BFH: Zur Rechtsschutzgarantie bei vorläufigen Steuerfestsetzungen
Der BFH hat im Urteil vom 30.9.2010 – III R 39/08 – entschieden: Hängt die Höhe der festzusetzenden Steuer von der Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht ab und ist diese Rechtsfrage Gegenstand eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundes-gericht, wird der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen ausreichend da-durch gewahrt, dass die Steuer insoweit vorläufig festgesetzt wird. Dessen Rechtsschutz wird auch nicht dadurch in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, dass die Finanzbehörde auf einen Einspruch des Steuerpflichtigen gegen die Steuerfestsetzung vorab über entscheidungsreife Teile seines Einspruchs entscheidet. Denn der Steuerpflichtige kann Ein-spruch und ggf. Klage erheben, jederzeit auch vorläufigen Rechtsschutz beantragen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 361 AO bzw. des § 69 FGO erhalten. Ein Vorläufigkeitsvermerk, der auf § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO und auf die Besteuerungsgrundlage hinweist, hinsichtlich derer die Steuer vorläufig festgesetzt wird, ist inhaltlich nach Grund und Umfang hinreichend bestimmt und damit wirksam. Insbesondere ist es nicht erforderlich, die betragsmäßige Auswirkung der vorläufigen Festsetzung anzugeben und die anhängigen Musterverfahren nach Gericht und Aktenzeichen zu bezeichnen. Auch die im Streitfall erlassene sog. Teileinspruchsentscheidung ist rechtmäßig. Durch das Jahressteuer-gesetz 2007, das nach Ansicht des BFH verfassungsmäßig zustande gekommen ist, wurde § 367 Abs. 2a AO eingefügt, der die Finanzbehörde berechtigt, bei Sachdienlichkeit vorab über Teile des Einspruchs zu ent-scheiden. Eine solche ist auch dann sachdienlich, wenn sie nicht allein auf schnelleren Rechtsschutz im Interesse des Steuerpflichtigen gerichtet ist, sondern dem Interesse der Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung über den entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs dient, der ersichtlich nur zu dem Zweck eingelegt wird, die Steuerfestsetzung nicht bestandskräftig werden zu lassen. Der in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutz gebietet es nicht, Einspruchsverfahren möglichst lange offen zu halten, damit der Steuerpflichtige an künftigen Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu derzeit nicht streitigen Rechtsfragen teilhaben kann.
Volltext des Urt.: //BB-ONLINE BBL2010-3052-2 unter www.betriebs-berater.de
(PM BFH vom 1.12.2010)