FG Münster: Verstoß der Sanierungsklausel gegen Gemeinschaftsrecht?
Das FG Münster hat im Beschluss vom 1.8.2011 - 9 V 357/11 K, G - erhebliche Zweifel daran geäußert, ob die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG tatsächlich - wie die EU-Kommission festgestellt hat - als unzulässige Beihilfe anzusehen ist und hat daher im Streitfall die Vollziehung von Steuerbescheiden ausgesetzt, in denen das FA unter Hinweis auf § 8c Abs. 1 KStG Verluste nicht mehr berücksichtigt hatte, obwohl unstreitig die Voraussetzungen der Sanierungsklausel erfüllt waren. Aufgrund der o.a. Entscheidung der Kommission dürfen deutsche FÄ die Sanierungsklausel grundsätzlich nicht mehr anwenden - trotz der seitens der Bundesregierung insoweit beim Gericht der Europäischen Union erhobenen Nichtigkeitsklage. Das FG Münster hat ernstliche Zweifel an der Auffassung der EU-Kommission begründet. Nicht nur das Gericht der EU, sondern auch die nationalen Gerichte seien in einem solchen Fall zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes befugt. Es sei fraglich, ob die (den Verlustabzug erhaltende) Sanierungsklausel eine begünstigende Ausnahme vom „Normalfall" der Besteuerung enthalte. Denn zweifelhaft sei, ob als „Normalfall" der grundsätzlich zugelassene Verlustabzug oder die Abzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG angesehen werden müsse. Zudem gelte die Sanierungsklausel für jedes Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde, ohne dass eine Bevorzugung bestimmter Branchen oder Unternehmen ersichtlich sei. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass eine AdV - ungeachtet der Frage der Gemeinschaftswidrigkeit der Sanierungsklausel - auch deshalb geboten sei, weil das Verlustabzugsverbot des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG möglicherweise gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstoße und verfassungswidrig sei. Entsprechende Bedenken ergäben sich jedenfalls mit Blick auf den Beschluss des FG Hamburg vom 4.4.2011 - 2 K 33/10 -, BB 2011, 1891 mit BB-Komm. Köplin/Sedemund, BB 2011, 1894, mit dem die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG dem BVerfG (2 BvL 6/11) vorgelegt worden sei. Auch bestehe ein besonders gewichtiges Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung, weil ihr andernfalls irreparable Nachteile drohten.
(PM FG Münster vom 15.8.2011)Volltext desBeschl.: // BB-ONLINE BBL2011-2070-1 unter www.betriebs-berater.de