EuGH: Ungarische Sondersteuer für den Einzelhandel keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen (Schlussanträge)
Generalanwältin Juliane Kokott vertritt in ihren Schlussanträgen die Ansicht, Die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit, stehen einer Steuer wie der ungarischen Sondersteuer nicht entgegen.
EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 5.9.2013 - C-385/12, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft / Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága
--> Zur Deckung des wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhten Finanzbedarfs hat Ungarn im Jahr 2010 eine Steuer auf bestimmte Einzelhandelstätigkeiten eingeführt. Diese Sondersteuer bemisst sich nach dem Jahresumsatz des Einzelhändlers und fällt ab einem Umsatzvolumen von über 500 Mio. HUF (ca. 1,7 Mio. Euro) an. Der progressiv gestaltete Steuersatz beträgt 0,1 %, 0,4 % oder, ab einem Umsatz von 100 Mrd. HUF (ca. 336 Mio. Euro), 2,5 %. Bei verbundenen Unternehmen, d. h. bei Unternehmen, bei denen das eine beherrschenden Einfluss auf das andere ausübt, richtet sich der Steuersatz nicht nach dem Jahresumsatz des einzelnen Unternehmens, sondern sämtlicher verbundener Unternehmen. Die Steuerschuld des einzelnen Unternehmens ergibt sich sodann entsprechend seinem Anteil am Gesamtumsatz.
Der ungarische Sportartikelhändler Hervis hält diese Steuer für unionsrechtswidrig, weil diskriminierend, und hat daher Klage vor einem ungarischen Gericht erhoben. Er gehört zu einem österreichischen Konzern, der in Ungarn auch im Lebensmittelhandel tätig ist. Da bei der Berechnung seiner Steuerschuld sämtliche Konzernumsätze in Ungarn berücksichtigt wurden, ergab sich für Hervis ein erheblich höherer Steuersatz als wenn nur seine eigenen Umsätze berücksichtigt worden wären. Hervis macht geltend, dass im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels hauptsächlich Unternehmen in ausländischer Hand von einer solchen Zusammenrechnung betroffen seien. Während diese nämlich als Konzern organisiert seien, bedienten sich ungarische Inhaber des Franchise-Modells, bei dem allein der Umsatz jedes einzelnen Franchisenehmers maßgeblich sei. Das ungarische Gericht hat den Gerichtshof vor diesem Hintergrund nach der Vereinbarkeit der Sondersteuer mit dem Unionsrecht befragt.