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Steuerrecht
25.01.2011
Steuerrecht
BFH: Rückwirkung - maßgeblicher Zeitpunkt für Vertrauensschutz I

Der BFH hat durch Beschluss vom 7.12.2010 – IX R 70/07 – das BVerfG angerufen, weil er die rückwirkende Einführung einer Regelung über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfassungswidrig hält. Es handelt sich dabei um eine grundlegende Entscheidung zur Rückwirkungsproblematik: Nach § 11 Abs. 2 S. 3 EStG i. d. F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 9.12.2004 sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum zu verteilen, für den sie geleistet werden. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 S. 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen nach dem 31.12.2003 anzuwenden. Nach Auffassung des BFH ist diese Neuregelung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27.10.2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden. Der BFH hält das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im August/ September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaffungskosten des Rechts. Das dazu in Widerspruch stehende BMFSchreiben vom 10.12.1996 hatte der BFH in einem Urteil vom 23.9.2003 zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanzverwaltung das BFH-Urteil (durch Nichtveröffentlichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigen: Der BFH entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewaltendifferenzierung würde in Frage gestellt, könnte die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen. Das Vertrauen des Bürgers ist durch die Rückwirkung mithin enttäuscht. Da sich die (unechte) Rückwirkung auch nicht durch die vom Gesetzgeber genannten Gründe, Mehreinkünfte zu erzielen, hinreichend rechtfertigen lässt, ist sie mit dem Vertrauensschutz unvereinbar und deshalb verfassungswidrig.

(PM BFH vom 19.1.2011)

Volltext des Beschl.: // BB-ONLINE BBL2011-278-1

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