FG Münster: Abfindung einer Pensionszusage
FG Münster, Urteil vom 26.5.2023 – 4 K 3618/18 E
ECLI:DE:FGMS:2023:0526.4K3618.18E.0
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2023-1955-1
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheids für 2012 (Streitjahr). Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagte eine im Jahr 2012 erfolgte Zahlung für die Abfindung einer zugunsten des Klägers bestehenden Pensionszusage zu Unrecht als eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt hat.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr zusammenveranlagt. Sie waren gemeinsam Gesellschafter und der Kläger – geb. am xx.yy.1957 – zudem Geschäftsführer der seit dem Juni 2001 bestehenden W. GmbH (Nennkapital: 25.000 €; Kläger: 22.500 € ≙ 90 %, Klägerin: 2.500 € ≙ 10 %). Gegenstand deren Unternehmens waren u. a. die Versicherungsvermittlung, … . Tatsächlich war die W. GmbH hauptsächlich im Bereich der Versicherungsvermittlung tätig.
Am xx.xx.2002 – der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 45 Jahre alt – beschlossen die Kläger als Gesellschafter der W. GmbH, dass im Rahmen des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags zwischen dem Kläger einerseits und der W. GmbH andererseits eine Pensionszusage vereinbart werden soll.
Am selben Tag gewährte die W. GmbH dem Kläger einen Rechtsanspruch auf Versorgung („Pensionszusage“).
Für den Fall, dass der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet und aus dem Unternehmen ausscheidet, sagte ihm die W. GmbH auf Lebenszeit eine Altersrente i. H. v. 1.800 € pro Monat zu. Für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbarten die Parteien eine Invalidenrente für die Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Einsetzen der Altersrente, i. H. v. ebenfalls 1.800 € pro Monat. Mit dem Ableben des Klägers sollte die ihn überlebende Klägerin eine Witwenrente auf Lebenszeit, längstens bis zu einer etwaigen Wiederheirat, i. H. v. 1.000 € erhalten.
Die Anwartschaft auf Leistungen aus dieser Pensionszusage sollte dem Kläger auch erhalten bleiben, wenn er vor Eintritt des Versorgungsfalles aus den Diensten der W. GmbH ausgeschieden sein sollte.
Eine vorzeitige Inanspruchnahme war grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet und die Zusage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme mindestens 10 Jahre bestanden hat.
Die W. GmbH war berechtigt, zur teilweisen Rückdeckung der Pensionszusage einen entsprechenden Vertrag mit einer Lebensversicherungsgesellschaft abzuschließen. Zudem sollte die W. GmbH ihre Rechte und Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung an den Kläger zu dessen Anspruchssicherung verpfänden.
Die W. GmbH behielt sich ausdrücklich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass ihr eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Pensionszusage vom xx.xx.2002 verwiesen.
Nachfolgend schloss die W. GmbH Versicherungen für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung bei der J-Versicherung AG (J-Versicherung) ab (Versicherungsnehmerin: W. GmbH; versicherte Person: Kläger).
Ab dem Jahr 2009 gingen – auch aufgrund eines Herzinfarktes des Klägers im Jahr 2011 und des daraus resultierenden Verlustes von zwei Großkunden – die Umsätze der W. GmbH zurück (2009: 112.000 €; 2010: 95.000 €; 2011: 45.000 €). Ab Juni 2011 wurde das Geschäftsführer-Gehalt – von bisher 4.500 € pro Monat – auf 3.900 € pro Monat reduziert.
Im Oktober 2011 beschloss die Gesellschafterversammlung, dass das im Geschäftsführer-Vertrag des Klägers geregelte Urlaubs- und Weihnachtsgeld entfalle, bis die wirtschaftliche Situation solche Zahlungen wieder erlaube.
Zum 31.12.2011 wies die W. GmbH einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i. H. v. 25.000 € aus, der aus dem laufenden Verlust des Jahres 2011 i. H. v. 44.000 € resultierte.
Auch im Jahr 2012 verringerte sich der Umsatz der W. GmbH (36.000 €). Das betriebliche Konto der W. GmbH wies – bei einer Kreditmittellinie i. H. v. 19.500 € –, zum 31.03.2012 einen Stand von ./. 5.500 €, zum 30.06.2012 einen Stand von ./. 16.000 €, zum 30.09.2012 einen Stand von ./ 24.000 € und zum 31.10.2012 einen Stand von ./. 27.500 € aus.
In einem Protokoll zu einer Gesellschafterversammlung der W. GmbH vom xx.xx.2012 – der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt, die Pensionszusage bestand seit 10 Jahren – wurde festgehalten, dass die dem Kläger erteilte Pensionszusage zum 01.12.2012 aufgehoben werde. Hierzu werde mit den Begünstigten – den Klägern – eine Vereinbarung zur Abfindung der Versorgungsansprüche getroffen. Die bei der J-Versicherung bestehenden Rückdeckungsversicherungen würden aufgehoben.
Noch im November 2012 vereinbarten die Kläger einerseits und die W. GmbH andererseits einen Plan zur Abfindung der Versorgungsansprüche. Hiernach sollte die W. GmbH zum 01.12.2012 eine Zahlung i. H. v. 66.000,- € an den Kläger leisten. Mit Erhalt der Zahlung könne der Kläger aus der Pensionszusage keine Ansprüche mehr gegenüber der W. GmbH geltend machen, etwaige Pfandrechte sollten erlöschen.
Zum 30.11.2012 wies das betriebliche Konto der W. GmbH einen Stand von ./. 40.000 € aus.
Die W. GmbH löste die Versicherungen bei der J-Versicherung zum 01.12.2012 auf. Die aufgrund dessen von der J-Versicherung geleistete Zahlung betrug insgesamt 66.000 € (Versicherungs-Nr. 00000: 13.000 €; Versicherungs-Nr. 11111: 53.000 €).
Die W. GmbH zahlte die vereinbarte Abfindung – 66.000 € – mit dem Arbeitslohn für Dezember 2012 an den Kläger aus. Der Kläger wiederum gewährte der W. GmbH – im Gegenzug, noch im Dezember 2012 – ein Darlehen i. H. v. 13.000 €.
In der Lohnabrechnung des Klägers für Dezember 2012 setzte die W. GmbH bei den Brutto-Bezügen neben dem Gehalt des Klägers i. H. v. 3.900 € u. a. einen Posten „Abfdg. Verzicht Pensionszusagen“ i. H. v. 77.000 € (erdienter Anteil der Pensionsanwartschaft zum 31.10.2012) an und berücksichtigte eine verdeckte Einlage i. H. v. 11.000 € (77.000 € ./. 66.000,- €). In ihrer eigenen Gewinnermittlung buchte die W. GmbH die bis dahin bilanzierte Pensionsrückstellung sowie die Forderung aus der Rückdeckungsversicherung erfolgswirksam aus und berücksichtigte ebenfalls eine verdeckte Einlage i. H. v. 11.000 €.
Ab dem April 2013 wurde das Geschäftsführer-Gehalt des Klägers von bisher 3.900 € auf 2.600 € reduziert. Im Jahr 2013 erhöhte sich der Umsatz der W. GmbH (53.000 €) und verringerte sich in den folgenden Jahren nur geringfügig (2014: 52.000 €, 2015: 51.900 €, 2016: 52.700 €).
Der Beklagte erließ unter dem 08.08.2013 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr gegenüber den Klägern. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte er bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit erklärungsgemäß einen Bruttoarbeitslohn i. H. v. insgesamt 128.000 € (Bruttoarbeitslohn i. H. v. 51.000 € zzgl. Abfindung i. H. v. 77.000 €).
Im April und Mai 2014 führte der Beklagte eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der W. GmbH für den Zeitraum 2011 bis 2014 durch. Ausweislich des Prüfungsberichts wurde die Abfindung der Pensionszusage stichprobenweise geprüft. Die Prüferin vermerkte hierzu keine Prüfungsfeststellungen. Nachfolgend hob der Beklagte hinsichtlich der für den Prüfungszeitraum abgegebenen Lohnsteuer-Anmeldungen den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Im März 2017 begann der Beklagte mit einer Betriebsprüfung bei der W. GmbH für den Zeitraum 2012 bis 2014.
Im Rahmen dieser Betriebsprüfung führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E-Stadt eine Fachprüfung i. S. betriebliche Altersversorgung durch. Der zuständige Prüfer stellte – unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 – fest, dass eine sogenannte Spontanabfindung mit der Folge einer vGA nicht auszuschließen sei. Grundsätzlich sei von einer gesellschaftlichen Veranlassung der Abfindung auszugehen. Eine drohende Überschuldung der Gesellschaft habe zum Abfindungszeitpunkt nicht vorgelegen. Auch seien zeitgleich keine weiteren Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung getroffen worden. Eine Gehaltsreduzierung sei erst später – ab April 2013 – erfolgt. Außerdem sei ggf. zu berücksichtigen, dass der Kläger eventuell einen Herzinfarkt gehabt habe. Diesbezüglich stelle sich die Frage, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer in Kenntnis einer schweren Erkrankung des Versorgungsberechtigten einer Abfindung zugestimmt hätte. Dies habe – bei Beachtung der BFH-Urteile vom 14.03.2006 I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515 und 23.10.2013 I R 60/12, BFHE 244, 256 und des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187 – zur Folge, dass hinsichtlich der Abfindungszahlung eine vGA in Höhe der tatsächlichen Zahlung (66.000,- €) gegeben sei.
Nachfolgend ergänzte der Prüfer seine steuerliche Würdigung. Seine Ausführungen vertiefte er dahingehend, dass die im Streitfall gewählte Vorgehensweise unter Fremdvergleichsgesichtspunkten nicht nachvollziehbar sei.
Hierzu reichte der Kläger eine Stellungnahme ein. Die Umsatzrückgänge in den Jahren 2010 und 2011 hätten zu hohen Verlusten und zur Insolvenz der W. GmbH geführt, wenn er, der Kläger, keine unternehmerischen Entscheidungen getroffen hätte. Zumeinen wäre die W. GmbH zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls habe Zahlungsunfähigkeit gedroht. Das Konto der W. GmbH habe einen Betrag ausgewiesen, derunterhalb der vereinbarten Kreditlinie gewesen sei. Die Zahlung der Beiträge zur Rückdeckungsversicherung wäre nicht mehr möglich gewesen. Zum anderen hätte aufgrund der hohen Inanspruchnahme des Bankkontos, fehlender stiller Reserven und der Pensionsrückstellung (handelsbilanzieller Wert: 112.000 €) eine Überschuldung zum 30.11./30.12.2012 vorgelegen. Somit habe der Kläger im Dezember 2012 handeln müssen, um die drohende Insolvenz zu verhindern und die W. GmbH für die Zukunft wieder auf die Gewinnseite zu bringen. Es seien die folgenden unternehmerischen Entscheidungen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung getroffen worden:
• Verkauf von zwei im Anlagevermögen befindlichen Fahrzeugen (Buchwert jeweils 0,50 €) mit einem Gewinn i. H. v. 10.000 €,
• Auflösung der Pensionsrückstellung und Auszahlung der in der Vergangenheit durch den Kläger erdienten Anteile sowie Wegfall der Pensionsrückstellung und Rückdeckungsversicherung für den Kläger,
• Aufnahme eines Gesellschafter-Darlehens i. H. v. 13.000 €,
• Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin,
• Reduzierung des klägerischen Geschäftsführer-Gehalts ab April 2013 (von 3.900 € auf 2.600 €) und
• Aussetzung des klägerischen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes.
Aus rückwärtsgewandter Betrachtung seien die Maßnahmen richtig gewesen. Die W. GmbH sei saniert worden. Sie habe ab 2013 Gewinne erzielt (2013: xxxx €, 2014: xxxx €, 2015: xxxx €, 2016: xxxx €). Zum 31.12.2016 habe die W. GmbH keine Verbindlichkeiten mehr gehabt. Ihr betriebliches Konto habe ein Guthaben ausgewiesen und das Gesellschafterdarlehen sei zurückgezahlt worden. Die vor den Maßnahmen drohenden Insolvenztatbestände hätten nicht mehr vorgelegen. Ein durch die Insolvenz bedrohter Handelsvertreterausgleichsanspruch sei gerettet worden.
Hierzu nahm wiederum der Fachprüfer Stellung. Zur Ergänzung seines bisherigen Vortrags verwies er u. a. darauf, dass weder das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 22.11.2012 noch der anschließende Abfindungsplan einen Hinweis auf die schlechte wirtschaftliche Lage der W. GmbH enthielten. Außerdem könnten beiden Dokumenten keine Vorgaben zur Ermittlung der Abfindung entnommen werden. In dem Abfindungsplan sei lediglich eine lohnsteuerpflichtige Zahlung i. H. v. 66.000,- € vorgesehen. Dies weiche von der späteren tatsächlichen Durchführung ab.
Nachfolgend reichten die Kläger eine Erwiderung ein. In dieser führten die Kläger zunächst aus, dass der schlechten wirtschaftlichen Lage der W. GmbH nicht mit einer vorübergehenden oder dauerhaften Beitragsfreistellung hätte begegnet werden können. Hierzu wäre keine Zeit mehr gegeben gewesen und die Überschuldung sei damit nicht aufgelöst worden. Im Übrigen reichten die Kläger eine Zwischenbilanz per 31.10.2012 nach Zerschlagungswerten aus dem Oktober 2017 ein, die eine Unterdeckung i. H. v. 100.000 € ausweist. Ein Kundenstamm und ein späterer Handelsvertreterausgleich seien in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen.
Hierauf verfasste der Fachprüfer einen zusammenfassenden Vermerk. Die ursprüngliche Pensionszusage sehe keine Abfindungsregelung vor. Der Abfindungsplan sehe lediglich eine Zahlung i. H. v. 66.000,- € vor, enthalte aber keine weiteren Berechnungsanweisungen und widerspreche mithin dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 06.04.2005, BStBl. I 2005, 619. Der steuerlichen Behandlung werde seitens der W. GmbH der Teilwert nach § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG; Steuerbilanzansatz) zugrunde gelegt. Dies widerspreche dem BMF-Schreiben vom 14.08.2012, BStBl. I 2012, 874. Unter Fremdvergleichsgesichtspunkten sei vom Barwert auszugehen. Vor diesem Hintergrund sei von einer gesellschaftlichen Veranlassung der Abfindung auszugehen.
Als Übertragungswert seien 90.000 € anzusetzen. Hiervon sei allerdings nur der werthaltige Teil – 77.000 € – der Besteuerung zu unterwerfen, der wiederum in die Auszahlung i. H. v. 66.000,- € und die verdeckte Einlage i. H. v. 11.000 € aufzuteilen sei.
Im Ergebnis seien auf Ebene des Klägers eine vGA i. H. v. 66.000,- € und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. H. v. 77.000 € in Höhe des fiktiven Zuflusses des werthaltigen Teils der Anwartschaft zu berücksichtigen.
Auf dieser Grundlage fertigte der Beklagte einen Bericht über die Betriebsprüfung bei der W. GmbH und erließ im Februar 2018 einen geänderten Bescheid für 2012 über Körperschaftsteuer gegenüber der W. GmbH. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte er u. a. eine vGA i. H. v. 66.000,- €.
Unter dem 14.02.2018 erließ der Beklagte einen – gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) – geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012 gegenüber den Klägern. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte er weiterhin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn i. H. v. 128.000 € und zusätzlich Kapitalerträge i. H. v. 66.500 €, die die im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellte vGA i. H. v. 66.000,- € enthielten.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung beriefen sie sich zunächst auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der hier streitgegenständliche Sachverhalt sei bereits im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung – ohne Prüfungsfeststellungen – geprüft worden. Eine hiervon abweichende Prüfung sei nicht mehr möglich. Im Übrigen vertieften sie ihren bisherigen Vortrag dahingehend, dass die W. GmbH sich in einer Notsituation befunden habe. Der Kläger sei als Geschäftsführer gezwungen gewesen, innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen für die Fortführung des Unternehmens zu treffen. Die Entscheidungen seien rein aus der Notlage heraus getroffen worden und damit betrieblich veranlasst.
Der Beklagte erörterte die Einspruchsbegründung schriftlich. Hinsichtlich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes führte er aus, dass trotz der durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung eine erneute Prüfung und eine abweichende ertragsteuerliche Würdigung zulässig seien. Hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung vertiefte der Beklagte seinen bisherigen Vortrag dahingehend, dass ein Kapitalabfluss bei der W. GmbH stattgefunden habe. Die hier getroffene Abfindungsvereinbarung habe in Zeiten von Liquiditätsengpässen einen tatsächlichen Geldabfluss erfordert, der nicht nachvollziehbar mit den betrieblichen Sanierungsmaßnahmen in Einklang zu bringen sei und damit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein müsse. Ein fremder Geschäftsführer hätte sich allenfalls darauf eingelassen, dass die Anwartschaft ruhend gestellt oder mit zukünftiger Wirkung teilweise ausgesetzt wird.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.10.2018 – nach einer weiteren Stellungnahme der Kläger – wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Wegen der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihren bisherigen Vortrag.
Aufgrund des Verlustes der zwei wichtigsten Kunden habe sich die W. GmbH ab dem III. Quartal 2012 in einer Notsituation befunden. Aufgrund der Überschreitung der Kreditmittellinie des betrieblichen Bankkontos zum Ende September 2012 habe ab diesem Zeitpunkt eine gewisse Abhängigkeit von den Handlungen und Entscheidungen der Bank bestanden. Diese hätte jederzeit Überweisungen nicht annehmen bzw. nicht durchführen können. Demzufolge habe im Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung in tatsächlicher Hinsicht die Zahlungsunfähigkeit gedroht.
Erst durch die Zahlung der Abfindung von der W. GmbH an den Kläger sei dieser in der Lage gewesen, der W. GmbH wiederum ein Darlehen zu gewähren.
Letztlich hätten die wirtschaftlichen Entwicklungen den Kläger dazu genötigt, die Pensionszusage abzufinden, um die Möglichkeit zu haben, die Gesellschaft für die Zukunft neu aufstellen zu können. Die am 03.01.2013 fällige Rückdeckungsversicherung (2.200 €) hätte die W. GmbH nicht mehr zahlen können, ohne Insolvenz anzumelden.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid für 2012 über Einkommensteuer vom 14.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2018 dahingehend zu ändern, dass die für die Ermittlung der Steuerfestsetzung zu berücksichtigenden Kapitalerträge um 66.000,- € auf 500 € reduziert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
In seiner Klageerwiderung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass die W. GmbH ab 2011 in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sei, weil insbesondere die Personalaufwendungen erst verspätet an die Ertragssituation angepasst worden seien. Eine alternative Möglichkeit wäre es gewesen, den noch zu erdienenden Teil der Pensionsanwartschaft bis auf 0 € zu reduzieren. Eine vorzeitige Auszahlung der Pensionszusage habe der Gesellschaft keine Liquidität erbracht und sei daher auch nicht erforderlich gewesen, um den Fortbestand der W. GmbH zu sichern.
Die ursprüngliche Pensionszusage habe keine Abfindungsregelung enthalten. Werde dann eine Abfindung erst spontan vereinbart, genüge dies nicht dem bei beherrschenden Gesellschaftern zu beachtenden Gebot, Vereinbarungen im Vorhinein zu treffen.
Die vorzeitige Abfindung habe dazu geführt, dass der Kläger als aktiver Geschäftsführer Pensionsansprüche bezogen habe, obwohl die vorgesehenen Auszahlungsbedingungen nicht erreicht worden seien. Dies laufe dem Versorgungscharakter der Pensionszusage zuwider.
In der Sache hat am 07.12.2022 ein Erörterungstermin mit dem Berichterstatter stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll und die im Nachgang übermittelten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen (Schriftsatz des Beklagten vom 01.02.2023; Schriftsatz der Kläger vom 09.03.2023). Am 26.05.2023 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Aus den Gründen
I. Die Klage hat Erfolg.
Der Bescheid für 2012 über Einkommensteuer vom 14.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2018 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten, als für die Ermittlung der Steuerfestsetzung Kapitalerträge i. H. v. 66.500 € und nicht – wie zutreffend – i. H. v. 500 € (Reduzierung um 66.000,- €) berücksichtigt werden (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Beklagte hat die im Jahr 2012 erfolgte Zahlung für die Abfindung der zugunsten des Klägers bestehenden Pensionszusage zu Unrecht als eine vGA behandelt.
1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und die Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (BFH-Urteil vom 28.09.2022 VIII R 20/20, BFH/NV 2023, 196 Rn. 35). Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteile vom 13.12.2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214 Rn. 35; 09.12.2009 X R 52/06, BFH/NV 2010, 1246 Rn. 28).
a) Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen wird. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer wird grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft ist. Der Fremdvergleich erfordert jedoch auch die Einbeziehung des Vertragspartners. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. So gesehen ist der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers nur ein Teilaspekt des Fremdvergleichs (BFH-Urteil vom 17.05.1995 I R 147/93, BFHE 178, 203 Rn. 17).
Dieser doppelte Fremdvergleich ist auch im Zusammenhang mit der Beurteilung einer vGA durch eine Kapitalabfindung einer Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu beachten (BFH-Urteil vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 Rn. 18).
b) Weiter kann nach der ständigen Spruchpraxis des I. Senats des BFH eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn eine Kapitalgesellschaft eine Leistung an einen beherrschenden Gesellschafter erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (BFH-Urteil vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 Rn. 13).
c) Eine Bindung an die Beurteilung der vGA im Rahmen der Körperschaftsteuer besteht nicht und zwar auch nicht über § 166 der Abgabenordnung (AO; FG München, Gerichtsbescheid vom 02.12.2020 6 K 1754/20, EFG 2021, 353; a. A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.01.2020 6 K 1497/16, EFG 2020, 423).
2. Für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit sind im Wesentlichen zwei Entscheidungen des BFH zu beachten, die vor dem Hintergrund der obigen abstrakten Rechtsgrundsätze zu der Frage ergangen sind, ob vGA im Zusammenhang mit Pensionszusagen vorliegen.
a) Das BFH-Urteil vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 betraf einen Sachverhalt, in dem einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage gewährt worden war. Diese ursprüngliche Pensionszusage enthielt keine Abmachung über eine Kapitalabfindung. Vielmehr war die versprochene Pension erst bei beziehungsweise nach Eintritt aufschiebender und auflösender Bedingungen nach Maßgabe entsprechender pro-rata-Zahlungen fällig. Im weiteren Verlauf beabsichtigte der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer, seine Anteile an seinen Sohn zu übertragen. Um seinem Sohn eine von Pensionsansprüchen unbelastete Gesellschaft übergeben zu können, verzichtete er – im Juli 2006 – auf seinen Pensionsanspruch gegenüber der Gesellschaft. Im Gegenzug erhielt er – im August 2006 – eine Abfindung.
Der I. Senat des BFH entschied, dass die vereinbarte und gezahlte Abfindung eine vGA ist. Nach den Entscheidungsgründen fehlte es – unter den Gegebenheiten des Streitfalls – jedenfalls an einer erforderlichen klaren und eindeutigen Abmachung über die Kapitalabfindung. Ausschlaggebend war, dass auch der Anspruch auf den bereits erdienten Anteil der Pensionszusage dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund der ursprünglichen Pensionszusage nicht zustand, sondern ausweislich der Zusagebedingungen von weiteren unabdingbaren Umständen abhing, deren (Nicht-)Eintritt in diesem Zeitpunkt weder absehbar noch verlässlich prognostizierbar war.
Jedenfalls in Anbetracht der Besonderheiten des dortigen Streitfalles reichte es für den I. Senat des BFH nicht aus, dass sich die Beteiligten „ad hoc“ kurz vor der beabsichtigten Abfindung der Pensionszusage auf einen Nachtrag verständigt haben, durch die die aufschiebenden und auflösenden Bedingungen aus der ursprünglichen Pensionszusage – gegen eine „Generalquittung“ – aufgehoben wurden.
b) Mit dem BFH-Urteil vom 23.10.2013 I R 60/12, BFHE 244, 256 wurde entschieden, dass es aus steuerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn eine Pensionszusage nicht von dem Ausscheiden des Begünstigten aus dem Dienstverhältnis als Geschäftsführer mit Eintritt des Versorgungsfalls abhängig gemacht wird. In seinem solchen Fall würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer zur Vermeidung einer vGA allerdings verlangen, dass das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistungen angerechnet wird, oder aber den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit aufschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat.
In diesem Zusammenhang hob der I. Senat des BFH hervor, dass der eigentliche Zweck der betrieblichen Altersversorgung für die Zeit der Weiterarbeit verfehlt wird, wenn eine laufende Altersrente geleistet und zugleich das Arbeitsverhältnis in der bisherigen Weise gegen laufendes Gehalt fortgesetzt wird (BFH-Urteil vom 23.10.2013 I R 60/12, BFHE 244, 256 Rn. 14).
3. In der steuerrechtlichen Literatur wird zur Ablösung einer Pensionsverpflichtung durch eine Abfindung die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarung einer Abfindung kurz vor dem Abfindungszeitraum möglich sein soll, wenn es einen wirtschaftlichen Grund für die Notwendigkeit einer Abfindung gebe. Auch seien die BFH-Urteile vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 und 23.10.2013 I R 60/12, BFHE 244, 256 nicht so zu verstehen, dass der BFH eine betriebliche Veranlassung von Abfindungszahlungen generell verneine (Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, KStG § 8 Abs. 3 Teil D Tz. 690; s. auch Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rz. 1051).
4. Weiter ist zu beachten, dass die Zusage einer Pensionsverpflichtung nach der Rechtsprechung des BFH eine vGA darstellen kann, wenn die Pensionszusage im Zeitpunkt der Zusage nicht finanzierbar ist, da die Passivierung des Barwerts der Pensionsverpflichtung zu einer Überschuldung der Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne führen würde (vgl. BFH-Urteile vom 07.11.2001 I R 79/00, BFHE 197, 164; 31.03.2004I R 65/03, BFHE 206, 32).
Hieraus wird in der steuerrechtlichen Literatur gefolgert, dass ein Verzicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber seiner Kapitalgesellschaft auf einen Pensionsanspruch nicht aus im Gesellschaftsverhältnis veranlassten Gründen erfolgt ist und mithin keine verdeckte Einlage vorliegt, wenn der Verzicht auf die Pensionszusage zur Abwendung der Insolvenz der Kapitalgesellschaft erfolgt ist (Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, KStG § 8 Abs. 3 Teil B Tz. 208; s. auch Bayer. Landesamt für Steuern, Verfügung vom 15.02.2007, DStR 2007, 993).
5. Nach diesen Maßstäben ist der Senat – aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Streitfalls – der sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, dass die von der W. GmbH an den Kläger erfolgte Zahlung zur Abfindung der zugunsten des Klägers bestehenden Pensionszusage nicht gesellschaftlich, sondern betrieblich veranlasst war und mithin keine vGA vorlag.
a) Zunächst fehlt es nicht an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der W. GmbH.
Vorliegend war die Aufhebung der Pensionszusage zunächst Gegenstand einer Gesellschafterversammlung der W. GmbH. Nachfolgend und auf dieser Grundlage vereinbarten der Kläger und die W. GmbH einen Plan zur Abfindung der Pensionszusage. Diese hinsichtlich der jeweiligen Hauptleistungen klare Vereinbarung (Kläger: Keine Geltendmachung der Pensionszusage, Erlöschen etwaiger Pfandrechte; W. GmbH: Zahlung von 66.000,- € zum 01.12.2012) wurde sodann ins Werk gesetzt: Die W. GmbH löste die Rückdeckungsversicherungen auf und leitete die aufgrund dessen von der J-Versicherung geleistete Zahlung als Abfindung an den Kläger weiter.
b) Weiter ist nach der Auffassung des Senats grundlegend zu beachten, dass die von der W. GmbH geleistete Abfindungszahlung nicht ohne Gegenleistung erfolgte. Der Kläger erhielt diese Zahlung im Gegenzug für den Wegfall seines Pensionsanspruchs. Im Ergebnis handelt es sich also vorliegend um ein entgeltliches Austauschgeschäft.
Aufgrund dieses entgeltlichen Austauschgeschäfts erhielt der Kläger für den Wegfall der zu seinen Gunsten bestehenden Pensionszusage lediglich den Betrag, den die W. GmbH zuvor aufgrund der aufgelösten Rückdeckungsversicherungen erhalten hatte. Dieser Betrag – 66.000,- € – lag unter dem zum 31.12.2012 ermittelten erdienten Anteil der Pensionsanwartschaft i. H. v. 77.000 €. Mit anderen Worten: Der an den Kläger ausgezahlte Betrag war geringer als der für ihn zu diesem Zeitpunkt ermittelte Anspruch.
c) Zusätzlich ist zu beachten, dass die getroffene Abfindungsvereinbarung im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit weiteren Sanierungsmaßnahmen zugunsten der W. GmbH erfolgte (u. a. Reduzierung der Geschäftsführer-Bezüge, Verkauf von im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugen, Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin). Mithin handelt es sich um eine von mehreren Sanierungsmaßnahmen und nicht um eine isolierte Beendigung der Pensionszusage.
d) Der hier im November 2012 von den Klägern einerseits und der W. GmbH andererseits vereinbarte und dann umgesetzte Plan zur Abfindung der Pensionszusage hält zur Überzeugung des Senats einem (doppelten) Fremdvergleich stand.
aa) Aus Sicht der W. GmbH hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer dem Abfindungsplan zu diesem Zeitpunkt zugestimmt. Die „Entsorgung“ der Pensionszusage diente dazu, die drohende Insolvenzreife und wirtschaftliche Krise der W. GmbH zu beseitigen.
(1) Aufgrund der Entwicklung des betrieblichen Bankkontos im Streitjahr ist festzustellen, dass die insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit der W. GmbH spätestens zum 30.09.2012 drohte und sich im weiteren Verlauf konkretisierte. Der Kontostand sank von ./. 5.500 € am 31.03.2012 auf ./. 16.000 € am 30.06.2012 und überschritt die seitens der Bank eingeräumte Kreditmittellinie i. H. v. 19.500 € spätestens am 30.09.2012. An diesem Tag betrug der Kontostand ./. 24.000 €. Im weiteren Verlauf verringerte sich der Kontostand noch mehr und erreichte zuletzt über 200 % der eingeräumten Kreditmittellinie (31.10.2012: ./. 27.500 €; 30.11.2012: ./. 40.000 €). Die insolvenzrechtliche (drohende) Zahlungsunfähigkeit hat der Beklagte im Erörterungstermin vom 07.12.2022 auch konzediert und – anders als die Überschuldung – nachfolgend auch nicht mehr infrage gestellt.
Die aufgrund der mit der J-Versicherung eingegangenen Rückdeckungsversicherungen fälligen Beträge hätten diese drohende Zahlungsunfähigkeit weiterhin verstärkt. Die Beseitigung der Pensionszusage führte zu einer Verminderung der laufenden Ausgaben auf Seiten der W. GmbH und war daher auch aus Sicht eines fremden Dritten (ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer) eine Maßnahme zur Vermeidung der unmittelbar drohenden und sich weiter konkretisierenden Zahlungsunfähigkeit.
Auch wenn es für den Senat hierauf nicht tragend ankommt, ist zusätzlich in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der W. GmbH im Ergebnis keine liquiden Mittel entzogen, sondern sogar zugeführt wurden. Die von der J-Versicherung aufgrund der Beendigung der Rückdeckungsversicherungen ausgezahlten Beträge wurden in voller Höhe an den Kläger weitergeleitet. Die W. GmbH wendete keine zusätzlichen liquiden Mittel auf. Schließlich erfolgte ein Rückfluss der von der W. GmbH weitergeleiteten Beträge durch das wiederum vom Kläger an die W. GmbH gewährte Darlehen i. H. v. 13.000 €.
(2) Ob zusätzlich zu der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch eine – zwischen den Beteiligten wegen insolvenzrechtlicher Rechtsfragen streitige – insolvenzrechtliche Überschuldung der W. GmbH i. S. d. § 19 der Insolvenzordnung (InsO) bevorstand, kann letztlich dahinstehen. Die drohende Insolvenzreife der W. GmbH ergab sich bereits aus der bevorstehenden (zumindest drohenden) Zahlungsunfähigkeit.
(3) Jedenfalls spricht die von den Klägern vorgelegte Überschuldungsbilanz dafür, dass sich die W. GmbH im November 2012 in einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise befand. Der Senat sieht sich in dieser Feststellung durch die seit 2009 bestehenden Umsatzrückgänge (2009: 112.000 €; 2010: 95.000 €; 2011: 45.000 €; 2012: 36.000 €) sowie die ab Sommer 2011 erfolgte Reduzierung der Geschäftsführer-Bezüge (Gehaltsreduzierung von 4.500 € auf 3.900 € pro Monat; Entfall des Urlaubs- und Weihnachtsgelds) bestätigt. Zudem ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass die W. GmbH zum 31.12.2011 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i. H. v. 25.000 € auswies, der aus dem laufenden Verlust des Jahres 2011 i. H. v. 44.000 € resultierte.
(4) Angesichts der bevorstehenden (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der W. GmbH und der bereits bestehenden ernsthaften wirtschaftlichen Krise hätte auch kein fremder Dritter als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer der W. GmbH den weiteren wirtschaftlichen Verlauf – und ggf. das rechtssichere Eintreten einer insolvenzrechtlichen Überschuldung – abgewartet. Aufgrund der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer bei einem bevorstehenden Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ohne schuldhaftes Zögern Maßnahmen ergreift, die dem Eintritt des betreffenden Insolvenzgrunds entgegenwirken, und zwar zeitlich bereits so rechtzeitig, dass der Eintritt noch mit hinreichender Gewissheit abgewendet werden kann. Da die drohende Zahlungsunfähigkeit im Streitfall (praktisch) bereits gegeben war, jedenfalls aber unmittelbar bevorstand, bedarf es keiner Festlegung, welcher Zeitraum für eine Reaktion noch als angemessen anzusehen wäre bzw. welche Krisenmerkmale im Einzelfall erfüllt sein müssen, um von einer hinreichend manifestierten Krise auszugehen.
bb) Auch aus Sicht des Klägers hätte ein fremder Dritter dem Abfindungsplan zugestimmt.
(1) Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation haben auch nicht an einer Gesellschaft beteiligte, ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer ein Interesse daran, sich Ansprüche aus Altersversorgungen frühzeitig auszahlen zu lassen. Dies gilt umso mehr, wenn gleichzeitig – aufgrund einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft – der Verlust des Arbeitsplatzes, mit dem sie ihre bisherigen Ansprüche aufgebaut haben, droht.
(2) Angesichts der Sanierungsfähigkeit der W. GmbH hätte auch ein fremder Dritter der Abfindung in Höhe der von der Rückdeckungsversicherung geleisteten Zahlung zugestimmt und auf eine darüberhinausgehende Zahlung verzichtet. Eine solche Abfindung dient nicht nur – mangels Liquiditätsabflusses aus der W. GmbH – der Sanierung der W. GmbH und der Vermeidung ihrer Insolvenz, sondern auch der zukünftigen Sicherung des Arbeitsplatzes.
cc) Der Fremdvergleich scheitert auch nicht daran, dass die W. GmbH ihr in der Pensionszusage vorbehaltenes Recht auf Kürzung oder Einstellung der zugesagten Pensionsleistungen hätte ausüben können.
Einem solchen Vorgehen hätte ein fremder Dritter anstelle des Klägers nicht ohne Gegenleistung zugestimmt. Der Kläger erhielt bereits eine Zahlung, die geringer als der bis dahin rechnerisch ermittelte erdiente Anteil der Pensionsanwartschaft war. Dass ein fremder Dritter darüber hinaus zu weiteren Zugeständnissen zugunsten der W. GmbH bereit gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus reichte die gewählte Maßnahme aus, um letztlich zu einer Sanierung der W. GmbH zu führen.
e) Die vom Senat gewonnene Einschätzung, dass im Ergebnis keine vGA gegeben ist, widerspricht auch nicht der o. g. Rechtsprechung des BFH.
Das BFH-Urteil vom 11.09.2013 I R 28/13, BFHE 244, 241 betrifft einen Unternehmensnachfolge-Sachverhalt und nicht – wie vorliegend – eine Gesellschaft, deren Insolvenz droht und die sich in einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise befindet. Weiter handelt es sich um eine Entscheidung, für die maßgeblich die Besonderheiten des Streitfalls ausschlaggebend waren.
Das BFH-Urteil vom 23.10.2013 I R 60/12, BFHE 244, 256 betrifft einen Streitfall, in dem eine laufende Altersrente geleistet und zugleich das Arbeitsverhältnis in der bisherigen Weise gegen laufendes Gehalt fortgesetzt wird. Im hier zu entscheidenden Streitfall erfolgte eine Einmalzahlung. Zudem lag in dem vom BFH entschiedenen Streitfall keine wirtschaftliche Krise der Gesellschaft vor.
II. Die Übertragung der Neuberechnung der festzusetzenden Einkommensteuer auf den Beklagten ergibt sich aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.
(Anmerkung: Die angeführten Eurobeträge entsprechen nicht den tatsächlichen Werten. Sie wurden im Verhältnis zueinander geändert.)