FG Hamburg: Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit unionsrechtskonform und verfassungsgemäß
Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 15.7.2014 - 3 K 207/13 - wie folgt entschieden:
1. Aufgrund der eingeholten Vorabentscheidung des EuGH (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866) ist geklärt, dass die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit unionsrechtskonform ist.
2. Der Ansatz der Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum als Bemessungsgrundlage ist mit dem Grundsatz der Proportionalität der Umsatzsteuer zum Preis der Leistung vereinbar (Art. 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MwStSystRL).
3. Die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer ist ebenfalls sichergestellt.
4. Die Besteuerung wird ferner dem umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz gerecht. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass bei entsprechenden Umsätzen öffentlich zugelassener Spielbanken ebenfalls die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage angesetzt werden, obwohl die Beschränkungen der SpielV auf sie nicht anwendbar sind. Im Verhältnis zu den steuerbefreiten Glücksspielen (insbesondere durch den Erwerb von Bingo- und Rubbellosen) ist eine Gleichbehandlung nicht geboten, weil sich diese Glücksspiele aus Sicht des Verbrauchers wesentlich von dem Automatenspiel unterscheiden.
5. Der Gesetzgeber hat von dem ihm in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Ermessen in zulässiger Weise Gebrauch gemacht, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG einbezog. Das gilt ungeachtet denkbarer Anwendungsprobleme dadurch, dass der Spieler keine Rechnung mit Ausweis der auf die von ihm bezogene Leistung entfallenden Umsatzsteuer verlangen kann.
6. Das EuGH-Urteil vom 24.10.2013 beinhaltet keine unzulässige Rechtsfortbildung, die als sog. Ultra-vires-Akt zu qualifizieren wäre.
7. Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Geldspielumsätze mit Automaten durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 unterlag nicht der Notifizierungspflicht gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG.
8. Die Frage, welche Bemessungsgrundlage der Besteuerung der Geldspielumsätze an Automaten zugrunde zu legen ist, ist unionsrechtlich geklärt und in verfassungsrechtlich hinreichender Weise bestimmt. Ob die Kasseneinnahmen nach dem auf den Kontrollausdrucken der Geldpielgeräte ausgewiesenen "Saldo 1" oder nach dem "Saldo 2" zu ermitteln sind, konnte im Streitfall offen bleiben. Bei der gebotenen jeweils kontinuierlichen Anwendung führen beide Berechnungen auf längere Sicht zum selben Ergebnis.