BFH: Verfassungsrechtliche Zweifel an der Mindestbesteuerung
Der BFH hat am 26.8.2010 – I B 49/10 – in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die sog. Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n. F. verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG 2002 n. F.) endgültig ausgeschlossen ist. Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu 1 Mio. Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogenwerden, ein übersteigender Verlustbetrag dagegen nur bis zu 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte; verbleibende Verluste können erst in Folgejahren abgezogen werden. Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun angeschlossen. Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c KStG in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen blieb, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.
Volltext des Beschl.: // BB-ONLINE BBL2010-2725-1