BFH: Aussetzung der Vollziehung; Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment
Der BFH hat mit Beschluss vom 14.3.2019 – V B 3/19 - entschieden: Ernstlich zweifelhaft ist, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im Niedrigpreissegment hinsichtlich der Leistungsbeschreibung voraussetzt, dass die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben wird oder ob insoweit die Angabe der Warengattung („Hosen“, „Blusen“, „Pulli“) ausreicht.
→ Der BFH äußert derartige Zweifel in mehrfacher Hinsicht: Zweifel ergeben sich bereits daraus, dass zu den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung im Niedrigpreissegment noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und diese Frage in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedlich beantwortet wird.
Ernstliche Zweifel ergeben sich lt. BFH darüber hinaus im Hinblick auf die Bedeutung und Reichweite des Senatsbeschlusses vom 29.11.2002 – V B 119/02 (BFH/NV 2003, 518). Danach reicht es als Leistungsbeschreibung nicht aus, wenn über „hochpreisige“ Uhren und Armbänder mit Kaufpreisen von jeweils 5 000 DM und mehr mit bloßen Gattungsbezeichnungen wie der Angabe „diverse Armbanduhren“ oder „diverse Armbänder“ abgerechnet wird. Die Identifizierung der Lieferung des jeweiligen Gegenstands sei unter diesen Umständen erst durch eine Abrechnung unter Aufzeichnung der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstands leicht und einwandfrei möglich, insbesondere dann, wenn in der Rechnung nicht auf bestimmte Lieferscheine Bezug genommen wird.
Ob diesem Beschluss entnommen werden kann, dass im Handel mit Waren im Niedrigpreissegment geringe Anforderungen an die Leistungsbeschreibung zu stellen sind, erscheint im Hinblick darauf klärungsbedürftig, dass die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Angaben nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes können sich schließlich auch aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben. Im Streitfall könnte sich ein Verstoß gegen das Unionsrecht daraus ergeben, dass das nationale Recht hinsichtlich der Art des Gegenstands dessen „handelsübliche Bezeichnung“ erfordert, während das Unionsrecht sich mit der „Art der gelieferten Gegenstände“ begnügt (Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL; vgl. auch die englische Fassung: „... nature of the goods supplied“ oder die französische Fassung: „la nature des biens livrés“).
Es ist daher klärungsbedürftig, ob der nationale Gesetzgeber mit dem Klammerzusatz auf die handelsübliche Bezeichnung über die Vorgaben des Unionsrechts hinausgeht.