EuGH: Erstattung der vom Dienstleistungserbringer zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer in Reverse Charge-Fällen
Der EuGH hat mit Urteil vom 11.4.2019 - C‑691/17 - entschieden:
Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung sowie der Grundsatz der Steuerneutralität und der Effektivitätsgrundsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer Praxis der Steuerbehörde nicht entgegenstehen, wonach diese, ohne dass ein Betrugsverdacht vorliegt, einem Unternehmen das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer verweigert, die dieses als Empfänger von Dienstleistungen deren Erbringer rechtsgrundlos aufgrund einer Rechnung gezahlt hat, die der Erbringer gemäß der gewöhnlichen Mehrwertsteuerregelung ausgestellt hat, obwohl der betreffende Umsatz dem Mechanismus der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger unterlag, ohne dass die Steuerbehörde
– vor der Verweigerung des Rechts auf Vorsteuerabzug prüft, ob der Aussteller dieser falschen Rechnung ihrem Empfänger die rechtsgrundlos gezahlte Mehrwertsteuer erstatten und die betreffende Rechnung im Wege der Eigenrevision gemäß der einschlägigen nationalen Regelung berichtigen konnte, um die von ihm rechtsgrundlos an den Fiskus abgeführte Steuer zurückzuerlangen, oder
– beschließt, selbst dem Empfänger der betreffenden Rechnung die Steuer zu erstatten, die dieser rechtsgrundlos an deren Aussteller gezahlt und dieser anschließend rechtsgrundlos an den Fiskus abgeführt hat.
Die genannten Grundsätze erfordern allerdings, dass der Dienstleistungsempfänger seinen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer unmittelbar an die Steuerbehörde richten kann, falls sich die Rückzahlung durch den Erbringer der Dienstleistungen an ihren Empfänger – insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Erbringers – als unmöglich oder übermäßig schwierig erweist.