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Steuerrecht
17.01.2017
Steuerrecht
EuGH-Schlussanträge: Informationsaustausch zwischen Steuerverwaltungen – Begriff der ‚voraussichtlichen Erheblichkeit‘ der erbetenen Informationen

GA Wathelet hat mit den Schlussanträgen vom 10.1.2017 – Rs. C-682/15 - Berlioz Investment Fund gegen Directeur de l’administration des Contributions directes, ECLI:EU:C:2017:2 - wie folgt entschieden:

1. Sieht ein Mitgliedstaat in seinen Rechtsvorschriften eine finanzielle Sanktion gegen einen Adressaten vor, der sich weigert, im Rahmen eines Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden, der sich u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung stützt, Informationen zu erteilen, führt er Unionsrecht durch, was die Anwendung der Charta zur Folge hat.

2. Ein Adressat kann sich auf Art. 47 der Charta berufen, wenn er der Ansicht ist, dass sich die gegen ihn verhängte finanzielle Verwaltungssanktion auf ein Informationsersuchen stützt, an dessen Gültigkeit er zweifelt, sofern dieses Ersuchen im Rahmen eines Verfahrens ergeht, mit dem das Recht der Union durchgeführt wird.

3. Art. 47 der Charta ist dahin auszulegen, dass das Gericht, das mit der Klage gegen die finanzielle Verwaltungssanktion, die infolge der Weigerung verhängt worden war, der Anordnung Folge zu leisten, befasst ist, die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung prüfen können muss. In Anbetracht des mit der Richtlinie 2011/16 verfolgten legitimen Ziels der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und umgehung muss das Gericht auf der Grundlage einer summarischen Prüfung jedoch lediglich überprüfen können, ob sich die Anordnung auf ein Informationsersuchen stützt, das einen Zusammenhang zwischen den angeforderten Informationen, dem betreffenden Steuerpflichtigen und dem Dritten, dem gegebenenfalls Auskunft erteilt wird, einerseits und dem verfolgten steuerlichen Zweck andererseits aufweist. Eine Rechtswidrigkeitsfeststellung setzt voraus, dass das Missverhältnis zwischen Informationsersuchen und steuerlichem Zweck offensichtlich ist.

4. Die voraussichtliche Erheblichkeit der von einem Mitgliedstaat bei einem anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage der Richtlinie 2011/16 angeforderten Auskünfte stellt eine Voraussetzung dar, die das Auskunftsersuchen erfüllen muss, um die Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaats, ihm Folge zu leisten, auszulösen.

5. Das Informationsersuchen, auf das sich die Anordnung stützt, ist dem mit der Klage gegen die finanzielle Sanktion befassten Gericht und dem ersuchten Dritten notwendigerweise zu übermitteln. Vertritt die Verwaltung des ersuchten Staates die Ansicht, dass diese Übermittlung geeignet sei, die Wirksamkeit der Verwaltungszusammenarbeit im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑umgehung zu beeinträchtigen (oder ein anderes öffentliches Interesse bzw. das Grundrecht einer anderen Person zu verletzen), obliegt es ihr, im Rahmen des vorerwähnten Klageverfahrens den Nachweis dafür zu erbringen, und dem Gericht, über die Frage zu entscheiden.

Volltext: BB-Online BBL2017-149-1

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