BFH: Vorrang der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit bei gesetzlich qualifizierter Mindestbeteiligungsquote
Der BFH hat im Urteil vom 29.8.2012 – I R 7/12 – entschieden:
1. Die sog. Schachtelstrafe gem. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i. d. F. des StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) und bleibt deswegen innerhalb der Europäischen Union unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.6.2006 – I R 78/04, BFHE 215, 82, BStBl. II 2008, 821, BB 2007, 257 Ls, und des BMF-Schreibens vom 30.9.2008, BStBl. I 2008, 940).
2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i. d. F. des StBereinG 1999) verlangt – i. V. m. Art. 23 Abs. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebende Bezugsnorm – eine unmittelbare Beteiligung an einer in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v. H. der stimmberechtigten Anteile und damit eine qualifizierte Mindestbeteiligungsquote, welche bei typisierender Betrachtung geeignet ist, nach der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH „einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen“. Die Unanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i. d. F. des StBereinG 1999) erstreckt sich deshalb infolge Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit (nach Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) nicht auf sog. Drittstaaten (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 9.8.2006 – I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279, BB 2006, 2565 m. BB-Kurzkomm. Prokopf, sowie vom 26.11.2008 – I R 7/08, BFHE 224, 50, BB 2009, 1513 m. BB-Komm. Dörfler/Ribbrock).
3. Die sog. Schachtelstrafe (hier nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 i. d. F. des StBereinG 1999) widerspricht weder den Diskriminierungsverboten des Art. XI des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages noch jenen des Art. 24 DBA-USA 1989. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (hier nach Art. 23 Abs. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 und 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989) auch kein „Treaty override“ dar.
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