO, der durch das Steuermodernisierungsgesetz vom 18.07.2016 (BGBl. I 2016, 1679; BStBl. I 2016, 694) neu eingefügt wurde, löst den Prinzipienwiderspruch zwischen Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit, indem die Aufhebung oder Änderung rechtswidriger, also materiell fehlerhafter Steuerbescheide ermöglicht wird (Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589 m.w.N., nicht rechtskräftig). Das mit der Einführung des § 175b AO vom Gesetzgeber verfolgte Ziel bestand ausweislich der Gesetzesbegründung vornehmlich darin, der Finanzverwaltung in steuerlichen Massenverfahren eine Änderungsbefugnis einzuräumen, obwohl der von Dritten übermittelte Datensatz keinen (verbindlichen) Grundlagenbescheid darstellt und die bereits geltenden Änderungsnormen nicht einschlägig sind (BTDrucks 18/7457, 88 f.; BFH-Urteil vom 20.02.2024, IX R 20/23, BStBl. II 2024, 587 m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung der Änderungsnorm des § 175b AO bewusst dafür entschieden, diese dogmatisch als Ergänzung zur Änderungsnorm für Grundlagenbescheide nach § 175 AO und nicht als Ergänzung des § 173 AO auszugestalten (BT-Drucks, 18/7457, 89; Bruschke, StB 2019, 272, 273). Dementsprechend hat der Gesetzgeber keine den §§ 173, 173a und 129 AO vergleichbaren einschränkenden Voraussetzungen bei der Formulierung des § 175b AO vorgesehen. Im Gegensatz zu § 173 AO und § 129 AO kann ein Steuerbescheid nach § 175b AO nämlich auch dann geändert werden, wenn die Tatsachen dem Finanzamt bei der Veranlagung schon bekannt waren, den Steuerpflichtigen ein Verschulden an einem verspäteten Bekanntwerden trifft, der fehlerhafte Bescheid auf einer falschen Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung oder auf einem Ermittlungsfehler der Finanzbehörde und nicht auf einem Schreib-, Rechen- oder sonstigen mechanischen Fehler bei der Übermittlung der Daten beruht (Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589 m.w.N., nicht rechtskräftig). Gerade diese weitgehende Änderungsbefugnis war vom Gesetzgeber beabsichtigt und wurde in der Gesetzesbegründung ausdrücklich dargelegt (Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589 m.w.N., nicht rechtskräftig).

Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist vom Wortlaut des § 175b Abs. 1 AO die Übermittlung korrigierter Daten seitens des dazu verpflichteten Dritten nicht umfasst, wenn die ursprünglich übermittelten Daten zutreffend in der Steuerfestsetzung berücksichtigt worden sind (Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 7; Gosch/von Wedelstädt, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 13). Nach anderer Ansicht in der Literatur ist der Wortlaut der Vorschrift dahingehend zu verstehen, dass wenn die mitteilungspflichtige Stelle abweichende, also korrigierte Daten, die bei ihrer Berücksichtigung zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führen, übermittelt, diese neu übermittelten Daten auch nicht i.S.d. § 175b Abs. 1 AO berücksichtigt, also ausgewertet worden sind (Koenig/Koenig, 5. Aufl. 2024, AO § 175b Rn. 6; Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 175b Rn. 8). Jedenfalls seinem Zweck nach dürfte jedoch in diesen Fällen eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175b Abs. 1 AO möglich sein (Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 7; so auch: Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589, nicht rechtskräftig; Gosch/von Wedelstädt, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 13; Koenig/Koenig, 5. Aufl. 2024, AO § 175b Rn. 6; Klein/Rüsken, 17. Aufl. 2023, AO § 175b Rn. 7; BeckOK AO/Klomp, AO § 175b Rn. 35; Bruschke, BB 2024, 539). § 175b Abs. 1 AO sollte § 175 AO ergänzen und eine Änderung ermöglichen, obwohl die übermittelten Daten keine Grundlagenbescheide darstellen und die auf ihnen beruhenden Steuerbescheide nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO automatisch aufzuheben oder zu ändern sind (BT-Drucks, 18/7457, 89; Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 7). Würde man § 175b AO nur dann anwenden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die übermittelten Daten nicht oder fehlerhaft ausgewertet wurden, würde § 175b AO - systematisch falsch - lediglich § 173 AO ergänzen (Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 7). Durch § 175b Abs. 1 AO kommt den übermittelten Daten jedoch keine größere Bindungswirkung zu als anderen Tatsachen (Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 175b AO 1977 Rn. 7).

b.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze legt der Senat den § 175b Abs. 1 AO dahingehend aus, dass eine Änderung eines materiell fehlerhaften Bescheides nach dieser Vorschrift auch möglich ist, wenn die ursprünglich übermittelten Daten zutreffend in der Steuerfestsetzung berücksichtigt worden sind und nachträglich korrigierte Daten seitens des dazu verpflichteten Dritten übermittelt wurden.

Hierfür spricht der Wortlaut der Vorschrift, der nach Auffassung des Senats weit zu verstehen ist. Danach müssen die übermittelten Daten nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden sein. Werden nachträglich korrigierte Daten - wie im Streitfall - übermittelt, sind diese bei der (bisherigen) Steuerfestsetzung nicht ausgewertet und damit nicht berücksichtigt worden. Nach dem Wortverständnis des Senats ist "bei der Steuerfestsetzung" i.S.d. § 175b Abs. 1 AO nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich ausschließlich um die erstmalige Steuerfestsetzung handelt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist schließlich die Aufhebung oder Änderung rechtswidriger, also materiell fehlerhafter Steuerbescheide - in den zeitlichen Grenzen der Festsetzungsverjährung - zu ermöglichen. Der Wortlaut dieser Änderungsvorschrift stellt insoweit nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Nichtberücksichtigung der übermittelten Daten ab.

Zudem spricht für diese Auffassung - wie bereits dargestellt und in der Literatur überwiegend vertreten wird - der Zweck dieser Änderungsnorm. Da § 175b AO dogmatisch an die Vorschrift des § 175 AO angelehnt ist, weil der Gesetzgeber mit seiner Einführung bezweckte, den lediglich grundlagenähnlichen Charakter der von Dritten mitgeteilten elektronischen Daten auszugleichen, ist es gerechtfertigt, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Änderung des materiell fehlerhaften Bescheids auch möglich ist, wenn nach Erlass des (objektiv) fehlerhaften Steuerbescheids korrigierte Daten von der mitteilungspflichtigen Stelle an das Finanzamt übermittelt werden.

Diese am Zweck der Norm orientierte Auslegung des Senats wird auch durch den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen bestätigt. Im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 175b AO um einen Abs. 4 ergänzt. Nach § 175b Abs. 4 AO darf eine Änderung nur durchgeführt werden, wenn nachträglich übermittelte Daten rechtserheblich sind. Diese Regelung macht nur Sinn, wenn nachträglich übermittelte Daten dem Grunde nach eine Änderung auslösen können. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber zur Begründung der Ergänzung des § 175b AO um den Abs. 4 ausdrücklich ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des § 175b Abs. 1 AO erfüllt ist, wenn "von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzverwaltung nach § 93c AO (erstmals oder korrigierte) übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden" (BT-Drucks. 18/12127, 56; Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589, nicht rechtskräftig).

Im Übrigen kommt es bei der Anwendung des § 175b Abs. 1 AO - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht darauf an, ob die fehlerhafte Besteuerung der Rente auf einem etwaigen Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung oder auf einem Ermittlungsfehler des Beklagten basiert. Denn der Gesetzgeber hat bewusst den Anwendungsbereich des § 175b AO nicht dahingehend eingeschränkt, ob dem Steuerpflichtigen ein Verstoß gegen seine Mitwirkungs- und Erklärungspflicht oder dem Finanzamt ein Verstoß gegen seine Ermittlungspflicht vorzuwerfen ist. § 175b Abs. 1 AO soll eine von Fragen der Pflichtverletzung unabhängige Änderungsmöglichkeit eröffnen.

3.

Die übrigen Voraussetzungen des § 175b Abs. 1 AO sind - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - erfüllt.

4.

Die Änderungsvorschrift des § 175b Abs. 1 AO ist auch zeitlich anwendbar, weil die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2017 und 2018 erfolgt ist. Nach Art. 97 § 27 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung ist § 175b AO erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten des Steuerpflichtigen für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 von einem Dritten elektronisch an den Beklagten übermittelt wurden (FG Münster vom 19.10.2017, 6 K 1358/16 E, juris; FG Hamburg vom 04.10.2018, 3 K 69/18, juris; Niedersächsisches FG vom 13.10.2022, 2 K 123/22, EFG 2023, 1589, nicht rechtskräftig).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

 

 

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