BT: Cum/Ex eventuell immer noch möglich
Erstattungen von nicht gezahlter Kapitalertragsteuer durch sogenannte Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte sind nach Ansicht mehrerer Wissenschaftler trotz Gesetzesänderungen und Gerichtsurteilen auch heute noch möglich. So erklärte Professor Christoph Spengel (Universität Mannheim) in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) am Mittwoch, diese Geschäfte seien seit Jahrzehnten trotz der Umstellung des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens bis heute am Markt durch gängige Gestaltungsmodelle anzutreffen. „Dem deutschen Staat entgehen jährlich Milliarden Euro an Kapitalertragsteuern beziehungsweise Kapitalertragsteuern werden erstattet, obwohl sie nicht vereinnahmt worden sind“, erklärte Spengel. Er bezeichnete dies als „unerträglichen Zustand“ und forderte Cum / Ex- und Cum/Cum-Geschäfte endlich zu unterbinden. Es wurden in den Stellungnahmen aber auch andere Auffassungen deutlich.
Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. Die Fraktion Die Linke verlangt Maßnahmen, um Steuerskandale wie Cum/Ex zukünftig zu verhindern. Dafür sei der Mechanismus zur Einbehaltung und Erstattung von Kapitalertragsteuer zu modernisieren und ein lückenloser datenbankgestützter Abgleich von Erstattungsanträgen mit tatsächlichen Steuerzahlungen einzuführen, heißt es im Antrag der Linksfraktion (19/16836). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (19/5765) die Bundesregierung auf, alle Geschäftsmodelle zu bekämpfen, bei denen der Ertrag allein in einem angestrebten Steuervorteil besteht. Auch neue Cum/Ex-ähnliche Fälle müssten vermieden werden. Sämtliche früheren Cum/Ex-Fälle sollten aufgedeckt und verfolgt werden. Mit einem europaweiten Schaden von geschätzt 55 Mrd. Euro seien Cum/Ex und Cum/Cum-Geschäfte „der größte Raubzug der Geschichte“, schreibt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in dem Antrag.
Nach Ansicht von Rechtsanwalt Alexander Heist, der von der „Bürgerbewegung Finanzwende“ beauftragt worden war, erscheint es auch heute noch möglich, „dass so gut wie keine Kapitalertragsteuer auf Dividendenauszahlungen beim Fiskus ankommt“. Aufgrund von Ansprüchen aus Doppelbesteuerungsabkommen könne es darüber hinaus weiterhin zur mehrfachen Erstattung nicht gezahlter Steuer kommen. Trotz verschiedener Maßnahmen der Finanzverwaltung – wie zum Beispiel keine Steuererstattungen mehr an Briefkastenfirmen auszubezahlen – bestehe Anlass zu der Annahme, dass die Cum/Ex-Geschäfte mit veränderter Struktur bis zum heutigen Tage weiterlaufen würden. Der Journalist Oliver Schröhm berichtete von „Mutationen von Cum/Ex“, die weiterhin möglich seien.
(Quelle: hib-Mitteilung Nr. 925/2020 vom 9.9.2020)