BFH: Steuerbegünstigung einer kommunalen Eigengesellschaft (Rettungsdienst) als gemeinnützig – Anwendbarkeit der Gemeinnützigkeitsbestimmungen auf die öffentliche Hand
Der BFH hat mit Urteil vom 27.11.2013 - I R 17/12 - wie folgt entschieden:
1. Eine Eigengesellschaft (hier: GmbH) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (hier: Landkreis) kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 und § 3 Nr. 6 S. 1 GewStG 2002 steuerbegünstigt sein. Das gilt auch, soweit sie in die Erfüllung hoheitlicher Pflichtaufgaben der Trägerkörperschaft (hier: Durchführung des bodengebundenen Rettungsdiensts) eingebunden ist.
2. Stehen kommunale Trägerkörperschaft und Eigengesellschaft in vertraglichen Leistungsbeziehungen, ist es als begünstigungsschädliche Gewinnausschüttung i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO anzusehen, wenn die Eigengesellschaft für die von ihr zu erbringenden Leistungen ein Entgelt erhält, das einem Fremdvergleich (in Gestalt des Kostenausgleichs zzgl. eines marktüblichen Gewinnaufschlags) nicht standhält. Die Voraussetzungen des § 58 Nr. 2 AO sind in diesem Fall nicht erfüllt.
3. Eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege gemäß § 66 AO setzt nicht voraus, dass diese in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den von ihr betreuten Hilfsbedürftigen steht (Änderung der Rechtsprechung). Maßgeblich ist, dass die Hilfeleistungen in tatsächlicher Hinsicht selbst und unmittelbar gegenüber den Hilfsbedürftigen erbracht werden (Änderung der Spruchpraxis des Senats).
4. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb agiert nicht allein deshalb „des Erwerbs wegen“ i. S. von § 66 Abs. 2 S. 1 AO, weil er seine Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet, wie private gewerbliche Unternehmen (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 18.9.2007 I R 30/06, BFHE 219, 184, BStBl. II 2009, 126). Maßgeblich ist, dass mit dem Betrieb keine Gewinne angestrebt werden, die über seinen konkreten Finanzierungsbedarf hinausgehen.
5. Die Steuerbefreiungen für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege sind bestehende Beihilfen („Alt-Beihilfen“), für die das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV nicht gilt.